Gästezimmer

  • Chrysogona zog die Haarnadel zwischen den Zähnen hervor und steckte die Haare zum Knoten auf ihrem Hinterkopf fest. Sie richtete die vielen Falten ihres bodenlangen griechischen Peplos. Als es an der Tür klopfte, griff sie nach dem langen Mantel, den man in ihrer Heimat als Himation bezeichnete. Sie wollte den Tempel des Aesculapius aufsuchen, um den Heilgott um Unterstützung bei ihrem Vorstellungsgespräch beim Kaiser zu bitten.


    Auf ihre Bitte hin hatte Decimus Serapio ihm seine Nichte Decima Camelia zur Seite gestellt. Sie sollte Chrysogona durch das Labyrinth an Straßen und Gassen führen. Bei der Gelegenheit wollte die Medica nicht nur einen Überblick über die ewige Stadt bekommen sondern sie hoffte auch in Camelia eine angenehme Gesprächspartnerin zu finden.
    "Komm nur herein, die Tür steht offen!"


    Neugierig blickte Chrysogona zur Tür, wie die Nichte des Gardetribuns wohl aussah.

  • Ein besonderer Gast befand sich seit einigen Tagen in der Casa Decima und als ihr Onkel sie darum bat, der Medica in Rom als Begleiterin zur Seite zu stehen, schlug ihr Herz erheblich schneller. Das erhöhte sich gerade noch ein wenig mehr, als sie vor deren Tür gemeinsam mit Amanirena stand und die Ornatrix bereit war, das Klopfen zu übernehmen.


    Serapio hatte sie vorher noch einmal ermahnt, nicht ohne wenigstens einen Sklaven loszugehen und natürlich gab es dafür nur eine Person, die Camelia für fähig befand. Auch ihre Vertraute willigte sofort ein, die beiden Frauen zu begleiten, kannte sie doch einige Schleichwege und Abkürzungen, die ein sicheres Vorwärtskommen garantierten.


    Kurz kreuzten beide noch einmal den Blick und traten dann ohnen zu Klopfen der Aufforderung und Stellung entsprechend nacheinander ein.

  • Die Tür öffnete sich und zwei Frauen traten ein. Da eine von ihnen schon an der Kleidung als Sklavin zu erkennen war, musste die andere, sehr junge Frau, die Nichte des Gardetribuns sein. Decima Camelia war ein sehr hübsches junges Mädchen im heiratsfähigen Alter. Sie trug das dunkle Haar aufgesteckt und die blauen Augen bildeten einen unerwarteten Kontrast dazu. Selten hatte Chrysogona eine Frau mit dunkelbraunem Haar und blauen Augen gesehen - wirklich ein Blickfang.


    "Salvete oder Chairete, wie man in meiner Heimat zur Begrüßung sagt", begrüßte die Medica das junge Mädchen und ihre Begleiterin. "Mein Name ist Plinia Chrysogona, ich bin die Medica, die dein Onkel als Gast in seinem Haus aufgenommen hat, bis sich meine weitere Zukunft entschieden hat. Du musst Decima Camelia sein, nicht wahr? Und wer begleitet dich?"


    Chrysogonas interessierter Blick galt nun auch der Frau an der Seite der Decima.

  • Salvete Plinia Chrysogona! Sehr erfreut dich kennen zu lernen. Mein Onkel hat mir bereits kurz berichtet worum es geht und deshalb habe ich auch Amanirena an meiner Seite. Camelia deutete auf ihre Begleitung und lächelte von einer zur anderen. Sie ist schon sehr lange im Dienste der Decima. Eine hervorragende Ornatrix und Beratung in Dingen, die für eine Römerin wichtig sind. Ich habe noch bis vor einiger Zeit auf dem Lande gelebt und bin noch wenig bewandert in den Gepflogenheiten einer eben solchen.


    Außerdem ist es sicherer in Begleitung, auch können wir die Sänfte nehmen, solltest du einen weiteren Weg zurücklegen wollen. Wie ich hörte, wird es wie in meinem Leben auch in deinem einige Veränderungen geben.

  • Die Frau an der Seite der Decima war also eine Ornatrix. Chrysogona nickte ihr grüßend zu. Interessiert hörte sie, dass auch die Nichte ihres Gastgebers noch nicht lang in Rom war und zuvor auf dem Land gelebt hatte. Das war der Medica sehr sympathisch. Vermutlich konnte die junge Frau ihre Besorgnis, sich in der riesigen Stadt zurechtzufinden und mit den Gepflogenheiten der Römer vertraut zu werden, verstehen.
    "Du hast auf dem Land gelebt und bist auch noch nicht so lang in Rom? Dann kannst du sicher verstehen, dass ich befürchte, mich zu verlaufen. Wo auf dem Land hast du gelebt, Decima Camelia?", wollte Chrysogona wissen. Sie lächelte Camelia freundlich an.


    Dann erklärte sie den Hintergrund ihres Wunsches.
    "Ich würde gerne das berühmte Heiligtum des Aesculapius auf der Tiberinsel aufsuchen, um den Gott um Beistand zu bitten. Und so viel ich weiß, müssen wir, um dorthin zu gelangen, durch das Zentrum Roms laufen. Bei der Gelegenheit würde ich gerne ein wenig vom pulsierenden Herzen der ewigen Stadt kennen lernen."


    Das Angebot mit der Sänfte, lehnte Chrysogona mit einem Kopfschütteln ab.
    "Nein, nicht in der Sänfte. Ich möchte sehen, wo ich womöglich die kommenden Jahre verbringen soll. Wenn ich denn meine bescheidenen Fähigkeiten in den Dienst des ersten Mannes im Staate und seiner Familie stellen darf. Ob das allerdings der Fall sein wird, wird Tyche zu entscheiden wissen. Oh, verzeih, ihr nennt sie wohl eher Fortuna, nicht wahr?"

  • Zuerst einmal schenke Camelia ihre volle Aufmerksamkeit der Medica, ab und zu mit einem Nicken ihr Verstehen bestätigend. Als die Sprache auf die Sänfte kam, begannen die Mundwinkel der jungen Decima zu hüpften. Hatte sie doch selbst eine Aversion gegen dieses Transportmittel, auch wenn Serapio es ihr mehrfach schon ans Herz gelegt hatte, um ihre Sicherheit bemüht.


    Ich habe in Tarraco gelebt, auch wenn ich eigentlich in Rom geboren wurde. Als mein Vater hier in der Politik nicht Fuß fassen konnte, sind wir wieder zurück und schließlich blieb nur ich allein noch übrig. Jetzt nachdem ich wieder hier bin und mich langsam einlebe, fehlt mir eigentlich nur noch ein eigenes Pferd, sonst vermisse ich kaum das Landleben. Irgendwie ließ sie das Thema nicht los, auch wenn es nicht sehr gerne gesehen wurde, wenn eine Römerin hoch zu Ross unterwegs war.


    Amanirena wird uns wohlbehalten auf die Tiberinsel führen. Ein Blick zu ihrer Begleitung und deren Nicken bestätigte das Gesagte. Auf dem Weg gibt es ganz sicher auch Interessantes zu sehen. Als ich das erste Mal durch das Zentrum gelaufen bin war ich total von den vielen Reizen überflutet. Hab danach erst einmal die Stille gesucht und einige Tage mit Musizieren verbracht, um die Eindrücke zu verarbeiten. Camelia erinnerte sich vor allem noch sehr genau an die vielen Gerüche und die lauten Stimmen. Damals kam sie sich vor wie in einer anderen Welt und heute gehörte sie in diese.


    Fortuna wird dir wohl gesonnen sein, sie mag Frauen, die ihre Fähigkeiten zu nutzen wissen. Ein Zwinkern folgte und ein vielsagendes Lächeln. Wenn du ihr huldigen möchtest, hier im Garten steht eine sehr schönes Abbild von ihr. Auch ich sitze sehr oft an diesem hübschen Platz und spiele ihr auf der Kithara etwas vor.

  • Interessiert lauschte Chrysogona was die junge Decima ihr zu sagen hatte. Sie kam also aus Hispania! Damit war sie auch keine waschechte Römerin. Als Camelia anmerkte, dass sie alleine geblieben war, erinnterte sich die Griechin dass der Gardetribun ihr gesagt hatte, dass Camelia sein Mündel war. Somit war der Vater offenbar schon verstorben. Die Medica nahm sich vor, ihre junge Begleiterin bei Gelegenheit danach zu fragen, wollte aber nicht gleich so tief in ihr Privatleben eindringen. So so, ein eigenes Pferd wünschte sich Camelia. Wie ungewöhnlich für eine junge Frau, zumal in einer Großstadt wie Rom es war. Mit einem Zwinkern erwiderte sie darauf.
    "Nun, ich hoffe wir kommen auch auf andere Weise zur Tiberinsel als in der Sänfte oder auf dem Pferderücken. Ich kann nämlich nicht reiten und verlasse mich gerne auf meine Füße. Aber vielleicht erfüllt sich dein Wunsch ja und du lebst irgendwann wieder auf dem Lande, wo du dann womöglich auch ein Pferd besitzen kannst. In einer Stadt wie Rom ist es wohl eher ein umpraktisches Haustier."


    Chrysogona hob die Augenbrauen als die Decima ihr berichtete, dass sie nach dem Stadtspaziergang Erholung in der Musik gesucht habe und wenig später erwähnte sie auch welches Instrument sie spielte: die Kithara. Erfreut klatschte die Griechin in die Hände.
    "Wie schön! Du spielst Kithara? Dann werde ich nur zu gerne bei der Statue der Fortuna sitzen und dir beim Spielen zuhören. Ich liebe Musik! Und speziell den Klang der Kithara. Singst du auch dazu?", wollte sie wissen.

  • Amanirena wird ganz gewiss dafür sorgen, dass wir gut und zu Fuß die Tiberinsel erreichen. Camelia sah dabei zu ihrer Begleiterin und lächelte ihr zu. Keine kennt sich so gut aus wie sie. Dabei strich die junge Decima ihrer Vertrauten sacht über den Arm und griff nach deren Hand, um sie leicht aus Dankbarkeit zu drücken.


    Hat dir Serapio nicht ebenfalls eine Begleitung ans Herz gelegt, ich glaube er hatte so etwas erwähnt. Ein leichtes Grübeln huschte über ihre sonst glatte Stirn und kräuselte sie dezent. In letzter Zeit gab es so viele Informationen, das Ein oder Andere ist mir wohl entfallen. Gab sie ehrlich zu und lauschte weiter den Worten der Medica.


    Zum Thema Pferd schwieg sie dann doch, nachdem die Sprache auf die Kithara kam und Chrysogona offensichtlich sehr angetan war von den Künsten. Das Klatschen der Griechin erhöhte die Herzfrequenz der jungen Frau erheblich und färbte die Wangen in einem deutlichen Rotton. Ich singe auch dazu, schreibe manche Texte selbst und versuche sie mit den Klängen zu vereinen. Gerne doch! Ich freue mich dir was vorzuspielen. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen wieder auf dem Lande zu leben, könnte sogar auf ein Pferd verzichten … auf mein Instrument niemals. Nun war sie doch noch mal zum Thema zurück gekehrt. Vor allem aber auch um zu verdeutlichen, dass Rom ihre eigentliche Heimat war. Schwatzte munter drauf los und lächelte. Dir wird es ganz bestimmt hier auch gefallen.

  • Chrysogona bedachte die Sklavin, auf die Camlelia so große Stück hielt, mit einem Lächeln.
    "Gerne werde ich mich deiner Führung anvertrauen, Amanirena."


    Dann wandte sie sich wieder der Decima zu. "Dein Onkel hat mir eine Sklavin zur Seite gestellt, die mir zur Verfügung stehen soll. Sie heißt Columbana. Doch ehrlich gesagt, habe ich sie nicht nach ihren Ortskenntnissen in Rom gefragt. Außerdem hatte ich lange Zeit keine persönlichen Sklaven. In meiner Kindheit gab es eine Amme und Kinderfrau, aber in den letzten Jahren war ich für mich selbst verantwortlich. Es gab natürlich Sklaven im Asklepieion von Kos, aber eigentlich nur für die medizinischen Hilfsdienste und für die Sauberkeit der Einrichtung. Nur der Archiatros hatte einen persönlichen Sklaven."


    Hocherfreut vernahm Chrysogona das Angebot, dass die Decima für sie auf der Kithara spielen und dazu singen wollte. Es beeindruckte sie, dass die junge Frau eigene Lieder schrieb und sang. Ihr dankbares Lächeln kam von Herzen.
    "Nur zu gerne werde ich deiner Stimme und dem Klang deines Lieblingsinstrumentes lauschen. Doch nun lass uns aufbrechen! Auf dem Weg durch die Stadt kannst du mir sicher einiges über Rom und die Römer erzählen. Ich bin sehr neugierig."


    Die Medica nahm ihren Mantel und einen Beutel mit Münzen und gab der Decima einen Wink voranzugehen.

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