Atrium | Camryn, Aquilius

  • Der Alte führte die junge Frau in das Atrium der Villa Flavia, deren Pracht verriet, dass es sich hier um eines der ältesten und auch reichsten Häuser Roms handelte.
    "Du wartest hier, bis der Herr erscheint, und fass nichts an," schärfte der alte Sklave Camryn ein und schlurfte zurück zur Porta, einen anderen Haussklaven zu dem Flavier schickend, damit er von seinem Besuch erfuhr - ein dritter wurde dazu abgeordnet, ein Auge auf Camryn zu halten, während sie sich im Atrium befand.

  • Camryn rollte entnervt mit den Augen und machte sich erst gar nicht die Mühe, auf die Worte dieses alten Esels zu antworten, sondern setzte sich auf eine der Steinbänke, als hätte sie nie etwas anderes getan als sich in fremden Häusern wohlzufühlen. Während sie wartete, spielte sie mit ihren Haaren und fragte sich, was genau wohl in der versiegelten Schriftrolle stand.

  • Dass mich ein Sklave von Besuch unterrichtete, erstaunte mich nicht unbedingt, aber dass es eine Botin war, die von Corvinus zu stammen schien, fand mein Interesse deutlich mehr. Vor allem, als ich ihren Namen hörte - Camryn. Seine Leibsklavin aus dem Norden, warum schickte er mir dieses Mädchen? Seufzend hatte ich mich auf den Weg gemacht, denn ein Brief mochte wichtig sein und ich wollte nicht riskieren, dass er in die falschen Hände fiel. Entsprechend der Tatsache, dass ich derzeitig im Hause entspannte, trug ich nur eine dunkelrote Tunika und Sandalen, als ich das Atrium betrat und mich nach ihr umblickte. Sie sah wirklich so gut aus, wie ich es mir gedacht hatte, aber ich hatte nicht vor, sie das allzu schnell merken zu lassen.
    "Salve Camryn," sagte ich zu ihr. "Du hast eine Botschaft für mich?"

  • Camryn blieb sitzen, statt aufzustehen und demütig das Haupt zu neigen, wie es eigentlich üblich war von Sklave zu Herr. Aber sie war eigen. Und dies war nicht die einzige Sache, die sie nicht so handhabte wie andere Sklaven. Als der Flavier ins Atrium trat, sah sie auf und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Sofort verglich sie ihn mit ihrem Herren und stellte dabei fest, dass der Flavier breitere Schultern hatte und etwas stämmiger war als Corvinus. Zudem besaß er recht markante Gesichtszüge, die Camryn leicht lächeln ließen. Ihre Aufgabe, als Geschenk herzuhalten, würde sie bei diesem Mann mit Freuden erfüllen. Sie hatte schon befürchtet, auf einen weißhaarigen, engstirnigen alten Bock zu treffen. Da hätte es einiges an Überwindung gekostet, aber bei diesem hier...


    "Salve, Flavius Aquilius", grüßte sie ihn sitzend und senkte den Kopf etwas, hielt seinen Blick jedoch mit ihren flammenden grünen Augen gefangen.
    "In der Tat, das habe ich. Sie scheint von nicht geringer Wichtigkeit zu sein. Mein Herr hielt mich an, sie nur dir persönlich zu übergeben und drohte mir Peitschenhiebe an, sollte das Siegel gebrochen sein. Ebenso hoffte er auf Rückantwort."


    Sie lächelte verschmitzt und hielt ihm die Schriftrolle hin. Zum Bringen hätte sie schließlich aufstehen müssen.




    Caius Flavius Aquilius
    - persönlich -



    Salve Caius!


    Sicher wunderst du dich, aus welchem Grund ich dir einen Brief von Camryn überbringen lasse. Nun, dies hat einen ebenso einfachen wie hoffentlich willkommenen Grund: Sie ist dein bis zum morgigen Tag.


    Unser Gespräch in der villa Aurelia hat mich über einiges nachdenken lassen. Ich bin letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht gerade schicklich war, dir von den Künsten jener Frau vorzuschwärmen, die sich nun in deiner Nähe aufhält. Darum entschloss ich mich, dir eine gewisse Zeit mit ihr zum Geschenk zu machen. Sieh es als freundschaftliche Geste an, oder auch als Vertrauensbeweis. Du weißt, bei mir sind Geheimnisse jedweder Art gut aufgehoben, besonders, wenn ich sie teile.


    Doch nun, lange Rede kurzer Sinn, nimm dir ein paar Stunden für Camryn und genieße die Zeit und ihre Künste, wie ich sie genieße.


    Marcus Aurelius Corvinus

  • Ich blickte zu ihr herunter, den Brief nicht entgegen nehmend - dass sie es nicht einmal für nötig hielt, sich zu erheben, als ich den Raum betrat, ließ auf eine recht lockere Hand ihres Herrn schließen, und das war etwas, was es hier im Haus nicht gab und nicht geben würde. So blieb ich einige Schritte vor ihr stehen und sah sie demonstrativ ruhig an, während sie den Brief empor hielt.


    "Ich weiss nicht, was man Dich in Deinem Haushalt hier gelehrt hat, doch in diesem aus gilt es als höflich, sich zu erheben, wenn ein Patrizier den Raum betritt," stellte ich fest und blickte sie forschend an. "Ich denke, Dein Herr würde sich wünschen, dass Du die elementaren Regeln der Höflichkeit befolgst und achtest, wenn Du in seinem Namen handelst."

  • Camryn drehte den Kopf minimal zur Seite, kniff die Augen etwas zusammen und schmunzelte den Flavier an. Ungeachtet der Tatsache, dass sie noch immer saß, sprach sie:
    "Mein Herr wünscht sich vieles, doch vermag ich ihm nicht all das zu geben, was er sich wünscht", gab sie geheimnisvoll von sich und ließ noch genau eine weitere Sekunde verstreichen, ehe sie sich langsam erhob und dicht an Aquilius herantrat, um ihm, der größer war als sie selbst, von unten herauf in die Augen zu sehen. Ihre Worte ließen darauf schließen, dass sie wusste, was Corvinus sich wünschte, wenngleich das in Wirklichkeit nicht einmal annähernd der Fall war. Dennoch schürzte sie leicht trotzig die Lippen und blickte ihn keck unter einer hellblonden Locke hindurch an, ehe sie die Hand hob und mit einem Zeigefinge über das Pergament strich und wie zufällig dabei Aquilius' Hand flüchtig berührte.


    "Was hat er geschrieben?" fragte sie leiser als zuvor, erneut schmunzelnd und dem beobachtenden Sklave ein freches Grinsen zuwerfend.

  • Als sie sich mir näherte, konnte ich ihren Duft wahrnehmen und atmete unwillkürlich schneller aus. Kein großes Wunder, dass sich Corvinus ausgerechnet sie für sich ausgesucht hatte, denn eine solche verlockende Sünde auf zwei Beinen musste die Sinne eines Mannes sehr wohl zu erregen und locken wissen - und ich spürte selbst, wie ich auf ihre Gegenwart reagierte. Dafür war sie zu sehr Frau, zu verlockend, dieser wissende Blick aus ihren Augen ließ meinen Atem schneller gehen. Doch versuchte ich standhaft zu bleiben und nahm nun, da sie stand, den Brief entgegen, öffnete ihn und begann zu lesen.


    Wenig später atmete ich tief durch. War der Wahn in diesen Aurelier gefahren? Oder wollte er durch seine Sklavin erfahren, welcher Dinge ich fähig war, wenn ich meiner Leidenschaft nachging? Ihr Götter! In diesem Moment bereute ich es wirklich, in einem Tempel derzeit keine dringenden Aufgaben zu haben, die ich hätte vorschieben können, aber nun stand sie schon da und bestenfalls hatte Corvinus gedacht, mir etwas gutes zu tun. "Ich nehme an, Du weisst sehr wohl, was in diesem Pergament steht und welchen Umfang der Wunsch Deines Herren hat," entgegnete ich. "Entspricht dies auch Deinem Willen?" Diesmal blickte ich ihr direkt entgegen, meinen Blick in den ihren bohrend, als könnte ich sie damit erforschen.

  • Camryn lachte kurz und hell auf, senkte den Kopf und ging mit sehr langsamen, wiegenden Schritten um den Flavier herum. Natürlich fiel ihr der Hintern auf, den die Tunika nur geringfügig mit ihrem Falten verunstaltete, doch sie ging weiter und blieb schließlich wieder vor ihm stehen und sah ihn aus großen, unschuldigen Augen an.


    "Um ehrlich zu sein: Mittlerweile ja, denn du bist nicht der weißhaarige alte Mann, den ich gefürchtet hatte, als mein Herr mir erzählte, was er von mir erwartete."
    Sie grinste und ihr kam diese Situation mit einem Mal seltsam vor, wie sie hier stand, mit ihrer hellen Tunika, die unter den Brüsten und auf den Schultern mit einfachen Bändern gerafft war. Dennoch trat sie unversehens noch näher an Aquilius heran und sprach leise in sein Ohr:
    "Ich werde dir vollumfänglich zur Verfügung stehen, Flavius Aquilius. Bis morgen Vormittag, so du es willst."
    Dann sah sie ihn abwartend an. Was genau nun in dem Brief stand oder was Corvinus' Beweggründe gewesen waren, wusste sie nicht. Es war ihr aber auch egal.

  • Schüchtern war sie nicht, keine Frage, dachte ich mir und seufzte innerlich. Und jetzt sollte ich mich freuen, sie auf mein Lager werfen und meines Amtes walten? Irgendwie kam mir die Situation im Augenblick etwas absurd vor. Mit einem Wink der Hand schickte ich den beobachtenden Sklaven fort, der mir einen reichlich amüsierten Blick zugedachte, wohl glaubte er, ich wollte meinen Gelüsten gleich hier nachgeben, aber das hatte ich nicht im Geringsten vor. So leicht hatte ich es mir nie gemacht, und zu guter Letzt war sie die Sklavin von einem ... sagen wir, Freund. Das machte sie keineswegs zu Freiwild, zumindest nicht am hellichten Tag, nicht im Atrium der Villa Flavia, vor den Augen meiner Ahnen. So trat ich einen Schritt zurück und nickte.


    "Wenn Dein Herr meint, er macht mir mit Dir ein Geschenk, dann soll es so sein," erwiederte ich und blickte sie wieder an. "Was kannst Du denn alles? Kochen? Massieren? Irgend etwas nützliches?" Meine Worte sollten eine Distanz zwischen uns schaffen, die ich noch für dringend nötig empfand. Langsam fuhr ich mir mit einer Hand durch das Haar und umrundete sie nun gleichfalls mit meinen Schritten. "Nefertiri wird sich sicher freuen, Dich kennenzulernen ... sie ist meine Leibsklavin, aber das weisst Du sicher schon."

  • Sie kniff irritiert die Augen zusammen. Corvinus hatte zwar etwas von nicht zu direkt gemurmelt, aber Corvinus war nicht hier und konnte auch nicht sehen, was Camryn hier anstellte. Das war der Vorteil. Allerdings verstand sie die Handlung des Flaviers nicht. Eigentlich verstand sie generell die Handlungen der Römer nicht. Die einen waren barbarisch und mordeten alles, was nicht römisch war, die anderen schlugen sich mit Worten die Köpfe ein. In ihrer Heimat war alles so viel einfacher gewesen und sie seufzte tief, als sie wieder an ihr Zuhause dachte.


    Die Worte des Flaviers erschienen ihr irgendwie abwertend und komisch, zumal er sie nach etwas Nützlichem fragte. Camryn schüttelte leicht den Kopf und setzte sich unaufgefordert wieder hin, als Aquilius mit seiner Umrundung fertig war.
    "Kochen, Nähen, töpfern...und massieren, Herr", gab sie bereitwillig und ebenso distanziert wie bockig Auskunft.
    "Der Name Nefertiri sagt mir leider nichts."


    Ihr Herr hatte nie von ihr gesprochen. Sie fragte sich, wie es nun weitergehen sollte, was der Flavier von ihr wollte und ob er überhaupt etwas von ihr wollte. Rätselnd sah sie ihn an.

  • Dieser vage Anflug von Trotz in ihrer Haltung hatte etwas deutlich anziehenderes als eine zu große Willigkeit - vielleicht war dies ein weiterer Teil meines flavischen Erbes, dass ich es nie gerne zu leicht gehabt hatte und wahrscheinlich auch nie leicht haben wollte. Sie schien also zu jenen Frauen zu gehören, die gern ein wenig bockig wurden, ob sie sich das ihrem Herrn gegenüber auch erlaubte? Wieder ließ ich meinen Blick über ihre Gestalt schweifen, bevor ich ihr schließlich zunickte. "Du solltest Deinem Herrn mehr vertrauen. Glaubst Du wirklich, er würde Dir einen weisshaarigen Alten antun?" sagte ich und setzte mich gemächlich auf eine der Steinbänke, sie in meinem Blick behaltend.
    "Setz Dich zu mir, Camryn, und erzähl mir ein wenig von Dir. Dein Herr sagte mir, dass Du Keltin wärest, woher stammst Du? Und wie bist Du aufgewachsen?" Damit tätschelte meine Hand leicht den freien Platz auf der Bank, neben mir. Ein klein wenig mehr über dieses süße Ding zu wissen, konnte schließlich nicht schaden.

  • Hinsetzen? Camryn blinzelte irritiert, kniff dann die Augen leicht zusammen und sah Aquilus kurz fragend an. Schließlich aber ging sie dann doch zu der Steinbank und setzte sich neben ihm nieder. Von der Seite her musterte sie sein Profil, senkte dann wieder den Blick und sah auf die im Schoß zusammengelegten Hände.


    "Ich kenne ihn noch nicht lange", erwiderte sie zögerlich, was das Vertrauen in ihren Herren betraf.
    "Ja, das ist wahr. Ich bin Keltin. Meine Familie lebte in Segobriga, seit je her. Meine Eltern dienten einem Römer, davor ihre Eltern und deren Eltern wiederum auch. Ich bin als Sklavin geboren worden und hatte das Glück, nicht gleich verkauft zu werden. Erst, als ich zwölf war, verkaufte der Mann mich. Ich diente fünf Jahre lang einem reichen Römer in Griechenland, dann war ich auf sein Geheiß hin für sieben Jahre in einem Lupanar tätig, bis ein jüngeres Mädchen meinen Platz ablöste und ich in Griechenland verkauft wurde, wo Corvinus mich erwarb."


    Camryn sah Aquilius ausdruckslos und fast ein bisschen verbittert an. Sie redete nicht gern über ihre 'Geschichte' und leierte sie gern runter.

  • Im Lupanar, herrjeh. Mein Geschmack bevorzugte Frauen mit einer gewissen Erfahrung, aber so viel Erfahrung? Ich ertappte mich selbst bei dem Gedanken, ob mein jugendlicher Gefährte sich ausmalen konnte, wieviel eine Frau wohl in ihrem Leben hatte über sich ergehen lassen müssen, während sie in einem Lupanar arbeitete. Dafür sah diese Frau eigentlich noch fast zu jung aus, erstaunlich in meinen Augen. Aber was wollte man machen, Corvinus hatte sich diese Frau als Sklavin auserkoren und wohl gedacht, er mache mir damit eine Freude.
    "Bist Du hier, weil Du hier sein möchtest?" Es war eine dämliche Frage, aber ich musste sie stellen, immerhin ... lag unausgesprochen in der Luft, warum Corvinus sie zu mir geschickt haben musste. Wahrscheinlich würde ich nicht die Antwort erhalten, die ich wollte, wenn sie gehorsam war, würde sie wohl lügen, auch wenn ihr Herz anderes dachte.

  • Mit zusammengekniffenen Augen sah Camryn den Mann an. Warum fragte er sie das? Wenn sie ihm wahrheitsgemäß antworten wollte, würde er sie sicher auslachen. Sie mochte das Sklavendasein nicht, aber sie hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden. So setzte sie ein verschmitztes Lächeln auf, während sie antwortete.

    "Ich bin hier, weil ich eine Sklavin bin. Und Sklaven verrichten die Arbeiten, die ihre Herren ihnen auftragen",
    sagte sie und erhob sich, um zwei Schritte von der Bank fort zu gehen. Dann sah sie über die Schulter zurück.
    "Aber ich war zugegebenermaßen auch neugierig auf den Mann, auf den Corvinus so große Stücke hält."

  • Die übliche nichtssagende Antwort, die man eben von Sklaven erhielt. Wieso hatte ich eigentlich etwas anderes erwartet? Aber ich nickte, als hätte sie gerade eine philosophische Wahrheit verkündet, und lehnte mich ein wenig zurück, ihr mit dem Blick folgend.
    "Ich halte auch große Stücke auf Deinen Herrn," erwiederte ich gelassen und streckte die Beine ein wenig aus, betrachtete den Fall ihres Haars über die Schulter und fühlte ein Echo dessen, was mich stets allzu leicht brennen ließ, in meinem Inneren zurückkehren. Wie es wohl wäre, dieses so abweisende Gesicht in ein hingebungsvolles, leidenschaftliches Stöhnen zu drängen? Ich hatte es mir wohl noch nie leicht gemacht und es forderte mich immer deutlich mehr heraus, eine Frau oder einen Mann erst erobern zu müssen, bevor ich meinen Gewinn erhielt, als alles von vornherein zugeworfen zu bekommen. Gleichzeitig schmeichelten mich ihre Worte natürlich ein wenig. "Was hat er Dir denn von mir erzählt?"

  • Camryn grinste, sie hatte mit ihren Worten die gewünschte Wirkung erzielt. Nun wandte sie sich wieder um, ging auf Aquilius zu und blieb in drei Schritten Entfernung vor ihm stehen und sah ihn mit leicht verengten Augen an.


    "Er sagte, dass du diese Frage stellen würdest und das ich antworten solle, du mögest an ein sportula und die Süße von Weintrauben denken", sprach sie und zuckte mit den Schultern.
    "Ich weiß allerdings nicht, was er damit meint."


    Camryn sah Aquilius an. Er sah weit besser aus als so mancher Freier, dem sie im Lupanar begegnet war. Und er strahlte etwas Unbesiegbares, etwas Männliches aus. Sie fragte sich, ob das, was unweigerlich auf ihr Gespräch folgen würde, nur zu seinem Nutzen oder auch zu ihrem sein würde. Zu lange hatte sie nicht mehr einen mann genossen, einfach weil sie es wollte. Vielmehr hatte sie sich in Schauspielerei geübt. Ganz gleich, was Corvinus' Worte zu bedeuten hatten, es schien ein Insider zu sein. Sie beobachtete Aquilius' Reaktion auf diese Botschaft.

  • Ein leichtes Schmunzeln hob meine Mundwinkel, und unwillkürlich kehrten die Erinnerungen an den süßen Geschmack der Trauben, aber auch seine Lippen allzu schnell zurück. Corvinus' Jugend, seine eifrige Art, sich diesen Genüssen ganz und gar hinzugeben, die wir beide so dringend hatten haben wollen, all das formte in meinem Hinterkopf eine ganze Reihe ausgesprochen bewegter und bewegender Bilder. "Eine gemeinsam geteilte, ausgesprochen angenehme Mahlzeit meinte er," erklärte ich und ließ im Unklaren, wie angenehm diese Mahlzeit doch gewesen war, es hätte wohl nicht viel gefehlt und wir wären schon im Triclinium seines Elternhauses übereinander hergefallen.


    Schmunzelnd betrachtete ich sie und auch ihren leicht verwirrt wirkenden Gesichtsaudruck, oder konnte sie mit dem Scherz einfach nur nichts anfangen? Wer wusste schon, wieviel ihr ihr Herr über unser beider Verbindung zu erzählen gewusst hatte?
    "Wann hattest Du Dein letztes Bad, Camryn? Mir ist gerade nach ein wenig Entspannung und ich denke, Du könntest mich dorthin begleiten." Man mochte es kaum glauben, aber in diesem Moment dachte ich wirklich nur daran, wie praktisch es sein würde, von ihr genüsslich den Rücken geschrubbt zu bekommen. Es gab kaum etwas, das ich beim Baden angenehmer fand als eine meinen Rücken schrubbende Bürste.

  • Das konnte der Wahrheit entsprechen, dachte sich Camryn, wunderte sich jedoch zugleich darüber, dass sowohl ihr Herr als auch Aquilius den gleichen, verschmitzten Gesichtsausdruck hatten. Dabei ging es doch nur um Trauben und ein Opfersäckchen. Oder nicht? Vielleicht war auch etwas geschehen während dieses angenehmen Essens. Ihr war das aber egal, also verschwendete sie keinen weiteren Gedanken mehr daran und begnügte sich damit, in Aquilius' Gesicht zu lesen. Er wollte ein Bad nehmen. Ein Bad. Naja, Camryn sollte es recht sein. Sie runzelte die Stirn und machte eine ungenaue Geste.


    "Mein Herr legt Wert auf regelmäßige Körperpflege der Sklaven", sagte sie und tat so, als erklärte das alles. Etwas verloren stand sie nun herum, weil sie nicht wusste, was man nun von ihr verlangte. Sie hastte es, nicht zu wissen, was von ihr erwartet wurde. Hoffentlich würde sich das ändern, wenn Aquilius und sie die hauseigenen thermae erreicht hätten.

  • Ich erhob mich, nickte ihr zu und setzte mich in Bewegung. "Komm mit, es ist nicht weit," sagte ich und schritt ihr voran am impluvium des atriums vorbei, in Richtung des Korridors, der tiefer in die Villa Flavia elix führte. Es war ein großes Gebäude, und ich kannte noch immer nicht alle Räume dieses Hauses, aber wozu auch? Zur Not ließ man sich eben führen, und wenn die Sklaven wussten, was alles zu putzen war, reichte dies auf jeden Fall aus. Aber zu einigen Räumen hätte ich wohl auch noch volltrunken gefunden - zum Bad, zu meinem Schlafzimmer, zu meinem Arbeitszimmer und nicht zu vergessen das triclinium, sehr viel mehr war auch eigentlich nicht wichtig. Ich führte sie durch die prächtigen Teile des Hauses, aber sie war die verschwenderische Art, mit der man hier selbst die Korridore eingerichtet hatte, sicher auch von der Villa Aurelia gewöhnt.


    Als wir den Baderaum betraten, war dieser leer, aber am hellichten Tag war dies auch nicht wirklich überraschend, die meisten Familienmitglieder arbeiteten tagsüber und kamen erst abends wieder. Wie alle Patrizier führte auch meine Familie ein aufwendiges Leben, was sich selbst in diesem prachtvoll verzierten Raum offenbarte, der mit Marmor an Wänden und am Fußboden gestaltet worden war, Fensteröffnungen ließen zudem Licht durch diesen Raum fluten, erhellten ihn so zusätzlich, dass man beim ersten Schritt hinein durchaus geblendet sein konnte. Ein großes Badebecken, in dem ganztägig warmes Wasser eingeleitet wurde, glänzte durch im Mosaikboden eingelassene Wassertiermotive, die eine Illusion lebendiger Unterwasserwelt schufen, die mir immer schon gefallen hatte. Wenigstens hier konnte man Roms Moloch einmal vergessen. "Du wirst mit mir baden," sagte ich schlicht, trat zu einem der aus dunklem Holz geschnitzten Hocker, die an den Wänden für die Gäste bereitstanden, um dort zu beginnen, meine Sandalen aufzuschnüren.

  • Ohne zu zögern folgte sie Aquilius. Ihr Interesse hatte schließlich doch die Oberhand gewonnen. So ging sie hinter Aquilius her, den Blick auf Wände und Boden gerichtet. Viele Mosaike und kostbare Wandbehänge bedeckten geweißten Stein und Marmor. Das war wohl in jeder patrizischen Villa gleich, stellte sie mit einem Schmunzeln fest. Schließlich langten sie am Baderaum an. Aquilius öffnete die Tür und Camryn trat hinter ihm ein. Auch hier ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und nickte schließlich anerkennend.


    "Nett", sagte sie und lächelte Aquilius an. Im Becken befand sich bereits warmes Wasser. Camryn wunderte sich wieder einmal über den Hang zur Verschwendung, den alle Römer zu haben schienen, äußerte sich jedoch nicht dazu. In diesem Moment erteilte ihr Aquilius zum ersten Mal einen direkten Befehl. Seltesamerweise freute sich Camryn beinahe darüber. Sie ließ ein unterwürfiges "Ja, Herr", verlauten und trat dann zu Aquilius heran, um ihm beim Auskleiden zu helfen. Sanft, aber bestimmt schob sie seine Hände zur Seite und löste die Schlaufen der Sandalen, die der Patrizier trug. Immerhin hatte Corvinus ihr aufgetragen, Aquilius zu verwöhnen, also tat sie das auch. Sie begann, Spaß dabei zu haben, suchte kurz seinen Blick und sah dann scheu lächelnd wieder auf ihre Hände, die sich eben an der zweiten Sandale zu schaffen machten.


    "Badest du gern?" fragte sie ihn unverfänglich und unschuldig.

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