Das Arbeitszimmer des Quaestor Principis

  • "Hmmm, Misenum."


    Antoninus überlegte, ob da etwas zu tun sei, aber ihm fiel nichts ein.


    "Zu Misenum fällt mir rein gar nichts ein, aber wir müssen noch über die Chronicusa sprechen. Da ich den April vollständig und den Mai in etwa bis zur Mitte bereits erstellt habe, wäre mir recht, wenn du fortsetzen würdest. Gerade im Mai wäre es auch noch möglich, dass du nennenswerte Ereignisse findest außerhalb von denen, die ich bereits erfasst habe. Der Mai war meinerseits etwas von Zeitknappheit geprägt.
    Ansonsten bleibe noch das Zusammentragen von Vorschlägen für Standeserhöhungen. Da bin ich bereits dran, aber Italia hat nicht eben wenig Einwohner. Das hält natürlich auf."

  • Tacitus hatte ein wenig den Blick auf einen starren Blick an der Wand fixiert, während er Aurelius sprach. Kurz entschuldigend für seine kurze Abwesenheit blickte er seinen Collegen an.


    "Ja, Aurelius, das ist eine gute Idee. Es geht um die Chroniken für Italia. So sag mir doch, bis zu welchem Datum du vorgedrungen bist, dann will ich den Rest vervollständigen. Und über Standeserhebungen will ich Dich gerne unterrichten, wenn ich aus Misenum zurück bin. Vielleicht bekomme ich von dort auch einige Einsichten."

  • Antoninus zog eines der beschrifteten Pergamente aus einem Stapel hervor und legte es auf den Tisch.


    "Folgende Ereignisse sind zuletzt festgehalten:


    ANTE DIEM IV ID MAI DCCCLVI A.U.C. (12.5.2006/103 n.Chr.)
    Der Aedilis Plebis Spurius Purgitius Macer richtet anlässlich der Ludi Martiales ein Wagenrennen aus. Sieger wird Trax aus der Russata, Zweitplatzierter ist Patroklos aus der Aurata und dritter ist Plinius aus der Praesina. Alle Fahrer zählen zu den Nachwuchslenkern, die nicht mehr als 10 Rennen bestritten haben.


    ANTE DIEM III ID MAI DCCCLVI A.U.C. (13.5.2006/103 n.Chr.)
    Titus Aurelius Cicero wird zum Duumvir in Mantua ernannt.


    ID MAI DCCCLVI A.U.C. (15.5.2006/103 n.Chr.)
    Vibius Valerius Victor wird ein Septemvir und Mitglied dieses Collegiums


    Das zur Chronica. Bei der Durchsicht der Einwohner Romas brauche ich tatsächlich Hilfe. Allerdings war ich bisher der Auffassung, dass sich der Patron für seine Klienten einsetzt und nicht der Quaestor Principis für jeden Bürger oder Peregrinus. Wie sieht es eigentlich mit dir aus? Ich könnte mich dafür stark machen, dass du in den Ritterstand erhoben wirst."

  • Tacitus nahm das Schriftstück entgegen und überflog es. Er war heute aber auch schläfrig. Hatte er letzte Nacht zu wenig Schlaf bekommen ?


    "Nun, ich werde sehen, was ich tun kann, weitere relevante Daten zu durchforsten, obwohl ich micht frage, ob die Ernennung eines Duumvirs in einer Stadt wie Mantua überhaupt relevant genug ist, um in der Reichschronik ihren Platz zu finden. Aber das soll deine Entscheidung sein, Aurelius.


    Was die Standeserhebungen angeht, hast Du bereits mit den Kommandeuren der Militäreinheiten Roms und den Angehörigen der Nobilität gesprochen ? Ich könnte mir vorstellen, dass sich daraus ganz interessante Erkenntnisse gewinnen lassen über mögliche Kandidaten."


    Ein Räuspern entglitt Tacitus. Etwas stotternd suchte er nach den richtigen Worten.


    "Ähm, ich würde es ohne Zweifel als große Ehre ansehen, würde der göttliche Augustus in seiner Gnade sich dazu entschließen, mich in den erlauchten Kreis der Ritter zu erheben. Dein großzügiges Angebot ehrt mich, Aurelius, und ich wäre ein Narr, würde ich es ablehnen."

  • "Ja, ich halte jede Umwälzung in den Provinzstädten für nennenswert. Vor allem, weil durch die Abwesenheit des Kaisers und dem Ausblieben sonstiger Großereignisse in Rom die Chronica sonst recht dürftig ausfallen sollte."


    Der Vorschlag zu den Militäreinheiten veranlasste Antoninus zu einem behäbigem Nicken. Er hatte sich mit den Kandidaten bereits per Liste befasst und bei den Vigiles war er persönlich gewesen.


    "Halten wir als Ergebnis der heutigen Besprechung fest, dass du die Chronica ab Mitte letzten Monats weiterführst und mir die Ergebnisse der Tiberia Honoria zukommen lässt. Den Punkt mit den Ernennungen lasse ich fallen. Man muss es ja nicht übertreiben, aber für dich will ich mich wohl einsetzen. Mach dafür deine Arbeit gut, Quaestor. Wenn du sonst nichts mehr hast, von meiner Seite war das alles."

  • Tacitus erhob sich.


    "Ich danke Dir für deine Gastfreundschaft, Aurelius. Mögen die Götter deine restliche Amtszeit unter einen guten Stern stellen. Vale."


    Und trat mit offenen Armen auf seinen Colllegen zu, um ihn zum Abschied die Hand zu reichen.

  • Antoninus nahm die Hand des Quaestors entgegen und drückte sie.


    "Die Götter auch mit dir, Tacitus. Ich stehe zu meinem Vorhaben, dich für eine Ernennung vorzuschlagen."


    Antoninus brachte seinen Amtskollegen noch bis zur Tür, so wie es die Höflichkeit gebot, und ließ anschließend nach Deandra rufen. Ihr Gespräch war vorzeitig unterbrochen worden.

  • Wie gewünscht, betrat ich wenig später das Arbeitszimmer meines Vaters und suchte mir dieses Mal selbständig eine Sitzgelegenheit. Mit beiden Armen neben dem Beinen abgestützt saß ich wie auf dem Sprung und schaute doch abwartend, ja sogar interessiert, denn er hatte, kurz bevor wir unterbrochen wurden, so komische Andeutungen gemacht.

  • Antoninus sah auf, als seine Tochter das Zimmer betrat. Er legte die Akte zur Seite und lehnte sich zurück.


    "Wo waren wir doch gleich stehen geblieben? Richtig, bei den gegenläufigen Erfahrungen. Hör zu, es ist interessant, was ich dir zu sagen habe. Bislang warst du doch der Meinung, Adria wäre eine Unterstützung bei unserem Bestreben, zu den Überlieferungen zurückzukehren. Darin haben wir uns geirrt. Sie bezieht eine eindeutige Gegenposition. Bei Livia liegen wir auch nicht auf der richtigen Stelle. Sie ist zwar Senatorin, was ich missbillige, aber sie tritt nach meiner Erfahrung, die ich kürzlich gemacht habe, nicht für die Offenhaltung des Senates ein. Adria hingegen schon und zwar konsequent. Vom Benehmen her hat sich Tiberia auch tatsächlich einer Frau angemessen verhalten, was ich bei einer Frau, die alle guten Regeln mit ihrer Karriere missachtet, für sehr erstaunlich halte. Beachte dies, wenn du dir zukünftig ein Urteil bildest. Ich muss nicht sagen, beachte dies, wenn du dich öffentlich äußerst, denn du weißt, ich möchte das nicht mehr."


    Antoninus legte seine Hand auf die seiner Tochter.


    "Du verstehst doch, warum ich zukünftig öffentliche Diskussionen ohne deine Beteiligung wünsche? Es ist zu deinem Besten."

  • „Hmm“, quetschte ich schließlich hervor. Das waren ja „tolle“ Neuigkeiten. Und obwohl ich es natürlich einsah, nicht mehr an Diskussionen teilzunehmen, fand ich diese Beschneidung auch nicht eben schön. Andererseits hatte das Engagement meines Vaters auch etwas Gutes – es schonte meine Nerven und ersparte mir Ärger.


    „Hm ich sehe es ja ein. Es wird nur manchmal schwierig sein, wenn ich mich über etwas aufrege. Ich bin nicht so ein ruhiger Charakter wie du. Aber ich tu dir den Gefallen.“ Ich lächelte meinen Vater an.


    „Das mit Adria wundert mich“, erwiderte ich nach einer Zeit des Nachdenkens. „Und es enttäuscht mich auch. Tja, und Livia … Ich mag sie nicht so gern leiden, aber ich werde sie dann wohl respektieren, wenn sie sich derart den Respekt verdient hat. Aber ich habe auch wiederum keine gute Meinung über die Gens Tiberia generell. Es wird schwierig werden, Vater.“


    Mein Blick hatte etwas Ratloses, als ich Antoninus ansah.

  • "Mit dieser Meinung stehst du nicht allein, aber lassen wir das. Mir ging es darum, dir meine Erfahrungen mitzuteilen."


    Antoninus gab seiner Tochter zu verstehen, dass es von seiner Seite nichts mehr zu besprechen gab.

  • "Keineswegs. Grüß dich und tritt näher, Strabo."


    Antoninus erhob sich und ging seinem Kollegen entgegen. Er begrüßte ihm mit einem kräftigen Händedruck und lud ihn ein, sich zu der Gruppe mit Korbmöbeln zu begeben.


    "Lass uns setzen. Hast du ein spezielles Anliegen oder möchtest du unsere gemeinsame Amtszeit mit einem Besuch abrunden?"


    Antoninus winkte einem Sklaven, damit der Wein und etwas zu essen besorgte, dann sah er Strabo aufmerksam an.

  • Ich nahm dankend Platz, während die Sklaven Wein einschenkten und einige leichte Speisen brachten.


    "Sowohl als auch. Ich wollte mit dir privat reden über deine Zukunftspläne, falls dein Einstieg in das Ädilat scheitern sollte. Willst du wieder zur Legio I zurückkehren?"

  • Antoninus musste schmunzeln.


    "Ja, diese Frage habe ich mir selbst auch schon gestellt und zwar noch während des Wahlkampfes. Zu einem klaren Ergebnis bin ich aber nicht gekommen. Bis heute noch nicht. Entweder ich kehre in die Legion zurück oder ich gehe in den Ruhestand. Etwas anderes kommt nicht in Frage.
    Wie sieht es bei dir aus? Du warst einmal bei den Vigiles?"

  • "Ich nehme dir nicht ab, dass du den vorzeitigen Ruhestand wählst, wenn die Legio nichts mehr für dich ist. Dafür ist dein Geist zu wach!", scherzte ich lachend und nahm einen Schluck vom Wein.


    "Ich habe derzeit das Angebot, für den Legatus Augusti Pro Praetore zu arbeiten. Diese Gelegenheit werde ich nutzen. Trotzdem sehne ich mich nach einer guten Klinge und dem harten Drill des Militärs. Nur meine morgendlichen Übungen im Atrium unserer Casa in Roma hält mich davon ab, fett und unsittlich zu werden.


    In diesem Sinne möchte ich auch das Volk sehen, das sich immer mehr der Dekadenz und dem Werteverfall hingibt. Wenn die Geschicke Roms einst ausschließlich von Frauen gelenkt werden, werde ich einen ehrenvollen Freitod wählen, anstatt mein Leben noch länger diesem Lügenbauwerk zu widmen."

  • "Der Geist ist wach, aber der Körper ist nicht mehr so willig."


    Antoninus lachte und ließ Wein einschenken. Er hob den Becher und prostete Strabo zu.


    "Aber das Angebot für dich klingt verlockend. Du sprichst von Decimus Meridius. Ich hätte ihn gern einmal getroffen, aber bisher konnte ich beide Einladungen nicht wahrnehmen. Im Ruhestand wäre mir das vergönnt."


    Antoninus lachte wieder, aber er hatte sich tatsächlich noch nicht entschieden, was er nach der Amtszeit machen wollte. Das Aedilat wäre ideal gewesen.


    "Frauen, Strabo, was habe ich diese zarten Wesen in der Jugend angebetet… Sehe ich mich heute um, tun mir alle jungen Männer leid. Wo sollen sie ein prächtiges Eheweib finden? Eines das Freud und Leid mit ihnen teilt und wie ein sicherer Anker zu Hause ist, wenn sie auf den tosenden Wogen des täglichen Überlebenskampfes in Dienst und Amt ihre Kräfte verausgaben.
    Hast du ein Eheweib?"


    Antoninus blickte fragend. Einladend wies er auf die Speisen.

  • Ich prostete Antonius ebenfalls zu. Ich nahm mir vor, in nächster Zeit meinen Wein wenigstens zu zwei Teilen mit Wasser zu verdünnen. Mein Weinkonsum war seit meiner Rückkehr nach Rom gestiegen.


    "Nein, ich nicht. Da laufe ich wohl ganz meinem konservativen Zustand zuwider. Ich bin noch jung und habe derzeit noch nicht das Bedürfnis, mich zu binden. Aber auch ich bete diese zarten Wesen an, ein Geschenk der Götter - wenn sie nur nicht manchmal so störrisch in ihrer Karriere wären..." ;)

  • Antoninus verstand. Junge Mädchen neigten eher dazu, sich zeitig zu binden als junge Männer.


    "Die jetzige Politik verdirbt den Charakter der leichtgläubigen Frauen. Diejenigen mit guter Erziehung kann die Verlockung zu einer Karriere freilich nicht verderben, aber alle anderen. Deswegen wäre es ja so notwendig, dass etwas geschieht, um dem Einhalt zu gebieten. Am Ende sterben die konservativen Römer noch aus, weil sich keine gleichgesinnte Frau mehr findet."


    Antoninus lachte über den Scherz, der einen großen Teil an Wahrheit enthielt.


    "Aber erzähl, wie wird deine Karriere verlaufen, wenn es nach deinen Wünschen geht?"

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