An Marcus Vinicius Lucianus
Regia Legati Augusti pro Praetore
Mogontiacum, Germania
Salve, mein Bruder,
lange schon hast du nichts mehr von mir gehört, was allerdings auch daran lag, daß es kaum etwas zu erzählen gab. Und doch vermute ich, daß du meine Neuigkeiten schon längst in der Acta gelesen hast, dennoch möchte ich dich persönlich unterrichten. Zum einen hat der Senat beschlossen, mich als Proconsul nach Hispania zu entsenden. Da etliche meiner Freunde und Parteigänger mich schon Wochen zuvor ordentlich bearbeitet haben, habe ich mich halt dazu bereit erklärt. Es ist allerdings schon sehr lange her, daß ich Rom für eine längere Zeit verlassen habe, vielleicht erklärt sich dadurch mein früherer Widerwille. Wie dem auch sei, ich werde - sobald ich all meine Angelegenheiten erledigt habe - in den nächsten Tagen nach Tarraco abreisen. Ich war ja schon einmal dort, nette Gegend, soweit ich mich erinnere. Meine Tochter und den Großteil des Haushaltes nehme ich natürlich mit. Zum anderen, auch das wirst du vermutlich schon aus der Acta wissen, habe ich mich endlich dazu entschließen können zu heiraten. Es ist eine Tochter von Licinius Calenus, du kennst ihn sicher. Hübsch ist sie, und nicht allzu jung, nicht, daß sie mir so wie Livia beim ersten Kind wegstirbt. Die Hochzeit wird dann in Tarraco stattfinden, ich weiß, daß es dir nicht möglich sein wird zu kommen. Solltest du es dennoch einrichten können, würde es mich freuen. Zum Schluß habe ich noch eine Nachricht, und die hast du sicher nicht aus der Acta. Vor ein paar Tagen kam ein Jüngling zu mir, der sich als Sohn von Marcellus ausgab. Er konnte seine Identität auch mit einem Ring beweisen. Es ist mir unerklärlich, warum Marcellus eine Heirat und ein Kind verheimlicht hat. Oder wusstest du davon? Sabinus heißt unser Neffe, und hat sozusagen gerade erst die Männertoga angelegt. Ich werde ihn auch mit nach Hispania nehmen. Ein adolescenter Junge allein in Rom, nein, er würde nur Unsinn anstellen. Dies waren im großen und ganzen die Neuigkeiten aus Rom. Ansonsten war es sehr ruhig in letzter Zeit. Der Kaiser ist noch immer nicht gesundet, was zu denken gibt, aber andernorts schon merkwürdige Blüten treibt. Neulich hörte ich von einem Ritter, der sein gesamtes Geld auf das frühe Ableben des Kaisers verwettet und - da der Kaiser ja noch immer lebt - verloren und daher Selbstmord begangen haben soll. Ob es stimmt, weiß ich nicht, die Geschichte ist aber dennoch amüsant. Ich hoffe, dir und deiner Frau geht es gut.
Vale bene,
M. Vinicius Hungaricus