[Cubiculum] Iulia Livilla


  • Es war später Abend, und Iulia Helena war gerade von Ostia nach Rom zurückgekehrt, müde, von den andauernden Archivarbeiten ausgelaugt und erschöpft, aber sie durfte sich nicht gestatten, diese Müdigkeit allzu offen zu zeigen. Genau wie Constantius hatte sie einen gewissen Stolz, und je schwerer und ermüdender die Arbeit in der Curia zu Ostia wurde, desto höher trug sie den Kopf aufrecht. So etwas durfte einen Iulier schlicht und einfach nicht zu Boden werfen, der göttliche Iulius Caesar hatte schließlich auch ein Leben lang gearbeitet und gekämpft und war dafür von den Göttern mit seinem herausragenden Erfolg belohnt worden.

    Dennoch, etwas stand für diesen Abend an, und sie musste sich der unangenehmen Wahrheit nun langsam stellen - dass sie die Frau war, die hier in Rom auf die jüngere Cousine zu achten hatte und die ungeliebte Stelle der Matrone besetzen musste, jener Frau, die besonders auf die Tugend und Anständigkeit ihrer Verwandten achten musste, um den Ruf der Familie für eventuelle Heiraten rein zu halten. Diese 'Frau-zu-Frau'-Gespräche hatte sie schon mit ihrer eigenen Mutter gehasst, aber sie gehörten dazu und sie konnte nur hoffen, es nicht allzu falsch zu machen ... seufzend legte sie eine neue Palla auf ihr Haar, ass einige Oliven und ein Stück Brot in der Abgeschiedenheit ihres eigenen Cubiculums und machte sich nach dieser vorläufigen Nahrungsaufnahme auf den Weg zu Livillas Zimmer.

    "Livilla? Hast Du einen Moment Zeit für mich?" fragte sie freundlich, als sie an die Tür der Cousine geklopft hatte, um dann einige Momente lang auf eine Antwort zu warten. Sie würde sie einfach zum Essen einladen, da besprach sich so manches besser, und es gab wahrlich vieles zu besprechen.

  • An diesen weitern Abend, war ich damit beschäftigt, trotz der erst kürzlichen Abreise meines Vaters, ihm schon einen Brief zu schreiben. Eigentlich war der Grund des Aufenthaltes in meinen Cubiculum die Erfüllung von Sergia Sullas Aufgabe, deren Unterlagen ich mit in die Casa brachte. Drausen wurde es allmählich frisch und ich war mit meiner Aufgabe schon weit voran gekommen, hätte mich nicht die Sehnsucht meines Vaters aufgehalten und mich dazu überredet, ihm sofort einen Brief zu schreiben. So schrieb ich ihm schon etliche Zeilen und kam zu der Stelle mit der Erkenntnis...Mutter hat dich immer geliebt...als jemand an meiner Tür klopfte und nach mir verlangte. Es war Helena und anscheinend wollte sie mir etwas mitteilen. Schnell versteckte ich den Brief unter den Aufstellungen für Sulla und erhob mich von meinen Stuhl.


    "Ja, einen Moment!"


    Antwortete ich ihr überrascht, während ich mich mit eiligen Schritten der Türe näherte. Genauso geschwind öffnete ich sie.


    "Verzeih wenn ich nicht sofort reagiert habe, natürlich habe ich Zeit für dich."


    Leicht außer atem antwortete ich ihr, aber dennoch höflich und abermals musste ich sie bewundern, welche Schönheit sie doch besaß.

  • Ihr Rücken schmerzte, als sie den Raum betrat, der ewige Begleiter des langen Sitzens, der vielen Stunden über Akten, die allesamt nicht besonders spannend verfasst waren, doch mühte sie sich, aufrecht zu stehen und diese Schwäche zu verbergen. Ein kurzer Blick der Iulierin ging zu Livillas Schreibtisch, dann lächelte sie etwas - dass sie schrieb und sich Arbeit mit nach Hause brachte, war ihr deutlich lieber als ein Tisch voller Schönheitsmittelchen und sonstigen Hinweisen auf die Pflege der Eitelkeit.


    "Guten Abend, Livilla," sagte sie sanft und blieb an der Tür stehen. "Ich hoffe, ich störe Dich nicht bei etwas wichtigem. Wenn das der Fall sein sollte, sage es mir und wir sprechen morgen ..." Es wäre ihr nicht unrecht gewesen, sich jetzt hinlegen zu können, aber letztendlich würde sich an der Unausweichlichkeit dieses Gespräches niemals etwas ändern. Und sie wusste, dass sie in so etwas nicht besonders gut war. Im Licht des scheidenden Tages wirkte Livilla fast ein wenig jünger, als sie sein musste, und sehr reizvoll mit dem offenen, weichen Haar - der Tag, an dem Constantius ihre Verehrer mit dem pilum von der Tür fern halten würde müssen, war sicher nicht mehr fern.

  • Die Neugierde stieg in mir an, denn ich konnte keinen Grund nennen weshalb Helena mich sprechen wollte. Vielleicht war ihr nur danach mit mir zu plaudern. Doch musste ich so gleich an Secundus Besuch denken. Mir war bewusst das sie seinen Besuch warnahm und so war es gar nicht so übertrieben, daran zu denken, dass sie diesen Besuch nicht billigte. So sehr ich auch mit Secundus freundschaftlich umging, niemand würde daran zweifeln das wir eine engere Bindung hätten, als wir vorgaben. Jeden musste man diese Schlussfolgerung verzeihen. Vielleicht wollte gerade das Helena verhindern.


    Ich ging einen Schritt zur Seite und bat sie ins Zimmer einzutreten.


    "Guten Abend Helena. Aber nein, natürlich störst du mich nicht. Ich freue mich das du Zeit für mich findest, denn du bist viel beschäftigter, Cousine."


    So ruhig und höflich meine Worte auch klangen, ich hatte das Gefühl mit Helenas Auftreten einfach nicht mithalten zu können.

  • Sie lächelte etwas und trat ein, den Blick ein zweites Mal durch den Raum schweifen lassend - er war ordentlich, nichts lag übermäßig herum, was wiederum für ihre Cousine sprach. Es war nicht die Art der Iulier, alles von den Sklaven sich nachtragen zu lassen, und zumindest die Kinder von Marcus Iulius Lepidus hatten früh gelernt, ihre eigenen Räume in Ordnung zu halten, anscheinend hielt Numerianuns dies genauso mit seiner Tochter.
    "Für die wichtigsten Dinge sollte man immer Zeit finden," erwiederte Iulia Helena freundlich und lächelte Livilla an, bevor sie sch auf einem der freien Stühle niederließ, ihrem Rücken zuliebe, der gegen eine weitere Stehorgie sicherlich energisch protestiert hätte.


    "Ich habe mich sehr gefreut, dass Du Dich dafür entschieden hast, hier in Roma zu bleiben und die Casa mit etwas mehr Leben zu erfüllen, Livilla, und ich hoffe, dass Du hier, in dieser riesigen Stadt, etwas finden wirst, das Dich mit Freude erfüllt und Dir Deinen Weg aufzeigt. Manchmal ist es ganz gut, von den Eltern getrennt zu sein, um einen klareren Blick auf die Realität zu erhalten, so schmerzvoll es vielleicht auch manchmal sein mag." Die Einleitung klang wahrscheinlich viel zu altbacken, dachte Helena und seufzte innerlich. Sie war einfach nicht gut im Matronentum, zumindest nicht, was erwachsene junge Frauen anging.


    "Dennoch sollten wir gemeinsam auch darüber sprechen, welche Regeln in diesem Haus herrschen und welches Benehmen hier gebräuchlich ist. Bisher habe ich keinen Grund zur Klage, doch möchte ich einige Dinge klarstellen, damit wir nicht später darüber streiten müssen oder Zorn entsteht, wo er nicht notwendig wäre." Sie war die Hausherrin, und dieses Gespräch hatte leider schon eine Weile angestanden - dennoch hoffte sie, es würde nicht ganz falsch bei ihrer Cousine ankommen.

  • Ihr Lächeln lies mich innerlich wieder zur Ruhe kommen, also gab es keinen negativen Grund für ihren Besuch. Zufrieden war ich auch, das mein Zimmer seine Ordnung hatte. Streng achtete meine Mutter bei meiner Erziehung darauf, das ich stets mein Zimmer und alles was damit verbunden war immer ordentlich hielt. Hatte ich diesen Zweck nicht erfüllt, wurde mir so oft der Ausgang verweigert, so das ich diese Regel sehr bald begriff. Manchmal fragte ich mich, wie mein Vater wohl meine Erziehung mitgestaltet hätte, milde oder streng? Ich konnte es mir nicht vorstellen, konnte er so eine Strenge entwickeln?


    Über Helenas Worte war ich nicht so erfreut. So redete ich mir ein, das es nicht ganz der Wahrheit entsprach, als sie behauptete, es würde noch keinen Grund zur Klage geben. Secundus Besuch und unser offenes Gespräch, sicherlich hatte dies nicht den besten Eindruck von mir gemacht. Würde sie schlecht von mir denken, mir sogar etwas vorwerfen, trug ich doch keine Schuld in mir. Doch es war auch Helenas Pflicht mir so manche Regeln näher zu bringen, die nicht nur unsere Familie schützen sondern auch mich und in Helenas Wesen steckte diese Grundlagen, dieser Fleiß, der sich mit ihren Stolz verband.
    Bevor ich ihr antwortete schloss ich die Tür und setzte mich an einen weiteren freien Stuhl, der leicht seitlich von ihr stand.


    "Nun, um ehrlich zu sein, hatte ich dies schon erwarten. Vater hat seine Abreis, sehr kurzfristig angekündet und so hatten wir kaum Zeit, dieses Thema richtig zu diskutieren. Nenne sie mir und ich werde mich nach ihnen richten."


    Dies war leichter gesagt als getan, dennoch hatte ich nicht vor der Familie zu schaden.Sachlicher antwortete ich und so war auch zu erkennen, das ich dieses Gespräch ernst nahm.

  • "Ich hätte mir gewünscht, dass Numerianuns noch ein wenig länger hier in Rom geblieben wäre, aber ... so ist es eben mit den Männern unserer Familie, immerzu reisen sie ihrer Pflicht hinterher und damit auch dem Militär. Wahrscheinlich werden sie sich nie ändern," meinte sie nachsichtig und schüttelte etwas den Kopf. Der Tag, an dem Constantius in Richtung der Legion drängen würde, war hoffentlich noch fern, aber es lag ihm eben auch im Blut. Die Iulier waren nicht umsonst die Nachkommen des göttlichen Caesar, und in diesem Geist zog es fast alle männlichen Nachkommen zum gladius. Dass ihr eigener Vater in der Verwaltung saß, war eine erstaunliche Ausnahme.


    "Du bist noch unverheiratet, Livilla, und entsprechend dieser Tatsache ist es notwendig, dass Dein Name in nichts ins Gerede kommt," ging sie das Thema direkt an. "Rom ist groß, und besitzt tausend Augen und viele Zungen, die nichts müßigeres zu tun haben, als das Blaue vom Himmel herunter zu lügen, und so an Deinem Ruf Zweifel aufkommen sollten, wird es schwer werden, einen angemessenen Mann für Dich zu interessieren." Genau diese Worte hatte ihre Mutter einst zu ihr gesprochen, ebenso ernst, und sie wusste noch gut, dass sie damals davor zurück geschreckt war, sie anzunehmen.
    "Versteh mich nicht falsch. Livilla, ich möchte Dich nicht meistbietend versteigern oder Dich auf einem Markt feilbieten, aber Du bist jung, schön, hast ein angenehmes Wesen und entstammst einer alten Familie, sodass es sehr bald geschehen wird, dass sich Männer für Dich interessieren und sich vielleicht auch an Deinen Vater wenden, weil sie um Dich werben möchten. Ein junger Mann hat Dich bereits besucht, er wird sicher nicht der einzige bleiben."


    Sie holte Luft und sammelte ihre Gedanken. Noch immer klang es sicher nicht sehr erfreulich, aber irgendwann musste es gesagt werden. "Dass Du Besuch hier im Haus empfängst, ist Dein Recht, doch möchte ich nicht, dass ein Mann Dein Zimmer betritt, der nicht zur Familie gehört, und sei er ein noch so guter Freund. Dein cubiculum ist Dein Zufluchtsort, dort hat ausser Dir, der Familie und den Sklaven niemand etwas verloren. Hier im Atrium oder im Garten, bei Empfängen auch im Triclinium ist der geeignete Ort für Besucher, wer immer es auch sein mag. Wenn Du ausgehst, möchte ich, dass eine Dienerin dich begleitet. Rom ist trotz der Cohortes Urbanae, der Prätorianer und der Vigiles für Frauen eine gefährliche Stadt, und sollte Dich jemand überfallen, kann eine Dienerin entwischen und Hilfe holen, Begleitung hält auch Taschendiebe und sonstiges Gewürm fern. Solltest Du nach Einbruch der Nacht ausgehen müssen, dann wirst Du Wonga mitnehmen, damit er Dich begleitet und beschützt, allerdings ... sehe ich wenige Gründe, warum Du in der Dunkelheit unterwegs sein solltest. Auch Constantius wird Dir sicherlich gern Begleitung sein, wenn Du ihn fragst und es eine wichtige Sache ist." Die schlanken Hände ineinander legend, blickte sie Livilla ruhig an, wartete ab, ob die Cousine dazu etwas sagen wollte.

  • Diese Regeln, sicherlich hörte niemand sie gerne, doch sprach ihre Einhaltung nur auf Disziplin und in jeder Familie wurde diese verordnet. Angst hatte ich aber davor in Rom ins Gespräch zu kommen, denn hatte ich zwar gelernt, mich in der Öffentlichkeit zurückzuhalten, doch wie oft antworte oder handelte ich unüberlegt und so einer großen Gesellschaft war ich nie ausgesetzt. Vielleicht hatte ich schon damit begonnen, diesen falschen Weg zu gehen, denn Secundus Besuch würde zu dem hinführen was Helena erwägte. Und jetzt machte ich mir erst Gedanken darüber, ob Secundus überhaupt die Erlaubnis meines Vaters hatte mich zu sehen? Würde man mir vielleicht verbieten ihn wieder zu sehen, so lange Vater nicht davon informiert wurde? Doch wollte ich es jetzt in diesen Moment überhaupt, das Secundus sich an meinen Vater wendete?


    Auch zerbrach ich mir den Kopf darüber, das Helena vielelicht doch etwas von Secundus und meine Gespräch mitbekommen hatte, denn nachdem sie ihn erwähnte, wies sie sofort darauf hin, das kein Mann mein Cubiculum betreten durfte. Oder war dies nur eine Schlussfolgerung.


    Fügte ich die jetzt genannten Regeln zusammen, bemerkte ich, das man mir so einge Freiheiten nahm. In Hispania durfte ich zwar auch nur mit Begleitung auf den Markt oder auf das Land, doch öfters wurden diese nicht so streng gehandhabt, so das ich mich manchmal sogar alleine auf den Weg zu einen ruhigen Ort machte oder damit beschäftigt war so einige Dummheiten zu planen, wobei man keinen Beschützer brauchen konnte.


    "Ich kann dir nur zustimmen, Helena. Es wird niemals in meinen Sinn kommen unserer Familie auf irgendwelche Weise zu schaden. Denn ich habe meinen Vater versprochen, dir zu gehorchen. Und ich möchte gleich klar stellen, das Secundus Mela bei seinen Besuch nicht um mich geworben hat, er wollte micht lediglich besuchen. Es existiert zwischen uns nur Freundschaft. So möchte ich auch nicht das er Constantius Zorn spürt, wenn er noch mal vor der Porta steht. Ja, er ist unverheiratet wie ich, aber es ist nichts zwischen uns, er nimmt die Rolle eines guten Freundes ein . Doch ich werde mich nach dir richten und ihm mein Cubiculum verweigern."


    Mit einer milden strenge antwortete ich ihr und versuchte dabei die leichte Entäuschung, die in meinen Gesicht erkennbar war, zu verbergen.


    "Und ich bin es auch gewohnt nicht alleine auszugehen und so kann ich dir auch versprechen immer eine Begleitung bei mir zu haben. Außerdem versuche ich dir zu versprechen nachts nicht außerhalb der Casa aufzuhalten, wobei es schon mal dazu kommen kann, sollte ich irgendwo aufgehalten werden und dabei gerne meine Zeit vergessen, aber ich versuche es zu vermeiden. Gibt es noch etwas das dir auf dem Herzen liegt, nach dem ich mich halten sollte?"


    Ich hatte ihr eine Reihe von Versprechen gegeben, nahm ich mir aber fest vor sie zu halten. So blickte ich ihr entschlossen entgegen und vertrieb jeden Gedanken der Versuchung.

  • Fast erleichtert nickte sie auf Livillas Worte - sie hätte sich fast mehr Widerstand vorgestellt, aber dass ihre Cousine diese Regeln akzeptierte, war für Iulia Helena beruhigend. Und wieder konnte sie gedanklich Livillas Mutter und Numerianuns für beider Erziehung nur danken, denn ganz offensichtlich hatten die Eltern ihrer Tochter die richtigen Werte vermittelt, auf die es bei einer jungen Römerin aus einer alten Familie ankam. Sie traute sich selbst nicht wirklich zu, die Rolle einer allzu strengen Hausherrin einzunehmen, letztendlich konnte sie nur zu gut verstehen, wie es war, wenn man jung war und die Welt entdecken wollte - nur hatte sie selbst diese Möglichkeit schon sehr früh nicht mehr gehabt.


    "Secundus Mela heisst Dein Freund also," sagte sie lächelnd. "Wenn er länger in Rom verweilt, kann er gerne auch zum Abendessen zu uns kommen, was hältst Du davon? Dann können auch wir ihn kennenlernen und bestimmt hat er das ein oder andere zu berichten. Und ein junger Mann, der nicht allzu oft in Rom ist, freut sich vielleicht auch über ein ruhiges Essen im Kreis Deiner Familie." Sie klang freundlich, nun wieder offener, da sie endlich den Teil mit den Vorschriften verlassen hatten, der ihr selbst nicht gerade angenehm war auszusprechen.


    "Rom ist nicht wie Tarraco, Livilla, und auch wenn Dir diese Regeln im Augenblick vielleicht als zu streng erscheinen mögen, sie haben ihren Sinn. Ich habe in beiden Städten gelebt und Du darfst mir glauben, dass ein sehr großer Unterschied besteht. Tarraco ist sehr friedlich, hier in Rom allerdings lauert hinter jedem freundlichen Lächeln die Suche nach Macht und Einfluss. Das darfst Du nie vergessen. Homo homini lupus ... der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, und auf keine Stadt trifft dies besser zu als auf Rom. Wenn Du etwas auf dem Herzen hast, Livilla, werde ich dir gerne zur Seite stehen und versuchen, Dir zu helfen oder Dir einen Rat zu geben ... auch das ist mir wichtig, es zu sagen. Du sollst wissen, dass Du hier in Rom trotz der Abwesenheit Deines Vaters nicht alleine bist und die Familie immer für Dich einstehen wird."

  • Überraschend lächelte ich Helena entgegen, so hatte sie Secundus doch gerade eben eingeladen. Doch dieses Lächeln weilte nicht lange, als ich mich an seine Worte erinnerte. Und seit mich Secundus hier besuchte, hatte sich so einiges zwischen uns geändert. Empfand er doch so starkte Gefühle für mich und ich kam mir kalt, wie der tiefste Winter in Germania vor, von dem mir mein Vater erzählt hatte. Hatte ich Helena nicht ganz die Wahrheit gesagt, aber ich konnte es ihr einfach nicht sagen, das Secundus mich liebte. Wollte ich es doch gar nicht für wahrhaben. Ein Abendessen würden vielleicht seine Gefühle zu mir verraten und dies wollte ich auf alle Fälle verhindern, sonst würde sie ihm wohl den Umgang mit mir nicht mehr erlauben. So suchte ich vergeblich nach einer Ausrede.


    "Ja, wir haben uns in Germania bei einen Abendessen, des Freundes meines Vaters kennengelernt. Ich weiß nicht sehr viel von ihm, aber Vater scheint ihn sehr zu schätzen. Dennoch er teilte mir mit das er nicht lange in Roma verweilen wird und das es wohl kaum möglich wäre Zeit für ein Abendessen hier zu finden. Auch ihn wird der Weg wieder in die Legio führen."


    Flüchtend waren meine Worte und Helena war es sicherlich nicht ergangen, wie nervös ich bei ihnen wurde. So setzte ich zügig fort.


    "Ja, das habe ich schon erkannt, wie listig die Menschen hier Roms sein können. Wie sie es schaffen, einen Menschen zu hintergehen. Es muss nicht mal ein Händler auf den Markt sein, auch Politiker vertreten solche Eigenschaften. Und jetzt sehe ich erst ein wie wichtig es ist diese Regeln einzuhalten.


    Dbei musste ich an eine kürzliche Begenung denken, die leichte Wut wieder in meinen Kopf entstehen lies, dennoch vorteilhaft, da sie von meiner Nervosität ablenkte.

  • "Zu schade," sagte Iulia Helena und nickte dann etwas. "Aber die jungen Männer von heute haben auch immer so viele Pflichten. Er ist sicher doch auch wegen der Sponsalia in seiner Familie hier in Rom, da gibt es natürlich viel zu tun. Dennoch, es würde mich freuen, wenn er uns Gesellschaft leisten würde, sollte es sich ergeben, sag mir bitte einfach Bescheid, ja?"
    Sie lehnte sich langsam in ihrem Stuhl zurück und streckte die Beine etwas aus. Nach diesem langen Tag fühlte sie sich so müde, dass sie sich sofort an die Wand hätte lehnen können, um einzuschlafen, aber das kam im Augenblick absolut nicht in Frage. So entging ihr auch, dass ihre Cousine wohl doch nervöser agierte, als es normal war, ob nun zu ihrem Glück oder nicht, würde sich beizeiten noch zeigen müssen.


    Der aufkommende Zorn Livillas allerdings fand ihre Aufmerksamkeit sehr viel mehr, und so hob sie leicht die Brauen an und blickte fragend zu ihrer Cousine. "Ist Dir denn etwas Schlimmes in Rom geschehen, dass Du so ungehalten klingst? Hat Dich jemand schlecht behandelt oder beleidigt?" Dieser Gedanke schien sie eindeutig zu besorgen, denn bei solcherlei war Handeln erforderlich, und das eindeutig. Wacher nun lag der Blick von Helenas blauen Augen auf dem Gesicht Livillas, fast forschend blickte sie ihre Verwandte an.

  • Und die Wut verdoppelte sich, denn hatte ich wieder voreilig gesprochen eigentlich versuchte ich es zu verhindern, das Gespräch mit diesen Decimus Strabo, der mich so hinters Licht geführt hatte, zu erwähnen. Aber konnte ich mit diesen Thema Helena von Secundus ablenken. Doch erstmal musste ich ihr erklären, was wirklich vorgefallen war.


    "Verzeih mir, aber es geschah nicht genau in Roma sondern mehr auf dem Lande. Vater gewärte mir während seines Aufenthaltes Ausgang und so zog es mich aus der Stadt aufs Land."


    Dennoch vermied ich, ich ihr zu erzählen, weshalb ich einen solch ruhigen Ort auswählte, es war meiner Hinischt auch keinerlei Begründung notwendig. So setzte ich meine Worte wieder sachlich, doch auch leicht gereizt fort.


    Dort traf ich auf einen Mann der mich nach der Meinung der Polikter fragte. Der Fremde gab sich für einen Vigil aus. Und erst als er meine Antwort hörte, offenbarte er mehr das er ein ehemaliger Quaestor war. Aber glaub mir ich habe niemanden mit meiner Antwort geschadet."


    Jetzt fühlte ich mich entspannter, aber hoffte ich doch Helena würde dieser Bericht nicht verärgern, immerhin hatte ich es meinen Vater nicht erzählt und sie war bis jetzt die einzige, der ich es offenbarte, immerhin war es auch ihr Recht zu erfahren, wenn sie dannach verlangte. So blickte ich sie nicht mehr an, sondern lies meinen Kopf flüchtig sinken und betrachtete gedankenverloren meine Tunika.

  • Die Methoden der Politiker, eine Meinung über ihre Arbeit zu erhalten, wurden auch immer schlimmer, dachte Iulia Helena bei sich und schüttelte leicht den Kopf. Mit Lügen erhielt man doch selten die Wahrheit, aber die wenigsten Menschen heutzutage waran auch bereit, das Risiko einer offen ausgesprochenen Wahrheit einzugehen.


    "Wer war dieser Mann, Livilla? Ich hoffe, dass Du auf dem Land nicht ohne Begleitung warst und dieser Politiker nicht zudringlich geworden ist ...?"
    Es war mehr wie eine rhetorische Frage gestellt, doch die Stirn der Iulierin hatte sich nun merklich gerunzelt. Numerianuns schien seiner Tochter deutlich mehr Freiheiten zu gestatten, als es gut war, wenn er sie einfach so auf dem Lande herum springen ließ, dass sie einen Lügner kennenlernen konnte.

  • Auf ihre Frage hin hob ich nur langsam wieder meinen Kopf und sah sie schuldig an. Doch auch wenn es nicht richtig war, was ich tat, so nahm ich mir aber vor dazu zu stehen.


    "Ich war alleine, aber nicht ganz, immerhin erreichte ich mit einer Sänfte mein Ziel. Doch lies ich die Sklaven am Rande der Stadt warten und ich entfernte mich von ihnen. Sie wollten mich begleiten, doch ich wollte alleine sein und hätte auch nicht gedacht jemanden anzutreffen, der mir gleich solche Fragen stelle. Aber mir ist nichts passiert und wenn es auch brenzlig geworden wäre, die Sklaven waren in meiner Sichtweite und hätten mich auch gehört."


    Nun, war mir klar, das die falschen Worte gewählt hatte, doch in der ständigen Begleitung eines Beschützers kam ich mir irgendwie eingeengt vor.


    "Der Mann hieß Deciumus Pompeius Strabo. Ist dir dieser Mann bekannt?"

  • Sinnierend runzelte die Iulierin die Stirn und ließ sich den Namen einige Male durch den Kopf gehen. Irgendwo klang da eine Erinnerung auf, aber welche? Sie war sich sicher, diesen Namen schon einmal gehört zu haben, aber der Zusammenhang wollte sich nicht so leicht erschließen. So wirkte sie für einige Momente lang ziemlich nachdenklich, aber der erlösende Gedanke wollte sich nicht einstellen.
    "Ich kenne den Namen, aber es will mir nicht einfallen, woher ... was Du erzählst, lässt jedoch nicht gerade auf einen sehr ehrenwerten Mann schließen. Was manche Menschen veranstalten, um sich einige Komplimente oder Worte zuzuschanzen, ist schon sehr ungeheuerlich. Du siehst, meine Worte haben also durchaus ihren Sinn - und ich hoffe, dass Dir solche Erfahrungen in der Zukunft erspart bleiben, Livilla."


    Rom würde sicher noch so manche unangenehme Überraschung bereit halten, und sie bedauerte es in diesem Moment ziemlich, dass sie nicht den ganzen Tag in der Casa Iulia zugegen war, um ihre Zeit mit der jüngeren Verwandten zu verbringen. So würde auch vieles vom guten Willen Livillas und der aufmerksamen Beobachtung der Sklaven abhängen müssen, ein Weg, der ihr nicht unbedingt recht war, wollte sie die Cousine nicht dauernd beobachten lassen müssen oder einsperren. Dafür wusste sie noch zu gut, wie es war, wenn man erst begann, die Welt mit anderen Augen zu sehen und sie einem so schnell wieder genommen würde.
    "Ich würde mir wünschen, dass Du, wenn Du Sorgen oder Nöte hast, die mit einem Mann nicht besprochen werden können, zu mir kommst, Livilla. Constantius und Du versteht euch gut, aber manches lässt sich auch mit einem Cousin nicht gut besprechen. Ich möchte Dir hier in Rom gern zur Seite stehen, soweit ich das vermag."

  • Wieder kehrte die Nacht ein in Roma, doch hatte ich in den letzten Tagen weit aus besser geschlafen, ruhiger und traumlose Nächte hatte ich gehabt. In mir war auch keinerlei Abneigung, mich alleine in ein Zimmer zu begeben und am morgen unausgeruht wieder zu erwachen. An diesem Abend betrat ich mein Cubiculum, wusch mich, zog mein Nachtgewand an und spürte dabei wie es sanft über meinen Körper glitt. Nicht ein Lichtlein erhellte den Raum nur der Mond den man von meinem Fenster aus sehen konnte. Kurz bevor ich mich dann endlich ins Bett legte, trank ich noch einen Schluck. Der Innenraum wurde schon leicht kühl, doch es fror mich nicht und so erwartete ich auch diese Nacht wieder einen erholsamen Schlaf.
    Mein Kopf war leer und so verfiel ich auch sogleich in einen tiefen Schlaf, der sich als doch nicht so tief feststellte.

    Träumte ich oder war ich wach, doch befand ich mich an einen Ort, der so unheimlich düster war, so eiskalt zu still. Und ich selbst in einer Gruppe von Menschen, die nur in eine Richtung blickten. Einige mit einen neutralen Gesichtausdruck und andere so unwahrscheinlich traurig. Ich selbst spürte in mir die Trauer, die schmerzte und die so selbstverständlich war, doch wusste ich, weshalb ich dies fühlte und wendete ich meinen Kopf nur leicht nach rechts, so sah ich einen Menschen, dem es gleichgültig zu sein schein, was hier vor sich ging. Wieso war er dort? Keines Blickes würdige ich ihn mehr sondern sah wieder in diese eine Richtung, wohin alle Augen blickten.

    Ich wusste nicht weshalb ich aufwachte, doch mein Herz raste und der Wind der in mein Cubiculum wehte war erstaunlich wärmer. Es war das Weinen eines Kindes auf der Straße und so ging ich aus meinen Bett und eilte verschwitzt zum Fenster. Nichts war zu sehen, nur die klagenden Schreie eines Kindes, das erstarb als sich eine weibliche Stimme näherte. Zittern sah ich zur Türe, doch es gab keinen Grund mehr sich zu fürchten. Ich wollte den Traum vergessen, nicht einmal einen kleinen Moment daran denken und so legte ich mich schon bald wieder ins Bett und schlief gleich darauf ein, das mich sehr wunderte.

    Doch wieder passierte es, dieses Mal betrat ich einen Raum und in ihm obwohl er bemerkswert mit Menschen gefüllt war, herrschte Stille. Jemand schien sich von hinten zu nähern, den gleichen Weg, wie ich kam und so erkannte ich wieder dieses Gesicht das ich jetzt auf einmal so sehr fürchtete. Zügig setzte ich mich auf einen der freien Stühle und er verschwand auf einer Treppe, für nicht lange, denn als er wieder kam erreichte er mir, mit einen leichten mitleidigen Blick, ein Pergament und ich konnte nicht wegsehen.

    Flehte ich im Schlaf aufzuwachen, so erwachte ich hastig mit einen Kopfschütteln. Erhebte mich leicht und legte beide Hände auf mein Gesicht und wimmerte sogleich. Was hatte das alles mit dem Tod zu tun, wollte mir dieser Traum sagen, das es nicht richtig war, an gestimmte Menschen zu denken? Hoffte ich so sehr das es nur die Fantasie eines jungen Mädchens war und keinerlei Vorahnung, die mir unheimlich waren. Und so wünschte ich Contantius wäre nun bei mir.

  • Eine Dienerin und ich erreichten mein Cubiculum. Reflexartig eilte ich nachdem ich es betreten hatte zum Fenster, sah auf die Straße herab, aber so und hörte nichts. Eben wollte ich mich schon umdrehen, da vernahm ich ein Knarren. Eine Gesalt verlies die Casa Iulia, es war Constantius. Erleichtert atmete ich durch und die Dienerin ergriff das Wort.


    "Herrin, bitte setzt euch ans Bett damit ich euch waschen."


    Langsam schritt ich auf sie zu, meine braunen Augen, sie waren immernoch feucht. Sie half mir beim ausziehen und wusch mich, doch bis sie mir auch beim ankleiden half, wendete ich meinen Blick von ihr und so trug ich eine weiße Tunika. Sie symbolieste die Reinheit, das weiße Gefieder einer Taube die sich jetzt so beschmutzt fühlte. Nachdem dies geschehen war, bat ich die Dienerin mich zu verlassen, es war nicht höflich mit ihr so umzugehen, doch hatte ich das Gefühl, das sie mich anstarrte.

  • Die Dienerin hatte die Herrin des Hauses bei der Arbeit angetroffen, wie so oft in der späten Nacht war sie noch dabei, etwas zu schreiben, was sich am Tage nicht hatte erledigen lassen - und der Aktenberg aus Ostia schien einfach nicht abnehmen zu wollen, zu viel war während der Absenz eines amtsinhabenden Magistraten aufgelaufen. Entsprechend schockiert hatte Iulia Helena von ihrer Arbeit aufgeblickt, als ihr die Botschaft Constantius' überbracht wurde, um dann die Dienerin sofort wieder zu ihren Aufgaben zurück zu schicken. Vor den Sklaven gab sie sich wohlweisslich keine Blöße, den Nimbus der Hausherrin hatte sie in jeder Lebenslage beizubehalten, um das Regiment über den Haushalt entsprechend beibehalten zu können.


    Sie hatte sich über die einfache, dunkelblaue Stola, die sie zuhause oft trug, nichts angezogen und schritt folglich auch leise die wenigen Türen entlang zu Livillas Zimmer, um dort vor der Türe tief einzuatmen. Was sollte sie jetzt tun? Für den Ausgang spätabends, ohne Begleitung der Diener, verdiente sie eine Strafe, aber gleichzeitig war die junge Frau momentan sicher aufgeregt genug. Zuerst würde sie versuchen, sie zu trösten, falls sie das irgendwie zuließe ... denn auch wenn Livilla bisher immer freundlich zu ihr gewesen war, spürte sie die von ihrer Cousine ausgehende Distanz doch, ohne sie sich erklären zu können.
    Langsam hob sie die Hand zur Tür und klopfte leise an, wie sie dies immer tat. "Livilla?"

  • Einerseits war ich froh darüber, als die Dienerin gegangen war, andererseits hatte ich das Gefühl zu voreilig gehandelt zu haben. Vielleicht verstand sie so manchen Kummer viel leichter, weil sie mit den Problemen ihrer Herrin bisher nicht konfrontiert wurde und auch gerne ihre Gefühl mit ihr teilen wollte, vielleicht aus Interesse oder auch aus Bewunderung. Aber dies wirklich einer wildfremden Dienerin ans Herz zu legen, das wäre sehr unüberlegt gewesen, denn wusste ich nicht, mit wem sie alles in Verbindung stand.


    Ich berührte langsam mit der Hand den Stoff meiner Tunika, fühlte ich diese Reinheit und konzentrierte mich einen Moment darauf doch alles zu vergessen, alles was geschehen war, nur kurz, vielleicht würde ich dadurch neue Kräfte sammeln können oder einsehen, das alles nur wieder ein Traum sein musste. War es nur Einbildung oder war ich jetzt wirklich entspannt, denn meine Gedanken, sie waren bei meinen Vater. Erst ein leises Klopfen riss mich aus der Ruhe, lies mich hochschrecken, erkannte dabei aber Helenas Stimme, worauf ich dankend meine Augen schloss und tief durchatmete.


    Trotzdem fand ich es geeignter selbst die Türe zu öffnen, damit ich mir auch vollkommen sicher sein konnte. So erhob ich mich von meinen Bett und öffnete die Türe nur einen kleinen Spalt. Sie war es, doch wusste ich nicht ob dieses etwas gutes zu verheißen hatte.


    "Helena!", antwortete ich ihr mit einer ruhigen Stimme, die immernoch mit Trauer erfüllt war.

  • Sicher, ihre Cousine war gereinigt worden, aber dennoch, von ihrer Leichtigkeit und jugendlichen Sorglosigkeit war nicht viel geblieben. In diesem Augenblick empfand die Iulierin ein starkes Mitgefühl für ihre junge Verwandte, auch wenn ein gewisser Teil ihres Selbst sie am liebsten gepackt und für ihre Dummheit und den Ungehorsam übers Knie gelegt hätte. Doch dafür war es nicht die Zeit. Dass Livilla die Türe nicht einmal öffnen wollte, sagte ihr genug und versetzte sie einmal mehr in eine gewisse Sorge.


    "Livilla, darf ich hereinkommen? Ich möchte Dich in dieser Stunde ungern alleine lassen ..." Ruhig blickte Helena zu ihrer Cousine, ihre Entscheidung abwartend. Die anstehende Unterhaltung wollte sie ungern auf dem Gang führen wollen, nicht zuletzt, weil es die Sklaven nichts anging, was sich ereignet haben mochte - Constantius' Botschaft war erschreckend genug gewesen.

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