• Mit einem säuberlich verschnürten Paket auf dem Arm und völlig in Gedanken versunken betrat Serrana das Atrium. Sie war gerade auf dem Sprung, um ihrer Freundin Calvena das Kleid zurückzubringen, das diese ihr für das große Fest in der Casa Germanica geliehen hatte. Seit sich die beiden Mädchen angefreundet hatten, war Serrana schon häufiger in der Casa Germanica gewesen, aber heute würde sie doch mit etwas anderen Augen dorthin gehen.


    Würde Axilla nicht so freudig vor sich hinsummen, dann hätte Serrana ihre Cousine vermutlich gar nicht bemerkt. So aber hob sie den Blick, sah die tanzende und wie entrückt wirkende Axilla einen Moment lang verdutzt an und fragte dann lächelnd:


    "Hallo Axilla, geht es dir gut?" Eigentlich eine überflüssige Frage, so wie ihre Cousine gerade strahlte, aber Fragen schadete ja schliesslich nicht.

  • Serrana kam ins Atrium, und Axilla öffnete etwas entrückt blickend die Augen. Dieses Gefühl in der Brust war einfach so gewaltig, es wollte nach außen und der Welt ganz laut entgegenbrüllen, wie Axilla sich fühlte. So konnte Axilla nicht anders, als ihre Cousine anzustrahlen und zu lächeln, als hätte Fortuna selbst sie unter allen Sterblichen auserwählt.
    “Ja. Nein. Ich weiß nicht. Beides!“
    Sie fühlte sich wundervoll, als würde sie schweben. Als wäre sie in einem Traum, nur sie wusste, sie träumte nicht. Es war einfach herrlich. Und gleichzeitig war es furchtbar, schrecklich und abgrundtief zum verzweifeln. Sie sollte sich beherrschen, sie sollte ihre Gefühle nicht so über sich herrschen lassen. Sie wusste ja noch nicht einmal, ob er auch nur irgendetwas für sie empfand. Nachdem er sie angeschrien hatte, wohl eher nicht. Und er war so weit weg, vielleicht würde sie ihn nie wieder sehen. Allein bei dem Gedanken wollte Axilla sterben. Und trotzdem war es wundervoll.
    Axilla kam zu Serrana herüber und nahm sie einfach am Arm. Sie musste jetzt jemanden berühren, musste dieses Glück und diesen Schmerz teilen. Sie brauchte ein Stückchen Wirklichkeit, sie von ihrer Wolke herunterzuholen, weil sie sonst das Gefühl hatte, noch davonzufliegen. Das Päckchen unter Serranas Arm nahm Axilla nichtmal so richtig wahr.
    “Es ist etwas wundervolles passiert. Ich könnte die ganze Welt umarmen! Und es ist schrecklich, weil ich es nicht zügeln kann. Ich …“ Axilla ließ Serrana kurz los, nur um wie von Sinnen sich einmal auf den Fußballen im Überschwang um die eigene Achse zu drehen. “Ich habe das Gefühl, zu fliegen, und zu brennen, und ich verbrenne noch, ich weiß es. Und das einzige, was mich davor bewahren kann, sind seine grauen Augen.“
    Mit einem erschöpften Seufzer ließ sich Axilla wieder gegen die nächste Wand sinken. “Ich weiß, ich bin furchtbar. Ich kenn ihn gar nicht, und trotzdem... Amor hat wirklich scharfe Pfeile...“
    Axilla atmete einmal durch, als würde das ihr Herz irgendwie beruhigen, und sah dann wieder zu Serrana. Erst jetzt merkte sie, dass sie etwas unter dem Arm trug. “Ein Geschenk?“ fragte sie also, um vielleicht ein wenig abzulenken.

  • Axillas überschäumendes Naturell war etwas, an das sich die schüchterne und deutlich zurückhaltenere Serrana wohl noch ein wenig würde gewöhnen müssen, auch wenn es ihr durchaus sympathisch war. Auf jeden Fall merkte man deutlich, dass die Erziehung ihrer Cousine offenbar weniger streng gewesen war als ihre eigene, denn bei Großmutter Laevina hätte es in einem Fall von derart unbeherrschtem Verhalten sofort eine schallende Ohrfeige gesetzt. Mit einer Mischung aus Verwirrung und Belustigung beobachtete sie Axillas Gefühlsausbruch, und erwiderte dann überrascht aber durchaus aufrichtig deren Umarmung. Die Formulierungen, die ihre Cousine einfach so hervorsprudelte wären ihr selbst vermutlich nie so in dieser Form eingefallen, aber Serrana erkannte in diesen Beschreibungen zuviel von ihrem eigenen momentanen Gefühlschaos wieder, um nicht sofort zu verstehen dass Axilla sich ganz offenbar Hals über Kopf verliebt hatte.
    Sie wartete, bis ihre Cousine sich wieder ein wenig beruhigt hatte und sah diese dann ausgesprochen neugierig an:


    "Du kennst ihn gar nicht? Aber was ist denn nur passiert? Erzähl doch mal!" Gut, dass Calvena gar nicht mit ihrem Besuch rechnete, auf diese Weise konnte sie noch ein wenig mit Axilla reden und herausfinden, was mit dieser so urplötzlich geschehen war. Die Frage nach dem Päckchen unter ihrem Arm erinnerte Serrana jedoch zunächst wieder an ihr eigenes Gefühlsleben, und ihre Augen begannen automatisch zu leuchten, während sich ihre Wangen leicht rosig verfärbten.


    "Ein Geschenk? Ähm, nein, das ist das Kleid, das meine Freundin Germanica Calvena mir seinerzeit für das Fest im Haus ihrer Familie geliehen hat. Ich wollte es ihr nur schnell zurückbringen."

  • Axilla merkte gar nicht, dass sie ihre Cousine mit diesem Gefühlschaos vielleicht erstaunte. Sie war schon immer mehr Gefühl als Verstand und bemerkte auch jetzt nicht wirklich, wie sehr sie der angebrachten Zurückhaltung entsagte. Es hatten schon einige Leute versucht, ihr den Begriff der dignitas im Zusammenhang mit ihrem Benehmen zu erläutern, aber meistens hielt das bei Axilla nur fünf Minuten an, ehe sie doch wieder lächelte und eher zu viel Gefühl zeigte als zu wenig. Sie konnte einfach nicht anders, und jetzt im Moment erst recht nicht.
    Sie hörte nur die Neugier und die Freude in der Stimme der Cousine, und grinste sie so überglücklich an, dass es beinahe schmerzhaft war. Weil es ja eigentlich ein Geheimnis sein sollte, schaute Axilla sich um und zog Serrana ganz leicht mit an die Wand, wo sie schwerer belauscht werden könnten. Als könne nicht jeder sowieso sehen, um was es wohl ging, wenn die beiden tuschelten! Ein Blick auf Axilla sprach Bände.
    Mit beinahe verschwörerischer Stimmlage, die aber immer wieder von unbändiger Freude erhellt wurde, begann Axilla zu reden. “Ich war vorhin ja spazieren. Eigentlich wollte ich nur ein wenig Heimweh mir von der Seele laufen, und irgendwie bin ich dann am Hafen am Aventin gelandet. Und...“ Axilla musste leicht Lachen bei der Erinnerung und drehte sich noch einmal voller Überschwang im Kreis. “... er ist ins Wasser gestoßen worden, und ich wollte ihm heraushelfen, aber sein... ich glaube, das war sein Hauslehrer, ein Grieche auf jeden Fall, wollte das nicht. Und naja, wir kamen dann ins Gespräch, als er heraus war und dann hat er mich noch heimgebracht...“
    Axilla übersprang schon einige Teile, während ihre Stimme immer sehnsüchtiger und deutlich verliebter wurde, bis sich alles schließlich wieder in einem aufgeregten Seufzer und einem Griff über das aufgeregt schlagende Herz auflöste und nur dieses selige Lächeln blieb.
    “Und er sieht so gut aus! Groß, und stark... und seine Augen... ich möchte ertrinken in seinen grauen Augen...“
    Axilla ließ sich wieder zurück gegen die Wand sinken u7nd schlug einmal ganz leicht den Kopf gegen den Putz. Die Tausend Liebesgedichte, die sie in ihrem Leben gelesen hatte, schossen ihr wieder durch den Kopf, und im Moment erschienen sie alle Sinn zu ergeben.
    “Odi et amo. Quare id faciam, fortasse requiris.
    Nescio, sed fieri sentio et excrucior...*“
    rezitierte sie eines von Catulls Liedern, denn genau so fühlte sie sich gerade. Nun, abgesehen vom hassen vielleicht, denn Axilla hasste eigentlich niemanden.


    “Oh, ich bin schrecklich, deine Freundin wartet sicher schon auf ihr Kleid, und ich halte dich auf“, entschuldigte sich Axilla, aber sie musste es einfach jemandem erzählen, und ihre Cousine war dafür am Besten geeignet. Sie würde doch sicher verstehen, wie sie sich fühlte, ging es ihr mit ihrem Senator doch bestimmt ähnlich. Auch wenn man davon nach außen hin nichts sah, aber Axilla kannte Serrana bislang nur ruhig und eher zurückhaltend.


    Sim-Off:

    * Ich hasse und liebe. Warum ich das tue, fragst du vielleicht.
    Ich weiss es nicht, aber ich fühle, dass es mir widerfährt und leide Qualen.

  • Serrana ließ sich nur zu gern von Axilla zur Wand hinüberziehen, schließlich war sie ausgesprochen neugierig auf deren Geschichte und den geheimnisvollen Unbekannten. Mit leicht geöffnetem Mund hörte sie ihrer Cousine zu und nickte nur dann und wann. Ein wenig verworren hörte sich das Ganze ja schon an, aber immerhin konnte Axilla ihre Erlebniss und Gefühle gut und anschaulich in Worte fassen, und das fiel ihr selbst nach wie vor ausgesprochen schwer. Wenn Axillas neue Bekanntschaft einen eigenen Hauslehrer besaß, schien er ja in jedem Fall einigermaßen standesgemäß zu sein, aber hatte sie überhaupt einen Namen genannt?


    "Wie heisst er denn, dein großer, starker Verehrer mit den grauen Augen?" fragte sie lächelnd. Zwar kannte sie selbst noch nicht allzuviele Menschen in Rom, aber vielleicht kam ihr ja der Name seiner Gens bekannt vor, man wusste ja schließlich nie.
    Und wie schön sich die Liebesverse aus Axillas Mund anhörten...Serrana selbst hatte nach wie vor kaum Ahnung von Poesie, aber dafür war sie in den vergangenen beiden Nächten an die Schriftrolle von Livius gekuschelt eingeschlafen. Sie musste wirklich ein bisschen aufpassen, schließlich sollte Sedulus seine großzügige Leihgabe ja nicht total zerfleddert zurückbekommen...


    Axillas letzte Bemerkung brauchte Serrana wieder in die Realität zurück.
    "Oh, mach dir keine Gedanken, ein paar Minuten hab ich noch Zeit. Und ausserdem...."an dieser Stelle vertiefte sich das Rot ihrer Wangen noch ein wenig und ihre Stimme wurde stockender,obwohl ihre Augen weiterstrahlten"... und ausserdem muss ich dir auch noch etwas erzählen...über...ähm über das, was in der Bibliothek passiert ist, nachdem du auf den Markt gegangen bist".

  • Offenbar hatte es Serrana nicht so eilig, im Gegenteil, sie wollte auch etwas erzählen. Sofort war Axillas Neugierde geweckt, und wie nur Mädchen sein konnten zog sie sie verschwörerisch noch ein wenig näher und schaute sie mit diesem neugierigen Blick an, der schon zeigte, dass man jede Kleinigkeit erfahren wollte.
    “In der Bibliothek? Mit dem Senator?“ Axilla nahm nicht an, dass Serrana und der Senator die Bücherregale als Bettersatz gebraucht haben mochten, dafür erschien ihr Serrana schlichtweg zu bodenständig und schüchtern. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese von Leidenschaft verzehrt so unvernünftig war... naja, wie Axilla eben schon gewesen war. Außerdem konnte sie das weder fragen, noch würde Serrana das erzählen. Aber vielleicht hatten sie sich ja geküsst! Ja, das wäre im Bereich des Möglichen, und Axilla platzte bald vor Neugier. “Hat er dich geküsst?“ brach es also neugierig und verschwörerisch geflüstert aus Axilla heraus, während sie in den Augen der Cousine schon die Antwort zu lesen glaubte. “Er hat? Oh, das ist ja wundervoll!“ Und noch ehe Serrana auch nur bestätigen oder abstreiten konnte, wurde sie auch schon umarmt und regelrecht gekuschelt, während Axilla auch im Überschwang auch schon weiterplapperte und Serranas Frage beantwortete. “Oh, ich beneide dich. Was würde ich dafür geben, wenn Vala mich küsst.“ Sie ließ Serrana los und schaute sie überglücklich und kein bisschen neidisch an. “So heißt er. Titus Duccius Vala.“ Jeder einzelne Bestandteil des Namens klang wie ein Gebet aus Axillas Mund. Und direkt danach kam wieder dieser bittersüße Schmerz in Axillas Augen und sie gab sich wieder der verlockenden Agonie einen Moment hin. “Und ich weiß nichtmal, ob ich ihn wiedersehe...“
    Oh, es war gräßlich. Und es war wundervoll, einfach wundervoll.


    Aber Axilla wollte nicht so selbstsüchtig sein und nur schwärmen, jetzt wollte sie auch von Serrana alles erfahren. “Aber jetzt erzähl, was ist passiert. Und lass nichts aus!“

  • "Ähm, ja genau..." schaffte es Serrana gerade noch zu sagen, dann wurde sie von Axilla in eine neue Umarmung gezogen, während diese fröhlich und ohne Pause weiter schwärmte. Da sie selbst seit ihrem fünften Lebensjahr weitgehend ohne derartige körperliche Zuneigungsbezeugungen aufgewachsen war, irritierte es Serrana ein wenig, wie unbefangen körperlich sich ihre Cousine benahm, aber eigentlich gefiel ihr das ganz gut, und sie beneidete Axilla auch ein wenig deshalb.
    Erst als diese sie wieder losließ, drang der entsprechende Name auch zu Serrana durch und ein Lächeln des Wiedererkennes erschien auf ihrem Gesicht.


    "Duccius Vala? Oh, stell dir vor, den kenne ich sogar." unterbrach sie vergnügt Axilas Redestrom. Kein Wunder, dass ihre Cousine auf den aufmerksam geworden war, der junge Germane war ja wirklich eine recht auffällige Erscheinung...


    Jetzt stellte Serrana wieder einmal fest, dass es ihr deutlich leichter fiel, anderen zuzuhören und sich für sie zu freuen, als etwas über sich selbst und ihre Erlebnisse zu erzählen. Der gemeinsame Aufenthalt mit Sedulus kam ihr immer noch wie ein Traum vor, wie sollte sie das nur in passende Worte fassen?


    "Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll...."begann Serrana ein wenig unsicher, aber ihr Gesicht nahm bei dem Gedanken an jene wenigen Minuten unbewusst einen glücklichen und leicht entrückten Ausdruck an. "Am Anfang hab ich ihm was über unsere Schriftrollen erzählt, und er hat auch ganz aufmerksam zugehört. Und dann....dann hat er plötzlich gesagt, dass er mich schön findet und kostbar....so was hat vorher noch nie jemand zu mir gesagt, das war ganz seltsam...und dann haben wir weitergeredet und irgendwann hat er mich dann geküsst, ach, das war wirklich schön....." Jetzt war es Serrana, die völlig geistesabwesend vor sich hinstrahlte. Dann fiel ihr noch etwas anderes ein und sie fasste aufgeregt Axillas Hand. "Ich glaub, er meint es wirklich ernst mit mir, er hat da so Andeutungen gemacht. Und ich kann immer noch nicht glauben, dass es wahr ist, warum sollte sich jemand wie er denn ausgerechnet so jemanden wie mich aussuchen..." Wieder einmal klopften die kleinen und doch so vertrauten Dämonen der Selbstzweifel an Serranas Tür, und diese gab sich größte Mühe, die ungeliebten Gäste so gut es ging zu ignorieren.


    "Warum solltest du ihn denn nicht wiedersehen?" hakte sie dann neugierig bei Axilla nach. So verliebt wie diese klang, hatten sie und Vala doch sicherlich ein neues Treffen vereinbart.

  • Axilla wusste schon, dass Serrana und Vala sich kannten. Immerhin hatte der Germane nach ihr gefragt. Ganz kurz biss sich sowas wie Eifersucht in Axillas Freude, aber es war fast sofort vorbei. Zum einen wusste sie ja, dass Serrana eher Augen für den Germanicer hatte, und zum anderen glaubte Axilla nicht, dass er sich deshalb erkundigt hatte, weil er etwas von Serrana wollte. Sie wollte das gar nicht glauben, also war es für sie auch keine Möglichkeit, die im Bereich des Wahrscheinlichen lag.
    “Ich weiß, er hat es erwähnt“, sagte sie also sofort freudig, ehe Serrana mit ihrer Erzählung anfing.


    Axilla hing geradezu an Serranas Lippen. Sie liebte Liebesgeschichten, ob nun als Gedichte, Sagen oder Erzählungen. In dieser Beziehung war sie fast hoffnungslos, auch wenn sie es meistens doch im Griff hatte. Doch jetzt, in ihrer momentanen Stimmung, da war es wie Öl ins Feuer zu gießen.
    “Wie meinst du das, 'jemanden wie dich'? Du bist doch hübsch und dumm bist du auch nicht. Und auch wenn der meiste Glanz ab ist, wir sind immernoch Iunier! Warum sollte er dich nicht wollen?“ Axilla schüttelte leicht lächelnd den Kopf. Natürlich wollte sie Serrana damit Mut machen, aber sie sagte es nicht nur aus diesem Grund. Sie fand das wirklich, ihre Cousine war schön und sanft, warum sollte ein Mann sie nicht wollen? Bisher hatte Axilla an ihr noch keinen Fehler entdecken können – wobei sie das ja an Menschen, die sie gern hatte, ohnehin sehr selten tat. Und wenn, dann zu deren Gunsten auslegte. “Was genau hat er denn gesagt?“ fragte sie neugierig weiter. 'Andeutungen' konnte ja so ziemlich alles heißen.


    Doch dann kam Serrana auch gleich auf Vala wieder zurück, und Axilla war wohl wieder an der Reihe, etwas mehr preiszugeben. Ihre Cousine konnte ja nicht wissen, dass Vala nicht wissen konnte, wie Axilla sich fühlte, außer er hatte es in dem letzten, kurzen Moment in ihrem Blick gesehen.
    “Naja, er hat mich hergebracht, und dann war er auch schon wieder ein Liedchen pfeifend weg, bevor mir irgend etwas eingefallen war, wie ich mich mit ihm verabreden könnte. Und ich weiß ja eigentlich gar nichts von ihm! Ich weiß nur, dass er Scriba bei einem Offizier der Prätorianer ist, mehr weiß ich ja nicht. Weißt du zufällig was, wie ich ihn wiedersehen könnte?“ Sie zermarterte sich schon das Gehirn, wie sie es anstellen sollte. Sie wollte ihn doch so unbedingt wiedersehen. Ihr würde es sogar schon reichen, ihn zu sehen und anschmachten zu können, wenn sie schon nicht mit ihm reden können würde! Aber sie wollte wieder in seiner Nähe sein, unbedingt.

  • "Vielen Dank, das ist sehr lieb von dir." entgegnete Serrana auf Axillas aufbauende Worte. "Ich weiß ja auch, dass ich etwas selbstbewusster sein sollte, aber irgendwie komme ich nicht so richtig aus meiner Haut. Wenn man nur oft genug hört, dass man tollpatschig ist und dumm und sich albern benimmt, dann glaubt man es irgendwann selbst..."fügte sie mit einem kleinen Seufzer hinzu, aber dann erhellte sich ihr Gesicht ganz schnell wieder.


    "Aber bei Sedulus ist das nicht so. Bei ihm spüre ich, dass er mich wirklich schön und interessant findet und komischerweise auch nicht langweilig, und das ist ein ganz tolles Gefühl." Jetzt wäre Serrana am liebsten selbst durchs Atrium getanzt, aber so ganz konnte sie ihre Hemmungen dann selbst bei Axilla nicht ablegen. Als ihre Cousine beim Thema "Andeutungen" nachhakte, beugte sie sich stattdessen noch ein wenig zu ihr herüber und sprach im Flüsterton weiter, obwohl die beiden Mädchen zur Zeit allein im Atrium waren.


    "Nachdem wir uns geküsst hatten, da hatte ich auf einmal ziemliche Angst wegen meiner Großmutter, weil die furchtbar streng ist, was unmoralisches Verhalten angeht. Und da hat Sedulus dann gesagt, dass Großmutter sich nach dem ersten Schreck sicher freuen wird, wenn ich ihn zum Mann bekomme. Das kann doch eigentlich nur eins bedeuten, oder?" fragte Serrana mit einem Gesichtsausdruck nach, in dem sich freudiges Strahlen und die Besorgnis, Axilla könne ihr doch vielleicht widersprechen, stetig abwechselten. "Aber bislang weiß noch niemand davon, und solange es nicht offiziell ist, muss das auch so bleiben. Sedulus könnte sonst nämlich ernsthafte Schwierigkeiten bekommen, wenn sich rumspricht, dass er sich heimlich mit einer unverheirateten Frau trifft. Deshalb darfst du auch niemandem davon erzählen, aber das würdest du ja ohnehin nicht tun, nicht wahr?"


    Nein, Axilla würde sie nicht verraten, in diesem Punkt war sich Serrana absolut sicher. Denn obwohl sie ihre Cousine noch nicht allzu gut kannte, spürte sie einfach, dass sie sich auf deren Loyalität absolut verlassen konnte, so wie es andersherum genauso war.


    Es fiel ihr ein wenig schwer, sich jetzt wieder auf ein anderes Thema zu konzentrieren, aber schließlich klappte auch das. Die Beschreibung von Valas Verhalten passte ganz gut zu dem, was Serrana bei der gemeinsamen Cena in der Casa Decima mit ihm erlebt hatte, daher musste sie bei Axillas Erzählung schmunzeln.


    "Nun, römische Verhaltensregeln scheinen ihm ja relativ gleichgültig zu sein, deinem Vala..." sagte sie mit einen kleinen Kichern und sah Axilla dann nachdenklich an. "Das könnte natürlich von Vorteil sein, wenn du ihn irgendwie wiedersehen willst, es könnte auf jeden Fall leichter sein, einen Weg zu finden...Eine richtig tolle Idee hab ich bislang nicht, aber vielleicht solltest du dich mal mit Duccia Venusia unterhalten, wenn du Senator Livianus besuchst. Soweit ich weiß, lebt Venusia auch in der Casa Decima, weil sie mit dem Bruder des Senators verheiratet ist. Und sie ist Valas Tante, das weiß ich mit Sicherheit..."

  • Das wiederum konnte Axilla gut verstehen. Sie wusste, wie das war, wenn man immer wieder auf die eigenen Fehler hingewiesen wurde und dann merkte, wie klein und dumm und einfältig man war. Nur, dass es bei Serrana ja gar nicht stimmte, im Gegensatz zu ihr. Serrana war doch eine nette, hübsche Dame, und kein vorlauter Trampel wie sie. Wie konnte da jemand zu ihr sagen, sie sei dumm und tollpatschig?
    “Wer sagt denn sowas?“ fragte Axilla also doch sehr verwirrt. Das war sicher irgend jemand, der einfach nur neidisch war, ganz sicher.


    Aber es war sowieso viel interessanter, zu hören, was Serrana sonst noch gesagt hatte. Sedulus hatte ihr einen Antrag gemacht? Sie dachte, sie kannten sich erst zwei Tage? Und trotzdem, und dann auch noch aus Gefühl und nicht aus politischem Kalkül? Axilla wusste gar nicht, was sie sagen sollte. So schnell?
    “Oh, nein, nein, ich verrate nichts, versprochen. Per Iovem lapidem“, meinte Axilla im ersten Moment noch etwas perplex und daher feierlicher, als vielleicht nötig, und machte sogar ein kleines x über ihrem Herz, um den Schwur zu besiegeln. Aber sie hätte auch so nichts verraten, wenn Serrana sie darum gebeten hätte.
    Trotzdem musste sie da nochmal nachhaken. “Aber ihr kennt euch doch erst ein paar Tage, oder? Ähm... er hat aber nicht versucht, … also, dich zu überreden... ich meine....“ Wie sagte Axilla das nur? Sie wollte der Schwärmerei ihrer Cousine ja auch keinen Dämpfer verpassen und sie wütend machen, und sie wollte dem Senator ja nichts unterstellen. Aber der Antrag war schon ein wenig ominös nach der kurzen Zeit, und warum es für ihn schlecht sein sollte, wenn er sich mit einer unverheirateten Frau manchmal traf, eben um sie für eine eventuelle Ehe kennenzulernen, verstand Axilla auch nicht so wirklich. Allerdings hatte sie von Politik und Intrigen auch gar keine Ahnung. Und da war sie schon ein klein wenig misstrauisch.
    Sie glaubte nicht, dass Serrana da so leichtfertig wie sie wäre. Und wenn ihr Herz sagte, dass der Senator es ehrlich mit ihr meinte, würde das schon richtig sein. Zumindest hoffte Axilla das aufrichtig. “Also, ich weiß ja nicht, ob du schonmal... also...“
    Nein, Axilla konnte das nicht aussprechen, dafür war es ihr doch zu peinlich. Schnell wechselte sie das Thema zu Vala.
    “Ich weiß aber gar nicht, was ich Valas Tante da fragen sollte. Ist das nicht etwas offensichtlich, wenn ich nach ihm frage? Ich will ja nicht, dass sie denkt... wobei es ja eigentlich stimmt, aber... sieht das nicht komisch aus?“

  • Eigentlich hatte sie sich ja bereits bei ihrem gemeinsamen Bad vorgenommen, Axilla mit weiteren Erzählungen über ihre Kindheit zu verschonen aber da diese nachfragte, wollte Serrana ihr auch die Wahrheit sagen.


    "Ich bin mit solchen Kommentaren aufgewachsen." antwortete sie und sah mit einer Mischung aus Bitterkeit und Resignation zu Boden. "Ganz egal, was ich gemacht habe und wie ich mich auch angestrengt habe, meine Großmutter hat immer irgend etwas gefunden, das sie gestört hat und sie hat es mir auch jedesmal unter die Nase gerieben. Da wird es irgendwann sicherer, einfach gar nichts besonderes mehr zu tun und sich nur noch nach den Anweisungen zu richten..." Während Serrana noch erzählte, spürte sie bereits, wie armselig sich diese Geschichte für einen Aussenstehenden anhören musste. Es wurde wirklich Zeit, dass sie lernte endgültig auf eigenen Beinen zu stehen und der Meinung anderer Meinung keine zu große Bedeutung mehr zuzugestehen.


    Serrana seufzte innerlich auf, als Axilla ihr Stillschweigen versprach. Zwar hatte sie eigentlich mit nichts anderem gerechnet, aber es war doch beruhigend, es noch mal aus dem Mund ihrer Cousine zu hören.


    "Oh nein, eigentlich kennen wir uns schon seit den Ludi Romani, wir haben uns seitdem nur nicht allzu oft gesehen." flocht sie dann schnell ein. Zwei Tage, du liebe Güte....Natürlich hatte Sedulus und sie sich in den seit den Ludi vergangenen Wochen und Monaten auch gerade mal zweimal wiedergesehen, aber trotzdem hörte sich die Geschichte so nicht mehr ganz so anrüchig an. Und was genau meinte Axilla denn mit "überreden"? Serrana sah ihre Cousine eine ganze Weile verwirrt an, bis dann endlich der Groschen fiel, und sie langsam aber gründlich rot anlief.


    "Aber nein, so ist er nicht." sagte sie dann sofort ohne den Hauch von Zweifel in der Stimme. So wenig sie Sedulus bislang auch kannte, an seiner Aufrichtigkeit hegte Serrana keinerlei Zweifel. Und auf was genau wollte Axilla denn mit ihrer nächsten Frage hinaus?


    "Ob ich schon mal was?" fragte sie daher ein wenig verwirrt nach, und die Erkenntnis kam, kurz nachdem sie ihren eigenen Satz zu Ende gesprochen hatte und gab ihrer ohnehin schon recht leuchtenden Gesichtsfarbe den Rest.


    "Du gütige Minerva, natürlich nicht...." Am liebsten hätte Serrana ihr gesamtes Gesicht in ein Becken mit Eiswasser getaucht und sie starrte Axilla mit ungläubig aufgerissenen Augen an. So eine Frage konnte eine unverheiratete Frau einer anderen doch unmöglich stellen, es sei denn...[SIZE=7]"Du etwa?" [/SIZE]Mittlerweile sprach sie so leise, dass selbst ein im Raum anwesender und nicht direkt neben den beiden Mädchen stehender Sklave die Frage nicht mitbekommen hätte.


    Und wieder war Vala ein willkommener Anlass, um das Gesprächsthema wieder in etwas unverfänglichere Bahnen zu lenken.


    "Du könntest Venusia doch einfach fragen, ob sie ausser den Decimern noch eigene Verwandte in Rom hat. Das ist ja eine völlig berechtigte Frage, an der dürfte wohl niemand Anstoß nehmen." grübelte Serrana ein wenig vor sich hin und lächelte Axilla schließlich vergnügt an.
    "Oder aber wir lassen uns einen Vorwand einfallen, mit dem du in die Castra Praetoria reinkommst. Wenn Vala Scriba eines Prätorianer-Offiziers ist, dann wird er dort sicher häufig ein und aus gehen..."

  • Ein wenig verwundert hörte Axilla ihrer Cousine zu, was diese so von ihrer Kindheit erzählte. Was war das nur für ein Mensch, der ihrer Cousine sowas einredete? Mit Serrana war doch alles in Ordnung! Die war so lieb und gut und tugendhaft, wie konnte da jemand ernstlich Fehler finden? Axilla war immer ein sehr wildes Kind gewesen, hatte sich ständig die Knie aufgeschürft und irgendwas gemacht, was ganz und gar undamenhaft war, und trotzdem hatte sie nur selten richtig Schelte bekommen. Natürlich hatte die Mutter versucht, sie da zu bremsen, aber wirklich handhaben konnte nur der Vater den kleinen Wirbelwind. Und den störte es nicht, dass seine Tochter sich eher wie ein Junge benahm.
    “Deine Großmutter hat unrecht“, sagte Axilla im Brustton der tiefsten Überzeugung. “Du hast keinen Fehler. Und du bist was besonderes.“ Wie konnte nur ein vernunftbegabter Mensch etwas anderes sagen? Diese Frau konnte kein Herz haben.
    Und plötzlich war die Stimmung doch etwas ernster geworden, als Axilla beabsichtigt hatte. Das merkte sie auch an der Antwort der Cousine über Sedulus. Axilla hatte keine Ahnung, wann denn die Ludi Romani waren, in Alexandria wurden die schließlich nicht gefeiert, und auf dem Hof ihrer Eltern sowieso nicht. Aber sie war schonmal beruhigter, dass es wohl schon länger war, und dass Sedulus scheinbar ehrliche Absichten hatte.
    Als die Cousine so rot anlief, dass selbst die schönsten Erdbeeren neidisch würden, musste Axilla fast kichern. Was sich allerdings schlagartig änderte, als Serrana zurückfragte und Axilla merkte, wie ihre Wangen sich denen der Cousine farblich anpassten. “Ähm... also...“ Jetzt sag bloß nichts falsches! … … … Am besten halt die Klappe. Axilla fand keine Ausrede und konnte nur Serranas Blick ausweichen und vom Thema ablenken. Sie konnte es ja nicht so einfach zugeben, als wäre nichts!
    “Ähm... Vala, genau“, rettete sie sich in den Themanwechsel und plapperte schnell weiter. “Da müsste ich dann noch rausfinden, für wen der arbeitet, damit ich dann auch den richtigen Vorwand finde. Die Prätis werden ja auch mehrere Offiziere haben. Und wir müssten überlegen, was wir da wollen könnten. Hat Silanus vielleicht irgendwas mit denen zu tun? So dass wir mal einen Brief überbringen könnten, oder so?“ Axilla hatte keine Ahnung,w as Silanus eigentlich genau arbeitete, sie und er gingen sich ja ein wenig aus dem Weg.

  • "Oh, ein paar Fehler habe ich in jedem Fall, wenn auch vielleicht nicht ganz so viele, wie ich immer angenommen habe." antwortete Serrana und schmunzelte über Axillas Überschwang, der sich sogar in deren tröstenden Worten niederschlug. Dankbar war sie ihr trotzdem, denn die eine oder andere Streicheleinheit konnte ihr Ego durchaus noch gebrauchen.
    Beim nächsten Thema war ihr dann schlagartig das Schmunzeln vergangen und sie brauchte eine Weile um sich von dem Schreck zu erholen, dass ihre Cousine dieses Thema überhaupt angeschnitten hatte. Nachdem sie die Frage zurückgegeben hatte, zeigte Axilla übergangslos die gleichen Anzeichen von tödlicher Verlegenheit wie sie selbst und Serrana zog automatisch die entsprechenden Rückschlüsse, wenn auch in der ihr eigenen Arglosigkeit die falschen. Kein Wunder, dass Axilla nicht antwortete, sie war vermutlich völlig fassungslos, dass ihre Tugendhaftigkeit überhaupt in Frage gezogen wurde!


    "Nun, äh...ich glaube kaum, dass jeder Prätorianer-Offizier einen eigenen Scriba hat. " nahm Serrana die erneute Ablenkung dankbar an und runzelte nachdenklich die Stirn. "Bestimmt ist es einer der Führungsoffiziere, aber so wirklich weiter bringt uns das ja auch nicht. Der Verlobte meiner Freundin Calvena ist Centurio bei den Prätorianern, aber ich habe keine Ahnung, wann ich den mal wieder zu Gesicht bekomme, sonst könnte ich ihn fragen...Und was Silanus angeht..." an dieser Stelle sah Serrana ihre Cousine entschuldigend an,"...ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, welche Art von Posten er im Moment innehat. Ich hab ihn seit seiner Ankunft in Rom kaum zu Gesicht bekommen, dabei muss ich mich immer noch dafür bedanken, dass ich seit Monaten in dieser Casa wohnen darf."

  • Auch wenn Serrana meinte, dass sie Fehler habe, Axilla konnte beim besten willen keine finden. Selbst, dass sie etwas schüchtern war, war ja in dem sinne kein Fehler. Eine Frau sollte ja schließlich auch ein wenig zurückhaltend sein und auf ihren Mann dann vertrauen. Axilla hatte da schon eher ein Problem aus ihrer Sicht, weil sie eben nicht still sein konnte, wenn sie etwas wollte oder sie etwas aufregte. Axilla nahm sich schonmal vor, irgendwannmal ein Hühnchen mit Serranas Großmutter zu rupfen. Eine Iunia butterte man nicht so unter! So!
    Allerdings wischte das Thema über tugendhaftes Verhalten im Angesicht männlicher Begierden doch sämtliche Gedanken in diese Richtung sehr effektiv beiseite, so dass Axilla ganz dankbar war, dass Serrana nicht weiter nachhakte. Was hätte sie der Cousine denn erzählen sollen? Sie konnte sie nicht anlügen und ihr sagen, dass es ihr nicht gefallen hatte, oder dass sie daran unschuldig war. Aber das waren Sachen, die sie sie nicht preisgeben sollte. Von daher kam ihr der Themenwechsel mehr als nur Recht und auch die Informationen, die Serrana ihr gab.
    “Hmm, vielleicht könnte man dann deine Freundin fragen? Ich meine, vielleicht weiß sie das ja sogar, wenn ihr Verlobter dort doch auch Centurio ist? Oder dass sie ihn fragt, sie wird ihren Verlobten ja vielleicht eher sehen? Meinst du, das würde sie für mich machen, oder ist das etwas forsch?“
    Zumindest war es mal ein Plan.
    Was Silanus aber anging, da konnte Axilla auch nicht viel mehr als betreten schauen. “Ja, mir weicht Silanus auch aus. Aber er hat auch in Alexandria immer sehr viel gearbeitet und wenig Zeit bei der Familie verbracht.“ Dass sie wohl der Grund dafür war, ließ Axilla aber wegfallen.

  • Serrana war ihrer Cousine für deren aufmunternde Worte mehr als dankbar, dennoch war sie sich ihrer eigenen Schwächen durchaus bewusst. Schüchternheit und Nachgiebigkeit machten vielleicht den Umgang mit herrrischen Menschen wie ihrer Großmutter einfacher, weil man dadurch möglichen Konflikten aus dem Weg ging, aber sie waren alles andere als förderlich für Mut und Entschlussfreudigkeit, und von beidem besaß Axilla ganz offensichtlich wesentlich mehr. Doch auch sie selbst war dabei sich, wenn auch langsam, in die richtige Richtung weiterzuentwicklen und das war für Serrana Ansporn genug nicht aufzugeben.


    Axillas Bitte war leicht nachzukommen, und da Serrana gern bereit war, ihrer Cousine einen Gefallen zu tun, nickte sie sofort. "Ja, natürlich. Wenn du willst, kann ich sie gleich heute fragen. Ich bin ja im Grunde auf dem Weg zur Casa Germanica, vielleicht wissen wir dann heute abend schon etwas mehr." Das "wir" kam ihr jetzt schon automatisch über die Lippen, schließlich gehörten Axilla und sie zu einer Familie und Serrana merkte, dass ihr das immer besser gefiel. Schließlich war es doch ein sehr schönes Gefühl, im eigenen Haus einen Menschen zu wissen, dem man sich einfach so anvertrauen konnte. Bei einem Mann wie Silanus wäre das natürlich ohnehin schwieriger als bei einer fast gleichaltrigen Cousine, dennoch bedauerte Serrana es ein wenig, dass sie bislang kaum Gelegenheit gehabt hatte, ihren Verwandten näher kennenzulernen. "Naja, vielleicht ergibt sich ja irgendwann nochmal die Gelegenheit für ein längeres Gespräch." sagte Serrana nachdenklich und ein wenig hoffnungsvoll. "Wenn ich mich endlich bei ihm bedankt habe, würde ich ihn nämlich zu gern fragen, ob er mir etwas über meinen Vater erzählen kann. Ich weiß ja fast nichts über ihn, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich ihm bislang ein wenig Unrecht getan habe, und das ist ein ganz schrecklicher Gedanke..."

  • “Oh, ja, das wäre fantastisch!“ meinte Axilla zu dem Vorschlag, Serrana könne gleich fragen, wenn sie das Kleid abgab. Allein die Möglichkeit, heute Abend schon mehr zu wissen, vielleicht sogar einen Plan zu haben, wie man das Wissen einsetzen könnte, um ihn wiederzutreffen, ließen Axillas Herz schneller schlagen. Vielleicht war es ja dann gar nicht mehr lange hin, dass sie ihn wirklich wieder sah, und ihm sagen konnte... sagen konnte... oh Götter! Was sollte sie ihm dann eigentlich sagen? Ihr Herz schien ein paar Hüpfer auszusetzen, als ihr die Erkenntnis kam, dass sie dann ja immernoch nicht wirklich schlauer wäre. Verdammt! Warum konnte er nicht einfach ihr nur tief in die Augen sehen und alles wissen, was sie meinte? Dumme Sprache aber auch.


    Doch Serrana wechselte schon wieder das Thema und Axilla war wieder erstmal davon abgelenkt. Ihr Vater? Axilla überlegte einen Moment, was sie überhaupt über ihren Onkel wusste, und ob sie wusste, ob Silanus etwas wusste. “Ich weiß gar nicht, ob Silanus da so viel weiß, aber du solltest ihn in jedem Fall fragen. Ich weiß eigentlich auch nur, dass er der jüngere Bruder von meinem Vater war und bei den Cohortes Urbanae. Er muss sehr nett gewesen sein, Vater hat immer nur gut von seinen Brüdern gesprochen, obwohl sie zu fünft waren und es damit Reibereien gab. Er hat immer gesagt, dass wenn man sich auf jemanden verlassen kann, dann auf die Familie.“ Kurz wurde Axilla dabei ganz schwer ums Herz. Von ihrem Teil der Familie waren ja nicht mehr viele übrig. Nur sie, Serrana und Merula. So viel Tod...
    “Aber warum willst du dich bei ihm bedanken, dass du hier wohnen darfst?“ griff sie also schnell nochmal einen alten Gesprächsfetzen auf. “Das ist das Haus der Gens, und du bist Teil der Gens. Wo solltest du denn sonst wohnen, wenn nicht hier?“
    Serrana war wirklich einfach lieb, dass sie sich darüber so sehr Gedanken machte. Hatte sie geglaubt, die Familie würde sie rauswerfen? Wie kam sie nur darauf?

  • Wie schön, dass sie Axilla so einfach eine Freude machen konnte, jetzt konnte Serrana nur hoffen, dass sie es nicht vergaß wegen Vala nachzuhaken, sobald sie mit Calvena allein war. Sie lächelte ihre Cousine aufmunternd an, aber als die Sprache dann auf ihren Vater kam, wurde ihr Gesichtsausdruck automatisch wieder ernst. Warum hatte sie dieses Thema auch angeschnitten...


    "Zu den Cohortes Urbanae ist er gegangen, nachdem meine Mutter gestorben ist." sagte Serrana leise und blickte während sie sprach zu Boden, denn die Erinnerung daran war auch nach all den Jahren noch ausgesprochen schmerzhaft. "Danach hab ich bei meinen Großeltern gelebt, und die haben ihn so gut wie nie erwähnt." Angestrengt biss sie sich auf die Lippe und wich weiterhin Axillas Blick aus. Viel nutzte das allerdings auch nicht, denn die einfache und doch so bedeutsame Aussage, ihr Vater sei sehr nett gewesen, reichte um Serrana endgültig die Tränen in die Augen zu treiben. "Ich wünschte so sehr, ich hätte ihn ein bisschen besser kennenlernen können." sagte sie mit zunehmend wackliger Stimme. "In den letzten Jahre vor seinem Tod hab ich ihn kaum noch gesehen, und Großmutter hat immer nur schlecht von ihm gesprochen. Vielleicht hab ich deshalb immer noch das Gefühl, in diesem Haus eigentlich ein Eindringling zu sein der gar nicht hiersein dürfte..." Jetzt begannen die Tränen wirklich zu fließen und Serrana wischte sie ein wenig unwirsch mit dem Handrücken weg.
    "Aber im Grunde macht es ohnehin keinen Sinn darüber nachzudenken, jetzt ist es ohnehin zu spät...."

  • Oh. Oh, nein! Nicht doch! Wie... Axilla sah mit wachsender Bestürzung, wie Serranas Augen erst glasig, dann wässrig wurden, bis schließlich Tränen flossen. Zwar wischte die Cousine sie gleich weg, aber trotzdem sah Axilla sie. Sie fühlte sie geradezu in ihrem Inneren. Das hatte sie doch nicht gewollt.
    Hilflos hatte Axilla die Arme gehoben, als wolle sie Serrana berühren, aber sie hielt immer in der Bewegung kurz vorher an. Immerhin mochte das nicht jeder, und sie wusste auch nicht, ob sie durfte. Aber die Tränen wurden immer dicker, und Serrana redete von Dingen, die Axilla nicht wirklich verstand. Axilla war einfach nicht gut mit Worten und wusste auch nicht, wie sie die Cousine trösten sollte. Was konnte sie da schon sagen?
    Sie haderte noch einen zuckenden Moment, dann umarmte sie Serrana einfach und zog sie zu sich her, gab ihr gar keine Chance, sich gegen diese Zuneigungsbekundung zu wehren. Sie zog sie einfach an sich, Serranas Kopf an ihre Halsbeuge, und hielt sie sanft und doch fest an den Schultern, legte ihren Kopf ganz leicht gegen ihren. Axilla war wirklich nicht gut in Worten, aber in Gesten und Gefühlen.
    “Ich wünschte auch, du hättest ihn kennenlernen können“, sagte sie schließlich leise und sanft. Etwas wie 'Alles ist gut' Oder 'Das ist nicht schlimm' kam ihr wie eine hohle Floskel vor, also sagte Axilla sowas nicht. Es war traurig, dass Serrana ihn nicht kennengelernt hatte. Sie durfte traurig deshalb sein. Das war keine Schande, nicht hier, wo nur sie beide da waren. “Du bist kein Eindringling. Du bist eine Iunia, und das ist dein Haus. Vergiss deine Großmutter. Sie hat unrecht.“
    Auch Axillas Augen füllten sich mit Tränen, aber nicht, weil sie traurig war. Nein, sie war wütend. Wütend auf eine Frau, die sie nichtmal kannte, und die trotzdem ihre liebe Cousine zum Weinen gebracht hatte.

  • Serrana schämte sich unendlich, als sich die Tränen nicht länger aufhalten ließen, aber sie hatte diesen Schmerz schon so lange unterdrückt und verdrängt, dass er sich nun mit aller Macht seine Bahn brach. Für einen Moment erschrak sie, als Axilla sie zu sich heranzog, aber sie spürte, dass diese sie für ihren Gefühlsausbruch nicht verurteilte, sondern ihr stattdessen helfen wollte. Serrana war in Zuneigungsbezeugungen dieser Art nicht sehr erfahren, aber es tat gut, einfach nur gehalten zu werden und so blieb sie an ihre Cousine geschmiegt stehen, bis der Strom aus nie geweinten Tränen endlich aus ihr heraus war und der Kummer allmählich wieder ein wenig nachließ. Nach einer ganzen Weile löste sie sich vorsichtig von Axilla und wischte sich erneut die Tränen aus dem vom Weinen geröteten Gesicht. "Ich möchte, dass du eins weißt," sagte sie dann nach einem kurzen Schniefen, "egal was Großmutter mir auch erzählt hat und ich über meinen Vater und sein Verhalten auch gedacht habe, ich bin immer stolz auf meinen Namen und meine Gens gewesen. Das musst du mir wirklich glauben. Ich wünschte nur, ich hätte euch schon früher kennengelernt..." Serrana war klar, dass dieses Thema sie vermutlich immer wieder beschäftigen würde, aber es hatte schon sehr geholfen, sich ihm endlich zu stellen. Mittlerweile war auch die letzte Träne versiegt und Serrana, die endlich wieder klarer denken konnte lächelte Axilla dankbar aber auch ein wenig verlegen an. "Und schau nur, ich hab dein Kleid ganz nassgeweint, das tut mir wirklich leid."

  • “Ach, das wird auch wieder trocken. Wenn du wüsstest, wen ich schon alles vollgeheult habe...“ Und wen sie wohl im Laufe ihres Lebens noch alles vollheulen würde! Axilla machte sich da um ihr Kleid wirklich keine Gedanken. Das war nur Stoff. Vielleicht hübscher Stoff, aber trotzdem nur Stoff.
    Axilla fuhr noch ein, zweimal reibend über Serranas Schultern, als wolle sie sie warmrubbeln, ehe sie sie losließ. Axilla hätte nie in Worte fassen können, warum sie glaubte, dass es der Cousine besser ginge, oder was der Grund dafür war, aber sie fühlte einfach, dass es jetzt besser war.
    “Aber bevor du zu deiner Freundin gehst, solltest du dir nochmal das Gesicht mit kaltem Wasser waschen“, meinte sie halb scherzend. Auch wenn Serrana nicht schlimm aussah, wenn sie geweint hatte, man sah es halt doch an den Augen und dem Strahlen der Haut. Und das musste ja nicht unbedingt sein, das war meistens peinlich.


    Dazu, dass Serrana stolz auf ihren Namen war, sagte Axilla nichts. Sie lächelte nur einmal aufmunternd, kommentierte es aber nicht. Das war ihrer Meinung nach überflüssig. Sie glaubte ihrer Cousine, das musste sie nicht erst noch sagen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!