Magistratische Mittagspause

  • Hätte er gewusst, dass sie in diesen Augenblicken mit ihren Gedanken den seinen nicht allzu fern war, was hätte er wohl getan? Während sie sich von dem Händler entfernten, dachte sie sehnsüchtig danach, wie es wohl wäre, den ganzen Nachmittag auf einer Decke unter einem schattigen Baum zu verbringen, frisch gebratener Fisch auf einem Stock über dem Feuer oder etwas in der Art, dazu vielleicht einen Hummer, wenn man ganz vermessen dachte, und den Tag zu genießen, ohne etwas zu tun. Wenn sie es recht überlegte, war sie eigentlich seit ihrer Rückkehr nach Rom kaum einen Tag je müßig gewesen, es gab vieles zu tun, und jetzt, da sie noch die Last Ostias auf ihren Schultern trug, waren freie Tage eine Seltenheit geworden. Aber sich vor dieser Pflicht zu drücken war ebenso undenkbar wie einfach frei zu nehmen - die Pause hatte immerhin schon deutlich länger gedauert als sonst. So war sie ihm durchaus dankbar dafür, dass er nichts mehr sagte. Schweigen zu können war ein seltenes Geschenk, das sich nicht viele Menschen geben konnten, ohne sich dabei unwohl oder schlecht zu fühlen, aber sie genoss es, einmal nicht sprechen zu müssen, sondern die Gedanken wandern lassen zu dürfen.


    Auch ihr Blick geht immer wieder zu ihm, mit einem stillen Lächeln auf den Lippen, und sie hoffte, er würde bemerken, dass ihr der Ausflug gut getan hatte, so ungewöhnlich er auch gewesen sein mochte. Es hatte einfach nur gut getan, ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen und nach diesem Tag würde es für sie vieles geben, um nachdenken zu müssen. Über sich, ihn, die Vergangenheit und die Zukunft, wie eigentlich immer, wenn sich schleichend etwas änderte und man diese Änderung nicht sofort greifen konnte. Noch immer schmeckte sie ihn auf ihren Lippen, aber das hätte sie ihm jetzt nicht mehr freiwillig verraten. Jetzt existierte der Abstand zwischen ihnen wieder, und was sie dem Mann Quintus hatte sagen können, blieb vor dem quaestor consulum verborgen. Still erwiederte sie seinen Blick, bevor sie schließlich nickte und ihm Ajax' Zügel zurückgab, diesmal jedoch darauf achtend, dass sich beider Finger nicht berührten.
    "Ich danke Dir für die schöne Zeit, Tiberius Vitamalacus," erwiederte sie sanft und das Lächeln erhellte nun auch ihre Miene. "Es hat mich sehr gefreut, Dich zu treffen - der Zufall scheint uns sehr hold gewesen zu sein."

  • Wieder spürte der die Zügel von ajax in seiner Hand und rechnet schon fast damit, das Ajax an diesen zu ziehen beginnt. Aber der Hengst bleib still stehen, zeigt nichts von seiner so sonst üblichen Ungeduld. Der Momernt des Abschieds ist gekommen und wie gerne würde er sich jeztz einfach nach vorn beugen und erneut ihre Lippen mit seinen berühren. Doch das geht nicht, nicht mehr, der Moment unter der Klippe ist vorbei, sie sind nicht mehr allein. Selbst wenn sie eine langjähriges Ehepaar wären, ein solche Zeichen der Zuneigung wäre hier, in aller Öffentlichkeit ein Ding der Unmöglichkeit. So unterdrückt er dieses Verlangen und bleibt aufrecht stehen, blickt sie nur leicht lächelnd an, direkt in ihre Augen, die seinen Blick erwiedern.


    "Ich bin es, der zu danken hat, Iulia Helena,"meint er sachte. Gerade die Verwendung ihres Nomen Gentile verdeutlicht, wie sehr sie wieder den Konventionen unterliegen. Doch das Gefühl der Vertrautheit, das er zu ihr hat, das bleibt bestehen. Dieser Nachmittag wird ihm lange, sehr lange, vielleicht sogar für immer im Gedächtnis bleiben.
    "Heute war es erneut der Zufall, da uns zusammen führte," fährt er fort, während er den Drang unterdrückte, sanft über ihre Wange zu streichen um sie noch einmal zu spüren. Es waren viele Zufälle gewesen, die ihre Bekanntschaft ausmachten. Hätten sie nicht am gleichen Tag den Ianusbogen aufgesucht,... hätte er sich nicht heute entschlossen, Ajax seinen Auslauf zu gönnen,... und hätte es kein Gewitter gegeben ? Doch er wollte nicht mehr auf den Zufall bauen, um sie wieder zu sehen.
    "Ich würde dich gerne wiedersehen, Helena," kommt leise von seinen Lippen.

  • Sein Lächeln war ein schönes Lächeln, ein offenes, vertrautes Lächeln, das mehr als jedes Wort, das er hätte sprechen können, verriet, was er dachte, was er fühlen mochte. Wobei sie sich kurz fragte, wieso sie über seine Gefühle nachdachte, doch dieser Gedanke wurde sehr schnell von anderen verdrängt. Ihren nomen gentile nun zu hören, klang seltsam fremd, sollte sie sich so schnell an diese Vertraulichkeit gewöhnt haben, oder war es einfach die Freude daran, seit so langer Zeit wieder einem Menschen nahe gekommen zu sein? Sie war sich nicht sicher, und fehlende Sicherheit hatte sie gelernt, mit Zeit zu betrachten. Es würde vieles zu denken geben. Vieles, das sie mit sich würde ausmachen müssen, wenn sie die Zeit dafür fand - die Wahlen standen bevor, die Stadt hatte an allen Ecken und Enden Probleme, die gelöst werden wollten.


    Seine leisen Worte hingegen rissen sie aus jeglichem Gedanken an ihr großes Sorgenkind Ostia. Für einige Momente lang blickte sie ihn nur an, ohne zu antworten, überrascht, vielleicht sogar für einen Augenblick lang erschrocken. Was bedeutete das? Empfand er für sie dasselbe Maß an Freundschaftlichkeit und Sympathie oder war da mehr im Spiel? Würde sie ihn nicht zwangsläufig enttäuschen müssen, weil sie ihn schätzte, aber nicht liebte? Die Liebe zu Titus war längst nicht mit ihm gestorben und lebte noch immer, und dennoch schätzte sie Tiberius Vitamalacus sehr.
    "Ich würde mich freuen, Dich wiederzusehen, Quintus," flüsterte sie fast unhörbar zurück, um dann in normalem Ton weiterzuführen: "Vielleicht treffen wir in Roma aufeinander? Wenn ich hier in Ostia weile, sind meine Stunden und Tage eigentlich restlos ausgefüllt, aber wenn die Curia meine Zeit nicht überbeansprucht, könnten wir uns zur cena im Familienkreis verabreden oder etwas änhliches? Du weisst, dass ich an gewisse Regelungen gebunden bin." Dass sie hier am Strand überhaupt unbeobachtet Zeit miteinander gehabt hatten, war schon Traditionsbruch genug gewesen ...

  • Da war er, sein Praenomen aus ihrem Mund, und einen Moment scchien es ihm, als ob sie wieder unter der Klippe standen. Warum bedeutete ihn es ihm so viel, diesen seinen Namen aus ihrem Mund zu hören ? Er wusste es nicht, er wusste nur das es ihm viel bedeutete, das sie diese Vertrautheit weiter aufrecht erhielt. Es war für ihn ein Zeichen ihrer Wertschätzung für ihn, und das erfreute ihn einfach. Doch wahrscheinlich würde er diesen Namen so schnell nicht wieder von ihr hören, den die Konventionen galten für sie beide.


    "Ja," sagte er in einem ruhigen, gelassenen Tonfal, "eine Cena im Familienkreis wäre eine gute Idee. Ich bin sowieso der Ansicht, das in der Villa Tiberia etwas mehr Gesellschaftliches Leben herrschen sollte. Ich würde mich freuen, dich und deinen Bruder in der Villa begrüssen zu können."


    Auch wenn er gerne wieder nur mit ihr allein wäre, es war nicht möglich, dieser Nachmittag war ein glücklicher Zufall gewesen, ein solche Gelegenheit mit Absicht herbei zu führen, würde ihre Ehre gefährden und das war etwas, das ihm absolut fern lag. Vielleicht würde das Schicksal ihnen noch einmal das Vergnügen der ungestörten Gesellschaft gewähren, und wenn nicht, konnte er es auch nicht ändern. So war ein Cena im Kreis der Familie ein wirklich gute Idee und er hatte die Einladung kaum ausgesprochen, da wusste er auch schon, was er bei dieser Gelegenheit servieren lassen würde.
    "Vielleicht findest du die Zeit, sobald hier in Ostia die Wahlehn vorbei sind, für die ich dir natürlich viel Erfolg wünsche, den du haben wirst, daran zweifele ich nicht," sagte er in einem Tonfall, der nicht daran zweifeln liess, wie ernst er es meinte, trotz des Lächelns auf seinen Lippen."Es wüprde mich sehr freuen di...euch begrüssen zu dürfen," korrigierte er sich noch im lezten Moment.

  • "Es würde mich sehr freuen, einige Mitglieder Deiner Familie kennenzulernen, und Constantius sicher auch. Er kommt ausser im Dienst leider allzu wenig unter Leute und ich weiss nicht, ob das für einen jungen Mann so gut ist. In seinem Alter hatte ich mehr mit Frauen zu tun als er, und ich habe in einem castellum gelebt," sagte sie in einem scherzhaften Ton, der allerdings ihre wirkliche Sorge nicht ganz verhehlen konnte. Er durfte einfach nicht zu lange dieser Lupa nachtrauern. Und vielleicht würde sie sich irgendwann auch vergeben können, dass sie an seiner Einsamkeit schuld war, als sie ihm eine Frau gekauft hatte, damit er die ersten wirklichen Erfahrungen seines Männerlebens machen konnte. Vielleicht gab es in Tiberius Vitamalacus' Verwandtschaft ja eine junge Frau, die ihm durch ein Lächeln und etwas Freundlichkeit die Tage versüßen konnte, die Tiberierinnen, die sie bisher kennengelernt hatte, hatten ihr jedenfalls einen sehr günstigen und wohlerzogenen Eindruck gemacht. Klugheit und dennoch einen eigenen Kopf zu haben schienen in der gens Tiberia durchaus erwünschte Qualitäten zu sein.


    "ich danke Dir für die guten Wünsche, auch wenn ich nicht ganz so zuversichtlich bin wie Du. Als Frau ist der Weg nach oben schwerer, und man muss mehr gegen die Vorbehalte gegen das Geschlecht denn gegen die eigenen Ideen ankämpfen, sodass es immer etwas heikler ist als für einen Mann, der nur seine Ideen anbringen und überzeugend wirken muss." Ja, sie hatte Zweifel, aber auch welche, die ihre eigene Zukunft betrafen - und diese wollte sie jetzt nicht anbringen, um ihm nicht ihre Last aufzubürden, die sie sich selbst ausgewählt hatte. "Dann ... hoffe ich, bald von Dir zu hören und den Termin für die cena zu erfahren, dann werde ich auch dafür sorgen, dass Constantius Zeit findet, mich zu begleiten." Nun lächelte sie wieder, so offen wie zuvor, jedenfalls, so weit es ihr möglich war, ohne an ihre Sorgen und unerledigten Aufgaben denken zu müssen, die auf sie nun warten würden wie die Akten, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten. "Ich hoffe, Du hast einen angenehmen Rückritt nach Roma .."

  • Er spürt mit einem Mal, welch grosse Last auf ihren schmalen Schultern ruhte. Verantwortung für eine Stadt und ihre Familie, dazu der Ärger, der leider jede Frau traf, die in Italia ein öffentliches Amt bekleidete. Zu gerne hätte er gerade in diesem Moment einen Arm um sie gelegt, einfach um ihr das Gefühl zu geben, das er bereit war, sie zu unterstützen. Doch das war unmöglich, stattdessen schenkte er ihr ein aufmunterndes Lächeln.


    "Dein Bruder ist noch jung und er wird, wenn es soweit ist die richtige Frau für sich finden. Doch noch hat er Zeit, sorge dich nicht, sei lieber froh. Einem Miles ist es nicht gestattet zu heiraten und wenn er sein Herz an eine Frau verliert, macht das nur Ärger,"erwiderte er ernsthaft ihren scherzenden Worten. Zu gut kannte er das Problem, ein Miles im Liebesrausch war eine Gefahr, für sich, seine Kameraden und die Frau, die er begehrte.


    Aufmunternd er ergänzte er: "Du wirst es schaffen, das man dich für deine Taten wählt und nicht dein Geschlecht herheranzieht. Nicht alle sind so verbohrt und verstockt, wie manche Patrizier aus Mantua."
    Noch einmal blickt er in ihr Lächeln. "Du wirst bald von mir hören, Helena, und dann erfährst du den Termin. Bis dahin wünsche ich dir alles Gute" Mit diesen Worten dreht er sich um und schwingt sich auf den Rücken von Ajax. "Ajax wird mich sicher hinbringen, dioch ich danke dir, für deine Wünsche und noch einmal für diesen Nachmittag. Wir werden uns bald wiedersehen. Vale bene, Helena."
    Er hebt zum Abschiedsgruss die Hand, dann wendet er Ajax und gallopiert, mit wehendem Sagum davon, in Richtung Roma. Bevor er um eine Ecke biegen muss und ganz Aussersicht kommt, stoppt er Ajax nocheinmal, dreht sich einmal um, grüsst noch einmal und reitet dann weiter, Richtung Roma.

  • Sie verstand das Lächeln, ohne dass er es hätte sagen müssen - das Verstehen ohne Worte, welches ihren gesamten Nachmittag begleitet hatte, ließ sie auch jetzt nicht im Stich. Es tat gut, von ihm nicht dafür schief angesehen zu werden, dass sie etwas wagte, was traditionell Männern vorbehalten war, und dass er sie dafür nicht tadelte, sondern eher ermutigte, ihren Weg zu gehen. Sie wusste schließlich selbst noch nicht, was einst geschenen würde, wo ihr Weg enden würde, denn da blieben noch immer der Tempel der Venus, und die Träume, die ihre Nächte begleiteten wie ein Echo, das nicht verstummen wollte.
    "Ich hoffe es, ich hoffe es wirklich. Es gibt nichts, was ich mir mehr wünschen würde, als meinen Bruder glücklich zu sehen, und es gibt so wenig, was mir dafür zu tun bleibt," erwiederte sie und atmete tief ein. Sich Constantius im Liebesrausch vorzustellen fiel ihr zudem ziemlich schwer, vielleicht waren die Iulier dafür einfach zu realistisch und zu nah an ihrem Verstand, als dass sie allzu oft allein ihren Herzen nachgeben konnten. Dennoch, sie wünschte es ihm. Irgendwann die Frau zu finden, bei der er alle ratio loslassen und nur emotio sein konnte.


    "Es wäre sehr schön, von Dir zu hören," sagte sie und versuchte sich an einem tapferen Lächeln, denn nun war dieser geteilte Nachmittag unweigerlich zuende. Sie löste seinen Umhang und reichte ihm diesen hinauf, bevor er fortritt, und tätschelte dem mächtigen Rappen ein letztes Mal die Flanke, bevor sie zurück trat, damit sie die wirbelnden Hufe nicht trafen, sollte er anreiten. "Vale bene!" rief sie ihm hinterher, als er das Tier in Bewegung setzte, den Blick auf ihren Begleiter gerichtet, und auch sie hob die Hand für den Abschiedsgruß, wie es sich gehörte. Sachte lächelnd blickte sie ihm nach, doch schon in Gedanken versinkend. Es war ein gestohlener Moment gewesen, ein Geschenk der Götter, ein besonderes Geschenk ... und doch, alles Schöne musste wohl einmal enden. Als er sich in der Ferne umwandte, um noch einmal zu grüßen, winkte sie ihm zu und flüsterte leise: "Vale bene, Quintus." Erst dann wandte sie sich wieder der Stadt und ihren Pflichten zu, die unausweichlich auf sie warteten, und schritt stadteinwärts, um sich den neuen und alten Herausforderungen Ostias wieder mit frischer Kraft zu stellen.


    ~* Ende *~

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