[Cubiculum] Rediviva Helena

  • Gemeinsam mit Callidus brachte der Sklave die junge Herrin in ihr Zimmer. Da er sich kein bisschen auskannte und Helena nicht sonderlich gut mitarbeitete, nämlich nur die Füße anhob, dauerte diese anstrengende Prozedere recht lange und der Sklave brummte ein wenig dabei. Hätte er sich doch nur nicht darauf eingelassen. "Publius..." konnte man nur einmal verlauten hören, doch das ignorierte der junge Sklave voll und ganz. Frauen brachten nichts, wenn man sie nicht ins Bett beordern konnte.

  • Callidus sah sich das Spektakel ratlos an. Was hatte sie nur? Hatte sie zu viel getrunken? Frauen vertrugen in der Regel kein Alkohol! Zumindest nicht die Art von Frauen, wie Helena eine war. Nein, dass konnte er sich bei ihr kaum vorstellen, auch wenn er sie kaum kannte. Was hatte sie also nur? Sie rief nach einem Publius! Callidus kannte keinen Publius in diesem Hause!


    "Wer ist Publius?"

  • "Ich kann dann wieder gehen?" erkundigte sich der Sklave mit einem Seitenblick zu diesem seltsamen Herrn, der sich der Herrin angenommen hatte. Es behagte ihm nicht, hier zu sein, weshalb er schnellstens wieder zur Casa Matinia zurückwollte, wo es jetzt auch Speis und Trank gab.


    Helena indes blicke nur mit einem verwirrten Blick zu Callidus. Sie verstand nicht, wie man diese Frage nur stellen konnte. Wer kannte denn den Tribunus Laticlavus nicht, der die ruhmreiche Legio IX nach Germania geführt hatte? Ein wirres Schnauben war zu vernehmen, welches einem Lachen gleichkommen sollte. "Mein Mann." murmelte sie und sah ihn an. Diese Worte hörten sich in ihren Ohren äusserst seltsam an.

  • "Ja, du darfst gehen!"


    Er hatte den Sklaven schon gar nicht mehr wahrgenommen. 'Ihr Mann?' Callidus wusste gar nicht, dass sie verheiratet war.


    "Du bist verheiratet? Das wusste ich gar nicht! Dann lebst du noch hier im Kreise der Familie?"


    Das alles kam ihm seltsam vor. Waren die beiden geschieden und sie lebte wieder bei der Familie? Oder war er zu arm um sich und seiner Frau ein Haus zu leisten. Würde sie sich mit so armen Schluckern abgeben? Wohl kaum!


    "Ich verstehe nicht ganz, Schwesterherz! Was ist mit deinem Mann?"

  • Sie nahm kaum wahr, was alles geschah, sondern blickte stattdessen sehnsüchtig zu ihrem Bett. Sie konnte kaum mehr stehen, doch was sollte es. Sie hatte es verdient zu leiden, ihretwegen musste er sterben. "Elysium." brachte sie nur knapp hervor und starrte auf den Boden vor sich, während der Sklave mit einem letzten Blick die Tür von außen verschloss.

  • Er verhalf Helena zum Bett und entfernte sich dann wieder ein Stückchen.


    'Elysium! Welcher Teil des Imperiums war denn das?' Er überlegte eine kurze Zeit. Dann ging ihm ein Licht auf! Sie meinte doch nicht etwa die elysischen Felder des Hades. Er hätte sich an den Kopf fassen können. Keine angenehme Situation. Er wusste einfach zu wenig von seiner Famile um in dieser Situation helfen zu können.


    "Oh..."


    Mehr kam aus ihm nicht heraus. Nachfragen war einfach zu taktlos. Er wollte sie nicht noch mehr daran erinnern. Er würde Romanus fragen müssen, was es damit auf sich hatte.


    Schließlich näherte er sich ihr und setzte sich auf den Bettrand um nach ihrer Hand zu greifen. Sie war kalt.


    "Wir kennen uns noch nicht lange, ja eigentlich gar nicht, obwohl wir Geschwister sind. Doch unsere Herzen kennen sich schon lange, sind sie doch dem selben Leib enstsprungen. Ich bin für dich da Schwesterherz!"


    Auch wenn er nicht wusste, wie er das genau anstellen sollte.

  • Sie ließ sich schlapp auf ihr Bett plumpsen und starrte vor sich auf den Boden. Es war ein harter Kampf, zwischen den beiden Welten herzuwandeln: Der Welt der Erinnerung und jener der Gegenwart. "Er ist in Germanien gefallen." murmelte sie. Und sie dumme Kuh hatte die ganze Zeit im Geheimen erwartet, dass er zurückkehrte. Offensichtlich war er noch in Gefangenschaft gewesen, denn all die Zeit hätte er als Leiche nicht verschwunden sein können, wenn er nun hier war. Sicher ist er kurz auf ihr Bitten hin gestorben. Mittlerweile wütend auf sich selbst schlug sie mit der Faust gegen die Bettkante und barg ihr Gesicht in der schmerzenden Hand. Allerdings wurde ihr diese bald wieder genommen und fand sich in der Hand von Callidus wieder. Außer der einen kleinen roten Stelle war sie eisig kalt, ebenso erstarrt wie ihr Herz. "Danke." flüsterte sie und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass er ihr Bruder war, aber dieser Umstand war ihr jetzt auch nicht wichtig.

  • "Das tut mir leid! Die Barbaren dort kennen auch keinen Anstand!"


    Er strich ihr sanft über ihre Hand. Wieso hegte sie so einen Groll?


    "Aber du kannst doch nichts dafür! Er ist bestimmt nicht auf dein Bitten nach Germanien gegangen! Wir können uns unser Schicksal nicht aussuchen!"


    Wie recht er hatte! Er hätte sich niemals vorstellen können, mit seinen Geschiwstern in einem schönen Haus in Hispania zu wohnen. Besorgt sah er sie an.

  • "Er war Tribun." sagte sie kurz. Nein, nach Germanien gegangen war er gewiss nicht ihretwegen, gestorben mit Sicherheit. Sie drehte ihren Kopf leicht, sodass nicht mehr ihre Schläfe, sondern ihre Stirn an seiner Schulter ruhte und sie wieder zu weinen begann. "Ich habe so viele Fehler gemacht." schluchte sie in seine Tunika und presste seine Hand. Wielang wohl all der Schmerz in ihrem Herzen wohnen würde? Und Minervina? Was würde erst sie sagen, wenn sie von dem Dahinscheiden ihres Vaters erführe?

  • "Fehler machen wir alle Helena! Selbst die Götter sind nicht unfehlbar! Aber so ist das Leben! Doch aus Fehlern lernt man!"


    Callidus fuhr Helena durchs Haar. Auch er hatte in der Vergangenheit viel durchgemacht.


    "Hör auf dir nun Vorwürfe zu machen, das hilft dir auch nicht und dein Mann hätte dies auch nicht gewollt! Hast du die Nachricht bei den Matiniern bekommen?"

  • Wieder regte sich das schlechte Gewissen in ihrem Herzen. Sie hätte damals nicht zu Agrippa gehen dürfen. Wäre sie in den Schoß ihrer Familie zurückgekehrt, dann hätte Romanus sie gewiss schneller gefunden und sie hätte Metellus nicht kennengelernt, was vermutlich auch Maximus den Tod erspart hätte. "Ja." meinte sie nur knapp. "Es gibt aber geschehene Fehler, die zu schlimme Folgen haben, alsdass man daraus lernen könnte. Man sollte nicht durch Tode lehren oder lernen." hauchte sie.

  • "Aber was bringt es ständig daran zu denken? Du machst dich damit nur unglücklich! Dein Leben lang! Vergessen kann man so etwas nicht, das stimmt! Aber man kann lernen, damit zu leben! Und wie ich schon sagte, dich trifft keine Schuld!"


    Anscheinend gab sie sich die Schuld für seinen Tod. Callidus verstand das nicht! Er war Soldat und wusste um die Gefahren, die ihm dort in Germanien erwarteten. Er war als Soldat gefallen!

  • "Mich trifft alle Schuld." brachte sie mühsam hervor. Oh sie hatte sich wie eine Lupa verhalten. Sie war mit Maximus verheiratet gewesen und trotz Allem mit ihrem damaligen Adoptivbruder ins Bett gestiegen. Zu alledem hatte sie noch zwei Kinder, die ihr Mann gezeugt hatte. Und als ob dem nicht genug wäre, nein, sie wünschte sich auch noch eine gemeinsame Zukunft mit ihrem 'Bruder'. Sie hatte einfach so mit ihm geschlafen. "Ich habe mir seinen Tod gewünscht, habe für diesen gebetet und geopfert." flüsterte sie leise, damit ja niemand davon hörte außer Callidus. Es war abscheulich.

  • Callidus war schockiert über die Worte die er von seiner Schwester vernahm. Er konnte es sich kaum vorstellen, wieso sie das tat. War er ein schlechter Ehemann gewesen? Das konnte kaum sein, denn sonst würde sie wohl nun kaum trauern.


    "Papperlapap! Ich glaube kaum, dass dich da eine Schuld trifft! Wenn er ein guter und gläubiger Mensch war, dann werden die Götter ihm kaum etwas angetan haben! Das müsstest du als Pontifex doch am besten wissen, oder? Es sei denn du hast zu den etwas finsteren Gestalten gebetet!"

  • "Ich habe zu Iuno gebetet." erwiderte sie mit ausdrucksloser und noch immer sehr leiser Stimme. Sie blicke kurz auf seine Tunika und nahm dann den Blick von ihm um auf den Boden zu sehen. "Ich habe nie an die Konsequenzen für mein egoistisches Handeln gedacht und nun kostete es das Leben eines wunderbaren Menschens. Er war der ehrenhafteste Patrizier den ich je kannte - keiner würde so mit dem 'einfachen' plebejischen Voik mitlaufen."

  • "Also wenn du zu Iuno gebetet hast, dann solltest du dir keine Sorgen machen! Iuno würde kaum eine Ehe zerstören!"


    Er war sich dieser Sache ganz sicher und wunderte sich, dass Helena so anders dachte. Sie musste wirklich große Schuldgefühle empfinden, wobei ihm immer noch nicht klar war, wieso!


    "Wieso hast du denn dafür gebet?"

  • Doch diese Frage ließ Helena unbeantwortet. Sie brachte es nicht fertig über Metellus zu sprechen, wusste nicht ob sie ihn als Affäre erwähnen sollte - denn in den Augen anderer war er kaum mehr als eine solche. "Für einen anderen." flüsterte sie leis. Wie hässlich sich diese Worte anhörten. Metellus war nicht irgendein 'anderer' aber genausowenig war es gerecht, dass Maximus hatte sterben müssen. Nur weil sie ihre Treue nicht hatte halten können, weil sie nicht an ihn geglaubt hatte.

  • "Oh... Ich verstehe..."


    Ob dieser jemand wohl bei den Matiniern zu suchen war? Dies änderte natürlich alles, doch würde Iuno dennoch nicht jemanden zu Tode verurteilen, nur weil Helena jemand anderes lieben gelernt hat.


    "Wie kam es dazu, dass du dich neu verliebtest? War er solange fort von dir und hat sich nicht mehr für dich interessiert?"

  • "Er verscholl bei den Feldzügen gegen die Germanen, doch ich hätte niemals aufhören dürfen, an ihn zu glauben. Er hat es gewiss auch nie aufgegeben, mir Glück zu wünschen. Er hat gewiss jede Nacht an mich und seinen damals noch ungeborenen Sohn gedacht. Er wäre gewiss zurückgekehrt, wenn ich nicht dieses verdammte Gebet getätigt hätte. Er würde leben, hätte ich zu ihm gehalten." meinte sie voller Selbstverachtung und schloss die Augen. Der Schmerz war unendlich groß und er schien nicht von ihr lassen zu wollen.

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