Capitolinium - Quinquatrus Minusculae

Die Sacerdotes und Tempeldiener empfingen den Zug der Magistrate. Valeria war unter ihnen und nickte Gordianus zu, den sie wiedererkannte. Schließlich trat Valeria vor und hob beide Arme, um der Menge zu bedeuten, dass sie ruhiger werden sollte. Sie gab einem Tempeldiener mit einem Wink zu verstehen, dass nun die Feuerschalen entzündet werden sollten, die man rings um das Heiligtum aufgestellt hatte.
Die Tibicines begannen nun, ihre schönsten Lieder zu spielen. Valeria schloss die Augen und begann mit klarer, lauter Stimme zu beten, während die Tempeldiener die Prozession um das Heiligtum herum einleiteten.

"Vivat flamma viget, seu cava testula sucum linteolo suggerit ebrio, seu pinus piceam fert alimoniam. Lumen quod tibi offero, suscipe, precor, Diva. Pate fac sacrarium."

Die Popae hatten die Prozession nun wieder zurückgeführt. Valeria wandte sich um und betrat das Capitolium. Ihr folgten die Menschen. Die anderen Sacerdotes stellten sich an Kernpunkten des Tempels auf und wärhrend sie die rituelle Reinigung mit frischem, kalten Quellwasser begannen, sagte sie:
"Ab illa benedicaris, in cuius honore spargaris."

Nun wurde Mola salsa versprenkelt und Valeria sprach:
"Ab illa benedicaris, in cuius honore friaris."

Dann war der Weihrauch an der Reihe und Valeria sagte:
"Ab illa benedicaris, in cuius honore cremaberis."

Valeria ließ kurz den Blick über die Gläubigen schweifen und begab sich dann angemessenen Schrittes und mit gefalteten Händen auf den vorgesehenen Platz. Dort ließ sie sich nieder und sprach laut ein weiteres Gebet.
"Da, Diva, veniam si te non pecudum fibris, non sanguine fuso, quaero nec arcanis numen coniecto sub extis. Dies admoniet et forti sacrificare deae, quod est illa nata Minerva die. Pallada nunc oremus. Qui bene placavit Pallada, doctus erit. Nec quisquam invita Pallade faciet bene licet antiquo manibus conlatus Epeo sit prior, irata Pallade mancus erit. Vos quoque, Phoeba morbos qui pellitis arte, munera de vestris pauca referte deae. Nec vos, turba fere censu fraudante, magistri, spernite; discipulos attrahit illa novos. Mille dea est operum. Si mereramus, studiis adsit amica nostris. Domina haec domii sodalitatisque patrona, te hoc sacrificio obmovendo precamus uti sies volens propitius nobis domi familiaeque nostris; harumce rerum ergo, macte hoc sacrificio."

Weihrauch und Mulsum wurden nun im Foculus verbrannt. Valeria hatte ihren beiden Schülerinnen diese Aufgabe zugedacht und sie verließ sich darauf, dass sie sie mit Bedacht ausführten. Sie wartete einen Moment, bis das Knistern und der Duft den Raum ausfüllten, dann sprach sie weiter.
"Sulis Minerva Belisama, Medica, Sollertissima, Pallas, Athena, Propugnatrix, sive quo alio nomine appelari volveris, aegida semper super nos extende. Et te, Bacche, grati animi recordamus. Ante tuos ortus area sine honore fuerunt, Liber, et in gelidis herba reperta focis. Melle pater fruitur, liboque infusa calenti iure repertori candida mella damus. Macte ergo, Pater, hisce donam. Iamque decet itidem Annae Perennae precationem atque sacra facere. Macte, Dea, hunc crustum et vinum quod tibi nunc inferimus."

Hier sollten Fabia und Livia Honigkuchen und Mulsum ins Feuer des Foculus geben. Valeria vergewisserte sich mit einem Blick, dass sie es taten.
"Sine, Dea, quod tamen vinoque quot sumamus cyathos, ad numerumque bibamus."

Nun wurde den Göttern Wein und Spelzkuchen geopfert. Valeria erhob sich und breitete die Arme aus. Mit klarer Stimme intonierte sie:
"Ebibete, O Fortunati, qui Nestoris annos, quae sit per calices Sibylla!"

Dann reichte man ihr einen reich verzierten Weinkelch. Sie nahm ihn in beide Hände, nannte deutlich den Namen einer Göttin, die auch in ihrem Gebet vorgekommen war, und trank dann davon. Die Menschenmenge wiederholte erfürchtig den Namen der Gottheit. Valeria reichte den Kelch weiter.

So ging es eine geraume Weile. Dann sollte das blutige Opfer beginnen. Valeria wartete auf das Schwein, das man in Kürze hereinführen sollte....

Crispus war ebenfalls gekommen, um den Feiertag zu begehen. So stand er in der Menge, zusammen mit einigen Kameraden und sah bei dem Opfer zu. Die leitende Priesterin war offensichtlich diese Verwandte des Legaten...
Die Gebete verfolgte er nicht sehr gewissenhaft, denn er war zu sehr damit beschäftigt, all die Leute zu beobachten, die das Opfer verfolgten...

Zwischen einigen ranghohen Offizieren der Legio und der Classis und anderen hohen Würdenträgern der Stadt stehend, beobachtete Livianus die Opferzeremonie. Er hatte sich während der ganzen Zeit seinen Umhang über den Kopf gelegt und tief ins Gesicht gezogen, sah jedoch zwischendurch immer wieder auf und blinzelte beobachtend zu Valeria. Sie leitete die Opferzeremonie wirklich hervorragend und Livianus war ziemlich Stolz auf sie.

"Scheint, als würde CCAA nun auch noch decimiert.", sagte ich leise und grinste, als ich an die Seite des Legatus Legionis trat
Den Blick hatte ich jedoch brav nach vorne gerichtet, wo die Opferung von statten ging.

Livianus grinste, versuchte aber trotzdem eine gewisse Haltung zu bewahren.

"Jetzt übertreib mal nicht Aelia. Bisher sind wir doch nur zu zweit. Du brauchst dir also keine Gedanken darüber machen, dass wir deine Regio an uns reißen."

"Zu zweit, ja. Aber wichtige Vertreter des Militärs und des Cultus Deorum. Wenn ihr euch gegen mich verschwört sehe ich alt aus."
Besorgt dachte ich daran, dass ich am Morgen ein erstes graues Haar entdeckt hatte...welches umgehend ausgerupft worden war.
"Welche der vielen Decimas ist das?"

Livianus schmunzelte.

"Decima Valeria. Sie ist vor kurzem aus Tarraco gekommen und wohnt bei mir im Praetorium. Ich stelle sie dir gerne beim anschließenden Bankett vor."

Dann ging er auf ihre Befürchtungen ein und musste dabei noch breiter grinsen.

"Ich befehlige an die 6000 Soldaten. Denkst du wirklich ich brauche da noch eine Priesterin um die Macht an mich zu reißen?"

Ich grinste breit.
"Soso, du hast also bereits darüber nachgedacht, wie?"

"Darüber nachgedacht? Vielleicht. Aber in Betracht gezogen? Nein, keine Angst. Bei drei weiteren Legionen die in dieser Regio stationiert sind, hätte ich wohl wenig Chancen auf Erfolg. Also lasse ich es lieber gleich bleiben."

"Da schau an...Abgründe, die sich auftun...", meinte ich mit einem Augenzwinkern.
Innerlich versuchte ich mir Livianus als Kaiser vorzustellen...nein, das passte überhaupt nicht
"Vorischtshalber werde ich aber wohl die anderen Legaten mal aufsuchen."

Livianus tat empört, blieb dabei aber leise um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu lenken.

"Wage es ja nicht einen anderen vor zu ziehen.... du hast mir noch einen Besuch im Castellum versprochen."

"Und du hast mir einen Centurio Statorum, oder einen Regionarius versprochen.", konterte ich. Irgendwie war es unsagbar schwer, ihm im Moment nicht die Zunge herauszustrecken.

Da hatte sie nun auch wieder Recht. Livianus machte einen leicht überrumpelten Eindruck.

"Nunja... in Ermangelung eines Kandidaten ist das im Moment ein wenig schwer. Aber du bekommst schon noch deinen Centurio. Keine Sorge."

'Hehe, gewonnen.', dachte ich und schmunzelte zufrieden.
"Im Moment eilt es ja nicht allzu sehr, die Regio ist ziemlich ruhig...", murmelte ich beiläufig und grinste einen Regiobeamten, der neben mir stand an. Der sonderbare Blick, den er mir zuwarf sagte mir, dass er nichtmal gewusst hatte, dass uns etwas Derartiges fehlte.
"Aber du hast recht, ich hab den Besuch im Lager ganz vergessen...naja, in den nächsten Tagen vielleicht mal."

Livianus war erleichtert, als sie wieder das Thema wechselte.

"Ich würde mich über deinen Besuch freuen."

"Warum? Zu viel zu tun und du brauchst Ablenkung?"
Indes überlegte ich mir, mit welcher Ausrede ich meinen Schreibtisch verlassen konnte. Berufliches Gespräch mit dem hiesigen Legatus Legionis? Wegen dem Regiofest? Ah nein, das hatte ich auf Fuscus abgewälzt...hm...

Livianus schmuzelte und diesmal war er es, der ihr zuzwinkerte.

"Ich freue mich immer über nette Gesellschaft."

Ich stellte mich kurz auf die Zehenspitzen, doch scheinbar hatte ich beim Opfer noch nichts weiter verpasst. Also wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder Livianus zu.
"Hm...also muss ich erst jemand Nettes finden, den ich mitbringen kann..."

Livianus versuchte krampfhaft das Lachen zu unterdrücken. Als er sich wieder beruhigt hatte, sah er kurz zu Aelia.

“Also so schlecht musst du dich auch nicht machen. Wenn ich mich an deinen letzten Besuch erinnere, so war er ausgesprochen nett.“