Mal wieder Kopfschmerzen

  • Es war mal wieder einer jener Tage, wo Gabriel alte Kopfverletzung ihn dermaßen aus dem Gleichgewicht brachte, dass man ihn bei den Vigiles freigesellt hatte. Langsam war ihm das wirklich unangenehm, aber er konnte ja schliesslich auch nicht dafür, dass er vor Wochen fast totgeschlagen wurde mit einer Keule, aus der spitze Nägel herausragten.
    Die Nacht hatte er immerhin mit Kameraden einen Rundgang gemacht und nichts war vorgefallen. Nun war es Nachmittag und sein Kopf schmerzte höllisch und er hatte wieder dieser Erinnerungslücken, die immer wieder auftraten.


    Auf einmal befand er sich auf dem Markt und wusste eigentlich gar nicht, warum er hier war. Es waren so viele Leute hier und die Gerüche verschiedenster Speisen, Blumen und Lederarbeiten drangen in seine Nase. Er schaute sich fasziniert die Stände an, aber kaufen wollte er eigentlich nichts. Seine Gedanken waren bei seinem Traum, seine Zukunft zu ändern.
    Doch auch wenn er höllische Kopfschmerzen hatte, riss er sich zusammen und irgendwann wanderte sein Blick von den Ständen zu den vielen unterschiedlichen Menschen ...

  • Das Städtekonzil hatte einen sehr großen Vorteil - sie konnte während der Dauer der Beratungen in Rom bleiben und das Pendeln nach Ostia blieb ihr erspart. Damit fand sie auch wieder die Zeit, sich etwas auf dem Markt umzusehen, zum einen nach neuer Kleidung für ihren Bruder, zum anderen vielleicht auch nach etwas Schickem für sich selbst, die Geschäfte waren in letzter Zeit gut gelaufen und sie hatte einige Sesterzen auf die Seite legen können. Irgendwann musste man sich schließlich auch etwas gönnen können, wofür arbeitete man schließlich?


    Iulia Helena blieb an einem Stand mit sehr hübsch gewebten Bändern und Borten stehen, einige der komplizierteren Muster in Augenschein nehmend. Für solche Handwerkskunst würde ihr immer die Geduld fehlen, dessen war sie sich sicher, auch wenn ihre Mutter sich redlich Mühe gegeben hatte, ihr das Weben genauso beizubringen wie das nähen und all die anderen, unerfreulichen Hausfrauentätigkeiten, die sie nun nur zu gerne den Sklavinnen mit Talent für derlei überließ. Mit einem leichten Schmunzeln auf den geschwungenen Lippen ging sie den Stand entlang, ließ den Blick etwas auf den einzelnen Borten liegen und bemerkte nicht, dass ihr ein schmächtiger Kerl wie ein Schatten folgte, der ihre Geldbörse, die sie am Gürtel hängend trug, längst ins Auge gefasst hatte. Als sie sich vorneigte, um eine der Borten genauer zu betrachten, schien der ideale Moment für ihren Schatten gekommen ...

  • Gabriel hatte seinen Blick ja nun von den Ständen genommen und war auf die Menschen fixiert. Eigentlich mochte er so grosse Menschenmengen nicht. Aber nun war er hier und auch wenn es in seinem Kopf immer mehr pochte, so sah er eine Chance, mit dieser verdammten Nebenerscheinung seiner einst schweren Verletzung umzugehen: Er blendete jegliche Geräusche aus. Da er nur noch das schmerzhafte Hämmern in seinem Kopf und sein Blick auf das Wesentliche und auf einmal sah er es vor seinen Augen. Da war dieser junge, schmächtige Kerl, der sich ebenfalls nicht für die Auslagen der Stände, sondern für die Kunden interessierte.


    Irgendwie kam Gabriel das bekannt vor. So war es damals auf dem Forum Romanus, als er diesen christlichen Bischof ebenfalls gegen einen Taschendieb half. Gabriel hatte eben ein Blick für seines Gleichen ...


    Die Frau, die er kaum erkennen konnte, beugte sich vor und nahm nicht war, wie der Mann ihre Geldböse sanft umpackte und ihr vom Gürtel abschneiden wollte. Nicht schlecht der Mann, aber Gabriel war schneller. Mit einem Satz war er bei den beiden Personen, genau in dem Moment, wo der Mann den Beutel abgeschnitten hatte. Zuerst packte Gabriel ihn an dem Handgelenk, wo er den Dolch hielt, denn der war in dieser Situation am Gefährlichsten.
    »Lass die Waffe und den Beutel fallen! Sofort!!!« stiess Gabriel hervor.

  • Der Dieb - denn er war zweifelsohne ein solcher - zuckte heftig zusammen und es schien ihm, als sei sämtliches Blut von seinem Kopf urplötzlich in seine Beine geschossen, denn er erbleichte binnen Sekunden von leicht gebräunt in Richtung Kalkweiss. Verdammt! Wo war der verdammte Kerl hergekommen? Er hatte sich doch sorgfältig umgesehen, um genau das zu vermeiden! Da half nur eines, ab durch die Mitte, und von diesem Verrückten wegkommen, der ihm sein fast sicheres 'Geschäft' vermiest hatte.


    Er stellte sich fügsam und ließ den Beutel klirrend zu Boden fallen, während die Frau, die er hatte berauben wollen, mit großen Augen und offensichtlich erschrocken die Szenerie beobachtete, ohne sich groß zu rühren - was für eine dumme Henne, dachte der Dieb und machte sich kleiner, als er war. Von dem verdammten Dolch würde er nun auch Abschied nehmen müssen, um von seinem Häscher fortzukommen, aber besser das als ein gefangener Dieb.


    So tat er sein Bestes, zu wirken, als würde er aufgeben - um im richtigen Moment mit seinem Hacken nach hinten auszuschlagen, um seinem Häscher einen gezielten Tritt in die Weichteile zu versetzen - zumindest zielte er darauf und hoffte, dass er auch nach hinten treffen würde.

  • Gabriel funkelte den Mann weiterhin gefährlich und drohend an, wären da nur nicht diese verdammten Kopfschmerzen, die wie ein trommelndes Gewitter auf ihn dahergingen. Und diese Kopfschmerzen waren ach der Grund, das Gabriel nicht jede Bewegung des Diebes, welchen er geschnappt hatte, wirklich real wahrnahm. Er hatte einen Dieb gefasst und dieser lies Täterwerkzeug und Beute fallen. Was wollte er erst mal mehr. Dann würde er ihn festnehmen ... doch es kam anders.


    Als reichten die verdammten entsetzlichen Kopfschmerzen nicht, da traf ihn der Schlag. Und zwar genau zwischen die Beine und nun explodierte es erst recht in seinem Kopf. Augenblicklich und ohne zu überlegen, liess er das Handgelenkt des Diebes los und stöhnte, wenn auch verhalten, auf. Doch es explodierte auch zwischen seinen Beinen und zwar so heftig, dass er Sternchen sah.
    Gabriel krümmte sich vor Schmerz und unweigerlich gingen seine Hände dorthin, wo man sie in der Öffentlichkeit möglichst nicht zeigte und er krümmte sich vor Schmerzen.
    Ein undurchsichtiger Schleier vernebelte ihm die Sicht und für einen Moment vernahm er auch kein Geräusch mehr um sich. Da waren nur explodierende Schmerzen und gerade noch konnte er sich, wenn auch nur gebeugt, auf den Beinen halten. Am liebsten wäre er auf die Knie gegangen. Oh je, tat das weh ...


    Er war unfähig, noch zu reagieren, so dass der Dieb entkommen konnte.

  • Der Dieb ließ sich die günstige Gelegenheit nicht zweimal geben und nahm die Beine in die Hand - die meisten der umstehenden Passanten richteten ihre Blicke eher auf den schmerzstöhnenden Gabriel denn auf den hinfort eilenden, schmächtigen Kerl, sensationslüstern wie alle Römer nun einmal waren, sodass er recht schnell damit Erfolg hatte, in der einkaufswilligen Menge unterzutauchen. Iulia Helena indes, die dem Dieb nicht allzu viel Beachtung mehr schenkte, als ihr unverhoffter Retter fast in die Knie ging, stammelte einige unzusammenhängende Worte, die einerseits ihren Dank für die Hilfe, andererseits auch ihr Bedauern für seinen Zustand ausdrücken sollten - wenngleich es ihr nicht wirklich gelang, diesen Worten auch eine gewisse Lautstärke zu verleihen, die sie wie ein Fisch auf dem Trockenen wirken ließen. Ihr Mund öffnete sich zwar, und schloß sich auch wieder, aber die Worte wollten sich nicht wirklich formen.


    "So lasst ihm doch Luft zum atmen!" herrschte sie schließlich einige der allzu neugierig herandrängenden Leute an und blickte sie so zornig an, dass sie zurückwichen. Schließlich wandte sie sich Gabriel wieder zu, die Miene deutlich zerknirscht. Um die Sesterzen hätte es ihr nicht so wirklich leid getan, aber dass wegen ihr ein Fremder nun Schmerzen leiden musste, offensichtlich ziemlich gemeine Schmerzen, das tat ihr durchaus leid. "Geht es wieder?" fragte sie, etwas leiser nun und deutete in Richtung einer Sitzbank am Rand der Galerie, auf der sie standen. "Vielleicht willst Du Dich einen Augenblick hinsetzen und äh ..ausruhen?" Was machte man mit einem Mann, der an diese heikle Stelle einen Tritt gesetzt bekommen hatte? Sie hatte zwar so manche von Titus' Wunden verbunden, aber so etwas war auch der Iulierin noch nie unterkommen. Vorsichtig berührte sie ihn am Arm, um festzustellen, ob er überhaupt ansprechbar war.

  • Gabriel war schon einige Schmerzen in seinem Leben gewöhnt, aber an diesen würde sich wohl einfach kein Mann gewöhnen und so bekam er erst einmal auch überhaupt nichts mit. Er war einfach nur damit beschäftigt, den Schmerz zu verarbeiten und zu hoffen, dass er schnell vorüber ging.


    Irgendwann drangen irgendwelche Worte zu ihm durch und er fühlte eine Hand an seinem Arm, die ihn sanft zu eine Bank bringen wollte.
    »Es ... geht ... schon ...« stöhne er noch leise und ganz langsam liess der Schmerz nach, auch wenn der Schreck noch von Dauer war. Er taumelte zu der Bank und liess sich sehr vorsichtig nieder. Langsam klärte sich auch sein Blick auf, dennoch pochte es noch heftig zwischen seinen Beinen, aber auch in seinem Kopf und nur langsam nahm er die Hände vor seinem schmerzenden Gemächt weg.
    »Verdammt ...« keuchte er, denn der Schmerz hatte ihm auch den Atem geraubt.
    Verdammt, ja, das hatte mehr als nur empfindlich weh getan. Immer noch sah er die Sternchen vor seinem Auge tanzen und erkannte die Frau kaum, die zu ihm, wenn auch erst etwas unsicher redete.
    »Bist ... du ... in Ordung?« fragte er dann mit dennoch schmerzverzerrten Gesicht. Immer noch war ihm leicht schwindelig.

  • "Mir geht es gut, danke - dank Deines Eingreifens ist mir auch nichts geschehen, dafür kann ich Dir gar nicht genug danken. Es tut mir unendlich leid, dass Du verletzt wurdest ..." rang die Magistrata aus Ostia nach Worten und verfluchte ihre Dummheit, heute ausnahmsweise ohne eine Begleitung auf den Markt gegangen zu sein, so etwas rächte sich sofort. Innerlich seufzend blickte sie sich um und erspähte in unmittelbarer Nähe einen Stand mit Getränken im Angebot - perfekt! Schmerz vergaß man am besten mit einem zweiten Reiz. "Nicht weglaufen, ich bin gleich wieder da," sagte sie eilig, vergewisserte sich, dass er nicht gleich im Sitzen umkippen würde und schritt in die Richtung des Getränkestands davon, wo sie wortreich und unter Zuhilfenahme einiger ihrer wiedergewonnenen Sesterzen mit dem Händler um einen Becher Wein zu feilschen begann. Sie fühlte sich irgendwie verantwortlich für den Fremden, der ihretwegen nun Schmerzen leiden musste, und hatte ein nicht gerade geringes schlechtes Gewissen.


    Ein angestrengtes Verkaufsgespräch später - denn auch jetzt war die Iulierin nicht bereit, einem der gierigen Markthändler mehr Sesterzen in den Rachen zu werfen, als die Ware wert war - trug sie triumphierend den Tonbecher samt säuerlichem Rotwein darin zu Gabriel zurück und setzte sich mit etwas Abstand zu ihm auf die Bank, ihm den Becher anbietend.
    "Hier, das wird Dir sicher guttun," sagte sie freundlich in seine Richtung und hielt den Becher so lange fest, bis er ihn ihr abgenommen hatte. "Vielleicht lässt es Dir den Moment ein klein wenig angenehmer erscheinen, als er ist?" Es klang einigermaßen hoffnungsvoll, wenngleich sie sich sicher war, dass der Wein daran nicht viel ändern würde.

  • Nicht weglaufen? Dazu war er gerade nicht in der Lage ... -.^ ... ;)


    Noch leicht gekrümmt hing Gabriel auf der Bank. Er ignorierte die gaffenen Umstehenden und auch von der fremden Frau drangen die Worte eher diffus durch den Schleier voller Sternchen, die vor seinen Augen tanzten.
    Der Schmerz saß tief, dauerte aber nicht ewig lange, auch wenn es Gabriel so vor kam. Als die fremde schliesslich wieder neben ihm saß und ihm den Becher Wein reichte, umfasste er diesen mit einem gequälten Lächeln und setzte ihn an seine Lippen. Im Nu war der Becher geleert und ja, es tat verdammt gut.
    Er reichte ihr den Becher zurück. Der Schmerz in seinen Lenden liess zwar nach, aber dafür wurden seine Kopfschmerzen nicht besser. Im Gegenteil. Ihm war leicht schwindelig und irgendwie hatte er schon wieder Probleme mit dem Gedächtnis.


    Als er ihr den Becher zurückgab, nuschelte er ein »Danke« und blickte nun die Fremde an, welche neben ihm saß, ziemlich verwirrt an.


    »Was ist bloss passiert?« Nun wanderte eine Hand zu seinem Kopf und seine Handfläche legte sich auf diesen.

  • Voller Mitgefühl im Blick blieb sie neben ihm sitzen und beobachtete ihn besorgt. Ob er wohl einen Medicus brauchte? Wenn ja, wo bekam sie mitten auf dem Markt nun einen Medicus her? Ach, dieser vermaledeite Einfall, nie wieder würde sie ohne einen begleitenden Sklaven hier her kommen, soviel war sicher.
    "Nu-un," meinte sie gedehnt und wagte sich an ein zaghaftes, aufmunterndes Lächeln in seine Richtung. "Dieser ... Mann, den Du ergriffen hast, wollte mich wohl bestehlen, und als Du ihn geschnappt hast, hat er Dir äh .. einen Tritt .. nun nach ..." Sie deutete dezent in die Richtung seiner Leibesmitte.


    "... nach unten gegeben und ist abgehauen. Leider hat ihn niemand sonst aufgehalten und ich war viel zu erschrocken, um zu reagieren, er ist wohl entkommen. Geht es wieder? So halbwegs wenigstens?" Mit einem zweifelnden Blick auf sein schmerzverzerrtes Gesicht blieb sie neben ihm sitzen und nahm den leeren Becher wieder entgegen. "Möchtest Du vielleicht noch einen Wein, auf den Schreck und äh ... Schmerz?" Es musste übel schmerzen, wenngleich sie es sich nicht ausmalen konnte, wie sehr, so zusammengekrümmt, wie er noch immer auf der Bank saß, war der Schmerz eindrucksvoll genug definiert.

  • Langsam verschwanden die Sternchen vor seinen Augen und sein Atem wurde ruhiger, als er der Fremden nun lauschte. Er hatte tatsächlich im Moment keinerlei Erinnerung daran, was eben passiert war, aber er wollte dies nicht gerade zugeben, wusste er doch, dass dies an seiner alten Kopfverletzung lag.
    Als sie ihm einen weiteren Becher anbot, nickte er leicht, bloss nicht zu eifrig, denn es kam ihm vor, als würde in seinem Kopf eine bleiernde grosse Kugel hin und herschaukeln und an seine Schädeldecke hämmern.


    »Ja ... es geht schon wieder. Mann hält ja viel aus ..…« gab er etwas gequält von sich und lächelte etwas falsch. Doch nun langsam konnte er die Frau neben sich mal richtig wahrnehmen. Er hatte sie also vor einem Taschendieb gerettet ... so, so, vielleicht sollte er es in Zukunft sein lassen, da es irgendwie schon zum Zweiten mal sehr schmerzhaft endete.


    »Wer bist du? Ich heisse ...« Es lag ihm auf der Zunge. Das konnte doch nicht wahr sein. »Ich heisse ... « versuchte er es noch mal und stammelte ein wenig rum. Außerdem muss er ziemlich verdattert ausgesehen haben. Doch dann brach es aus ihm heraus; endlich fiel ihm sein eigener Name ein. »Gabriel!«

  • Ruhig erhob sie sich und trat den Weg zum Stand des Händlers erneut an, um sich den Becher - wieder gegen einen erbitterten Streit um die Anzahl der Sesterzen - auffüllen zu lassen, den sie ihm alsbald wieder reichte. Auf den Schreck mochte der Wein hoffentlich gute Dienste leisten, zumindest glaubte sie, dass es ihm ein wenig Entspannung verschaffen würde, wenn nicht gerade die Milderung an einer bestimmten Stelle - aber wie man diesem Schmerz entkommen konnte, wusste sie beim besten Willen nicht, woher auch.


    "Gabriel ... das klingt, als würdest Du aus dem Osten stammen," sagte Iulia Helena, noch immer etwas zerknirscht lächelnd. Hätte sie auf ihr Geld ein bisschen besser geachtet, wäre das Schlamassel nicht entstanden. Wahrscheinlich war er ein Sklave oder ein Libertus, dieses energische Eingreifen sprach eigentlich eher dafür, dass er zu den Freigelassenen gehörte, als Sklave lavierte man sich allzu schnell in unpassende Situationen, wenn man die Initiative ergriff. Hatte er sich gerade nicht an seinen Namen erinnern können oder ihr mit Vorsatz den falschen genannt? Aber er hatte so überrascht ausgesehen. Ihr Retter war schon reichlich seltsam, überlegte sie und betrachtete ihn nachdenklich.


    "Ich bin Iulia Helena, und Du hast mir einen großen Dienst mit Deiner Hilfe erwiesen. Kann ich mich Dir gegenüber erkenntlich zeigen?" fragte sie höflich und hielt ihn in ihrem Blick. War er den Umgang mit Römern geübt, würde er auf ihren Namen sicher anders reagieren als jemand, der Rom nicht kannte.

  • Als sie ihm erneut den Becher reichte, nickte er ihr dankend zu. Langsam saß er auch wieder aufrecht, seine Knie aber noch recht eng beisammen. Bevor er aber erneut einen Schluck nahm, antwortete er noch etwas fertig: »Ich bin Hebräer, ja, ich stamme aus dem Osten ... «
    Er versuchte der Frau nun langsam ein charmantes Lächeln zu schenken, doch seine Kopfschmerzen, der nachlassende Schmerz und Schreck von dem Tritt eben, liessen es aber immer noch etwas gequält wirken.
    »Und es war mir eine Ehre und ... Selbstverständlichkeit.« Er hustete einmal und hielt sich wieder den Kopf.
    Der Name sagte ihm tatsächlich etwas, schliesslich war er nicht ungebildet und durch die Arbeit bei Falcos als Sekretär hatte er ein wenig über Roms Familien erfahren.
    »Ihr entstammt einer altehrwürdigen Familie, mein Respekt. Gaius Iulius Caesar hat sehr viel bewegt für Rom ...« Er hustete noch einmal und nahm nun schnell einen Schluck Wein. Langsam ging es ihm besser. Er atmete nun einmal tief ein und aus und blickte wieder zu Helena. »Nein, du hast dich schon erkenntlich gezeigt. Hauptsache, dir ist nicht passiert und das Geld ist noch da ...«
    Nun grinste er ein wenig. »Verzeih ...« murmelte er. »Ich habe mich nicht richtig vorgestellt: Marcus Didianus Gabriel ... zur Zeit bei den Cohortes Vigiles, wenn auch gerade nicht im Dienst ...«


    Wenn doch bloss dieser Schmerz im Kopf nachlassen würde. Aber immerhin erinnerte er sich wieder.

  • Hebräer? Ach du herrjeh. Wahrscheinlich war er auch noch Jude, dachte Iulia Helena und die Begeisterung über ihren Retter aus der Not sank ins Bodenlose. Um die Juden nicht zu mögen, war sie lange genug im Osten gewesen, und von jenem Volk dräute im Grunde immer Ärger. Aber andererseits - sie wusste nicht, welchen Göttern er huldigte und er hatte ihr geholfen. Das sollte für den Moment mehr zählen als eine alte Abneigung gegen ein stetig Unruhe stiftendes Volk, das sich derzeit sehr weit entfernt befand.


    "Ich hoffe, ich werde mich eines Tages der Ehre meiner Ahnen als würdig erweisen," sagte sie lächelnd, eine ausgesprochen römische Antwort. "Und mir ist wirklich nichts passiert, mach Dir darum keine Gedanken." Sein Name allerdings ließ sie aufhorchen. Ein Hebräer, der von der gens Didia adoptiert worden war? Sicherlich keine Alltäglichkeit, aber das machte es doch deutlich interessanter. "Auch wenn Du nicht im Dienst warst, die Instinkt bleiben wohl dieselben, hm?" meinte sie dann leicht lächelnd und blickte ihn sinnierend an. "Dieser Dieb dürfte jetzt jedenfalls einen Schreck fürs Leben bekommen haben, er war kalkweiss, als Du ihn erwischt hast - falls Dich das ein bisschen tröstet. So schnell dürfte der sich nicht mehr an die Geldbeutel anderer wagen."

  • Gabriel glaubte kurz eine Veränderung in ihrer Mimik gesehen zu haben, als er sagte, woher er stammte. Er wusste von den Vorurteilen gegen sein Volk, aber deshalb war nicht minder stolz auf das Land, woher er kam. Im Gegenteil. Es machte ihm rein gar nichts aus, zu zugeben, woher er kam.
    Aber er liess sich nichts anmerken. Und sie schien ihm gegen über höflich zu sein und keine dieser arroganten Patrizierinnen zu sein.


    Als sie dann seine Instinkte ansprach, grinste er leicht. »Ja, so könnte man es auch nennen.« Das er als ehemaliger Meisterdieb einen geschulten Blick für leichte Beute hatte, verriet er der Frau aber natürlich nicht.
    Und dann versuchte er endlich einmal charmant zu lächeln, doch irgendwie war das heute nicht sein Tag.
    »Nun, es ist ein Trost, das dir nichts geschehen ist. Und ich hätte besser aufpassen müssen. Aber was solls. Es ist ja nichts ernstes geschehen.«


    Er schaute sich um. Die Menschenmenge hatte sich wieder aufgelöst und auf dem Markt war es geschäftig wie eh und je.
    »Du bist ganz alleine auf dem Markt?« fragte er, ohne vorwurfsvoll zu klingen. Er nahm seine Hand von seinem Kopf und legte sie um den Becher, so dass er diesen nun mit beiden Händen umfasste. »Ach, und danke für den Wein.« Etwas gelöster zwinkerte er ihr nun zu.

  • "Nun, ich wünschte, ich hätte schneller reagieren können, aber dass überhaupt jemand versucht hat, mich zu bestehlen, hat mich wohl zu sehr überrascht - und dann standest Du schon da, hattest diesen Kerl gepackt und gingst halb zu Boden," meinte sie und unterstrich ihre Worte mit einigen sanften Gesten. "Fortuna war ihm heute anscheinend zumindest so weit gnädig, dass es ihm gelang zu entkommen, und ein Schaden ist ja nicht entstanden. Wenn man von Deinem Schmerz einmal absieht." Wieder beäugte sie ihn prüfend, und war ein wenig erleichterter darüber, dass er sich anscheinend langsam aber sicher etwas entspannen konnte.


    Seine Frage nach ihrer Begleitung ließ sie kurz auflachen. "Ein einziges Mal besuche ich diesen Markt ohne einen Sklaven, und prompt versucht mich jemand zu bestehlen, ich sage Dir, dieser Zufall ist schon aussergewöhnlich - aber er wird mir eine Lehre sein. Ausserdem wäre es ziemlich traurig, würde mir das bei jedem Ausflug hierher geschehen, irgendwann wäre wohl halb Rom nicht mehr fähig, Nachkommen zu zeugen, so man mir denn zu Hilfe eilen würde." Sie klang recht trocken, aber die blauen Augen funkelten belustigt dabei - jetzt, da er sich anscheinend wieder etwas besser zu fühlen schien, konnte man zumindest versuchen, das Ganze irgendwie mit Humor zu nehmen, so peinlich es auch war. "Möchtest Du noch Wein?"

  • Auch Gabriel lachte nun über ihre Worte und blickte in ihre blauen Augen, welche belustigt funkeln. Er spürte schon, dass es ihr alles wohl etwas unangenehm war, was es aus seiner Sicht hatte nicht sein sollen. Im Gegenteil. Es war nichts wirklich ernsthaftes geschehen und der Schmerz liess bereits nach. Auch spürte er langsam den Wein in seinem Kopf und auf Grund der Tatsache, dass er schon mit Kopfschmerzen gesegnet war, lehnte er einen weiteren Wein dankend und mit einer Geste ab.
    »Ich danke dir!« sagte er und hob verneinend seine Hand. »Und was diese Diebe angeht, so sind sie darauf geschult, blitzschnell und überraschend zu sein. Ja, er hatte Glück. Aber er wird weiter machen. An einem anderen Tag, an einem anderen Tag und so manch einer wird erleichtert werden um sein Geld. So ist das Leben.«
    Er grinste und setzte sich nun aufrecht hin und blickte die Frau interessiert an.
    Obwohl sie sicherlich eine Aristokratin war, bemerkte er ihre Freundlichkeit ohne diesen gewissen arroganten Zügen und doch strahlte sie auch Stolz aus.
    »Wenn du es wünscht, tätige du deine Einkäufe und ich werde für den Aufenthalt auf dem Markt dein Schatten sein. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, noch einmal beklaut zu werden, sehr gering ist!«
    Langsam entspannte Gabriel nach dem Vorfall, was man an seinem schelmischen, offenen Lachen sehen konnte.

  • "Nun, nicht jeder hat das Glück und findet einen beherzten Helfer, der die eigenen Besitztümer mit so viel Einsatz verteidigt," meinte sie freundlich zu seinen Worten und lächelte wieder, seinen Blick offen erwiedernd, ohne zu viel Scheu oder falsche Scham zu zeigen. Die blauen Augen funkelten lebendig und warm, ihre Haltung blieb jedoch fast distanziert und hoch aufgerichtet, als sie neben ihm saß.


    "Ich hatte mich eigentlich nur umgesehen, ohne wirklich etwas kaufen zu wollen - ein wenig Zeit überbrücken, bis das consilium weitergeht," sagte sie schließlich und betrachtete ihr Gegenüber ein zweites Mal recht eingehend. Ein Vigil als Begleiter war sicherlich kein Fehler, vor allem schien er jene Höflichkeit zu besitzen, die anderen Männern seiner Art deutlich abging - das schelmische Lächeln jedoch war es, das sie letztendlich davon überzeugte, sein Angebot anzunehmen. "Aber für ein wenig Begleitung und ein nettes Gespräch wäre ich sehr zu haben, wenn Du das einem Schattendasein vorziehen könntest."

  • Irgendwie war ihm ihre Art sympathisch. Nicht aufdringlich und doch höflich distanziert, ohne dabei arrogant zu sein. Gabriel lächelte.
    »Danke für das Kompliment, wehrte Helena! Und wann geht das Consilium weiter? Soll ich dich dort hinbegleiten? Es wäre mir eine Ehre!« Er blickte sie nun offen an.
    Sie zu begleiten und sich mit ihr zu unterhalten, war ihm eine Ehre.
    Außerdem schien sie einen besonderen Posten inne zuhaben.
    »Ich geleite dich, wohin du willst und freue mich ebenfalls über ein nettes Gespräch. Sag, was hast du mit dem Consilium zu tun, wenn ich fragen darf?«


    Er erhob sich. Nur kurz war ihm noch schwindelig. Diese verdammten Kopfschmerzen.

  • Dass er so einfach ihren cognomen benutzte, ließ die rechte Augenbraue missbilligend in die Höhe schnellen - das war dann doch zuviel der Vertraulichkeit, und sie hoffte, dass der Wechsel im Ausdruck ihrer Miene reichen würde, ihm anzudeuten, dass dies nicht erwünscht war. Auch sie erhob sich nun langsam, strich die Stola mit einer Hand glatt und korrigierte den richtigen Sitz der Palla ebenso mechanisch, wie es immer der Fall war, wenn sich ihre Haltung veränderte.


    "Ich nehme daran teil, wie alle Magistrate der Regio Italia," entgegnete sie nun, wieder zum Lächeln zurück findend. "Eine recht große Angelegenheit dieses Mal, aber seit ein neuer Comes das Amt übernommen hat, zweifellos nötig, damit sich alle gleichermaßen miteinander abstimmen können und keine sinnlosen Anstrengungen das Geld des Staates verschwenden." Und wenn es mir die Legio schneller nach Ostia bringt, umso besser, fügte sie in Gedanken hinzu und schritt gemächlich aus, seine Standsicherheit damit erprobend. Sollte er jetzt nochmal umkippen, war die Bank wenigstens in greifbarer Nähe.

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