Mittlerweile wurden die Türen zum Triclinium geöffnet und unter der Aufsicht von Alvitus wurden die Speisen aufgetragen. Erst jetzt bemerkte Modestus, dass er vergessen hatte das verabredete Signal an einen der Sklaven zu geben. Dieses Gespräch war schlichtweg zu wichtig, um über solch triviale Dinge wie Essen nachzudenken. Aber zum Glück hatte der alte treue Sklave wie immer an alles gedacht.
"Ich sagte nicht, dass die Chatten keine Bündnispartner haben, Claudius. Aber das ist erst einmal unwichtig. Warum können uns also die Chatten gefährlich werden? Sie können derzeit schon ohne weiteres 15.000 Mann ins Feld führen, ohne ihre Gebiete ungeschützt zu lassen. Und in 10 Jahren könnten sie vielleicht noch mehr Krieger und Verbündete haben. Sollten sie das Gebiet direkt an der Grenze übernehmen, hätten wir keine Vorwarnzeit, wenn sie uns angreifen. Sie stünden schon in unserem Gebiet vielleicht sogar vor Mogontiacum, bevor wir alle Truppen versammelt haben."
sagte Modestus und griff nun nach etwas gebratenem Huhn und lies sich einen Becher befüllen. Dem Claudier nickte er durchaus freundlich zu, sich ebenfalls zu bedienen. Er hoffte, dass der Claudier verstand, welche Gefahr von den Chatten ausgehen konnte. 15.000 Mann, drei Legionen, das war nicht wenig. Um dem zu begegnen würden sie schon den größeren Teil der stationierten Truppen zusammenziehen müssen. Und man musste ja auch an die Zukunft denken. Die Chatten würden auch noch in 10, 20 oder 50 Jahren an der Grenze siedeln. Und er wusste schon, ob sie bis dahin nicht viel mächtiger wurden. Nein, es war besser einen Verbündeten dort zu haben.
"Denn, ja, Claudius, ich bin mir sicher, dass der Limes einen Angriff von 15.000 Germanen nicht standhalten kann. Aber das ist auch nicht die Aufgabe des Limes in seiner jetzigen Form. Er besteht aus Wachtürmen mit einem Postenweg, die von diversen Hilfscohorten bemannt werden. Er kann keinem massierten Angriff standhalten. Da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben. Dafür müsste man ihn erst mit Palisaden, Mauern und Gräben ausbauen. Die zwei, drei Hilfscohorten in dem angegriffen Bereich wären 1 zu 10 in der Unterzahl. Um die Chatten zurückzuschlagen und aus der Provinz heraus zu treiben müssten die Legionen sowie andere Hilfstruppen aus dem Hinterland mobilisiert werden und das benötigt Zeit. Diese Zeit erhalten wir durch die Mattiaker. Der Feind muss erst sie bewältigen, denn sie halten das Gebiet vor der Grenze, sodass wir vorgewarnt werden. Nicht zu vergessen die 10.000 germanischen Krieger, die für unsere Sache kämpfen. Warum sollten wir diese Vorteile nicht nutzen? Warum sollten wir Vorteile gegen Nachteile eintauschen?"
sagte Modestus sehr direkt, denn er hatte das Gefühl, dass der Claudier auf die Stärke des Limes vertraute. Das Problem war, dass der Limes im Grunde mehr zur Überwachung als zur Verteidigung der Grenze ging. Der Handel und die germanische Einwanderung musste überwacht werden. Natürlich würden die dort stationierten Hilfstruppen mit kleineren Angelegenheiten auch allein fertig, aber der Angriff eines ganzen Stammes? Sicherlich nicht. Wenn die Chatten kamen, was konnten da 10 Mann in einem Wachturm oder 500 Mann in einem Castell gegen tausende von Germanen ausrichten?
"Ich glaube, du überschätzt die Gefahr einer Vereinigung der Stämme. Und zwar sehr. Natürlich muss man sich immer dieser Gefahr bewusst sein und dahingehend mit Bedacht handeln, aber wie wurde diese Provinz erobert, wenn die Stämme wegen jeder kleinen Provokation sofort vereinigen würden? Haben sich plötzlich alle Stämme zusammengetan, als Kaiser Domitian vor 25 Jahren gegen die Chatten ins Feld gezogen ist? Als er den Germanen ganze Gebiete abgerungen hat? Oder beim Bau des Limes? Nein, und hier geht es lediglich darum unsere Ansprüche und unsere Verbündeten gegenüber den Chatten zu verteidigen, nicht zu vermehren. Du darfst die politischen Verhältnisse hier nicht außer acht lassen, wenn es um die Germanen geht. Sie sind Barbaren, aber doch keine wilden Tiere ohne Verstand, die auf jeden Reiz sofort mit Gewalt reagieren. Zumal sich die Gesamtsituation mit den Stämmen, von den Chatten einmal abgesehen, sogar noch etwas entspannt hat. Oder warum glaubst du, wurden auf Anordnung des Princeps zwei Legionen aus diesem Gebiet abgezogen?"