Bummel über das Forum zu zweit

  • Von der einfachen Taverne her kommend, schlenderte Eretha, ihres Zeichens Sklavin der Rediviva Helena, hinter ihrem römischen Begleiter Matinius Valens über den Markt. Sie hatten bereits einige Stände passiert, auf denen lokale Händler Tonwaren und Speisen für den täglichen Gebrauch verkauften, entsprechend billig waren die Preise, entsprechend laut ging es dort auch zu, weil sich die Händler gegenseitig zu unterbieten versuchten, um möglichst viel ihrer Ware früh an den Mann zu bekommen. Je länger sie in der Sonne liegen würden, desto fader würden die meisten Sachen schmecken, also war eine gewisse Eile geboten.


    Erst als sie die wirklich billigen Stände hinter sich gelassen hatten, beruhigte sich das Verkehrsaufkommen kaufwilliger hispanischer Bürger, und Eretha konnte sich entspannter umsehen, war sie doch stets so gegangen, als wäre gleich ein Angriff zu befürchten. Doch erreichten sie nun auch den Teil des Marktes, in dem die besseren und besonderen Waren angeboten wurden - unter anderem auch einen Stand, den sie aus der Ferne als den eines Sklavenhändlers ausmachen konnte. Die Miene der Amazone verfinsterte sich fast augenblicklich, und sie blickte sehr angestrengt nach vorn, um bloss nichts zu sagen.

  • Valens folgte den Blick seiner Begleiterin und sah nun auch den Sklavenstand. Man konnte die Sklaven sehen, hauptsächlich Schwarze. Frische Sklaven aus den Provinzen südlich des Mittelmeers. Ausgemergelt und dürr standen sie da, sie konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. Man sah auch den Sklavenhalter, der sie gelegentlich schlug und anbrüllte, und seinen gehilfen, der laut über den Markt rief. Man konnte einzelne Fetzen hören. "Frische Sklaven... Nubien... Mauretanien... treu... loyal... kräftig... gute Arbeiter..." Valens konnte das nicht mehr sehen und drehte seinen Kopf auf die rechte Seite. Da sah er plötzlich etwas, was seine Aufmerksamkeit erregte. Er griff Eretha an die Schulter und deutete ihr an, sich umzudrehen. Da sah man, dass dort eine Plattform war, und darauf befand sich etwas wahrhaftig monströses. Valens lief ein paar Schritte darauf zu, und schaute fasziniert zu, wie sich alt aussehende, verschrumpelte graue Haut zwisschen ihn und die Sonne drängte. Nun kamen die großen Ohren und der enorme Rüssel ins Blickfeld.
    Ein riesiger Elefant.
    Mit großen Augen schaute Valens nun fasziniert zu, wie der Elefantentreiber, ein Parther in seiner heimatlichen Tracht und mit herbem Akzent seinem Publikum, welches inzwischen zusammengelaufen war, sagte: "Seht her! Hier seht ihr Prudens von Indien, den klügsten und größten Elefanten der Welt! Er kommt aus den Urwäldern eines Landes, aus dem ständig Sagen und Legenden zu uns kommen, an dem Alexander der Große gescheitert war und die Heimat von zahlreichen Ungeheuern! Seht, Prudens ist nicht nur riesig und beeindruckend, nein, er ist auch wahnsinnig intelligent! Prudens, sage mir: Wieviel ist eins plus zwei?" Und das Publikum brach in hysterisches, lautes Gekreische aus, als der Elefant dreimal mit einer Donnerstimme trompetete. Valens hingegen stand einfach nur still und fasziniert da. Unglaublich.

  • Vor ihren Augen tanzten hell glühende Sternchen, als sie die Worte des Sklavenhändlers hörte, der seine mageren und müden Waren anpries. Hätte sie nur die Freiheit besessen, sie hätte sie alle gekauft, um ihnen ein Leben zu ersparen, wie sie es wohl würden fristen müssen. Wahrscheinlich würden sie alle bei der harten Feldarbeit zugrunde gehen oder in Minen schuften müssen, um ihre römischen Herren nur noch reicher zu machen ... es war gut, dass er sie an der Schulter berührte und aus ihren Gedanken riss, denn der Instinkt, die Berührung abzuwehren, verdrängte sofort alle Überlegungen. Dass sie es dennoch zuließ, lag daran, dass sie die Geste als gut gemeinte Geste erkannte - dennoch versteifte sich ihr Körper kurz, bevor sie den Elefant erreicht hatten.


    Und nun war es auch an Eretha, das riesige Tier staunend anzublicken. Sie hatte zwar von diesen wandelnden Bergen gehört, aber noch nie einen gesehen - allein die gigantischen Ohren waren schon faszinierend, dazu der Rüssel, mit dem er in der Tasche seines Herrn nach Erdnüssen fahndete. Und intelligent schien er auch noch zu sein. Sie merkte nach einigen Momenten, dass ihr der Mund vor lauter Staunen weit offen stand und klappte ihn schnell zu, weil ihr das peinlich war, aber stattdessen verlegte sie sich auf das stille, faszinierte Anstarren dieses Ungetüms.
    "Gigantisch," flüsterte sie nach einer Weile und konnte sich nicht an den langsamen, aber sehr präzisen Bewegungen des Elefants sattsehen. Es war so unglaublich, wie ein Wesen aus einer ganz anderen, fremden Welt.

  • Rund um die beiden brach ein Jubel und getose aus, und dem Parther flogen unzählige Sesterzenstücke zu. Dieser grinste, befahl seinem Diener, der neben ihm stand, die Stücke aufzuheben, fütterte den Elefanten mit Erdnüssen und sagte dann: "Fünf minus vier!" Der Elefant trötete einmal, und wieder brach ein Jubel und Gekreische auf dem ganzen Forum aus. Auch Valens griff nun in seine Tasche und warf dem Parther zwei Sesterzen hin - das war es wert.
    "Ja,", flüsterte er fast ehrfurchtsvoll, "er ist wirklich unglaublich. Unglaublich.", wiederholte er. Dann machte er es Eretha gleich und schaute starr auf das Monstrum. Da konnte er auf einmal glauben, wie die Legionäre in Carrhae vor diesen Monstern davongerennt sind und wie Crassus daran gescheitert war.
    Währenddessen rief der Parther: "So einen großartigen Elefanten habt ihr noch nie gesehen, da bürge ich dafür!" Und da hatte er in Valens' Augen Recht.

  • Auch Eretha musste dem Parther Recht geben und fast bedauerte sie es, keine einzige Sesterze bei sich zu haben - sie hätte diese sicherlich auch für den riesigen Elefanten ausgegeben, ungeachtet der Tatsache, dass sie davon vielleicht noch etwas zu essen kaufen sollte. Mit Geld hatte sie immer Schwierigkeiten gehabt und gab es meist viel schneller aus, als sie es bekommen hatte - aufgewachsen in einem System des Tauschhandels war ihr der Umgang mit Münzen fremd.


    "Wer will auf ihm reiten?" schallte die Stimme des Parthers über den Platz. "Für zwei Sesterzen dürft ihr auf dem Rücken von Prudens Platz nehmen und für zehn dreht er eine Runde über das Forum mit euch auf dem Rücken!" Die Augen der Amazone begannen unternehmungslustig zu funkeln. Der Elefant mochte eine Bestie sein, aber auf dem Rücken eines Elefanten zu sitzen, das war ein Erlebnis, dass so schnell niemand würde nachmachen können. Aber zehn Sesterzen ... nie zuvor hatte sie sich gewünscht, Geld zu haben. Für diesen Ritt allerdings ...


    "Na, wer hat Mut und wagt sich an den mächtigen Prudens?" tönte die Stimme des Parthers herausfordernd und es war zu merken, dass er die Anwesenden eindeutig für nicht mutig genug befand, es zu wagen. Einige junge Männer rangelten lachend in Sichtweite Erethas, dann flüsterte sie leise: "Ich habe keine Angst." Aber kein Geld.

  • Nun begann der Parther, Ritte auf seinem Elefanten anzubieten. Und er verlangte horrende Preise - die Höhe der Preise erstaunten Valens fast noch mehr als die Größe des Tieres. Trotzdem sah man junge Römer, die sich zum Parther begaben und ihm Geld gaben. Dann blickte er auf die Seite und sah Eretha, die sich dem Ungetüm genähert hatte und leise etwas flüsterte. Valens konnte es zwar nicht hören, aber auf jeden Fall konnte man deutlich sehen, dass auch sie auf der Bestie reiten wollte. Dann zog er, ohne richtig nachzudenken, seine Börse heraus und sah hinein. 8 Sesterzen befanden sich darinnen. Er hätte dem Elefanten nicht so verschwenderisch Geld hinwerfen sollen - nun hatte er nur noch 8 Sesterzen. 8. Davon konnte man sich keinen Ritt leisten. Er schaute kurz auf den Sonnenstand. In spätestens einer halben Stunde musste er bei der Arbeit sein. Dann ging er mit einem Ruck los und stand plötzlich vor dem Parther. Er hörte sich selber sagen: "Zehn Sesterzen? Das ist doch wohl ein Scherz!" Da antwortete der Parther: "Ja, 10 Sesterzen, Römer, oder willst du zusehen, wie ich, meine Familie und der Elefant zugrunde gehen?" Quintus, was machst du da!, rief eine vernünftige Stimme verzweifelt in seinem Kopf, doch Valens sagte: "Ich bezahle 4 Sesterzen pro Person oder gar nichts!" "Tut mir Leid," sagte der Parther, "ich habe keinen Platz mehr auf Prudens für die nächsten zwei Runden, voll mit deinen unerschrockenen Landsleuten, und ich feilsche nicht! Einmal nicht, so lange das Geschäft geht.", fügte er mit einem schlauen Grinsen dazu. Nun ja. Valens schaute zu Eretha und zuckte mit den Achseln. Außerdem musste er jetzt gleich einmal los zur Arbeit.

  • Langsam glitt ihr Blick zu Valens, während er mit dem Parther verhandelte, aber er schien nicht genug Geld bei sich zu haben, um sich und ... und ihr ...!! einen Ritt zu kaufen. Er wollte zwei Ritte kaufen. Zwei! Und ihr diesen Wunsch erfüllen ... still blickte sie den Römer an, in ihrem Urteil schwankend, ob sie ihn nun für vollkommen verrückt oder für einen netten Menschen halten sollte. Und in diesem Moment durchzuckte es sie wie ein Blitz: Sie würde dafür sorgen, dass sie beide zu ihrem Ritt kommen würden, auch wenn sie keine Sesterze besaß. So eine Gelegenheit bekam man nur einmal im Leben und diese Gelegenheit wollte sie einfach nicht verstreichen lassen.


    "Vita brevis," flüsterte die Amazone mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen. Das Leben ist kurz. "He, Du!" rief sie in die Richtung des Parthers und richtete sich auf. Dieser wollte sie zuerst mit einem höhnischen Lachen bedenken, doch etwa im Funkeln ihrer Áugen ließ ihn innehalten. "Um Sesterzen feilschen nur die Römer, und Du bist keiner und ich auch nicht. Lass uns das so machen, wie man es in meiner Heimat Themiskyra erledigt!" Sie schritt auf ihn zu und blieb recht dicht vor ihm stehen, während des Parthers Augen kurz aufglommen. Er wusste, wer von Themiskyra stammte, und sie wusste, was sie von einem Parther zu erwarten hatte.


    Kurzerhand neigte sie sich vor ihm nieder, stemmte beide Hände auf den Boden und machte einen formvollendeten Handstand, den sie ausbalancierte wie eine Akrobatin, während die jungen Männer um sie herum zu johlen begannen, weil die Tunika herunter gerutscht war und ihr Lendentuch enthüllte - aber auch stramme Oberschenkelmuskeln, die mit Narben bedeckt waren. "Das kann doch jeder," höhnte der Parther, und Eretha atmete einige Male kontrolliert ein und aus, bevor sie das Gewicht verlagerte und eine der beiden Hände erhob, nur noch auf einer Hand nun kopfüber stand. "Wenn ich das auf dem Rücken deines Elefanten mache, lässt du uns beide dann eine Runde reiten?" knurrte sie die Worte hervor. Das Johlen und Klatschen der Menge um sie herum ließ zumindest vermuten, dass hier durchaus noch mehr Geld herauszuholen war als nur zwanzig Sesterzen für zwei, die reiten durften ...

  • Der Schweiß lief Valens über den Rücken, als er sah, was Eretha da gerade gemacht hatte - sowohl wegen der Hitze, die mit der Sonne eingesetzt hatte, als auch wegen dieser Darbietung. Er kratzte sich am Kopf. Worauf hatte er sich da eingelassen? Das war ja abenteuerlich. Er sah zum Parther hin, welcher anerkennend nickte und dabei unverblümt auf Eretha's Lendenschurz schaute. Da stieg etwas in Valens hoch, was seinen Kopf rötete. Die Eifersucht, was?, rief die Stimme in Valens Kopf. Du Esel, gib's zu! Du hast dich in sie verschossen! Verknallt wie ein Schulknabe!
    Um die Stimme wegzubekommen, fegte er mit der Hand unwirsch nach rechts, obwohl er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, die Stimme damit loszuwerden, nur gering war. Das einzige, was er erreichte, war, dass er fast eine alte Frau mit einem Korb auf dem Kopf traf, die erbost in irgendeinem der iberischen Dialekte, die rund um Tarraco gesprochen werden, auf ihn einschnatterte. Doch das bekümmerte ihn kaum, er wurde daraus nicht aus seinen Überlegungen gerissen, er murmelte nur eine kurze Entschuldigung. Valens' innere Stimme hatte ihn noch nie - fast nie - angelogen. Und in dem Fall konnte sie auch wieder fast im Recht sein.
    Also trat er an den Rand der Plattform hin und nun konnte er sehen, wie der Parther rief: "Na schön! Abgemacht! Dein Kumpan sitzt dann halt am Hals und du bist am Rücken...und kaschier dich bloß nicht!" Mieser Orientaler, dachte Valens bei sich. Und trotzdem musste er zugeben, dass das Angebot nicht schlecht war. ja, auf einem Elefanten sitzen, das war sicher eine gute Sache...und die Arbeit konnte warten. Das wäre eh das erste Mal, dass er zu spät käme.

  • Nun zufrieden grinsend ließ sie sich wieder auf den Boden herab und richtete sich gemächlich zur vollen Größe auf. "Sicher doch," gab sie dem Parther knapp zurück und rollte innerlich die Augen über so viel männliche Dummheit. Man zeigte ihnen nur die Schenkel und schon dachten sie nicht mehr rational, sondern nur mit dem verlängerten Fortsatz ihrer Lenden. Aber sie hatte, was sie wollte - einen Zweier-Ritt auf dem Elefanten - und das noch dazu kostenlos. Wenn es sie ein bisschen Körperbeherrschung kosten würde, dann war das ausreichend, denn an das Gaffen anderer war sie mehr als gewöhnt. Es störte sie auch nicht wesentlich, denn so waren die Menschen, vor allem Männer, eben.


    "Siehst Du, jetzt reiten wir doch," meinte sie befriedigt in Richtung von Valens und grinste ihn unternehmungslustig an. "Wann sieht man schon nochmal einen Elefanten?" Damit packte sie ihn kurzerhand am Unterarm und schleifte ihn mit in die Richtung des Ungetüms, wo der Parther bereits dabei war, mit Prudens die erste Richtung über das Forum zu drehen. "Ihr seid die nächsten!" rief er Valens und Eretha zu, die schmunzelnd eine Hand in die Hüften stemmte. "Keine Sorge, dass ich herunterfallen könnte. Ich stehe auch auf dem Rücken eines Pferdes und so ein Elefant ist viel breiter und bewegt sich viel langsamer. Das wird nicht allzu schwer werden." Damit zwinkerte sie Valens leicht zu und blickte dem Elefanten hinterher. Doch, sie war zufrieden - und den fassungslosen Ausdruck in den Augen des Römers war die Sache zweimal wert gewesen.

  • Gerade bemerkte Valens, wie unbeschreiblich dämlich er dreinschaute, und machte schnell seinen Mund zu, während er sich von Eretha zum Elefanten schleppen ließ. Dann räusperte er sich, einfach nur um irgendwas zu tun, und sagte dann: "Schön. Ähm...Parther, wie kann man auf den Elefanten hinauf?" Der Parther grinste und sagte: "Zuerst - ich heiße Aiman, nur damit ihr nicht mehr "Parther" zu mir sagen müsst." "Nun gut, ich bin Quintus Matinius Valens, und das ist Eretha." "Oh ja...eine Amazone. Das erkenne ich. Habe schon einige gesehen. Selten, dass sich eine im Imperium Romanum aufhält." Wieder einer, für den Amazonen selbstverständlich sind. Mittlerweile fürchtete Valens, er wäre am Morgen der einzige in der Umgebung gewesen, der nicht an Amazonen glaubte - mittlerweile aber tat er das. Dann wandte der Parther sich an Prudens, den Elefanten, und rief ihm etwas auf parthisch zu. Der Elefant kniete sich augenblicklich hin. Dann lehnte der Parther eine Leiter, die neben der Plattform gelegen war, an den Elefanten und bedeutete den beiden hinauf zu steigem. "Du zuerst!", meinte der Parther und zeigte auf Valens. "Du sitzt vorne." Also blickte Valens auuf die Leiter, ergriff sie dann und kletterte auf den Elefanten hinauf und nahm vorne Platz. "Ich werde den Elefanten führen!", meinte der Parther von unten. Valens konnte schon denken, warum. Er wollte nicht nur die Sicherheit der Reiter und nicht nur sicherstellen, dass der Elefant nicht auf Nimmerwiedersehen davonläuft, sondern auch noch auf dem Weg Geld einsacken. Schnell blickte er noch zu Eretha zurück. "Bist du dir auch ganz sicher?"

  • "Denkst Du etwa, ich hätte Angst?" gab die Amazone trocken zurück und griff mit beiden Händen nach der Leiter, um dem Römer nachzuklettern. Natürlich hatte sie Angst. Es war ihr erster verdammter Elefant und sie war auf dem Pferderücken längst nicht mehr in Übung - aber sie wäre keine Amazone gewesen, hätte sie das in irgendeiner Weise zugegeben. Man gewann nicht, wenn man nicht ab und an etwas wagte, und die Chance, auf dem Rücken eines Elefanten zu reiten, würde sich vielleicht niemals wieder bieten. Schon morgen konnte sie tot sein und würde sich im Hades schief und krumm ärgern, hätte sie das verpasst.


    Als sich Valens gesetzt hatte, erreichte auch sie den mächtigen Rücken des Elefanten und atmete insgeheim durch. Er war viel breiter als gedacht und die rauhe Haut bot ausreichend Griffläche, um sich festzuhalten - sie würde nur das Schwanken ausgleichen müssen, um oben zu bleiben. "Na, ich habe dir doch gesagt, wir kommen auf den Elefanten," sagte sie leise und grinsend zu dem Römer, der einige Momente lang wirkte, als würde er nicht so recht glauben, dass er wirklich auf dem Nacken von Prudens saß. "Seid ihr bereit?" rief Aiman von unten hinauf und Eretha winkte bekräftigend. Der Elefant setzte sich langsam und träge in Bewegung, während die Menge unten johlte.


    "Seht zu, die Frau wird gleich einen Handstand auf Prudens' Rücken machen!" verkündete der Parther den applaudierenden Zuschauern, während Eretha schluckte. Wünsch mir Glück, dachte sie, aber sie sagte es nicht, bevor sie auf dem Rücken des Tiers nach hinten rückte und sich mit den Händen einen sicheren Griff suchte. Er ruckelte doch deutlich mehr, als sie es erwartet hatte, aber dadurch, dass sie nicht gegen zu viele gegeneinander spielende Muskeln ankämpfen musste, wurde es wieder erträglich. Vorsichtig stieß sie sich mit einem Fuß von der Haut des Tiers ab und als würde die Zeit deutlich langsamer vergehen als zuvor, beschrieb ihr linkes Bein eine exakte Kurve in die Höhe, blieb ausgestreckt empor gereckt, dann folgte das zweite - und wieder brandete von unten lautes Johlen auf.

  • "Hm...", antwortete Valens auf ihre selbstsichere Ansage und drehte sich zurück, um zu sehen, wie sie es machte. Auf einmal setzte sich der Elefant in Bewegung, und valens musste sich an den Ohren festhalten, um nicht zu rutschen. Ihr Götter, er hatte schon sitzend Probleme, was würde da Eretha bloß machen! Er drehte sich abermals zurück und sah, wie sie sich an den Rücken des Elefanten klammerte und sich ansetzte, den Handstand zu machen. Nun ja, nun konnte Valens nicht mehr tun, als ihr innerlich Glück zu wünschen. Schließlich sah er, wie sie sich mit schnellen Bewegungen in die Luft erhob und dabei kaum schwankte. Valens atmete erleichtert durch. Hoffentlich kommt das Biest jetzt nicht auf die Idee, irgendwelche dummen Streiche zu machen...er blickte hinunter auf den Parther, der nun die Leine in der einen hand hielt und in der anderen Geld von Passanten entgegennahm, die gekommen waren, um das Spektakel anzuschauen. Um sich abzulenken, bewunderte er die Stoßzähne des Elefanten zuerst und blickte dann auf. Man konnte vom Elefanten über einige Dächer hinwegsehen, man konnte sogar Teile der Stadtmauern und die Provinzkurie erblicken. Ein atemberaubender Anblick - vor allem vom Rücken eines Elefanten aus. Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als der Parther zum Elefant: "Sechs minus zwei" hochrief und der Elefant markerschütternd trompetete. Ein Krach war das, dass Valens meinte, ihm würden die Ohren abfallen. Dann blickte er sich schnell um, um zu sehen, wie es Eretha erging.

  • Das Schwanken des Elefants während seiner Bewegungen hatte sie relativ schnell kompensiert, aber auf einer Hand zu stehen würde schwer werden, da machte sie sich keine Illusionen. Warum nur hatte sie solche Töne gespuckt? Aber egal, sie waren auf dem Elefanten und sie würde es versuchen. Würde sie fallen, wäre ihr eine Landung auf dem breiten Kreuz des Tiers sicher, nicht auf dem Boden - das war der beruhigendere Teil des Ganzen. Da auch ihr römischer Begleiter seinen Spaß zu haben schien - wenngleich gedämpfter - war es die Sache wert gewesen. Amazonen bezahlten stets ihre Schulden, und was immer er für das Essen ausgegeben haben mochte, mit diesem zehn-Sesterzen-Ritt für umsonst hatte sie es ausgeglichen. Sie war nicht gern einem Römer und Mann auch nur ein As schuldig ... und wenn sie ehrlich war, gefiel es ihr, ihn zumindest ein wenig zu beeindrucken.


    Als der Elefant zu trompeten begann, zuckte sie heftig zusammen, den Parther innerlich verfluchend - dieser Mistkerl! Ihre Beine schwankten eine ganze Weile in der Luft, als sie versuchte, das Gleichgewicht wieder zu finden; für die johlende Menge mochte es so aussehen, als wäre sie ernstlich in Gefahr zu fallen - und sie fürchtete das für einige Augenblicke auch. Aber langsam, nach und nach, konnte sie die Bewegung ihrer Beine wieder denen des Tiers anpassen und blieb oben, doch nun begann ihr der Schweiß langsam das Gesicht herunter zu laufen. Die Wangen hatten begonnen sich zu röten, und sie wusste dass sie nicht mehr allzulange so stehen bleiben konnte, ohne dass sich ihr Schweiß in einen wahren Wasserfall verwandeln würde - zumindest fühlte es sich im Augenblick so an. "Möge Dich der Blitz der Erdmutter beim Scheißen in den Arsch treffen, Aiman," knurrte sie leise vor sich hin und verweilte einige Momente lang bei diesem ausgesprochen befriedigenden Gedanken.

  • Beruhigt, dass sich Eretha halten konnte, blickte Valens zum Parther hinunter und rief: "He, was sollte das?" Der Parther grinste frech huinauf, sagte aber nichts. Valens drehte seinen Kopf demonstrativ in die andere Richtung und sah, dass sie gerade die Nobelstände der reichen verlassen hatten und nun durch den Töpfermarkt marschierten. Er atmete nun wiederruhigerund sah zu den Marktfrauen hinunter, die den Elefanten nachliefen. Wie klein sie von hier oben aussahen. Gleichzeitig wurde Valens auch etwas schwummrig, er musste daran denken, was passieren würde, wenn er dort jetzt hinunterfallen würde. Nicht auszudenken. Er wandte sich zum wiederholten Male zu Eretha um und diesmal bot sich ihm ein weitaus Besorgnis erregenderer Anblick als vorhin. Ihr rann der Schweiß aus allen Poren hinunter. Schnell blickte er hinmunter, sie hatten den Töpfermarkt noch immer nicht verlassen. Wie lange würde sie das noch aushalten? Nun rann ihm auch der Schweiß hinunter. Was könnte er tun, wenn sie plötzlich zusammensackte und herunterfiel? Aber er würde sich und ihr jetzt nicht die Blöße geben, um Hilfe zu rufen. Stattdessen fragte er Eretha: "Geht es noch? Haltest du noch lange durch?"

  • Sie wusste sehr wohl, warum der Parther das gemacht hatte - die Amazonen und die Parther hatten sich nie gemocht und eigentlich hätte es ihr klar sein müssen, dass irgendwo ein Trick lauerte. Nichts wäre diesem Kerl wohl lieber gewesen, als sie in irgendeiner Form zu demütigen, aber sie hatte nicht vor, in irgendeiner Weise demütigt zu werden. Wenn sie grausame Römer überleben konnte, dann auch einen hinterlistigen Parther. "Es geht noch," knurrte sie die Worte fast hervor, denn nun musste sie versuchen, die verloren gegangene Konzentration wieder zu gewinnen und gleichzeitig auf der Hut vor einem neuen Trompetenangriff zu sein.


    Denk daran, du stehst auf einem festen Untergrund. Auf einem Holzbalken. Auf dem Boden. Vorhin konntest Du das auch. Du kannst es jetzt immernoch. Irgendwie. Sie verlagerte den Körperschwerpunkt ein klein wenig mehr auf den rechten Arm, steuerte mit den Beinen gegen die Bewegung des Elefanten, und mit einem Mal hob sich der linke Arm zur Seite - sie stand tatsächlich auf der einen Hand, was die Marktfrauen klatschen und die Menge johlen ließ. Doch allzu lange währte dieser Moment nicht, sie fasste schnell mit der anderen Hand wieder nach und ließ sich auf die Fußsohlen herab, um dann stehend die Arme in die Höhe zu recken und sich ausgiebig bejubeln zu lassen - Aiman machte an diesem Tag wohl das Geschäft seines Lebens, denn nun flogen die Münzen umso eifriger. Stolz blickte sie zu Valens herab, und für einen kurzen Moment begleitete sie auch das, was sie einmal gewesen war - eine freie Frau, deren Haar nun im Wind umher flatterte.

  • "Na dann.", antworte Valens knapp und schaute bang hinunter. Würde Aiman wieder so einen blöden Scherz ablassen? Er sah hinunter. Der Parther bahnte sich mit seinem bunten Gewand durch die Menge, der Elefant hinterher. Jetzt kann man nur hoffen, dass da niemand zertrampelt wird, dachte sich Valens und blickte über den Kopf des Elefanten hinüber. Die Leute hielten einen Respektabstand vor dem Elefanten ein, kein Grund zur Besorgnis. Allerdings musste er mit einem sehr uneleganten Ruck zurücksetzen, sonst wäre er Hals über Kopf von Elefanten hinuntergekippt. Auf einmal nahm er wahr, dass die Menge zu klatschen und zu johlen begann, und er wandte sich, sicher schon zum zigtausendsten Mal, um. Da sah er, dass sich Eretha nur noch mehr mit einer Hand am Elefanten hielt. Valens hielt unwillkürlich den Atem an. Zu seiner Erleichterung schaffte sie es, und nachdem sie dies gemacht hatte, konnte er ihre Bewegungen genau verfolgen, als sie sich herabsenkte und aufstand.
    Nun stand sie da, mit ihren Händen in der Höhe und wurde von allen Seiten beklatscht. Sie sah nun vollkommen verändert aus. Nicht mehr dieser Blick, der im Grunde erahnen ließ, dass sie gleich einen Schlag erhalten könnte, sie stand da, gelassen und unangespannt, wie ein freier Mensch. Nun fing auch er an, wie die begeisterte Meute unten zu klatschen und freudig zu lachen. Das war was gewesen!
    Während er sie noch bewunderte, sah er aus den Augenwinkeln, dass sie schon fast wieder die Nobelläden der reicheren Ecke des Forums erreicht hatten. Bald würde es vorbei sein. Schade.
    Plötzlich konnte er wieder den Parther hören. Blitzschnell reagierte er, und der Parther kam nur so weit, "Sieben plus..." zu sagen, als Valens hinunterrief: "Hör auf! Lass das! Später hast du noch genug Zeit dafür!" Und der Parther hielt ein, aber wahrscheinlich auch nur, weil er römischer Bürger war. Dann ging es weiter, wieder zu den Ständen der reicheren Bevölkerung von Tarraco hin. Dort müsste er sich unbedingt etwas zum Trinken kaufen...einen guten Wein oder auch nur Wasser.

  • Der Ritt auf dem Elefanten hatte etwas verändert, auch wenn sie es noch nicht greifen konnte. Sie hatten kein Geld gehabt und hatten es trotzdem auf den Rücken des grauen Ungetüms geschafft - und nun, mit dem Johlen der Menge unter sich, dem Lächeln des Römers und seines Klatschens fühlte sie sich, als sei etwas von ihr abgefallen, was sie seit vielen Jahren mit sich hatte herum schleppen müssen. Für diese Momente war sie frei, keine Kette hielt sie, kein Versprechen, der Himmel war und blieb zum Greifen nah. Sie stand nicht nur mit beiden Beinen auf dem Elefanten, sondern endlich wieder dort, wo sie hingehörte. Vor allem hatte sie niemals aufgehört, das zu sein, was sie war. Und dieses Wissen tat unendlich gut. Hatte ihr die Erdmutter mit dem Elefanten ein Zeichen gesandt? Sie ließ sich hinter Valens auf den Rücken des Tiers gleiten und blinzelte ihm fast verschwörerisch zu.


    "Wenn man erst einmal oben war, sieht doch alles ganz anders aus, findest Du nicht?" Sie hätte lachen können vor Glück, aber es war ihr wohl auch so anzusehen, dass sie sich freute, dass etwas sich geändert hatte und ihr erlaubte, aus tiefster Seele über diesen Ritt auf Prudens glücklich zu sein - auch wenn er nun langsam aber sicher zu einem Ende kam und der Parther sich wohl bald würde eine neue Tasche für die vielen gesammelten Münzen würde kaufen müssen. Der vorherige Ernst der Amazone schien zumindest für den Augenblick wie fortgeblasen, auch, als Aiman die Leiter an die Flanke des Elefanten lehnte und ihnen beiden bedeutete, dass sie wieder herunter kommen sollten.

  • Ja, das war es wohl. Der Parther stoppte den Elefanten und lehnte die Leiter an. Valens bekam davon nicht viel mit, denn er war die ganze Zeit dabei, sie anzuschauen. Eine wunderbare Veränderung war in ihr vorgegangen. Sie war nicht greifbar, aber sie war da. Die trübselige Sklavin, die er noch vor Kurzem am Strand getroffen hatte, hatte sich in eine stolze und frei aussehende Frau zurückverwandelt. Er konnte die Augen nicht mehr von ihr lassen.
    Ungelenk stieg er die Leiter hinunter und kassierte noch ein schmieriges Grinsen vom Parther, doch die Geldgier hinter diesem Grinsen bekümmerte ihn nicht. Freundlich lächelte er zurück.
    Die Menge scharte sich nun wieder um den Elefanten, und Valens konnte sich und Eretha aus dem Gewühl herausschummeln. Als sie dann endlich irgendwo standen, wo die Menschen nicht mehr so dicht aneinander standen, fragte er: "Wie war es? Das war doch unglaublich, nicht wahr?" Seltsamerweise war er komplett außer Atem, obwohl er sich am Elefanten oben nicht wirklich so abgemüht hatte.
    "Solche Abenteuer kann man mit Leuten erleben, die man erst seit ein paar Stunden kennt...ist ja lustig.", meinte er grinsend.

  • Wahrscheinlich ist man so frei, wie man sich fühlt, dachte Eretha und es fiel ihr nicht schwer, sein Grinsen zurück zu geben. "Das kannst Du irgendwann Deinen Enkeln erzählen, Matinius Valens, dass Du auf einem Elefanten geritten bist wie die Krieger von Hannibal. Ich bin mir sicher, so schnell wird das niemand sonst in Deiner Familie zu berichten wissen."


    Irgendwann, wenn es die Götter wollten, würde sie selbst auch Enkel haben. Vielleicht würde ihre Tochter bald einem Kind das Leben schenken und das Blut ihrer eigenen Mutter weitergeben - sie hoffte es zumindest sehr. Denn der ewige Kreislauf des Lebens musste weitergehen, vielleicht nicht mehr mit ihr selbst als Lehrerin für die jungen Kriegerinnen, aber doch mit ihrer Tochter als Anführerin. Wenn sie nur glücklich war in der Steppe, inmitten des Stammes, mehr wollte Eretha nicht für ihr Kind.


    "Ich hätte nie gedacht, dass es so besonders sein würde, aber es hat sich absolut gelohnt. Auch wenn dieser Mistkerl versucht hat, mich zu erschrecken," sie warf Aiman einen bösen Blick zu und lächelte dann so breit, dass man ihre Zähne sehen konnte. "Du siehst, wenn Du morgen jemanden beim Lauf triffst, dann könnte es sein, dass Du ein paar Stunden später auf einem Elefanten sitzt." Es klang vergnügt, fast locker, als hätte sie für diesen Moment vergessen, wer sie war, und auch, wer er war.

  • "Quod erat demonstandum - wie es zu bewesien war. Und es ist bewiesen worden." Valens sah noch einmal zum Elefanten hin.
    "Ja, wie Hannibal habe ich mich zwar nicht wirklich gefühlt, aber es war doch ein ausgezeichnetes Erlebnis, und jetzt könnte ich mir fast in den Hintern beißen, dass ich so etwas noch nicht vorher getan habe. Aber vielleicht hatte es doch seinen Sinn, dass dies hier und jetzt mein erstes mal auf einem Elefanten war - immerhin habe ich es mit dir getan. Und darüber hinaus nicht einmal ein As zahlen müssen. Tadellos!", meinte er lachend.
    Er drehte sich kurz wieder zu Prudens um und sah ihn zusammen mit Aiman dem Parther. Letzterer lehnte wieder eine Leiter an das Tier an, und es stiegen 2 oder 3 Leute hinauf. Schließlich riss er sich wieder los und meinte zu Eretha: "Es tut mir Leid, doch ich muss jetzt gleich einmal zur Arbeit. Vielleicht hast du von Elefanten aus die Stadtkurie sehen können - direkt unterhalb der Provinzkurie. Dort arbeite ich. Es ist ein schönes Gebäude, nicht so prächtig wie die Provinzkurie, aber trotzdem sehr nett und angenehm. Dort verdiene ich meine Brötchen. Kommst du mit?"

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