• Schwärze hatte Mela umpfangen, kaum dass er Livillas Geste der Zärtlichkeit auf seiner Wange gespürt hatte. Dass sie die Hand zurückgezogen hatte, war ihm nicht entgangen, doch es hatte sich seltsam belanglos angefühlt. Im Hintergrund war das Scheppern der Wachen zu hören gewesen. Mela wusste, dass es Livilla gut ging und jemand kam, um auf sie aufzupassen. Das allein war es, was zählte. Ein letztes Mal hatte er nach dem Schuft gesehen, dessen Gesicht durch Melas Schläge eine breiige Masse geworden war, dann spürte und hörte er nichts mehr.


    Es kam ihm endlos vor, wie er wir durch Watte in einem Meer aus Nichts trieb. Keine Empfindung drang zu ihm hindurch und er fühlte sich seltsam schwerelos und leicht. Wie lange er wohl dalag und Blut verlor? Dass sich jemand an ihm oder eher seiner Wunde zu schaffen machte, bekam Mela auch nicht mit. Er glitt weiterhin stumm, taub und blind durch die endlose Schwärze, die allerdings plötzlich durch einen fernen Schrei durchbrochen wurde.


    LIVILLA!


    Melas Unterbewusstsein zwang ihn dazu, nach dem rechten zu sehen. Es war ihr Schrei gewesen! Und es war seine Pflicht, sie zu schützen. So riss Mela die Augen auf und versuchte sich aufzurichten. Es blieb bei dem Versuch, denn abgesehen von den Schmerzen in seiner linken Seite kam er nicht einmal richtig hoch. Noch immer kreidebleich blinzelte er umher. Die Soldaten hatten Laternen mitgebracht, die erstaunlich grell waren in Melas Augen. Sein Blick suchte umher, bis er sie schließlich fand. Livilla, die auf dem Boden kauerte. Mela sagte nichts, sondern ließ sich matt zurücksinken. Doch sein Blick suchte ihren und obwohl er sich zerschlagen fühlte und verwundet war, versuchte er ein kleines, kurzes Lächeln.

  • Als wäre die Situation nicht bereits schon unüberschaubar genug, ereigneten sich die weiteren Geschehnisse simultan, drohten den jungen Miles Constantius zu überfordern, der sich tapfer dem Chaos entgegenstellte.


    Noch während er gegen sein Erstaunen ankämpfte, seinen Sinnen misstraute, die ihm vorgaukelten, dass seine Cousine Livilla sich an diesem gefahrvollen Ort befand, verlangten die anderen Miles nach seiner Aufmerksamkeit.


    „Er blutet stark. Er muß dringend anständig verarztet werden. Es wäre ratsam für ihn zu beten und ihm einen Medicus vorzuführen“


    „Dieser ist ebenfalls übel zugerichtet. Was soll ich mit ihm machen?“
    Ihre Stimme waren beherrscht, doch offenbarten sie ein Unwohlsein, das durch den Mangeln an Erfahrung bedingt wurde.
    Constantius, selbst noch nicht in eine solche Situation verwickelt, antwortete ihnen mit nicht minder beherrschter Stimme, die auch das gleiche Unbehagen offenbarte.


    „Am besten wäre es, wir würden beide in die Kaserne bringen. Der Medicus kann sie dort im Lazerett versorgen und im Zweifel haben wir dort auch genug Zellen bereitstehen. Doch wir können zu dritt nicht zwei Verwundete tragen.“


    Dies war in der Tat ein Problem. Gewiss waren sie nicht zu dritt sondern zu viert, aber Felix war zum Tragen verwundeter Männer nicht geeignet. Was war also die Lösung für dieses Problem? Was wäre der beste Weg?


    „Nobilior und Novatus, ihr tragt den schwerer verwundeten Mann in die Castra sobald die Blutung versiegt. Felix, kümmere dich um den anderen und versuche ihn wach zubekommen. Sollte er aufwachen, fesselst du seine Hände und führst ihn zur Castra. Sollte er nicht aufwachen werde ich ihn tragen und du schleppst die Ausrüstung von uns dreien!“


    Felix, der völlig perplex einen Schritt vor der Frau zu seinen Füßen zurückgewichen war, gab diesmal keine Widerworte und nickte lediglich zu Constantius Worten. Selbst wenn er einen Einwand geäußert hätte, wäre dieser wohl ungehört verklungen. Die beiden jungen Miles kümmerten sich bereits um Mela und Constantius kniete neben Livilla nieder.


    „Livilla!“, seine Stimme war ruhig und doch nicht ohne Nachdruck erklangen seine Worte
    „Livilla. Hörst du mich? Ich bin es. Constantius. Was ist hier geschehen. Ist dir etwas passiert? Was machst du hier draußen?“


    Auch auf die Gefahr hin, dass sie erneut zurückweichen würde, ergriff er vorsichtig die Handgelenke seiner verstört wirkenden Cousine.
    Nur kurz löste er den Blick von ihr, um Felix mit einem strengen Kopfbewegung anzudeuten, dass er sich endlich um den Täter kümmern sollte.


    „Livilla. Du bist in Sicherheit. Ich bin bei dir!“
    Seinem blick fehlte die ihm eigene Ruhe. Vielmehr suchten Augen immer noch nach Anzeichen einer Verletzung, die Livilla davon getragen haben könnte

  • Immernoch verbargen Hände mein Gesicht. Schon vollkommen aufgebracht über die Berührung der Beines des anderen Milies, hörte ich nun erneut eine Stimme, die sich an mich wendete. So nahm ich eine Hand von meinem Gesicht und streckte sie gegen Constantius, damit er mir nicht zu nahe kommen konnte.


    "Nein, nein!" So klangen meine wenigen, aber wehleidigen Worte und weitere Tränen liefen mir über das Gesicht, vor allem als Constantius nach meinen Handgelenkt griff, wehrte ich mich wie eine Löwin dagegen, er sollte Abstand halten. Eine weiteres Mal vernahm ich meinen Namen, doch dabei erkannte ich diese Stimme, sie war mir nicht fremd, sie sollte nichts schreckliches verheißen, die Stimme meines Cousins. Sofort wehrte ich mich nicht mehr und mein Gegendruck wurde schwächer, übermüdet wurde mein Arm wieder von Constantius Handgriff befreit und zitternt suchte ich seinen Augenkontakt. Er war es wirklich, aber kein Wort brachte ich über meine Lippen, nur meine verängstigen Augen betrachteten ihn und die mit blutbespritzte Stelle meiner Tunika war überaus kühl geworden..


    So bemerkte ich nicht was mit Melas geschah, weder wie sich die Milies auch um Schuldigen kümmerten, der schwere Wunden davon getragen hatte. Waren sie tot? Gab es einen Toten? Der eine Gedanke kreiste ihn meinen Kopf und ich konnte nicht verstehen warum?

  • Ihre Augen, die vor einigen Stunden noch fröhlich und glücklich in der heimischen casa gestrahlt hatten, waren nun von Panik und Angst erfüllt.
    Abwartend blickte er sie an. Erwiderte ihren ängstlichen, ungläubigen Blick mit der Ernsthaftigkeit eines Miles und der Sorge eines Cousins.
    Constantius erkannte, dass es wenig Sinn im Moment hatte sie weiter nach dem Tathergang zu befragen. Zu sehr hatte der Schock von ihr Besitz ergriffen. Zu sehr schien die Angst sie zu fesseln.
    Ohne eine Antwort mehr von ihr zu erwarten sprach er lediglich mit gedämpfter Stimme auf sie ein, als er sich daran machte seinen Umhang von den Schultern zu lösen.


    „Livilla. Es ist vorbei. Es kann nichts mehr geschehen. Wir bringen die Verwundeten in unsere Kaserne. Sie werden dort versorgt werden. Danach bringe ich dich nach Hause. Ich werde dich nun nicht mehr alleine lassen.“


    Er wiederholte seine Worte noch ein einige Male in der Hoffnung der Klang einer vertrauten Stimme würde sie mit der Zeit beruhigen. Den Umhang, den er unterdessen abgelegt hatte und in seinen Händen hielt, legte er um den zitternden Leib Livillas. Der verängstigte Anblick den sie darbot, ihre panischen Blicke bekümmerten Constantius, ließen ein Gefühl der Unsicherheit und der Hilflosigkeit in ihm aufkeimen. Wie konnte er ihr nur helfen. In seiner Hilflosigkeit legte er deshalb kurzerhand seinen Arm um ihre Schulter und verharrte still neben ihr kniend. Sekunden vergingen..


    „Constantius. Die Blutung ist gestoppt. Mit etwas Glück können wir ihn transportieren ohne das er uns auf dem Weg verstirbt.“


    Die Stimme des Miles Felix erklang nun ebenfalls im Hintergrund.
    „Dieser hier atmet auch noch und kommt mehr oder weniger zu sich. Den kriege ich auch schon noch zum Laufen“

  • Ich fror am ganzen Leib. Es war mein Cousin, er war hier, ich musste ihm vertrauen. Langsam erkannte ich das er mir nur helfen wollte, doch von vertrauen war nichts mehr zu spüren. Seine Annäherung, war mir merkwürdig fremd geworden, aber trotzdem löste sich ein winziger Teil der Angst in mir.

    "Caius!", glitt zaghaft über meine Lippen. Er nahm seinen Umhang ab und sogleich fügte ich verängstigt hinzu "Was machst du da?" Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, schon berührte dieser meinen Körper, doch bei dessen Berührung, zuckte ich abermals zusammen. Ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich den wahren Grund seines Vorhabens bemerkte.


    Ich wagte es nicht ein einziges Mal, meinen Blick dem Täter zuzuwenden, sollte er doch in vollkommener Einsamkeit sterben, diese Einsamkeit, die ich jetzt ertragen musste. Trotz der Wärme des Umhanges, war mir so kalt wie in manchen dieser düsteren Nächte in Roma.

    "Bitte bring mich nach Hause, bitte. Ich kann hier nicht bleiben!" wimmernd bat ich Constantius mir diesen Wunsch zu erfüllen. Zitternd suchte meine Hand den Weg zu seiner eigenen. Mit größter Vorsicht berührte ich sie und umschloss sie dann, wollte ich ihn damit den Anlass geben, dass er mir half, mich zu erheben. Während ich wieder zum stehen kam, vernah ich die Worte des anderen Miles, doch so recht konnte ich ihnen nicht glauben, denn eine nicht gerade kleine Blutpfütze war am Boden zu erkennen. "Ist er tot, Caius?", mit einem von Schmerz erfüllten Blick sah ich zu Constantius und wartete ungeduldig auf eine Antwort. Doch konnte er sie mir gar nicht geben.


    Ich fühlte mich verloren, so einsam und das viele mit Dreck befleckte Blut, erinnerte mich an jene Träume in den letzten Nächten, war es vielleicht auch noch meine eigene Schuld, weshalb dies geschehen musste? Hatte ich überhaupt kein Glück, erst langsam und dann viel heftiger zerrte ich an Constantius Hand. "Ich bin schuld das er sterben muss." Gedankenversunken klang meine verstörte Stimme, die immer mehr in Panik überging.

  • Es entsprach nicht im Geringsten der Dienstvorschrift, doch verstand er Livillas Wunsch nur zu gut. Nach einem solchen Vorfall sehnte man sich förmlich nach einem vertrauten, sicheren Ort an den man sich zurückziehen konnte. Und es war dem jungen Miles mehr als Recht seiner Cousine die kalten, kargen Wände der Castra zu ersparen.
    Was war nur die beste Lösung für dieses Dilemma?


    „Novatus, suche in den umliegenden Häuser nach einer Trage, einem Brett oder zwei festen, langen Stäben. Sollte man dich abweisen, verschaffe dir Zugang zu den Häusern. Ich übernehme die Verantwortung für alles.“


    Seine Stimme erklang laut in dem Zwielicht der Gasse. Verkündete unverkennbar, dass er keine Einwände zulassen würde. Und so geschah es, dass der eben angesprochene Miles losging und mit Vehemenz an den verschlossenen Türen hämmerte und lautstark im Namen der Cohortes Urbanae Einlass verlangte.


    Unterdessen wandte sich Constantius an Livilla. Hielt ihre Hand fest und half ihr sich vom dreckigen Boden zu erheben.


    „Ich werde dich nach Hause bringen“, bestätigte er ihren Wunsch mit gedämpfter Stimme.
    „Doch du musst mir dann sagen, was geschehen ist. Wieso sollst du schuld daran sein, dass er sterben muß? Wer ist er und was macht ihr hier draußen. Und wer ist der andere Mann. Was ist der Grund für dieses Ereignis.“


    Die aufkeimende Panik in Livillas Stimme blieb Constantius nicht verborgen. Weshalb er sie direkt anschaute und sie aufforderte ihm in die Augen zu blicken.


    „Er wird nicht sterben. Wir bringen ihn zu einem Medicus. Er wird durchkommen. Ich verspreche es dir.“


    Constantius wusste nicht im Geringsten ob er sein Versprechen würde halten können, doch war es im Moment eine erlaubte Notlüge, um die Panik aus Livillas Augen zu vertreiben. Er blickte sie noch einen Moment entschlossen an, bevor ein Rumpeln in nicht großer Entfernung seine Aufmerksamkeit erregte.
    Es war der ausgesandte Miles Novatus, der mit einem alten Marktkarren und zwei kräftigen Sklaven näher kam. Ein der Situation nicht ganz angepasstes Lächeln zierte sein Gesicht.
    „Ich habe etwas Besseres als eine Trage gefunden. Und ziehen müssen wir das Ding auch nicht. Die Uniform der Cohortes Urbanae kann doch noch manchmal nützlich sein“


    Constantius seufzte innerlich. Es würde sicherlich die Liste seiner Verstöße in dieser Nacht um einen weiteren Punkt erweitern, doch was es gleichzeitig die Lösung seiner momentanen Probleme.


    „Novatus, Nobilior ladet den Verwundeten auf den Karren. Novatus du begibst dich mit dem Karren und den Sklaven im Laufschritt zur Castra und zum Medicus. Nobilior und Felix, ihr führt den anderen zusammen ebenfalls zur Castra und stellt auch ihn dem Medicus vor. Ich bringe derweil meine Cousine in die Casa Iulia und komme dann umgehend nach und werde dem wachhabenden Bericht erstatten.“


    Constantius fühlte die Blicke aller seiner Kameraden auf sich ruhen. Es war ein Verstoß gegen die Dienstanweisung, das wussten sie alle, doch erhoben sie keine Einwände, sondern machten sich daran die Verwundeten abzutransportieren, während Constantius Livilla in die Casa führte.

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