- Schlafzimmer der Hausherrin -

  • Ursus war tatsächlich sofort zu Hungi geeilt, ganz zerwühlt und aufgeregt hatte er den Befehl von Livia überbracht. Hungi hob im ersten Moment nur die rechte Augenbraue, denn er war nicht wirklich geneigt, Befehle von seiner Frau anzunehmen, angesichts des Zustands seines Obersklaven entschied er sich aber, doch zu seiner Frau zu gehen. Was sie aber von ihm wollte, wußte er nicht, denn Ursus stammelte einen solchen Schmarrn daher, daß er Ursus zum Kochen für die Sklavenschaft schickte, zur Beruhigung. In der Küche konnte er sich dann hemmungslos austoben, und da dann die Sklaven das Essen bekamen, konnte er dann sogar anstellen was er wollte. Das half immer.


    Hungi schrieb also in aller Ruhe den Absatz in seinem Gutachten über die Probleme des Besitzerwerbs bei einem servus fugitivus fertig, dann erst stand er auf und bewegte sich zum Zimmer seiner Frau, wo er anklopfte und nach ihrem Herein eintrat.


    Da fiel ihm auf, daß er noch gar nie in ihrem Zimmer gewesen war, seit sie hier eingezogen war. Wie sollte er auch, denn tagsüber war er entweder nicht hier oder hatte zu tun und die Nächte verbrachte er nicht bei seiner Frau. Er verschwendete allerdings keinen Gedanken daran, sondern sah sich seelenruhig um, während er eher beiläufig fragte: Du wolltest mich sprechen?

  • In der Zwischenzeit hat ein Sklave Livia den bestellten Wein gebracht. Um für das bevorstehende Gespräch gewappnet zu sein, hat sie bereits einen ganzen Becher von dem nur leicht verdünnten, teuren Falerner getrunken. Den Sklaven hat sie sogleich wieder hinausgeschickt, da das Personal nicht noch mehr von ihren Problemen mitbekommen soll. So muss sie sich selbst nachschenken und hat den Krug gerade wieder beiseite gestellt, als Hungaricus anklopft. Rasch schenkt sie auch ihm noch einen Becher ein und setzt sich wieder äußerlich ruhig und gelassen in ihren Korbsessel, um ihn dann hereinzubitten und mit ernster, jedoch freundlicher Miene zu begrüßen.


    "Salve, Hungaricus. Bitte, setz dich. Ich fürchte, wir müssen uns endlich einmal eingehend unterhalten."


    Abwartend sieht sie ihn an und wartet geduldig, bis er seinerseits Platz genommen hat, um erst anschließend weiter zu sprechen.

  • Eingehend unterhalten? Hungis Blick wurde skeptischer, doch er setzte sich hin, wie seine Frau wollte. In Gedanken aber fragte er sich, warum sie so unvermittelt mit ihm sprechen wollte und ging die letzten Tage im Schnelldurchlauf durch. Aber es fiel ihm nicht ein, was er eventuell getan haben könnte, was sie mißbilligte. Es gab keine Streitereien, sie sahen sich nicht oft, sie ließen sich beide in Ruhe. Auch achtete er tunlichst darauf, seine kleinen Vergnügungen von ihr fernzuhalten. Er verheimlichte es nicht vor ihr, das wäre eher unmöglich, doch er brüskierte sie auch nicht damit, das heißt, er hoffte es so. Und natürlich achtete er noch mehr drauf, daß die Öffentlichkeit nicht gar so sehr davon mitbekäme, das war auch etwas, was Hungi schon um seiner selbst willen nicht wirklich wollte. Allerdings hatte das nichts mit Ursus zu tun und seiner Aufgeregtheit, als dieser zu Hungi kam. Sie hatte doch nicht etwa...? Für einen Bruchteil einer Sekunde schaute er sie überrascht an, doch dieser Gedanke war zu absurd, als daß er wahr sein könnte. Oder hatte Ursus etwas angestellt? Also wenn sie ihn rausschmeißen wollte: Nicht mit ihm!


    Aber alle Überlegungen halfen nichts, und sie würde es ihm ja gleich sagen, was denn los sei. Worüber denn?

  • Schon wieder greift sie ganz automatisch zu ihrem Weinbecher und trinkt einen kleinen Schluck daraus. Allzu viel Mut will Livia sich schließlich auch nicht antrinken, um noch einen halbwegs kühlen Kopf zu bewahren. Dann sieht sie ihren Mann an, betrachtet ihn, seine Haltung, seinen Körper, sein Gesicht und bleibt nachdenklich an seinen fragenden Augen hängen. In diesem Moment erscheint er ihr wieder so erstaunlich harmlos, fast sympathisch, wie ein nun schon relativ vertrauter Bekannter. Dennoch hat Livia insgeheim Angst vor seiner Reaktion auf das kommende Gespräch und seinen Antworten auf ihre Fragen. Sie fürchtet allzu schnell wieder mit seinen unangenehmeren Seiten konfrontiert zu werden.


    "Über unsere Ehe" bringt sie es schließlich schlicht und ergreifend auf den Punkt. "Zwar war ich noch nie verheiratet und hatte auch sonst wenig engen Kontakt zu anderen Ehepaaren, aber..." Sie atmet einmal ratlos durch. "So, wie es jetzt ist, ist es doch irgendwie nicht richtig. Oder?"


    Livia schiebt den zweiten vollen Becher zu ihm hinüber. Sie ahnt, dass er den Wein bald ebenso gut brauchen kann. Dann lehnt sie sich wieder zurück und führt ihre Betrachtungen des werten Gemahls fort. Der Wein scheint ihr in diesem Moment äußerlich tatsächlich die gewünschte Ruhe und Gelassenheit zu geben.

  • 'Unsere Ehe?' echote es in Hungis Kopf, wenn auch mit einem fragenden Unterton. Also hatte doch er etwas angestellt, und nicht Ursus. Aber was? Er war sich keiner Schuld bewußt und lehnte sich etwas nach vorne, die Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln ruhend und schaute sie tatsächlich noch fragender an als vorher.


    Als seine Frau dann weitersprach, bemerkte er dann zu seiner Erleichterung, daß es wohl kein besonderes Ereignis war, weswegen sie ihn hergeholt hatte, sondern eher der Zustand der Ehe. Das heißt, erleichtert war er doch nicht, wohl eher irritiert. Sein Blick wurde ernster, eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn. Hungi atmete laut ein und lehnte sich wieder im Sessel zurück, den ihm dargebotenen Wein ignorierend.


    Inwiefern?

  • Livia seufzt. Es wäre auch einfach zu schön um wahr zu sein, wenn es so einfach gewesen wäre. Doch entweder konnte er sie nicht verstehen, oder er wollte es nicht. Jedenfalls zwang er sie tatsächlich konkreter zu werden, was sie eigentlich hat vermeiden wollen.


    "Ja, fällt es dir denn nicht auf? Soll das hier etwa wirklich der Optimalzustand einer Ehe sein? Verstehe mich nicht falsch, ich bin nicht unglücklich. Wir kommen gut miteinander aus und haben ein angenehmes Leben. Doch so wie es im Moment läuft, könnte ich wohl ebenso gut mit meinem Bruder zusammen leben."


    Hoffnungsvoll sieht sie ihn an, ob er ihr nicht doch zumindest ein bißchen entgegen kommt.


    "Wenn du an unserer Ehe wirklich nichts Ungewöhnliches finden kannst, dann würde es mich interessieren, woher die anderen Paare sonst ihre Kinder bekommen."


    Jetzt ist es heraus und für einen kurzen Moment beißt Livia sich verlegen auf die Unterlippe. Dann wendet sie den Blick von ihm ab, greift erneut zum Wein und trinkt einen bemüht kleinen Schluck daraus.

  • Mit ihrem Bruder? Also jetzt brauchte er den Wein, und zwar dringend. Blind tastete er nach dem Becher, die Augen nicht von ihr ablassend, doch als er danebengriff, mußte er doch hinsehen. Der Ausdruck in seinen Augen änderte sich dabei aber nicht, viel eher verstärkte sich dieser noch um eine oder zwei Nuancen. Schnell nahm er den ersten Schluck, die zweite und auch die dritte folgten sogleich darauf. Und als sie das mit den Kindern ansprach, verschluckte er sich fast, räusperte sich, fasste sich aber dann wieder.


    Nein, er mußte sich nochmal räuspern, diesmal aber nicht aufgrund des Weines, sondern eher zur Überbrückung der Zeit. Deswegen also war Ursus so aufgeregt gewesen, wenn sie das gleiche mit ihm besprochen hatte.


    Ähm, ich dachte, du seist froh darüber, daß ich dich nicht anrühre.

  • Augenblicklich schießt Livia die Röte ins Gesicht und sie weicht seinem Blick verlegen aus. Eine so unangenehme Frage hat sie sich nicht einmal in ihren schlimmsten Befürchtungen ausgemalt. Vollkommen aus dem Konzept gebracht blinzelt sie und braucht ein paar Sekunden, um sich wieder zu sammeln. Sie ist es sichtlich nicht gewohnt, so offen über solche Themen zu sprechen. Vorsichtig blickt sie wieder zu ihrem Mann auf und setzt zum Sprechen an. Doch ihr fehlen die Worte und sie klappt den Mund sofort wieder zu. Hilfesuchend sieht sie ihm in die Augen, angestrengt nach einer passenden Antwort fischend.


    "Ja... Nein... Ich meine... Also..."


    Sie verflucht sich innerlich für dieses Stottern und ihre Verlegenheit, findet jedoch kaum einen Weg heraus. Ihr Blick weicht seinem nun aus, sie sieht ein wenig beschämt zur Seite, auf den Boden.


    "Es ist ja nicht so, als würde ich dich nicht mögen..." 'Ist es wirklich nicht so?' fragt eine innere Stimme, die sie jedoch schnell verdrängt. "Weißt du... Es... Es tat nur so weh und außerdem..." überspringt sie den Kernpunkt ihrer Angst eilig. "...scheint dir jede andere doch besser zu gefallen. Was... Was stimmt denn nicht mit mir? Ich meine... Du musst ja nicht ständig, aber vielleicht zumindest... damit..."


    Livia verstummt. Sie könnte sich Ohrfeigen für dieses furchtbare Gestottere und wagt vor Scham den Blick nicht wieder zu heben. Sie ahnt -selbst noch nicht alles verstehend-, dass sie nun in welcher Hinsicht auch immer groben Unfug geredet hat, und rechnet entweder mit einem schallenden Lachen oder einer wütenden Zurechtweisung.

  • Doch weder das von ihr erwartete schallende Lachen noch die Zurechtweisung kam von seiner Seite. Hingegen registrierte er mit Erstaunen, daß seine Frau tatsächlich unsicher war und bei weitem nicht in jeder Lebenslage souverän. Nein das eigentlich erstaunte ihn nicht, jeder Mensch war einmal nicht ganz so selbstbeherrscht, viel eher verblüffte ihn, daß sie es so offen vor ihm zugab, und das so dermaßen, daß er einige Zeit brauchte, bis er ihre Sätze - oder eher Satzfetzen - richtig deutete. Vor allem der letzte Satz, der dauerte, bis bei Hungi der As fiel.


    Sie wollte also, daß er seine ehelichen Pflichten erfüllte. Schon seit längerem war auch er der Meinung, daß der jetzige Zustand eigentlich nicht weitergehen konnte, wenn er seinen erwünschten Erben bekommen sollte. Doch er verdrängte diesen Gedanken immer wieder, mal mit Arbeit, mal mit Vergnügungen jedweder Art, ob Wein, ob Freunde oder ob - ja auch - Frauen, anderen Frauen natürlich, sonst wär es ja nicht logisch.


    Die Situation in diesem Raum war eigentlich grotesk. Da saß seine Frau vor Hungi und bettelte ja schon fast darum, daß er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte, und er? Er saß da und tat und sagte nichts. Er hatte allerdings auch keine Ahnung, was er sagen sollte. Denn etwas störte an diesem Bild und zwar die Pflicht, die Pflicht, der Ehemann in jeder Lebenslage zu sein, behagte ihm überhaupt nicht. Und genau das wollte sie aber, seine Pflicht. Ob aus dieser Pflicht Freude oder gar vollendeter Genuss entstammen würde, wagte er aufgrund seiner Erfahrungen in der gemeinsamen Hochzeitsnacht zu bezweifeln.


    Es verstrichen ein paar Momente, in der er nicht sprach, doch irgendwann mußte er etwas sagen, also sagte er: In Ordnung.

  • Heiß und kalt durchläuft es Livia, als sie diese Worte vernimmt. Ihre Gedanken rasen noch immer um das von ihr Gesagte und um das, was sie möglicherweise noch hätte sagen sollen. Zwar hat er ihr nun überraschend in gewisser Weise zugestimmt, doch die Art und Weise wie er das sagt, lässt sie das kalte Grauen bekommen. Ein Teil von ihr hofft noch verzweifelt, dass sie seine Antwort irgendwie falsch interpretiert hat. Vorsichtig sieht sie wieder zu Hungaricus auf, atmet einmal tief durch und versucht sich wieder besser unter Kontrolle zu bekommen.


    "Was ist in Ordnung?"


    Sie hat noch so viele weitere Fragen. Wann? Wo? Wie? Wie oft? Wie lange? Wird es wieder so weh tun? Doch sie wagt es nicht, auch nur eine davon auszusprechen. Ein ungutes Gefühl macht sich in Livias Magen breit. Allein die Möglichkeit eines jetzt und hier jagt ihr unvermittelt Angst ein. Natürlich hat sie von vornherein gewusst, auf was diese Angelegenheit hinauslaufen würde, doch mit einer so schnellen Wendung und noch dazu dieser unmittelbaren Konfrontation mit ihren Ängsten hat sie nicht gerechnet.

  • Von ihren Ängsten kriegte Hungi naturgemäß überhaupt nichts mit, aber wie auch, selbst wenn er der sensibelste Mann der Erde gewesen wäre - was er nun ja wirklich nicht wahr - selbst dann könnte er nicht Gedanken lesen. Außerdem war er in diesem Moment doch ein bissl zu sehr mit sich selber beschäftigt. Erst als sie wieder ihre Worte an ihn richtete, fiel ihm auf, daß er das ganze Gespräch hindurch nicht wirkliche Eloquenz bewiesen hatte.


    Du hast recht. Ich hätte dich nicht so vernachlässigen sollen. Doch ich dachte, so wäre es dir lieber.


    Den Weinbecher, den er noch immer in der Hand hielt, schwenkte er ein wenig, so daß der Inhalt gleichmäßig seine Bahnen fuhr. In seinem Inneren war es heillos komplizierter.


    Sicher gehts beim nächsten Mal besser. sagte er jetzt eigentlich vollkommen unvermittelt.


    /edit: letztes Wort ausgewechselt.

  • Livia atmet einmal tief durch. Wieder ist es an ihrem Mann, sie zu überraschen. Perplex sieht sie ihn an. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass er diesen Abstand allein aus Rücksicht auf sie selbst eingehalten hätte. Nie hätte sie gedacht, dass er überhaupt in irgendeiner Hinsicht so auf ihre Gefühle, Wünsche und Vorlieben achten würde. Einen Moment lang ist sie sprachlos und sieht ihn nur an. Sie weiß überhaupt nicht, was sie darauf erwidern soll. Ratlos hebt sie ein weiteres mal den Becher an ihre Lippen und trinkt einen nachdenklichen Schluck Wein. Scheinbar weiß er tatsächlich von diesen Schmerzen und offenbar will er wirklich nicht, dass sie allzu sehr darunter leiden muss. Plötzlich beginnt sie ihn ein klein wenig zu mögen und dieses Gefühl irritiert sie noch zusätzlich.


    "Oh..." beginnt Livia nicht sonderlich eloquent und mit entsprechend überraschtem Gesichtsausdruck. "Wirklich? Das ist... überraschend." Sie blinzelt kurz, um ihre Verlegenheit loszuwerden. "Ich werde mich bemühen... Gibt es denn auch etwas, das ich dazu tun kann? Ich meine... Hast du etwas an mir auszusetzen? Kann ich nicht irgendwie helfen? War es wirklich nur das? Nur, weil du dachtest, es sei mir so lieber?"

  • Die Fragen, die sie Hungi stellte, wurden ihn immer lästiger. Er fühlte sich in die Enge gedrängt, warum genau konnte er nicht sagen, aber immer mehr drängte sich die Erinnerung an die Hochzeitsnacht in ihm auf, ihre Reaktion auf ihn damals nagte sehr an seinem Selbstbewußtsein.


    Nein, ich habe nichts an dir auszusetzen und ja, es ist deswegen. sprach er tonlos. Es war noch nicht einmal gelogen, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Doch vor den Kopf stoßen wollte er sie nicht. Etwas abrupt stellte er seinen Becher, der noch halb voll war, hin und stand auf.


    Ich denke, wir haben alles besprochen. Sichtlich unruhig wandte er sich zur Tür, drehte sich aber dann doch noch um. Wir... sehen uns. sagte er noch, dann verließ er den Raum.


    Draußen blieb er vor ihrer Tür noch kurz stehen, atmete erleichtert auf und ließ noch schnell das Gespräch Revue passieren. Jetzt war es soweit, er würde wohl ein paar der nächsten Nächte, so sie nicht Besuch bekam von ihrer Tante, ihr beiwohnen. Und er hoffte stark, daß es wirklich anders werden würde. Erst jetzt konnte er schmunzeln, als er sich wieder vergegenwärtigte, daß sie ihn praktisch angefleht hatte um eine Nacht mit ihm. Das hob sein Selbstbewußtsein und er fühlte sich sogleich wieder besser. Sicher wußte er, daß sie dies nicht ganz aus denselben Gründen tat, wie er es gern hätte, aber es war definitiv ein Anfang. Das Schmunzeln verbreiterte sich zu einem Lächeln, und er trat jetzt endgültig den Weg in sein Arbeitszimmer an, wo er zwar nicht weiterarbeiten würde (dafür war dieses Gespräch doch zu einprägend gewesen), aber er würde sich schon die Zeit angemessen vertreiben, und wenn er irgendein Spiel spielen würde, wie die Kinder auf den Straßen.

  • Wortlos sieht Livia ihrem Mann nach und starrt auch als er längst verschwunden ist, noch eine ganze Weile regungslos auf die verschlossene Tür. Das Gespräch ist für sie vollkommen anders als erwartet verlaufen. Sie hat einige Seiten an Hungaricus entdeckt, die ihr völlig neu sind, und die sie erst einmal verarbeiten muss. Dennoch wandern ihre Gedanken auch immer wieder zu der ihr nun definitiv bevorstehenden Nacht. Insgeheim gibt sie sich selbst gegenüber inzwischen zu, dass sie eine nicht zu ignorierende Angst verspürt. Nach außen hin will sie diese jedoch so gut es geht verbergen, auch wenn ihr das wahrlich nicht immer gelingt. Sie fasst den Entschluss, dass sie sich am betreffenden Abend großzügig des Weines bedienen wird, um sich schlicht und ergreifend Mut anzutrinken. Vielleicht würde der Schmerz dadurch auch weniger ins Gewicht fallen. So greift sie auch jetzt wieder seufzend zu ihrem Becher und trinkt einen großen Schluck. Nachdenklich bleibt Livia auf diese Weise noch noch lange sitzen. Einen Großteil des Weines führt sie sich bis spät am Abend noch zu Gemüte, bis sie sich schließlich in sich gekehrt und deutlich angeschlagen ins Bett begibt und in einen unruhigen Schlaf fällt.

  • Die Natur hat für eine menschliche Schwangerschaft 40 Wochen vorgesehen und eine solche Zeit kann entweder verfliegen oder sie kann sich ziehen wie ein Honigfaden. Die ersten Monate verfliegen tatsächlich in den meisten Fällen, doch wenn die Schwangere Beschwerden hat wie etwa Wasser in den Beinen oder ständiges Aufsuchen der Latrine, dann warten die Frauen auf das hoffentlich baldige Ende und somit auf die Geburt.


    So auch in diesem Fall. Doch vor der Erleichterung haben die Götter die Schmerzen gestellt und ein erster ganz typischer Schmerz erreichte die Hausherrin an diesem Abend, als sie schon längst im Bette lag und gerade am Einschlafen war. Mochte sie noch denken, dass dies nur falscher Alarm sei, so wurde sie eine halbe Stunde später stark daran erinnert, dass das Kind nun wohl endlich soweit war und die Welt mit seiner Anwesenheit beglücken wollte.


    Kurze Zeit später war die Leibsklavin der Hausherrin informiert, welche ihrerseits nach einer Hebamme und einen Medicus schicken ließ. Und nach dem Hausherrn.

  • Hungi, der Hausherr, war schon längst eingeschlafen, als einer der Sklaven ihn weckte und ihm von der bevorstehenden Niederkunft der Domina berichtete. Doch wie das nun einmal so ist, wenn man zu schnell aufgeweckt wird, kennt man sich in den ersten Momenten einmal überhaupt nicht aus. Genauso wie Hungi, der zunächst keine Ahnung hatte, wovon der Sklave da eigentlich redete. Gähnend rieb er sich seine Schläfen, bevor er den Sklaven entgeistert anschaute und ein Was ist los? fragte. Der Sklave, vorher deutlich aufgeregt, jetzt etwas ruhiger, erklärte ihm die Situation ein zweites Mal und jetzt verstand Hungi endlich die gesamte Situation.


    Wurde nach der Hebamme geschickt? fragte er und der Sklave bejahte. Hungi nickte und verlangte nach seiner Tunika, stand auf, zog sich an und ging zum Schlafzimmer seiner Frau. Dort kam er allerdings nicht weiter als bis zur Türe, denn Penelope, eine ziemlich ältliche Sklavin, die zumindest einigermaßen Ahnung von Kinderkriegen und Gebären hatte, ließ ihn erst gar nicht rein. Sie meinte irgendwas von daß es der Domina eh noch gut ginge, daß die Wehen im normalen Rhythmus kommen, daß das jetzt eine schöne Weile dauern kann, weil sie Erstgebärende ist und manchmal dauert das und manchmal gehts ganz geschwind und daß er, Hungi, jetzt eh nicht von Nutzen sei und daß das jetzt Frauensache ist. Eigentlich mochte es Hungi überhaupt nicht, wenn mit ihm so umgesprungen wurde, auf der anderen Seite war er auch nicht wirklich scharf drauf, die Geburt so hautnah zu erleben. Also nickte er nur und ging ein paar Schritte zurück, überlegend, was er jetzt wohl machen könnte. Nur einfach warten wollte er nicht, an Schlaf war sicher nicht mehr zu denken, doch arbeiten konnte er jetzt auch nicht, dazu war er doch ein wenig zu sehr aufgeregt. Also entschied er sich, ins Atrium zu gehen und sich etwas zu essen und zu trinken bringen zu lassen. Und das tat er auch.

  • Hungi hatte sich ein paar Bissen gegönnt, doch fehlte ihm der Hunger um sich satt zu essen. Zwischendurch klangen Schreie leise durch das Haus und manchmal huschten ein paar Sklavinnen durch die Gänge und das Atrium. Er stand auf und wandelte ein wenig durch den Raum. Mittlerweile stieg in ihm die Aufregung und er hoffte und betete leise zu Iuno, daß die Geburt bald vorüber sei und ihm endlich ein Sohn geschenkt werde.


    Nach etwa einer Stunde glich er einem typischen werdenden Vater. Unablässig wanderte er im Atrium auf und ab und bei jedem atypischen Geräusch schaute er auf, darauf wartend, daß endlich das Kind kommen möge. Als er sich dessen bewußt wurde, schüttelte er den Kopf und ging ins Peristyl, um dort weiter zu warten. Das Wetter war warm, fast schwül, und durch die Mauern kam nur ein geringer Luftzug, also eine ideale Temperatur, um sich die Wartezeit im Peristyl zu vertreiben. Er legte sich auf eine Kline, knotzte eigentlich schon eher und malte sich die Zukunft des Sohnes aus, der selbstverständlich ganz nach dem Vater geraten sollte. Nur kurze Zeit später schlief er ein.


    Ein Sklave weckte ihn später auf, der nächste Tag hatte schon längst begonnen, so mutmaßte Hungi nach dem Stand der Sonne. "Herr, es ist da." sagte der Sklave. Sofort stand Hungi auf und eilte wieder zurück ins Atrium.

  • Als Hungi im Atrium ankam, stand bereits die Hebamme dort mit dem Kind auf dem Arm. Sie berichtete, daß es seiner Frau gutgehe, die Geburt war jedoch schwierig und kräfteraubend, weswegen sie dringend rate, die domina möge die nächsten Tage das Bett strikt hüten und so wenig Besuch wie möglich empfangen. Hungi hörte aber kaum auf die Worte, sondern blickte nur auf das Kind. Dann endlich legte die Hebamme der Tradition gemäß das Kind vor ihn auf dem Boden, gebettet in eine Decke. Dem Kleinen gefiel das ganz und gar nicht, war es vorher noch ruhig, jetzt brüllte es. Hungi trat näher und begutachtete sein Erstgeborenes. Ein leichter schwarzer Haarflaum zierte das Haupt, die Haut war noch rot von der Geburt, stellenweise konnte man etwas vernix caseosa sehen, sonst war das Kind sauber. Es schien gesund und perfekt zu sein, es gab in den Augen des Vaters nur ein Problem: Es war ein Mädchen.


    Hungi seufzte leicht. Der ersehnte Sohn war es nicht, das bedeutete, sie müssten es wieder probieren. Auf der anderen Seite war ein Kind besser als gar keines, auch wenn es nur ein Mädchen war. Deswegen und damit das Gebrüll der Kleinen aufhörte, beugte er sich hinunter, hob seine Tochter auf und nahm es somit als sein Kind an. Vinicia Livilla soll ihr Name sein. sagte er noch, dann gab er das Kind wieder der Hebamme, denn seine Tochter brüllte weiter und schreiende Kinder machten Hungi nervös.

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