Langsam schob ich die Tür vor mir her und trat ein, mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen. An meine letzte Krankheit konnte ich mich zwar nicht mehr erinnern, aber ich war mir sehr wohl bewusst, wie ich mich fühlen würde, wäre meine Bewegungsfreiheit auf einen Raum beschränkt, und so vrmochte ich vielleicht ansatzweise nachzuempfinden, wie es Lucullus ergehen mochte.
"Salve, Lucullus, ich dachte mir, ich schaue einfach mal bei Dir vorbei und vertreibe Dir ein bisschen die Zeit. Zudem ist ein Priester, der den neuesten Tempelklatsch nicht kennt, nichts wert," dabei zwinkerte ich ihm belustigt zu, schien er mir doch nicht gerade derjenige zu sein, der so viel Wert auf Klatsch legte, ".. und damit Du schneller gesund wirst, habe ich Dir auch etwas zur Rekonvaleszenz mitgebracht, nichts kuriert eine Krankheit besser als ein guter Wein, frisches Obst und was zu lesen."
Während meiner Worte war ich flugs eingetreten, hatte einen Schemel neben sein Lager gerückt, die Weinflasche auf dem Beistelltisch deponiert, den Teller daneben und hielt ihm die Schriftrollen auffordernd hin.
Cubiculum | Quartus Flavius Lucullus
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Davon hatte ich die letzten Tage zwar genug, trotzdem war ich neugierig, was Aquilius zum Lesen mitgebracht hatte. Schon deutlich gesünder aussehend, reckte ich mich vom Laken auf.
"Ich freue mich über jeden Besucher." Und die Neugierde trieb mir ein Lächeln auf die Lippen. "Was ist denn in den letzten Wochen geschehen, das es sich lohnt darüber zu schwatzen?" Dabei schwenkte ich den Blick auf die Mitbringsel und nickte dankend. "Mit etwas guten Willen der Götter werde ich bald das Bett verlassen können und mich mit etwas frischer Gartenluft völlig gesunden. Wohl war es mein Körper nicht gewohnt so wenig gesunde Luft zu atmen."
Da mußte ich einfach an die Jugend zurückdenken und daran wie wenig Jahre meines noch kurzen Lebens ich in einer Stadt wohnte. -
"Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Ausdünstungen Roms, Vetter," meinte ich aufmunternd und schmunzelte. "Denkst Du, mir ging es die erste Zeit hier besser? Ich empfand die Luft in dieser Stadt als sehr unangenehm und drückend, wenngleich es mir nicht auf die physis schlug, sondern auf die psyche. Lass uns einfach regelmäßig ausreiten gehen, wenn Du wieder gesundet bist, ein paar Stunden vor der Stadt wirken für gewöhnlich Wunder." Ich lehnte mich in meinem Schemel etwas zurück und hielt ihm den Teller mit dem Obst einladend hin. "Nimm Dir ruhig etwas, ein süßer Geschmack im Mund macht auch dem Körper wieder Lust auf die Freuden des Lebens - ich ahne schon fast, dass sie Dir die letzten Wochen nur irgendwelchen Schleim oder Brei vorgesetzt haben."
Die Schriftrollen mochten allerdings auf den ersten Blick noch nicht enthüllen, welchen Inhalt sie hatten, waren sie doch noch zusammengebunden und bewahrten vorerst ihr Geheimnis noch ein wenig. "Nun, was lohnt es, zu besprechen ... wusstest Du, dass der praefectus praetorio anscheinend seinen begehrlichen Blick auf Minervina gerichtet hat? Neulich war er hier in der Villa, zur cena ..angeblich .." -
"Das hoffe ich, jawohl. Neben dem Dreck und Gestank auf den Straßen nervt es im Besonderen an das Bett gefesselt zu sein. Wenigstens den Garten hoffe ich balb wieder aufsuchen zu können." drückte ich meine Missmutigkeit über diese gafangene Lage aus. Immerhin kam ab und zu Besuch. "Das Reiten ist eine vortreffliche Idee und ich werde gerne darauf zurückkommen. Eines der Zeitvertreibe, die ich neben meiner Ausbildung auf dem Land besonders gern genutzt habe, um nicht nur den Tag zu vertreiben." Ein Blick fiel auf die Obstsorten und im Magen bildete sich ein kleines Hungergefühl. Also warteten meine Hände nicht lang und sie griffen zu. Ersteinmal klein waren die Bissen, bis ich mir erlaubte doch etwas energischer die Zähne in das Fruchtfleisch zu schlagen. Wunderbar, diese Frische... bestens um gesund zu werden. Ich wußte garnicht, wie einige Quaksalber darauf kamen, das Weizengries und Haferbrei besser für die Gesundung waren, als wie diese saftig schmeckenden Obstler. Mein Blick wanderte erschrocken zu Caius. "Der Prefectus Praetorio jagd Minervina hinterher? Wie toll sind denn seine Chancen, das sich meine Schwester törichterweise in ihn verliebt?" Eine Zweckehe machte schon aus Prinzip keinen Sinn. Er war einfacher Plebejer und sie meine Schwester. Nur das Quenchen Liebe würde aus dieser Sache einen unzumutbaren Eklat heraufbeschwören. Immerhin kannte ich meine Schwester...
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"Warum lässt Du Dich nicht hinaustragen? Kräftige Arme gibt es in diesem Haushalt genug, und ich sehe keinen Grund, wieso Dir frische Luft und eine ansprechende Umgebung in der Genesung so abträglich sein sollten," überlegte ich und lächelte leicht. Vielleicht würde sich die Laune meines Vetters so bessern, dass seine Genesung weiter fortschreiten würde, wenn er erst einmal wieder aus dem tiefen Sog des Abgeschiedenseins heraus kommen durfte. "Spätestens, wenn Du wieder auf den Beinen bist, müssen wir einmal eine kleine Landpartie unternehmen - vielleicht nehmen wir auch Gracchus mit? Ein kleiner Ausflug unter Männern bringt einen doch immer wieder auf andere Gedanken, und danach ist man dann wieder frisch und frohgemut für alle Irrungen des Alltags, die uns so gern beschäftigt halten. Ich habe unlängst ein Grundstück in Ostia erstanden, das könnten wir besuchen, und ein angenehmer Ritt bis dorthin ist es auch."
Er schien mit einem gewissen Appetit zu essen, und das wertete ich als gutes Zeichen. Wenn ein Kranker mit gutem Hunger aß, dann war er schon wieder auf dem Weg der Besserung, und das Obst sah wirklich zum anbeißen aus. "Nun, das Essen, das sie miteinander hier hatten, wirkte für mich eher wie eine Verabredung denn wie ein Freundschaftsbesuch, und Du weisst, dass junge Frauen von einem rasselnden gladius und einer schicken Uniform leicht zu beeindrucken sind. Was immer daraus erwächst, es könnte uns Ärger entstehen, den wir nicht unbedingt wollen."
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"Oh es sind nicht die Beine, die mir dies versagen. Vielmehr trägt der Wind dazu bei, das meine Erkrankung nur sehr schleppend heilt." Zumindest predigte mir das ständig dieser kurzgewachsene Arzt, der nur aller vier Tage erschien. "Ich werde hoffen, das der nächste Besuch des Medicus gute Neuigkeiten bringt. Er soll wohl in zwei Tagen wieder erscheinen. Dann kann ich vielleicht draußen die letzten Strahlen des Sommers genießen und kerngesund werden." Obwohl diese Räumlichkeit eines Flaviers gerecht wird, ist es doch vorallem das matte Licht, das diesen Privatbereich des Lucullus so trist erscheinen läßt. In weiter Ferne hörte ich nur die Vögel zwitschern. "Helf mir auf, Caius..." entschied ich spontan. "... und reiche mir die Tunika vom Stuhl. Wir gehen in den Garten... jetzt." Ich grinste und stellte den Teller ab, der dafür Sorge trug mein Laken nicht mit Kernen und Säften zu verunreinigen. Einige Beeren kullerten noch darauf herum. Mit etwas Ausgleichen gelang es mir aber sie auf dem Tablett zu lassen.
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Reichlich zwei Wochen nach dem ersten Weg in den Garten hatte ich meine Krankheit endlich überwunden. Dazu trug auch die frische Luft im Garten bei den ich ab dem besagten Tag nun täglich aufsuchte und mir dabei von den Sklaven mit jedem Versuch weniger helfen ließ.
Neben den Lektüren machte es mir besonders Freude den Kindern der Villa Flavia beim Spielen zuzusehen und ein wenig wehmutig wurde ich schon, das jetzt die Zeit zum Rumlümmeln vorbei war.
Mit den wichtigsten Utensilien beladen, verließ ich die Villa, um meine ersten Aufgaben seit langen wieder in den Tempeln auf dem Colis Quirinalis wahr zu nehmen.
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Mit dem Bruder hatte ich vor vielen Wochen das letzte Gespräch geführt. Eigentlich ein Unding, wenn man auf gleichem Wohnsitz residierte. Doch meine Zurückgezogenheit spielte dabei eine vorherrschende Rolle. Nun da der erste Monat im Jahr bereits seine eisigen Fühler nach Rom ausstreckte, waren meine Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen worden. Im Norden würde ich nicht viel Anderes zu tun haben, als den Landsitz zu verwalten und trotzdem war es ein Bedürfnis über die Geschehnisse im Reich informiert zu bleiben.
Vor zwei Wochen war eine erste Wagenkolonne aufgebrochen, um die festen Bestandteile meines Besitzes hinauf zu bringen. Morgen würde ich nun folgen. Ohne großen Prunk das Haus in Rom verlassen und den Weg des geringeren Widerstands wählen. Nämlich jenen, den auch andere Flavier vorzogen, wenn sie nicht Roms Bühne füllten.
Ich blätterte noch einige Papiere durch, fand aber kein Einzigestes, was mir derart wichtig erschien es näher zu lesen und ließ diese dann in einer Ledertasche verschwinden. Noch eine Nacht also, bevor ich meinen Weg gehen werde. So war es geschrieben und gedacht...
Am Abend nahm ich am häuslichen Mahl teil. Eine letzte Gelegenheit mich von der Familie zu verabschieden. Ich wußte nicht wieviele Monate oder Jahre ich fort war, aber ich war mir sicher, das es nicht nur ein kleiner Abstecher auf das Landgut war, sondern etwas Beständiges nach sich zog.
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Mit einem Schrecken fuhr ich aus dem Bett. Voller Erschöpfung war ich wohl zum Ende der Nacht doch noch eingeschlafen. Wie ein böser Geist hatte sich diese Stadt vorher in mein Ohr gefressen. Immer wieder dieses 'rumpeldiepumpel' laute Gespräche oder ein fieses Lachen dazwischen. Ohne Frage den nächtlichen Verkehr (auf der Straße) hab ich auf dem Land nicht vermisst. Im Gegenteil gerade den zweiten Tag in Rom und schon blüht die Sehnsucht in mir.
Ich wusch mich nur kurz, streifte ein neues Hemd drüber und warf das Verschwitzte in einen Korb. Danach stand auch schon Anaxippus im Zimmer ein Tablett zwischen den Händen. Es erwartete mich ein einfaches, aber gutes Frühstück. Genug Zeit hatte ich noch, zumindest dachte ich das. Denn woher sollte ich jetzt wissen, das ich mich dann auf dem Weg zur Academie irre verrennen würde? Natürlich wußte ich es nicht. Von daher ließ ich mir die Bissen schmecken und las nebenbei jene Briefe, die mich kurz vor meiner übereilten Abreise aus dem Landgut noch erreicht hatten.
Schon mit etwas Verzug im Gepäck verließ ich danach die Villa, um zur Academia Militaris Ulpia Divina zu gelangen. Dort sollte es einen Termin geben, der mir die dritte von vier Stufen erlaubte abzulegen. Vorsichtshalber packte ich auch gleich ein Säckchen mit fünfhundert Sesterzen ein. Schon die letzten beiden Male hatte man mich gnadenlos abgezockt, damit ich für die militärische Bildung was tun durfte. ( )
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Mit einem Sklaven im Schlepptau -dies war wörtlich zu nehmen- erreichte ich endlich die Anzahl von Zimmern, die meinen Aufenthalt in Rom erträglich machten. Es war wie immer sauber und aufgeräumt. Eine Hundertschaft an Sklaven wollte sowieso jeden Tag der Woche beschäftigt sein. Es sollte nicht lange dauern, bis mir eine Schüssel mit dem bestellten Wasser nebst Rosensaft geliefert wurde. Doch vorher blickte ich mich etwas abwesend um. Noch im letzten Winter war ich in diesen Räumlichkeiten mit einer schweren Krankheit gefangen. Heute ging es mir bestens. Der Grund dafür war aber nicht ein göttlicher Quacksalber gewesen, sondern die Veränderung meines Lebensraums. Auf dem Land war einfach alles viel gesünder. Das wußten die meisten Römer und so zog es jene, die es sich leisten konnten auch im Sommer hinaus aus den großen Städten. Auch ich wollte nicht zu lange hier verweilen, war aber froh bei jeder Reise nach Rom ein angemessenes Dach über dem Kopf zu haben und auch kulinarisch verwöhnt zu werden.
In der Ferne konnte ich die Vögel zwitschern hören. Nicht lang, denn die Tür schwang auf...
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Igitt Spinnweben überall. Schon der Hauch des Todes schwebte mir an der verwaisten Eingangstür der Villa entgegen. Nur eine Handvoll Sklaven schien sich noch um das Haus zu kümmern. Ich jedenfalls hatte nicht vor länger als nötig hier zu sein. Dennoch mußte ich jenes Haus nochmal aufsuchen, was mir schweres Leid in die Seele gebrannt hatte. Auch jetzt, wo ich in das Zimmer blickte, das eins mein schmerzliches Lager beherberte, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Doch ich konnte und wollte nicht verweilen. Ich nahm an, das Haus würde beobachtet. Schon aus diesem Grund würde ich nicht den Eingang zur Villa als Ausgang wählen. Schnell jetzt. Ein paar Truhen und Kisten geöffnet und das mitgenommen, was mir heilig war. Dann lugte ich in den Quergang, aber es war still, um links abzubiegen und einen Ausgang zu nehmen, den nur die wenigsten in diesem Haus kannte. Nicht gerade bequem, aber sicher...
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