Officium des Kommandeurs

"Sicher, das sind alles noch Fragen, die wir klären werden", beruhigte Macer. "Ich habe nicht die Absicht, dich unvorbereitet auf die Studenten loszulassen. Das würde ja keiner Seite etwas bringen." Abgesehen davon hatte der Präfekt aber zweifellos schon häufig genug damit zu tun gehabt, vor einer Gruppe von Offizieren irgendetwas zu erläutern, so dass ihn das nicht vpr grundsätzliche Probleme stellen sollte.

"Also, eines nach dem anderen. Termin fassen wir also erst einmal noch nicht ins Auge. Auch das ist für mich in Ordnung", begann er und klappte vorsichtshalber eine Wachstafel auf. "Die 10 Fragen kommen erst ganz zum Schluß. Erst einmal brauchen wir die Vorlesung. Daraus ergibt sich dann, was man fragen kann und was nicht. Die Zuhörerschaft besteht naheliegenderweise aus Offizieren, die das Examen Primum bereits hinter sich haben und über ein gewisses Grundwissen verfügen. Viele, aber nicht alle, haben auch Praxis durch Tribunate oder als ehemalige Soldaten der Mannschaftsdienstgrade. Als alternatives Thema für das Examen Secundum biete ich derzeit den Lagerbau an. Auch von daher ist dein Thema eine sehr gute Ergänzung. Es werden sicher vor allem jene Offiziere Interesse haben, die nicht sehr intensiv mit dem Bau von Marschlagern befasst sind - eben zum Beispiel weil sie bei der Flotte dienen möchten."

"Dann hätte ich nach der Zeit gefragt und nicht nach dem Datum", lachte Macer. "Nein, die Vorlesung muss ja auch noch angekündigt werden und so weiter. Es nehmen ja durchaus auch aktive Offiziere der Einheiten aus ROm daran teil oder Männer, die im Umland von Rom aktiv sind und erst anreisen müssen. Ein wenig Vorwarnzeit ist also ohnehin nötig, selbst wenn wir jetzt einen Termin festlegen. Ich möchte den Text ja auch einmal vorher lesen." Wenn er genug Zeit fand, sollte das zwar an einem Abend zu machen sein, aber es waren bald Wahlen, da waren gesellschaftliche Anlässe häufiger als sonst und freie Abende damit seltener. Außerdem war Lesen im Licht der Lampen anstrengeder als bei Tageslicht, aber am Tag hatte er auch viel zu tun.

"Wir sollten uns danach, wenn ich den Text gelesen habe und du mit der Vorbereitung der Vorlesung etwas weiter bist, wegen der Fragen absprechen. Welche Dinge ich ins Examen Primum mit hinein nehme und welche dann für das Examen Secundum übrig bleiben."

"Stimmt, den Wahlkampf hatte ich jetzt nicht einmal explizit berücksichtigt. Die Zeit sollten wir sowieso abwarten", stimmte Macer zu. "Danach werden üblicherweise auch die Kommandowechsel vorgenommen, so dass dann vielleicht Offiziere aus den Provinzen zurück nach Rom kommen und das Angebot der neuen Vorlesung nutzen wollen."

Die kurzen Nächte waren sicher auch zu bemerken, obwohl sie ja eigentlich um diese Jahreszeit besonders lang waren. "Bei dir häufen sich auch die Einladungen? Du setzt dich für einen Verwandten ein, nicht wahr?"

Dafür war Macer nun schon wieder zu lange in Rom gewesen, als dass ihm das Treiben auf den Straßen noch auffiel. Auch wenn es zweifellos an jedem anderen Ort Nachts ruhiger war als in Rom. "Für jemanden, der längere Zeit aus Rom fern war, ist es sicher aufreibend, das stimmt. Ich habe mich nach meiner Rückkehr aus germania auch wieder daran gewöhnen müssen. Allerdings habe ich einen festen Schlaf, das hilft dabei."

Über den Annaer hatte Macer einige Informationen zusammengetragen beziehungsweise sich erinnert, nachdem er den Brief erhalten hatte. "Richtig, aus Mantua und von der Factio Albata. Ich sprach kürzlich auch mit ihm wegen eines Wagenrennens, welches er möglicherweise ausrichten möchte. Er macht einen ambitionierten Eindruck, wenngleich er manchmal etwas hilflos wirkt."

"Bei den Wagenrennen konnte ich das auch durchaus noch verstehen. So etwas zu organisieren ist nicht einfach, vor allem in Rom. Politische Themen habe ich mit ihm kaum erörtert", gab Macer zu. Insgesamt war sein Eindruck jedenfalls nicht negativ gewesen. "Wir werden sehen, wie er sich im Senat schlägt. Ich sehe derzeit keinen Grund, warum ich ihm nicht meine Stimme geben sollte."

"Naja, wir wollen mal nicht übertreiben", schmunzelte Macer. "Es geht ja schließlich nicht um das Consulat. Außerdem wird sich sicher irgendwann eine Gelegenheit ergeben, wo er sich persönlich revanchieren kann." Im politischen Leben blieb dies im Allgemeinen nicht aus.

"Zurück zur Academia. Wie sollen wir jetzt verbleiben? Ich lese erst einmal deinen Text und überlege mir, welche Teile ich für das Examen Primum verwenden kann. Und du beginnst mit einer Zuteilung des Stoffes für die Vorlesung?"

Macer dachte einen Augenblick lang nach. "Es sollte sich vielleicht auch einrichten lassen, dass ich nach Misenum reise. Ein Besuch auf dem Flottenstützpunkt wäre sicher auch eine nette Abwechslung für mich und dem Thema mehr als angemessen."

"Rechnen wir durchaus in Wochen, schlage ich vor. Nach den Wahlen muss im Senat noch die Verteilung der Ämter diskutiert werden, dabei darf ich nicht fehlen. Erst danach wird es mir möglich sein, nach Misenum zu reisen", erläuterte Macer seinen Zeitplan. "Und bis zu den Saturnalien muss ich dann andererseits wieder zurück in Rom sein." Das wurde fast schon knapp, war aber machbar.

"Ja, die nautische Version des Examen Primum gibt es noch", konnte Macer bestätigen. "Sie wird in letzter Zeit allerdings nur sehr selten angefragt. An der Vorlesung ändert sich auch für diese Kandidaten nichts. Es werden lediglich in der Prüfung mehr Fragen zum nautischen Teil gestellt und dafür weniger Fragen zur Verknüpfung des restlichen Stoffes."

"Doch um Navigation geht es schon. Ob es Details sind oder oberflächliches Wisssen wird ein Seemann besser wissen als ich. Positionsbestimmung ist z.B. eine Frage, die ich im nautischen Teil stellen konnte." Macer legte den Kopf ein wenig zurück und dachte kurz nach. "Technische Details können auch vorkommen. Aufbau eines Schiffsrumpfs zum Beispiel."