CURSUS: Historische Entwicklung der Legionen

  • Am ANTE DIEM IV KAL MAI DCCCLVI A.U.C. (28.4.2006/103 n.Chr.) beginnt ein neuer Cursus der Academia. Diesmal handelt es sich um einen leichten Cursus zum Thema "Historische Entwicklung der Legionen".


    In diesem Cursus wird der unterschiedliche Aufbau der römischen Legionen seit den ersten Feldzügen Roms bis zum Ende der Republik behandelt.


    Zugelassen sind alle Angehörigen des Militärs, die das Examen Primum abgelegt haben. Eine gesonderte Anmeldung ist nicht erforderlich. Ferner sind zugelassen alle Zivilisten, die das Examen Primum abgelegt haben. Diese melden sich bitte im Officium der Academia an und entrichten die Studiengebühr gemäß Lex Academia Militaris.


    Der Cursus wird durch praktische Übungen mit historischer Ausrüstung begleitet und schließt mit einer schriftlichen Prüfung zum Examen Secundum ab.


    Sim-Off:

    Nach dem Umzug der Academia aus dem Territorium Universale ist eine Anreise erforderlich. SimOn-Einladungen an alle Einheiten werden noch verschickt.

  • Am Morgen des ersten Vorlesungstages betritt Macer die Aula der Academia und lässt seinen Blick über die Anwesenden gleiten. Noch ist es ein wenig Zeit bis zum Beginn der Vorlesung und noch nicht alle Kandidaten haben Platz genommen. Er wendet sich dem Scriba zu, der ihn begleitet hat und nun mit Kreide auf einer Wandtafel notiert, was die Studenten erwarten wird. Fünf Vorlesungseinheiten sind vorgesehen, dazwischen Zeit für Rückfragen und Besprechungen. Ferner wollte Macer einige praktische Übungen im Hof der Academia abhalten, um den Studenten das Thema noch besser näher bringen zu können.


    Er wechselt einige Worte mit seinm Scriba, blättert dann noch einmal die Wachstafeln mit seinen Stichworten für den ersten Vortrag durch und verlässt dann noch einmal kurz den Raum.

  • Furianus, der heute seinen freien Tag hatte( ;)) kam wie geplant zur Akademie.
    Wie ihm schien recht früh, waren erst nur wenige Teilnehmer anwesend und Macer noch nicht in Sicht.


    So nahm er in den vorderen Reihen Platz und holte ein Wachstäfelchen und Schreibstilum heraus.

  • Ich kam in den Vorlesungssaal, es waren schon einige Offiziere anwesend, und setzte mich auf einen freien Platz in den vorderen Reihen. Meinen Sitznachbarn grüßte ich mit einem freundlichen Nicken und so wartete ich auf die erste Vorlesung.

  • Der Tribun Tiberius Vitamalacus betrat, direkt aus Germania kommend, den Vorlesungsraum. Er grüsst die Anwesenden militärisch knapp und setzt sich. Er legt Wachstafel und Stift zurecht und wartet dann darauf das, das die Vorlesung beginnt.

  • Keine Minute zu früh kommt auch Sev in der Aula der Academia an. Zufrieden stellt er fest, dass die Vorlesung noch nicht begonnen hat und sucht sich einen Platz in den hinteren Reihen. Dort setzt er sich lässig auf einen Stuhl, sieht nach vorn und verschafft sich anhand der Tafel einen Überblick über die zu erwartenden Themen.

  • Wenig später betrat Macer wieder die Aula und blickt wieder auf die inzwischen etwas voll gewordenen Reihen. Es waren zwar nicht ganz so viele Studenten, wie zugelassen waren, aber es war ja auch nicht unbedingt damit zu rechnen, dass alle kommen konnten.


    "Ich begrüße euch alle sehr herzlich hier an der Academia zur ersten Vorlesung des Kurses. Dieser Kurs, der wie angekündigt als leichter Kurs zum Examen Secundum führen soll, befasst sich mit der Geschichte der römischen Armee und insbesondere mit der geschichtlichen Entwicklung ihrer Organisation. Viele der dazu nötigen Informationen sind uns durch Historiker überliefert, die zu verschiedenen Zeitpunkten immer wieder den Aufbau der Armee beschrieben haben."


    Er macht nach dieser Einleitung eine kurze Pause, bevor er mit dem Vortrag des Vorlesungsstoffes beginn.


    "Wir beginnen mit einem Blick sehr weit zurück, etwa 700 Jahre, als Rom noch ein Stadtstaat war. Die typische Armee, die wir zu dieser Zeit in Italia und damit auch in Rom antreffen, bezeichnen wir als die Etruskisch-Römische. Zur damaligen Zeit stellte jede Stadt im Kriegsfall eine eigene Armee auf, die sich gegebenenfalls mit Nachbarstädten zusammenschloss, um dann gegen Feinde - in der Regel andere Nachbarstädte - zu ziehen. Die Armee bestand aus den Einwohnern der Stadt, die für den Feldzug ihre normale Tätigkeit ruhen ließen. Wie wir es auch aus späterer Zeit kennen, vertrauten bereits die Etrusker gerne auf Nachbarstädte, die aus Freundschaft oder aufgrund vertraglicher Verpflichtungen Soldaten stellen mussten. Die Größe der Armee hing also immer von der Zahl der zur Verfügung stehenden Männer und diese wiederum häufig von der Bedeutung des Feldzuges ab. Um der Armee trotzdem eine gewisse einheitliche Struktur geben zu können, die für die taktische Führung notwendig war, teilte man sie in die stets gleiche Zahl von Untereinheiten auf, die zwar wie heute auch noch als 'Centuria' bezeichnet wurden, die aber bei kleinen Armeen klein und bei großen Armeen eben größer waren. Die Soldaten wurden entsprechend ihres Vermögens in eine von fünf Klassen eingeteilt und den dieser Klasse zugeordneten Centurien zugewiesen. Lediglich der ärmste Teil der Bevölkerung war vom Militärdienst ausgenommen. Insgesamt wurden immer 170 Centurien aufgestellt, von denen die Hälfte aus älteren Männern bestand und zum Schutz der Heimatstadt diente, während die jüngere Hälfte den Angriff vornahm.
    Einen Teil ihrer Kampfweise und Bewaffnung übernahmen die Etrusker von den Griechen, so dass wir in der Etruskisch-Römischen Armee Teile einer Phalanx vorfinden. Da die Ausrüstung für einen Soldaten der Phalanx sehr teuer war, wurde diese von Soldaten der ersten Klasse gebildet. Normalerweise wurden 2 x 40 Centurien der Phalanx aufgestellt. Die Soldaten trugen Helm, Oberkörperpanzer und Beinschienen aus Bronze am Körper sowie Schild, Speer und Schwert als Bewaffnung. Beim Schild handelt es sich um den runden 'Clipeus', wie ihn auch die Soldaten der griechischen Phalanx trugen. Als technische Unterstützung für die Soldaten der Phalanx wurden noch zwei Centurien von Handwerkern aufgestellt, die nicht am Kampf teilnahmen und für Reparaturen an der Ausrüstung zuständig waren.
    Die zweite Klasse war ähnlich ausgerüstet wie die erste, verzichtete jedoch auf den Oberkörperpanzer und trug statt des runden Schildes einen vierseitigen Schild, der zwar bereits den Namen 'Scutum' trug, aber noch nicht mit dem heute gebräuchlichen rechteckigen Schild zu vergleichen ist. Es handelt sich vielmehr um eine Abwandlung eines einfachen Ovalschildes. Diese Klasse stellte 2 x 10 Centurien. Gleiches gilt für die dritte Klasse, deren Soldaten bis auf die Beinschienen genauso wie die zweite Klasse ausgerüstet war. Über die vierte Klasse geben uns die Historiker unterschiedliche Auskünfte. Sicher ist, dass sie ohne Helm, Körperpanzerung und Beinschienen kämpften und einen Speer trugen. Ob dieser durch ein Schwert und das Scutum oder durch leichte Wurfspiesse ergänzt wurde, ist dagegen nicht ganz sicher. Jedenfalls stellte auch diese Klasse 2 x 10 Centurien. Zuletzt kommen noch 2 x 15 Centurien der fünften Klasse hinzu, die lediglich mit Schleudern oder Wurfspiessen ausgestattet waren. Hinzu kommen noch zwei Centurien mit Hornisten und Trompetern für die akustische Signalübermittlung.
    Die Kampfweise einer solchen Armee war folgende: die 40 Centurien der Phalanx bildeten das Zentrum der Schlachtaufstellung, während die Centurien der zweiten bis vierten Klasse in Reihen hintereinander die Flügel bildeten. Spezielle taktische Manöver oder Verhaltensweisen der einzelnen Linien und ihrer Centurien gab es kaum. Die fünfte Klasse diente als Plänklertruppe im Vorfeld oder konnte hinter die Phalanx zurück gezogen werden und diese mit ihren Fernwaffen von hinten unterstützen.


    Im Laufe der folgenden Jahrhunderte änderte sich immer wieder die Art der Ausrüstung. Vor allem dadurch, dass Rom die Vorherrschaft in Italien gewann und mit immer mehr benachbarten Völkern in Berührung kam, wurden neue Techniken bekannt und ihr Einsatz in der Armee erprobt. Dies betrifft sowohl die Machart von Schwerter und Helmen als auch die Herstellungsweise der Körperpanzerung. Neben den beschriebenen Bronzepanzern wurden ähnliche geschnittene Panzer aus dicken Schichten von Leinen gemacht oder aus dünneren Schichten, die mit Metallschuppen besetzt waren. Ziel dieser Versuche war es, die Bewegelichkeit der Soldaten zu verbessern. Auch das Kettenhemd wurde im Laufe der Republik bekannt und ersetzte mit der Zeit die anderen Panzerformen. Diese Entwicklung passierte parallel zur organisatorischen Entwicklung und wir werden auf die in den weiteren Vorlesungen nur eingehen, sofern sie Auswirkungen im Aufbau oder der Kampfweise der Armee hatte.
    Zum Abschluß der ersten Vorlesung sei noch erwähnt, dass zu jeder Armee auch immer ein umfangreicher Tross gehörte, der Nahrung, Zelte und zum Teil auch Waffen transportierte. Die Bewegungsgeschwindigkeit des Heeres war dadurch relativ gering und die Marschkolonne einer Armee recht groß, ebenso der Bedarf an Trossknechten und Tragtieren. In den ersten Kriegszügen in der näheren Umgebung der Stadt stellte dies jedoch kein Problem dar, für die weitere Entwicklung sollten wir das aber im Hinterkopf behalten, da uns das Problem in einer späteren Vorlesung noch einmal begegnen wird."


    Mit einem hörbaren Klacken klappt er die Wachstafel mit seinen Notizen zusammen.


    "Gibt es bis hierhin schon Fragen zum Stoff? Falls nicht, erwarte ich euch zur siebten Studen des Tages draußen im Hof zu einer ersten kleinen praktischen Übung."

  • Kurz nach den einleitenden Worten schlich Balbus sich leise in den Raum. Er war durch einige länger dauernde Aufgaben aufgehalten worden und hatte es daher nicht ganz pünktlich geschafft. Leise setzte er sich und hörte zu.

  • Claudius, der nach seiner Quaestur nicht mehr das straffe Leben als Soldat gewöhnt war, kam reichlich abgehetzt in Rom an, um sich mit einiger Verspätung in die Vorlesung zu schummeln. Glücklicherweise war er nicht der einzige Nachzügler.
    Den Offizier kostete die Umstellung doch einiges mehr an Mühe, als er sich zunächst vorgestellt hatte. Kaum hatte er sich bei seiner Einheit zurückgemeldet, sämtliche Formalitäten abgewickelt und mit den Schwierigkeiten bei dem von ihm betreuten Objekt, dem Amphitheater Mantuas, befasst, ereilte ihn die Nachricht von diesem Kurs, der ihn, wo er doch gerade erst in Mantua eingetroffen war, schon wieder nach Rom rief.


    Derzeit hätte er sich vierteln können und wäre immer noch ausreichend beschäftigt gewesen. Daher stand für Claudius fest, dass er zwar die Fortbildung nutzen, sich aber eine Teilnahme an der Prüfung offen halten würde.


    Er setzte sich unter Vermeidung von unnützen Geräuschen auf einen Platz nahe der Tür, kramte sein Schreibzeug heraus und folgte dem Rest der Ausführungen des Mannes, der ihm höchst bekannt war und dessen Berufung nach Germania er damals mehr als bedauert hatte.

  • Seinem Amtskollegen aufmerksam zuhörend notierte er sich einige Punkte auf dem Täfelchen.
    Doch eine praktische Prüfung traf ihn so unerwartet, wie einige der Zorn Iuppiters, damit hatte er nun nicht gerechnet.
    Er war schon aus der Übung, hatte lange nicht mehr trainiert. Nun tadelte er sich selbst in Gedanken und seufzte leicht.


    Doch es musste so sein und er stand auf, um in die Mittagspause zu gehen, dachte über die ein oder andere Notiz nach.

  • In lässiger Haltung hat Sev dem Vortrag zugehört. Irgendwann hat er doch noch ein Wachtäfelchen herausgenommen und ab und an eine kleine Notiz oder Karikatur gemacht. Zum Schluss räuspert er sich kurz und meldet sich, um eine Frage zu stellen.


    "In welcher Größenordnung an Mannstärke haben sich diese ersten Armeen ungefähr bewegt? Reiterei gab es überhaupt nicht?"

  • "Die Größe hing wie erwähnt von der Bevölkerungszahl der Stadt und der Zahl der Verbündeten ab", erläuterte Macer. "Die Städte waren wesentliche kleiner als heute, da konnte es passieren, dass eine Centuria nur 30 Mann fasste. Die gesamte Armee kam dann gerade einmal auf etwas mehr als 5000 Mann. Mit starken Verbündeten an der Seite, konnten es aber auch doppelt so viele Kämpfer werden.


    Die Reiterei spielte in der damaligen Zeit operativ keine Rolle. Selbstverständlich konnten Offiziere beritten das Heer führen, aber eine Kavallerie als einsetzbare Formation gab es noch nicht."

  • Da es zunächst keine weiteten Fragen gab, beendete Macer die erste Vorlesungseinheit. Wenn den Studenten später noch etwas einfiele, dann konnten sie es ja auch noch in der Übung fragen.


    Am nächsten Morgen kamen sie wieder alle in der Aula zusammen und Macer setzt die Vorlesung nach einer kurzen Begrüßung fort.


    "Nachdem wir in der letzten Vorlesung die Etrusktisch-Römische Armee betrachtet haben, gehen wir nun gut 200 Jahre weiter in die mittlere Republik. In diesem Zeitraum, der ja einige politische Änderungen mit sich brachte, hat sich auch militärisch Entscheidendes getan: die Phalanx hatte sich in verschiedenen Kriegen gegen Nachbarstädte als unterlegen erwiesen und verschwand daher folgerichtig aus dem Konzept. Die Soldaten erhielten nun eine kleine Aufwandsentschädigung für ihren Dienst, die Größe der Centurien wurde festgelegt und das 'Manipel' als wichtige taktische Einheit hielt Einzug in die Armee. Die Form der Aufstellung, die sich dadurch ergab, bezeichnen wir als die Römisch-Latinische Armee. Noch immer handelt es sich dabei um eine Armee, die für Feldzüge aufgestellt wurde und in der die Soldaten in Klassen eingeteilt waren. Die Unterschiede in der Ausrüstung der einzelnen Klassen wurden jedoch geringer und das Alter der Soldaten gewann an Bedeutung für die Einteilung. Die Armee wurde in drei Linien aufgeteilt, jede von diesen wiederum in 15 Untereinheiten. Zahlenmäßig verwundert dies nicht, denn ziehen wir von den 85 Centurien der Etruskisch-romischen Armee die 40 Phalanx-Centurien ab, dann bleiben exakt 45 Einheiten übrig. Wir sehen also, dass die Entwicklung hier recht konsequent oder zumidnest nachvollziehbar verlief. Auch in den weiteren Punkten werden wir das beobachten können.


    In der ersten Linie standen die 'Hastati' - junge Männer, die ihre besten Jahre noch vor sich hatten. Als schwere Infanterie trugen sie Körperpanzerung und Helm sowie das gewölbte Ovalscutum als Schutz. Zum Angriff dienten das Pilum und das Schwert. Gleiches gilt für die zweite Linie, die von den 'Principes' gebildet wurde. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um die Kerntruppe - kampfstarke Männer im besten Alter. Vor den Hastati kämpften die 'Leves' als Plänklertruppe. Sie waren mit Speer und leichten Wurfspießen ausgestattet. Eine Untereinheit der Principes und der Hastati bestand jeweils aus 60 Mann und wurde als 'Manipel' bezeichnet. Einem Hastati-Manipel wurden 20 Leves zugeordnet. Kommandiert wurde ein Manipel von zwei Centurionen. Auch wenn ich gleich schon etwas zum taktischen Einsatz sagen werde, werden wir auf die wichtigen Besonderheiten der Manipular-Taktik und des geteilten Kommandos erst in den nächsten Vorlesungen zu sprechen kommen.
    Die dritte Linie wurde in 15 'Ordines' geteilt und diese ihrerseits noch einmal in drei Teile, die als 'Vexilla' bezeichnet wurden, auch wenn sie sich in ihrer Größe und dem Kommando durch zwei Centurionen nicht von den Manipeln der ersten und zweiten Reihe unterschieden. Das erste Vexillum bildeten die 'Triarii' - die besten Veteranen der Armee. Statt des Pilum führten sie eine Lanze mit sich. Im zweiten Vexillum standen die 'Rorarii', die wohl genauso ausgerüstet waren, aber unerfahrenere Soldaten waren. Es handelt sich hierbei wohl um eine erste Reserve aus unerfahrenen Männern, die ihre besten Jahre schon hinter sich haben und daher nicht in der ersten Linie eingesetzt werden sollten. Im dritten Vexillum folgte die letzte Reserve, die 'Accensi', die genau wie die Leves vor der ersten Linie nur leicht bewaffnet waren.
    Fassen wir diese komplexe Aufteilung noch einmal zusammen, so finden wir in der Armee der mittleren Republik 15 Blöcke mit folgender Aufstellung: 20 Leves - 60 Hastati - 60 Principes - 60 Triarii - 60 Rorarii - 60 Accensi. Dies führt uns zu einer Gesamtstärke einer Armee von 4.800 Mann und damit recht nahe an die heute noch verwendeten Legionsgröße heran. Vergleichen wir wieder mit der Etruskisch-Römischen Armee, dann hat sich die Aufteilung in fünf Klassen noch gehalten, auch wenn für die Hastati, Principes und Triarii nun die Erfahrung und nicht das Vermögen ausschlaggebend ist.


    Taktisch hat sich ebenfalls einiges verändert. Die Armee wurde durch den Wegfall der Phalanx beweglicher und durch die Einführung der Pila anstelle der Lanzen auf eine offensivere Kampfweise ausgerichtet. Die Soldaten wurden nun in Linien aufgestellt, mit Lücken zwischen den Manipeln, so dass die Principes der zweiten Linie vorrücken konnten, um zusammen mit den Hastati eine geschlossene Linie zu bilden. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass es in der Zeit der mittleren Republik immer wieder schwere Niederlagen für die Armee gab und deshalb immer auch eine defensive Grundausrichtung bewahrt wurde. Die auffällige Stärke der Reserve mit Rorarii und Accensi ist ein Zeichen dafür. Auch die Triarii wurden in diesem Sinne eingesetzt: während die ersten beiden Linien den Kampf führten, knieten sie - ebenfalls in einer Aufstellung mit Lücken - hinter ihren Schilden ab und bildeten mit den Speeren einen Wall. Ein klein wenig Phalanx ist da durchaus noch zu sehen, nur diesmal eben als letzter Rückhalt. Ganz bildlich sprach man davon, dass es 'auf die Triarii gekommen ist' wenn es in einer Schlacht schlecht stand und die Veteranen aktiv eingreifen mussten.
    Ein weiteres psychologisches Zeichen, das euch als zukünftige Truppenführer geläufig sein sollte, ist die Position der Feldzeichen. Nur die Vexilla führten Feldzeichen mit sich und diese standen dementsprechend in den hinteren Linien. Sie bildeten damit also nur eine Markierung, in welche Lücken der Linie sich die Soldaten im Falle einer drohenden Niederlage zurückzuziehen hatten. Heute lassen wir die Feldzeichen voranziehen, als Motivation für die Truppe - größer könnte der Unterschied in der Ausrichtung kaum sein."


    Auch danach stand er wieder für Fragen zur Verfügung.

  • "In Rom waren es zunächst die Prätoren, später die Consuln, die als Feldherren auftraten. Daher sagen wir auch heute noch, dass diese Ämter das 'Imperium' besitzen. Diese stellten sich einen Stab aus Tribunen zusammen. Wie das genau vor sich ging, werden wir in der nächsten Vorlesung noch detailiert sehen. Die Centurien führte ein Centurio, der von dem Stab bestimmt oder von den Männern gewählt wurde."

  • Auch diesmal vertragte Macer weitere Fragen auf die praktischen Übungen am Nachmittag und schloss die Vorlesung.


    Am nächsten Morgen ging es weiter mit dem Stoff.


    "Wie bei der letzten Vorlesung, werden wir heute wieder einen Sprung von etwa 200 Jahren machen, um uns den nächsten Entwicklungsschritt der römischen Armee anzuschauen. In diesen Jahren lagen entscheidende Ereignisse auf dem Weg der Armee, zum Beispiel die Samnitenkriege, die ersten beiden Kriege gegen die Punier und schließlich der Sieg über die Macedonische Phalanx bei Pydna. Die Einzelheiten dieser Schlachten und Kriege sollen aber nicht Gegenstand der Vorlesung sein, das würde den Rahmen sprengen. Vielleicht begegnet euch das Thema ja in einem späteren Examen noch einmal. War für die bisherigen Ausführungen der Historiker Livius maßgeblich, ergänzt um einige Ausführungen von Dionysius zur Etruskisch-Römischen Armee, so ist es nun Polybius, der die Armee selbst in Aktion erlebte.


    Immernoch ist die römische Armee in dieser Zeit eine Freiwilligen-Armee bzw. eine Armee aus Wehrpflichtigen und die Soldaten erhalten nur eine kleine Aufwandsentschädigung. Da das Reich inzwischen aber größer geworden war, wuchs auch die Größe der Armee mit und man stellte für Feldzüge nicht mehr nur eine Armee auf, sondern mehrere und nutzte auch eigene Kavallerie. Da wir bisher nicht ausführlich darauf eingegangen sind, schauen wir uns den Auswahlprozess zur Einberufung der Legionen diesmal genauer an: Feldherren waren in der Republik die beiden Consuln, die jeweils zwei Legionen zur Verfügung gestellt bekamen, die von Bundesgenossen gleicher Stärke ergänzt wurden. Die Consuln ernannten nach ihrer Wahl insgesamt 24 Militärtribune. Von diesen mussten 10 als Alt-Tribunen mindestens 10 Jahre Militärdienst absolviert haben, die anderen 14 Jung-Tribunen mussten nur 5 Jahre hinter sich haben. Die ersten beiden Alt-Tribunen wurden der ersten Legion zugewiesen, die nächsten drei der zweiten, dann wieder zwei der dritten und die verbleibenden drei der vierten. Bei den Jung-Tribunen kamen vier zur ersten Legion, drei zur zweiten, vier zur dritten und drei zur vierten. Insgesamt hatte damit jede Legion sechs Tribunen - was bis heute nicht anders ist, auch wenn sich die Zusammensetzung geändert hat.
    Alle zum Wehrdienst tauglichen Bürger kamen dann an einem von den Consuln festgelegten Tag auf dem Capitol zusammen und wurden entsprechend ihres Vermögens eingeteilt. Die ärmsten Bürger wurden der Flotte zugeordnet. Das erstaunt ein wenig, da die Flotte beispielsweise in den punischen Kriegen nicht unbedeutend war, aber ihr Ansehen dadurch offenbar nicht weit genug steigern konnte. Die reichsten Bürger wurden für die Kavallerie ausgewählt, alle anderen für die Infanterie. Schon bei der Römisch-Latinischen Armee hatten wir ja gesehen, dass es nicht mehr 5, sondern nur noch 3 Vermögensklassen gab, was sich hier fortsetzt. Wer 10 Jahre als Reiter oder 16 Jahre als Infanterist gedient hatte, war vom Militärdienst befreit, ebenso alle, die unter 17 oder über 46 Jahre waren. In Notzeiten konnte die Grenze für die Infanterie aber auch auf 20 Dienstjahre angehoben werden.
    Für die Kavallerie wurden 1.200 Mann ausgewählt, jeweils 300 pro Legion. Die Zuordnung der Infanterie zu den Legionen geschah in einem langwierigen Prozess, der eine gerechte Verteilung der Soldaten auf die Legionen gewährleisten sollte: es wurden jeweils vier Soldaten, die an Alter und Stärke in etwa gleich waren, vor die Tribune gebracht. Bei der ersten Gruppe hatten die Tribune der ersten Legion die erste Wahl, welchen der vier Männer sie für ihre Einheit haben wollten. Dann die der zweiten Legion, dann die der dritten, und die vierte Legion musste den verbleibenden Mann nehmen. Dann wurde die nächste Vierergruppe gebracht und die zweite Legion begann mit der Wahl; die erste Legion musste den verbleibenden Mann nehmen. Auf diese Weise wurden für jede Legion 4.200 Mann bestimmt. Nach der Auswahl erfolgte die Vereidigung der Soldaten und die Tribunen bestimmten, an wann und wo die Männer zum Dienst und zur Aufteilung der Centurien zu erscheinen hätten.
    Die Consuln als Feldherren waren in diesem Prozess nicht beteiligt, sie trugen zur Aufstellung der Armee bei, indem sie von den Bundesgenossen Truppen in gleicher Stärke anforderten. Diese wurden in den jeweiligen Städten aufgestellt, nach Rom gerbacht und dort vereidigt. Sie stellten ihre einen Teil ihrer Kommandeure selbst, und bekamen zusätzlich drei vom Consul bestimmte Praefecten zugeordnet. Zu jeder Legion von 4.200 römischen Bürgern und 300 Reitern kam auf diese Weise eine weitere 4.200 Mann starke Legion der Verbündeten mit 900 Reitern hinzu. Einem Consul standen somit insgesamt 16.800 Infanteristen und 2.400 Reiter in seinem Heer zur Verfügung.


    Die Soldaten wurden nach ihrer Auswahl und der Einteilung der Einheiten einem harten Training unterzogen, um sie für den Kriegseinsatz vorzubereiten. Die meisten Soldaten einer Armee würden zwar bereits an einem vorherigen Feldzug teilgenommen haben, aber natürlich trotzdem außer Übung sein; die neuen Rekruten benötigten ohnehin Training. Ein Auffrischungstraining für erfahrene Soldaten streckte sich beispielsweise über mehrere Tage: am ersten Tag wurden einige Meilen in voller Ausrüstung gelaufen. Wobei hier natürlich nur die Kampfausrüstung gemeint ist, da die Soldaten ja noch nicht wie heute ihr Gepäck selber tragen mussten, da es noch eine Tross gab. Am zweiten Tag wurde die Ausrüstung gereinigt und inspiziert. Der dritte Tag war Ruhetag. Am vierten Tag wurde Waffentraining und Drill durchgeführt, am fünften Tag wieder ein Lauf, am sechsten Tag wieder Ausrüstungskontrolle. Der siebte Tag war wieder ein Ruhetag. Dieses Programm konnte nach Bedarf beliebig oft wiederholt werden, bis der Feldherr mit dem Leistungsstand der Armee zufrieden war."


    Diesmal sollte die Vorlesung am Nachmittag fortgesetzt werden. Für Zwischenfragen war natürlich jetzt schon Platz.

  • Am Nachmittag kamen die Studenten erneut in der Aula zusammen und Macer schloss nahtlos an den Vortrag vom Vormittag an.


    "Kommen wir nun zum Aufbau der einzelnen Legion und vergleichen ihn wieder mit den schon bekannten Strukturen. Die 4.200 Mann einer Armee wurden in vier Gruppen aufgeteilt: 1.200 Mann als leichte Velites, 1.200 Mann als Hastati der ersten Schlachtreihe, 1.200 Mann als Principes der zweiten Schlachtreihe und 600 Mann als Triarii der dritten Schlachtreihe. Jede Gruppe teilte sich in 10 Manipel, wobei die Velites gleichmäßig auf die einzelnen Manipel verteilt wurden. Die Tribunen bestimmten für jedes Manipel einen Centurio, der sich einen zweiten Centurio als Kollegen bestimmen durfte. Der erste wurde als Prior bezeichnet, der zweite als Posterior, wie es ja auch heute noch in den traditionallen Bezeichnungen der Centurionen einer Kohorte üblich ist. Damit teilte sich ein Manipel auch in eine vordere und eine hintere Centurie. Beide wiederum ernannten einen Optio als ihren Stellvertreter und einen Träger des Feldzeichens für ihre Hälfte des Manipels. Als eigenständige Einheiten agierten die Centurien jedoch nicht, taktisch entscheidend blieb immer das Manipel, wie wir gleich noch einmal im Detail besprechen werden.
    Die Reiterei der römischen Bürger wurde in 10 Turmae zu je 30 Soldaten aufgeteilt, von denen 3 von den Tribunen bestimmte Decurionen das Kommando führten. Auch diese bestimmten jeweils einen Optio als ihren Stellvertreter. Die Kavallerie der Verbündeten wurde entsprechend in 30 Turmae aufgeteilt.
    Die Struktur der Armee, insbesondere der Infanterie, ist also noch immer die selbe, die wir schon aus der Römisch-Latinischen Armee kennen, auch die Kriterien für die Zuordnung zu den Reihen sind die selben. Es fällt aber auf, dass die beiden Reserve-Reihen der Rorarii und Accensi weggefallen sind und stattdessen die Hastati und Principes doppelte Stärke bekommen. Jetzt haben wir es also endlich - nach 400 Jahre römischer Militärgeschichte - mit einer offensiven Armee zu tun! Die 600 Triarii dienen nur noch als Rückhalt, die Hauptlast liegt auf den verstärkten Angriffstruppen. Dazu passt, dass die Feldzeichen nun in allen Einheiten stehen.
    In der Ausrüstung setzte sich zunehmend das Kettenhemd durch, aber auch die Panzerung aus Metallplatten, die Brust und Rücken schützten, war noch in Gebrauch. Den Kopf schützte ein Helm und als zusätzlicher Schutz wurde das gewölbte, oben und unten abgerundete Scutum genutzt. Die Hastati und Principes trugen das Pilum als Wurfspeer, die Triarii weiterhin die Lanze.


    Schauen wir uns nun wie angekündgt noch einmal die Manipulartaktik genauer an, die mit der beschriebenen Form der Armee ihren Höhepunkt erreicht. In der Schlachtaufstellung der Armee eines Consuln bilden die beiden römischen Legionen das Zentrum, die beiden Legionen der Bundesgenossen den linken und den rechten Flügel. Die Legionen nahmen in drei geschlossenen Reihen Aufstellung, mit jeweils der Posterior-Centurie neben der Prior-Centurie. Der Feldherr konnte vor dieser geschlossenen Wand von Soldaten seine Ansprache halten. Mit dem Signal zur Eröffnung der Schlacht zogen sich die Posterior-Centurien hinter ihre Kameraden zurück und machten somit den Weg frei für die auf alle Einheiten verteilten Velites. Diese konnten nach vorne strömen, um den Kampf mit leichten Wurfspeeren zu eröffnen und einen feindlichen Angriff zu brechen. Kam der Gegner in Reichweite der schweren Infanterie, wurden sie durch die Lücken wieder zurück gezogen und verharrten entweder bei den Traierii oder wurden auf die Flügel abkommandiert und mischten sich sodort mit der Kavallerie. Die Posterior-Centurien der Hastati schlossen die Lücken zwischen den Einheiten wieder und bildeten damit die Schildwand für die erste römische Angriffswelle. Brachte diese keinen Erfolg, zogen sich die Posterior-Centurien wieder zurück und gemeinsam wurden die Hastati durch die Lücken der Principes-Manipel nach hinten gezogen. Nun schlossen die Posterior-Centurien der Principes die Lücken und die zweite Schildwand zog in die Schlacht. Brachte auch das keinen Erfolg, öffneten sie die Mauer wieder und konnten durch die Lücken der Triarii zurückgezogen werden. Auch dort rückten dann die Posterior-Centurien vor und bildeten einen geschlossenen Wall aus Lanzen und Schilden, um den vorrückenden Gegner aufzuhalten. Dahinter konnten die verbleibenden Hastati und Principes neu formiert werden, um dann möglicherweise zur einer dritten Angriffswelle ins Feld geführt zu werden, was aber häufig gar nicht nötig war, da bereits die erste oder spätestens die zweite Welle den gewünschten Erfolg brachte.
    Die Flexibilität der Manipulartaktik hat aber noch weitere Stärken. In der Schlacht von Zama füllte Scipio beispielsweise die Lücken zwischen den Manipeln der ersten Schlachtreihe mit den Velites, um der Aufstellung der punischen Kriegselefanten in der ersten Reihe des Gegners zu begegnen. Die Elephanten wurden von den Velites durch die Lücken der Hastati hindurch gelockt und trafen dort auf die Principes, während die Hastati sich danach wieder zu einer normalen Schlachtreihe formierten und dem Rest der feindlichen Armee unbeeindruckt entgegen treten konnten.


    Da ein guter Kommandeur auch immer über die politische Bedeutung der Armee und ihrer Struktur Kenntnisse haben sollte, möchte ich zum Abschluß der heutigen Vorlesung noch auf ein wichtiges Stichwort zu sprechen kommen: das Kollegialitätsprinzip. Praktisch alle politischen Ämter der Republik wurden nach diesem Prinzip besetzt und auch bei der republikanischen Armee, so wie wir sie jetzt kennen gelernt haben, ist es nicht anders. Grundgedanke des Prinzips ist es, dass es in jeder Position, die mit Macht ausgestattet ist, immer mindestens zwei gleichberechtigte Kollegen gibt. Dies beginnt bei den Consuln - es gibt deren zwei und jeder erhält eine gleich starke Armee. Bei den Tribunen gibt es niemals nur einen Alt-Tribunen oder Jung-Tribunen in der Legion. Die Verbündeten bekommen drei Praefecten als Kommandeure, nicht nur einen. In einem Manipel werden zwei Centurionen ernannt, in einer Turma gar drei Decurionen. Selbst Feldzeichenträger gibt es zwei pro Manipel. Daraus ergibt sich auch, dass die Centurie anders als heute keine eigenständige Einheit ist, da sie eben nur die Hälfte eines kollegialen Duos ist. Die Geschichte zeigt, dass dieses Prinzip Vorteile bringen kann, aber auch Nachteile hat: Im militärischen Bereich kann Uneinigkeit zwischen den Kollegen zu verheerenden Folgen führen. Noch vor dem Ende der Republik wurde das Kollegialitätsprinzip in der Armee weitgehend entfernt, wie wir in der nächsten Vorlesung sehen werden.


    Gibt es bis dahin Fragen um Stoff der heutigen Doppelvorlesung?"

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