[Cubiculum] Rediviva Helena

  • Ganz entgegen ihres morgendlichen Enthusiasmus lag sie gestreckt auf dem Bett und blickte nachdenklich an die Decke, während eine Hand auf der Stirn lag. Auch sie hatte das Streitgespräch nicht mehr recht losgelassen und auch, wenn nun alles in die Wege geleitet ist, tat es ihr leid, wie sie mit ihrem jüngeren Bruder umgegangen ist. Ein wenig zumindest. Da hatte sie als Vorbildfunktion große Schwester ( :D ) wohl auch wieder gänzlich versagt. Aber sie wollte nicht zu Callidus, was auch einen bestimmten Grund hatte. Scheinbar war er eine Beziehung eingegangen, was wohl der einzige Grund für seine Geheimnistuerei sein konnte und sie wollte nicht stören, falls sein Mädchen jetzt bei ihm war. Vergessen hatte er den Vorfall sicherlich, denn sie schätzte ihn nicht so ein, dass er sich wegen einer solchen Sache lange den Kopf zerbrach.


    Als es klopfte schloss sie kurz die Augen, setzte sich dann aber aufrecht hin und rief "Herein?!"

  • Callidus öffnete die Türe, trat ein und sah seine Schwester auf dem Bette sitzen. Er konnte sich eine zynische Bemerkung nicht verkneifen.


    "Ah! Hast du einen Moment der Ruhe gefunden und Zeit gehabt dich zu beruhigen, Helena?"


    Normalerweise nannte er sie nie bei ihrem Namen, aber der Vorfall von heute morgen berührte Callidus recht kühl. Er fühlte das seine Schwester einige Distanz zwischen sich und ihm geschaffen hatte. So fragte er sich ernsthaft, wie es weitergehen sollte. Sein Blick war ernst, noch so eine Seltenheit.

  • Ihr Blick wirkte geschafft und um ihre Mundwinkel zuckte ausnahmsweise einmal nicht der Hauch eines Lächelns. Sie sagte nichts, als sie Callidus eintreten sah. Sollte er doch nur seinen Rachefeldzug beginnen, alllmählich war ihr alles gleich. Vielleicht hätte sie unter der patria potestas des Agrippa bleiben sollen. Dann wäre sie nicht in der Zwickmühle Maximus-Metellus und hätte niemals den Ärger gehabt, den sie schon so häufig mit Callidus austragen musste.


    Auch seine Worte ließ sie schweigend über sich ergehen. Offensichtlich wollte er sie provozieren, aber das konnte sie jetzt nicht. Bei Einbruch der Dunkelheit - oder bei der Abenddämmerung - setzte ihre Schonzeit ein, in welcher sie ihren Gedanken nach hing. "Ist etwas Wichtiges? Ansonsten würde ich jetzt gerne meiner Pflicht nachkommen." meinte sie kühl und doch deutlich verletzt. Ihre Pflicht, die sie nicht nur als Ausrede nutzte, würde in einem Besuch an Maximus' Urne enden.

  • "Das kommt ganz darauf an!"


    sagte er kurz und knapp. Sie war immer noch so wie heute morgen. Immer noch so kühl. Wie sollte er unter diesen Umständen unter ihrer Führung weiterarbeiten? Schon damals beschlich ihm ein ungutes Gefühl, aber irgendwie war es auch etwas schönes in einem Familienunternehmen zu arbeiten. Solange sich die Arbeit nicht auf das Privatleben auswirkte. Genau dies war geschehen!


    "Ich glaube es ist besser wenn ich gehe!"


    sagte er zweideutig zu ihr.

  • Die Art, wie sie sich erhob, zeigte deutlich, dass sie keine Kraft mehr für zehrende Diskussionen aufbringen würde. Sie wusste durchaus, dass sie heute Mittag etwas über die Stränge geschlagen hatte und es tat ihr auch leid. Doch seine Passivität hatten sie erst so gereizt. Mit kurzen Schritten ging sie zu ihrem Fenster und lehnte sich an das Stück Wand unter der Luke. Die Luft war angenehm und nicht mehr so drückend. Abwesend hing ihr Blick irgendwo in der Dämmerung, ehe sie leise meinte: "Halte noch ein wenig durch. Wenn ich aus Rom zurückkehre, wird ein neuer Pontifex eingesetzt." Und ob es nur eine Drohung oder Tatsache war, wusste Helena nicht mit Sicherheit.


    "Dann wirst nicht du gehen müssen. Vielleicht werde ich mich auch um Versetzung nach Rom bemühen. Aber mit mir wirst du dich nicht mehr abplagen brauchen." Dass sie mit ihren Worten kein Mitleid erzeugen wollte, oder vorhatte ihn unter Druck zu setzen, sollte man deutlich an ihrer geschlagenen Stimme hören.

  • "Ist das so?"


    fragte er erstaunt. Dann blickte er nachdenklich drein.


    "Nun, dass würde sicherlich eines der Probleme lösen. So kann Privates nicht auf das Geschäftliche abfärben!"


    Er ging einige Schritte auf sie zu. Diese gedrückte Stimmung gefiehl ihm gar nicht und er hatte Schwierigkeiten damit umzugehen. Er war eigentlich ein lebensfroher Mensch.


    "Aber ich denke das löst nicht alle Probleme und auf jeden Fall nicht deine!"


    Er machte sich Sorgen um seine Schwester. Was war nur mit ihr los? Wieso richtete sie ihren Groll so gegen ihn? Er hatte doch stets versucht für seine Schwester da zu sein. Aber jetzt, jetzt fühlte er sich hier in diesem Hause nicht mehr wohl.

  • Sie bemerkte nicht, dass er sich ihr genähert hatte. Nachdenklich hatte sie den Blick noch immer nach draußen gerichtet, wo der Himmel in immer wärmere Farben getaucht wurde. "Ich denke ich tauge nicht dazu, eine ganze Provinz religiös zu leiten." - 'schließlich tauge ich nicht einmal als Schwester oder Mutter etwas' - fügte sie in Gedanken hinzu und seufzte leise.


    "Dadurch würde immerhin die Provinz eine wohl kompetentere Pontifex erhalten und deine Probleme würde es wohl ebenso lösen. Ich verstehe nicht, wie du und Metellus zurecht kommen. Ich halte im Gegensatz zu Metellus nicht halb so viel von Arbeit und Standhaftigkeit - und habe ihn sogar schon deshalb kritisiert. Ihr beide seid ja noch unterschiedlicher." überlegte sie laut vor sich her, wobei ihre Stimme allerdings nicht besonders lautstark war. Sie hatte nicht wirklich wahrgenommen, dass Callidus Metellus eben nicht mochte, auch wenn letzterer schon einmal diesen Verdacht geäußert hatte.

  • "Das denkst du also! Solltest du deine Beurteilung nicht lieber anderen Menschen überlassen? Sich selbst sieht kann man doch schlecht beurteilen! Siehst du, ich dachte ich würde dem Cultus Deorum gut dienen, du hast mir aber gesagt, dass würde ich nicht! Da sieht man doch, wie die eigene Meinung von der eines anderen stark abweichen kann!"


    Was für eine lange Rede, dachte Callidus sich. Aber es stimmte was er sagte. Er ging noch einige Schritte auf sie zu und stand nun ganz dicht hinter ihr, so dass sie seinem Atem spürte. Es roch nach Minze.


    "Außerdem ist Arbeit nicht alles! Leben sollst du! Ansonsten hast du nichts und bist innerlich leer, wenn du nur arbeitest! Die Menschen brauchen dich hier!"

  • Seine Worte berührten sie, denn wenn sie eines wusste, dann dass Callidus sie niemals belügen würde. Callidus log überhaupt nicht, er sagte auch dann die Wahrheit, wenn sie schmerzte. Und manchmal konnte man diese Eigenschaft auch als Taktlosigkeit bezeichnen. Sie rang sich nun doch ein leichtes Lächeln ab, wenn dies auch kaum auf ihrem Gesicht zu sehen war. Als sie den Atem spürte, kroch eine leichte Gänsehaut auf ihre Arme. "Du bist kein schlechter Diener. Ich denke eher, dass ich eine zu enge Ansicht der Welt habe - wie du schon sagtest." murmelte sie.


    "Vielleicht solltest du mich lehren, wieder zu lachen. Ich liebe meine Arbeit, aber du hast vermutlich recht - ich nehme sie zu ernst. Es tut mir leid, wie ich vorhin zu dir war." Sie spürte, wie ihre Augen zu drücken begannen, doch sie hielt die Tränen zurück. Auch das Zittern ihrer Stimme sollte nicht zu seinen Ohren klingen.

  • Nun ging er auch noch die letzten Schritte auf sie und umarmte sie von hinten.


    "Nun, das Angebot stand doch schon immer, nur du hast davon nie gebrauch gemacht! Aber ich wäre gerne dein Lehrmeister, Schwesterherz!"


    Er lachte leise auf. Die Situation war anscheinend entschärft.


    "Wann fangen wir mit dem Unterricht an?"


    Er streckte seinen Kopf nach vorne um in ihr Gesicht zu schauen.

  • Lächelnd legte sie ihre Hand auf seinen Arm, der sich sacht um sie gelegt hatte. Auch sie war nicht unglücklich darüber, dass sie sich wieder vertrugen. Gerade mit ihm war es immer sehr schwer, da er sowohl Bruder als auch Schüler war und sie ihn natürlich nicht bevorzugen wollte. Was dann zur Folge hatte, dass sie ihn häufig benachteiligte.


    Als sich sein Kopf über ihre Schulter legte und zu ihr hinabsah - denn auch Callidus war deutlich größer als sie - lächelte sie ihm entgegen und kniff ihm zärtlich die Nase zusammen. "Meinetwegen schon jetzt. Für heute bin ich geschafft und mag nicht mehr gestresst sein." Metellus Unterricht hatte im Wein geendet, wie es wohl bei Callidus vonstatten ging?

  • Callidus war froh über diese Entwicklung. Er machte ein komisches Gesicht, als seine Schwester ihm in die Nase kneifte. Dann ließ er von ihr ab, griff aber nach ihrer Hand.


    "Lektion ein, ein leerer Magen ist ein schlechter Magen! Lass uns mal nachsehen, ob wir etwas zum Essen in der Küche auftreiben können!"


    Er schaute sie erwartungsvoll eine Weile an und zog sie dann hinter sich her.

  • Sie wollte erst leichten Protest von sich geben, da schließlich eigentlich das Triclinium doch bequemer war, aber dann ließ sie sich doch mitziehen und lachte dabei leise. Den restlichen Abend sollte Callidus doch all seinen narrischen Gedanken nachgehen können. So folgte sie ihm also in die Culina.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!