• Nachdem ich mich noch vor Sonnenufgang rasch angekleidet, eine zweite Tunika aus grober Wolle übergworfen hatte, die Beutel gapackt waren und auch das Messer am linken Unterarm festgebunden, nahm ich den Gladius und verbarg ihn in einem einfachen Stück Leinen. An Wasser und Brot war gedacht, den Wein hatte ich nicht vergessen und auch der Futtersack für meinen Gaul war am Vorabend frisch gefüllt worden.


    Alles lag noch in Stille als ich auf den Weg hinaus in die kalte, klare Morgenluft ritt. Rot brach Eos sich sanfte Bahn durch die schwarzgrauen Wolken, die mit sachtem Nachdruck entlang der Küstenlinie getrieben wurden. Doch dieses göttliche Schauspiel musste ich mir entgehen lassen. Denn mein Ritt führte mich bald auf die Via Ilerda und damit in das in Dunkelheit gehüllte Ende der Nacht.


    Mein tapfere Gaul, der mich von Cartenna und weiter her bis nach Tarraco getragen hatte, sollte mich nun auf einen in mehrfacher Hinsicht höheren Weg geleiten... Er schnaubte voller Kraft, wollte alle Momente in Trab fallen und ich hatte meine liebe Müh' ihn im Zaume zu halten, denn der Tag würde länger werden, als für gewöhnlich.

  • Eine knappe Winter-Stunde ritt ich nun die Via hinan. Die Sonne war aufgegangen und der Himmel goss ein trauriges Grau in die Welt, während der Wind sein übriges tat, meine anfängliche Hochstimmung in ein Gefühl der nahenden Inexistenz zu überführen. Kein Vogel sang, kein Tier war zu hören oder zu sehen.


    Schnell war mir so, als hätte ich bereits einen Tag auf dem Rücken meines treuen Hengstes verbracht. Meine Füße waren fühllos, ich spürte sie nicht mehr.


    Nach dem 15. Milliarium, das am Rande der Via davon kündete, dass ich der Zivilisation noch lange nicht verloren und das jedem Wanderer und Freunde des Imperiums Zeichen der Hoffnung und Vorfreude war, machte ich Halt, um mir die Beine zu vertreten. Ich trank etwas des eiskalten Wassers und noch einige Schlucke Weins zum Aufwärmen, ehe ich begann am Rande der Straße auf und ab zu laufen, um mein Blut in wieder in Wallung zu bringen.


    Das Pferd folgte mir und konnte es wohl nicht aushalten, an einer Stelle stehen zu bleiben und mich bei meiner seltsamen Tätigkeit zu beobachten; endlich hatte ich ein Einsehen mit dem Unverständnis meines kräftigen Freundes, schwang mich wieder auf und ritt weiter.


    Die Via stieg nun stärker an und schien einen weiten Bogen zu beschreiben, der sie am Fuße des letzten Gebirgsausläufers vorbeiführen sollte. Nun würde es beschwerlicher weitergehen.


    Der Hengst pullte lange nicht mehr, hatte sich abgefunden mit dem Schritt und seinen Übermut in der Kälte und Eintönigkeit des einfachen Geläufs verloren. Jetzt sollte er nochmals wach werden.


    Ich lenkte seine Schritte nach rechts, ab von der Straße, ins Geröll... Er schnaubte vor Freude, wie mir schien. Mir war's nun auch wieder etwas abenteuerlicher um mein Herz und - auch wenn der Wind nun genau in mein Gesicht blies - wurde mir warm.... lag's am Wein?

  • (...)


    Ich hatte getan, was ich zu tun gedachte. Ein, zwei Säcke hatte ich gefüllt und über den Rücken des Pferdes gebunden.


    Nachdem ich noch einige Steine als Markierungen übereinander geschichtet hatte machte ich mich auf den Rückweg.


    Halb erfroren war ich, als ich die Via erreichte. Einige Bauern kamen mir entgegen und sangen in einem mir unbekannten Dialekt ein munteres Lied.


    "Salve ihr guten Leute, kommt ihr aus Tarraco?"


    "Junge, da kommen wir nicht her, nein, nein, den Göttern sei dank! Warum willst Du das wissen und was hast Du hier verloren?", fragte mich ein frecher Kerl, der noch jünger zu sein schien als ich.


    "Vergiss nicht, mit wem Du sprichst, Schelm!", erwiderte ich etwas gedankenverloren und sofort in Rage gebracht.


    "Steig nur herrab, dann wollen wir ja sehen, mit wem wir's zu tun haben!" Und er trat näher.


    Unwillkürlich griff ich hinter mich, nach dem länglichen Leinen. Er wich zurück und rief einen alten Fleischberg heran, dessen vollkomen geistloses, von Zecherei und Feldarbeit geprägtes Gesicht beängstigend wirkte.


    "Nun, komm, komm, steig nur herab!" rief er mich scharf an. Der andere warf einen Blick auf die verzurrten Säcke "Ei, ei was haben wir denn da!" und begann sich daran zu schaffen zu machen.


    Ich drehte mich nach links, zog dabei das Messer und schnitt ihm aus der Bewegung heraus tief in seine linke Hand. Er zuckte nur kurz zurück. Kein Laut. Dann Blickte er mich an wie ein Tier.


    "Tzia! Tzia!" gab ich dem Hengst das Zeichen, drückte meine Unterschenkel in seine Seiten, doch er trippelte nur hin und her. Der junge Kerl hatte sich schon mit ihm angefreundet und hielt ihn an der vorderen Trense.


    "Nun komm Du Schwein, das wir dich kennenlernen! Nur Mut!" Der ältere riß derweil die Säcke herrab.


    Ich steckte das Messer zurück in die lederne Scheide.


    Ich hatte Angst, ich hatte große Angst, ich hatte die allergrößte Angst.


    Ihr Götter stehet mir bei! Mercurius Halte Deine Hand über mich!


    Zwei kurze Momente durchblitzte mich die Erinnerung an Helena, doch dann sah ich in das feiste Grinsen meiner Widersacher, die mich vom Pferd zerrten...


    ...es war nur ein Schlag gegen den Kopf und es schmerzte nicht. Doch ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Und...


    ...es wurde mir SCHWARZ vor Augen...

  • ...mir war kalt, ich zitterte am ganzen Leib. Ich versuchte die Augen zu öffen aber... wo war ich was war geschehen?


    Mein Körper, er war ein einziger Schmerz und meine Gedanken, sie waren ein einziger Schmerz. Ein einziger Schmerz


    Langsam konnte ich mein rechtes Augenlid öffnen: Etwas graues schlingerte unscharf vor mir.


    Etwas graues. Ich konnte nicht... was... wwwwfff...


    Ich konnte kaum atmen mein Mund war voller... metallisch schmeckendem... Blut, meine Zähne... waren beweglich...


    Ich schloss mein Auge.

  • Mein Körper rollte unter wildem Schmerz hin und her. Ich hätte schreien wollen. Doch ich konnte es nicht.


    Etwas knarrte und polterte. Hufschlag. "Wirf ihn weg" hörte ich jemanden sprechen


    "Wirf ihn weg, der bringt nichts mehr!"


    "Was? Du feiger kleiner Dreckskerl, wer hat ihn denn so zugerichtet! Nach zwei Tagen ist der wieder gut. Dann bringt er auch was", brüllte ein anderer.


    Ich rollte hin und her, her und hin, höchst unsanft.


    "Weg damit, sag' ich!", schrie die andere Stimme


    "Du wagst es mir zu widersprechen?! Bei den Göttern, mir zu wiedersprechen?! Du wagst es?! Wenn ich nicht wüßte, dass ich dich mit einer Hure gezeugt habe, he! Ich würde diese Schlampe verfluchen!"


    "Du wirst das Schicksal von dem da teilen, mir egal! Wirst schon sehen!"


    Ich versuchte zu erkennen was da vor sich ging, wo ich war, doch es gab nur ein graues schlingerndes Etwas vor mir.

  • Jemand setzte seinen Fuß auf meinen Bauch und drückte kräftig "So, das war's dann!"


    Ich fiel auf den Kopf und verlor beinahe das Bewusstsein. Während der Wagen sich langsam entfernte, beschimpften sich die Zwei weiter.


    Schon der Versuch mich aufzurichten kostete unsägliche Kraft, so blieb ich liegen und versuchte mich zu sammeln.

  • Wie es in den letzten Wochen häufiger vorkam, machte ich auch diesen Abend meinen kleinen Rundgang, auch wenn dies heute ein etwas längerer kleiner Rundgang werden sollte. Ich spannte gerne nach dem stressigen Tag in meinem Officium aus und dies konnte ich am ehesten durch einen Soaziergang erreichen.


    Ich folgte einfach meinen Wegen ohne genau auf meine Füße zu achten.

  • Hispania... verfluchtes Hispania... verfluchtes... spulte sich immer und immer wieder ab ohne dass ich auch nur den Mund dafür öffnete. Gleichmäßig riß und pochte der Schmerz in Armen, Beinen, Kopf und mein Genius hatte mich fast verlassen.


    Vor Hunger und Durst dem Delir nahe, robbte ich - mit einem geschlossenen Auge, einem vielleicht verlorenen, ich konntes nicht mehr öffnen - die Via entlang, in der Hoffnung es sei die Richtung nach Tarraco.


    Irgendwann, ich weiß nicht nach wievielen Stunden oder auch Tagen, verließen mich die letzten Kräfte und mein Kopf fiel in den kalten Matsch.


    Da lag ich - und dumpf gewahrte ich sich mir nähernde Schritte.

  • Meinen Blick mehr dem Himmel, dem Horizont entgegengerichtet als dem Boden vor meinen Füßen, wurde ich erst spät des leblosen Körpers gewahr - als ich neben diesem ging. Irgendetwas war seltsam und ich blickte zur Seite, wo ich ihn sah. Einen Moment lang schien die Welt stillzustehen und mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Ich war nicht sicher wieviele Momente so verstrichen, ehe ich mir ein Herz fasste und langsam auf die Gestalt zutrat.


    "Hallo...?"


    flüsterte ich mit heiserer Stimme, während ich den Manne zaghaft rüttelte.

  • Jamand näherte sich zögernd. Doch ich kkonnte meinen Kopf nicht mehr heben es war mir nahezu gleichgültig.


    Man raunte mir etwas zu, was es war verstand ich nicht. Als man mich dann an der Schulter griff und rüttelte, entfuhr mir ein vom Matsch gedämpfter Schmerzensschrei, der wie ein Gurgeln klang.


    Ich blieb liegen und wartete auf mein Ende, das hoffentlich nicht mehr weit war.

  • Ich wusste nicht ob ich den Schmerzensschrei mit Optimismus oder Besorgnis quittieren sollte - wenigstens war er nicht tot! Doch es schien schlimm um ihn zu stehen, Blut befleckte seine Kleider. Gleichgültig ob des Matsches am Boden kniete ich mich auf jenen und drehte den Manne zaghaft so, dass sein Kopf auf meinem Schoß zu Ruhen kam. es war vielleicht nicht unbedingt Sitte, doch ich machte mir Sorgen und jegliche Sitte zählte nichts. Ich war sehr vorsichtig gewesen, doch als ich das Gesicht erblickte, hätte ich ihn auf halben Wege beinahe wieder gleiten gelassen.


    "Oh ihr Götter! Quintus!"


    flüsterte ich, in meinem Bauch machte sich ein schmerzhaftes Ziehen bereit. Ich musste Fortuna und Mercurius danken, für jenen Weg den sie mir hierherlenkten. Sanft strich ihn an einer der wenigen nicht blutbefleckten Stellen auf der Stirn. Ich fing vorsichtig, ja nahezu zärtlich an, ihm den Schmutz aus der Stirn zu tupfen.

  • Es war unterträglich als man mich umdrehte, aber ich leitstete keine Gegenwehr mehr, selbst um die Zähne zusammenzubeißen fehlte die Kraft. Es fehlte nur noch ein kleiner Stoß und ich würde diese Welt endlich verlassen haben. Und da geschah das Mysterium: Unter Anrufung der Götter sprach man meinen Namen!


    War ich nun alles vorüber? Irgendetwas glomm in mir auf, doch es war allenfalls ein so kleines Flämmchen, dass es mich reizte es wahrzunehmen. Ist dies der Tod?

  • Ich erblickte sein leises Beben in den Lidern als wolle er versuchen die Augen zu öffnen, doch es war so zart - ich konnte mir nicht sicher sein. Es schmerzte mich sehr, ihn so zu sehen und erst jetzt fragte ich mich - was war vorgefallen? Ich spürte eine Träne meine Wange hinunterrinnen, wollte ich ihm doch so gern helfen.


    Doch was konnte ich tun? Ich war allein hier und niemand konnte rasch einen Medicus holen. Ich hatte Angst ihn stützend in Sicherheit zu bringen. Und einfach alleine gehen und ihn hierlassen? Das brächte ich nicht fertig. Ich tupfte weiterhin sein Gesicht von Schmutz frei und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.


    "Quintus, so komm doch zurück, wach auf."


    flüsterte ich ängstlich.

  • Wach auf... ganz tot konnte ich nicht sein... Ich hätte lachen mögen über diesen Gedanken und verscuhte das rechte Auge zu öffnen um der Götter ansichtig zu werden. Und die Götter küssten mich und weinten.


    Unscharf konnte ich blondes Haar erkennen und ein Gesicht das sich übermich beugte. Es weinte und eine kleine Träne fiel mir auf die Wange.


    Ich versuchte den Blutverkrusteten Mund zu öffnen und etwas zu sagen. Alles was es war, war ein Laut, der wie ein Ach! klang. War dies das unscharfe Antlitz einer Gottheit?


    Meine Schmerzen jedoch belehrten eines besseren: Diese Welt war die alte und noch war ich unter den Lebenden. In einem weiteren Anlauf presste ich ein "Was..." heraus.

  • Ein leichtes Zucken spürte ich an meinem Munde, war er doch dabei zwischen einem erleichterten Lächeln und erschrockener Besorgnis zu schwanken. Ich fuhr ihm weiterhin sanft durchs Haar und sprach leise auf ihn ein - dieser Versuch seinerseits zu sprechen hatte mir Mut gegeben.


    "Streng dich nicht zu sehr an, Quintus, bleib ganz ruhig liegen. Ich bin hier und du bist schwer verletzt. Ich werde mich um dich kümmern und dafür sorgen, dass du bald nach Hause kommst und versorgt wirst, doch überanstrenge dich bitte nicht.."


    Mit dem Handrücken wischte ich mir eine weitere Träne fort und griff nach seiner Hand um sie zu halten. Hilflos blickte ich um mich, doch ausser weit in der Ferne konnte ich nichts erblicken - und selbst das war nur eine Silhouette.

  • Langsam kam mir die Erinnerung zurück, an das was geschehen war und ich versuchte zu erkennen wo ich war und wer mit mir sprach... dies Stimme, so vertraut und schön.


    "...bist Du?", stöhnte ich.


    Es war ganz unmöglich, das gerade sie es war, die mich in meinen Gedanken häufig begleitet hatte...


    "... Du...", atmete ich aus und sank in sonderbarer Freude zurück.

  • "Ich bin es, Helena."


    murmelte ich sanft und ihn weiterhin beruhigend streichelnd. Es schien ihn wirklich hart erwischt zu haben und ich hoffte sehr, dass er es schaffte. Nein, er würde es schaffen. Er -musste- es schaffen.


    "Es wird dir nichts geschehen, ich gebe auf dich Acht! Ruh dich nur aus, oder erzähl was vorgefallen ist. Ich bin hier und passe auf, höre dir zu und bin für dich da."


    flüsterte ich und musste aufgrund meiner gefühlvollen Worte schmunzeln. Immer sicherer wurde ich mir, dass wir es hier gemeinsam schaffen würden, er mit meiner Hilfe und ich mit seiner Genesung.

  • "Helnahh..." Ich schluckte, welch seltsame Fügung. Hätte ich nur lächeln können.


    "... einen ...Schluck"


    Dabei versuchte ich mich aufzurichten. Wenn ich versuchte zu Atmen bekam ich kaum Luft; es fühlte sich an wie ein Messer in meiner Lunge.


    "...Tarraco", stieß ich hervor, hob meinen Arm und zeigte in irgendeine Richtung.


    Auch wenn es Helena war und ich mich darüber freute, so dachte ich nichts, und nur mein Körper war es, der das, was mir in den Sinn trat verursachte: Ich dachte wie ein erschlagenes Reh.

  • "Ich habe leider nichts... Quintus, glaubst du, wenn ich dich stütze, schaffst du es ein paar Schritte zu laufen?"


    Am liebsten hätte ich ihn fest und schützend in meine Arme geschlossen. Auch wenn ich nun eine Rediviva war, der kleine Bruder blieb er trotzdem in meinen Augen. Sanft fügte ich an:


    "Oder kann ich dich kurz allein lassen um Hilfe zu holen?"


    Ich hoffte er würde noch ein weisendes Wort hervorbringen können, mir war bang ums Herz.


    Sim-Off:

    Nächtchen :)

  • "... geh..."


    Innerlich brach ich zusammen. Doch man sah es mir nicht an, fühlte ich. Mit geschlossenem Auge, Kinn auf dem Brustkorb, zeigte ich abermals in die Richtung, die ich nicht kannte und hoffte sie würde verstehen was ich meinte...


    "... ruhig"






    Sim-Off:

    Dir auch ;)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!