• Dass Axilla die Folgen ihres Gefühlsausbruchs so leicht abtat, machte es für Serrana wesentlich leichter und das Gefühl der Verlegenheit ließ allmählich nach. Allerdings spürte sie auch, dass ihr Gesicht glühte und ihre Augen vom vielen Weinen ein wenig zugeschwollen waren, daher nickte sie auf den Rat ihrer Cousine hin. "Ja, du hast recht, das werde ich besser machen, sonst bekommt sie sicher einen Schreck wenn sie mich so sieht..." Dann kam ihr ein weiterer Gedanke und ohne es zu merken, begann Serrana allmählich wieder zu lächeln. "Und ausserdem ist es ja immerhin möglich, dass ich in der Casa Germanica IHM begegne, und da will ich unter keinen Umständen aussehen wie eine rot angelaufene Qualle..." Mit der Eitelkeit kamen auch gleich ein paar andere Bedenken zurück, die Serrana schon eine Weile beschäftigten. Ob sie Axilla da wohl um Rat fragen konnte? Ihre Cousine wirkte so offen und herzlich, dass sie vielleicht nichts dagegen hatte.


    "Vielleicht sollte ich mir nicht so viele Gedanken um mein Aussehen machen, aber weißt du, ich hab ja im Grunde überhaupt keine Erfahrungen mit Männern, und deshalb hab ich immer Angst, dass ich etwas dummes oder albernes sage oder tue, wenn ich mit Sedulus zusammen bin. Kannst du mir da nicht ein paar Tipps geben? Du hast mir ja gesagt, dass du schon mal verliebt warst..." Serrana sah Axilla hoffnungsvoll aber auch ein bisschen ängstlich an. Hoffentlich fand ihre Cousine diese Frage nicht zu taktlos!

  • Also, eine Qualle sah anders aus! Axilla hatte schon Quallen gesehen, die waren glibberig und schleimig, wenn sie tot am Strand von Alexandria lagen, und teilweise feuerrot. Serrana war von dieser Beschreibung wirklich noch weit entfernt! Ein bisschen kichernd schüttelte Axilla deshalb leicht den Kopf, ehe sie von der Frage der Cousine etwas überrascht wurde.
    “Ähm, Tipps?“ fragte sie erstmal nach, als hätte sie nicht richtig verstanden. Was für Tipps sollte Axilla Serrana denn geben? Vorhin noch hatte sie so erschrocken reagiert, als Axilla sie mehr oder weniger gefragt hatte, ob sie noch Jungfrau sei. Und jetzt wollte sie Verführungstipps? Von ihr, die in Puncto Männer wohl eher ein ganzes Buch schreiben könnte über Dinge, die man als ehrbare Frau lieber nicht machen, nicht sagen und auf die man sich nicht einlassen sollte. Und jetzt wollte Serrana da von ihr Tipps haben? Venus und Amor!
    “Ich weiß nicht wirklich, ob ich da Tipps geben kann. Ich meine... also, du … du solltest ja nicht... ich meine... er soll dich ja heiraten und nicht denken... also... ich meine....“
    Gnaaaaa! Denk, denk, denk! Sie konnte ja nicht nichts sagen, wo Serrana so darauf vertraute, aber was sollte sie ihr denn für Tipps geben? “Also... weißt du... am Besten, du... du bist einfach, wie du bist. Ja Genau, ganz genau, wie du bist, ist schon richtig. Denn du willst ja, dass er dich mag, und nicht das mag, was er denkt, dass du bist, nicht?“ Aus Serrana konnte man keine Axilla machen und aus Axilla keine Serrana, so sehr das auch jemand versuchen wollte. Und eigentlich war das auch ganz gut so, Axilla wollte sich die verheerenden Folgen, sollten ihre Verfehlungen je ans Licht kommen, gar nicht vorstellen.
    “Weißt du, Vater hat es mal ganz gut gesagt: Wir mögen Menschen wegen ihrer Tugenden. Aber wir lieben sie wegen ihrer Fehler.“
    Das hatte ihr Vater immer dann gesagt, wenn eine weitere Hoffnung auf einen Sohn mit einer Fehlgeburt der kränklichen Mutter geendet hatte und sie ihn wieder gefragt hatte, ob er nicht eine andere Frau nehmen wolle. Axilla war noch sehr klein gewesen, aber sie hatte es sich immer gemerkt.

  • Serrana wartete ausgesprochen gespannt auf Axillas Antwort und hing dann überrascht aber auch ein bisschen erleichtert an deren Lippen. Sie sollte einfach nur sie selbst sein, und das reichte dann schon? "Meinst du wirklich? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es so einfach ist..." Sie sah ihre Cousine einen Moment lang ein wenig zweifelnd an und zupfte dann verlegen an ihrem Kleid herum. "Weißt du, ich hab ja nur gedacht, weil...weil Sedulus ja schon etwas älter ist als ich und viel erfahrener und sicher schon mit ganz vielen Frauen zu tun hatte. Und dass er deshalb vielleicht erwartet, dass ich etwas bestimmtes sage oder mache, ach, ich weiß auch nicht...." Du liebe Güte war das schwer, als sie sich noch nicht für Männer interessiert hatte, war das Leben irgendwie einfacher gewesen, wenn auch zugegebenermaßen nicht halb so spannend. "Dann werde ich einfach mal deinen Rat beherzigen, ich selbst zu sein dürfte mir ja nicht allzu schwer fallen." Serrana schenkte Axilla einen dankbaren Blick und nickte dann nachdenklich, als diese ihren Vater zitierte. "Das hört sich sehr schön an, aber ich glaube, dein Vater hatte recht. Zumindest hoffe ich, dass es so ist. Aber genug von mir, wir müssen ja noch überlegen, wie es mit dir und Vala weitergehen soll." fuhr sie dann mit einem verschwörerischem Grinsen im Gesicht fort. "Angenommen ich erfahre heute, für wen er arbeitet, und wir finden einen Vorwand um dich in die Castra Praetoria schleusen. Was willst du denn dann machen?" Serrana war fast so aufgeregt, als ginge es um ihr eigenes Rendezvous und sie sah Axilla gespannt an.

  • Oh, Olymp hilf! Sie machte sich doch jetzt nicht ernsthaft darüber Gedanken, ob er mit ihr im Bett zufrieden sein würde? Das klang ja, als hätte sie vor, nicht mehr allzu lange damit zu warten. Lag dieses feurige Ungestüm etwa in der Familie? Wie konnte Axilla sie nur vor diesem Fehler bewahren? Auch wenn es eigentlich kein Fehler war, sondern etwas so wundervolles, dass Axilla sie ja sogar verstehen konnte. Aber... die Ehre! Die verdammte Ehre!
    “Also, ich denke wirklich, es ist ganz gut, wenn du... zurückhaltend bist und nicht... also, ich meine. Natürlich ist er älter und hat auch schon mit Frauen... ähm... zu tun gehabt.“ Komische Umschreibung, die ihre Cousine dafür verwendet hatte. Aber Sedulus war ein Mann, er würde sicher schon das ein oder andere Lupanar in seinem Leben besucht haben. “Aber, ich meine... also, du willst ja nicht, dass bei ihm der Eindruck entsteht, dass du schon... also, mit anderen Männern zu tun gehabt hättest. Ich meine, er soll ja ruhig wissen, dass er... also, der Erste... ich meine... dass du vorher noch nicht... verliebt warst.“
    Eine kleine Stimme in Axilla schrie beständig und laut, als wolle sie um Hilfe rufen. Oder als täte ihr etwas weh, weil Axilla versuchte, diplomatisch zu sein. Vielleicht auch beides. Aber Axilla war einfach nicht gut darin, um den heißen Brei herumzureden. Aber mit zuviel Direktheit würde sie Serrana wohl erschrecken. Vor allem, da diese doch keine Ahnung hatte! Axilla war einfach nicht gut mit Worten.


    Und auch der Themenwechsel half da nicht wirklich weiter. Was sie mit Vala tun wollte, wenn sie ihn traf? Ihn in eine uneinsehbare Ecke ziehen und erstmal küssen, bis ihr schwindelig war? Den Duft seiner Haut atmen, sie schmecken und fühlen? Alles, so lange sie nur bei ihm war und ihn berühren durfte? Sowas in der Art? Sie kam sich so unehrlich dabei vor, versuchte sie Serrana doch gerade von tugendhaftem Vorgehen zu überzeugen, während sie selbst nur daran denken konnte, wie sich seine Hände wohl auf ihrer Haut anfühlen würden.
    “Äääähm... ich... also, so genau hab ich... noch gar nicht darüber nachgedacht. Ich möchte nur gerne... mit ihm wieder reden und ihn wiedersehen.“ Das stimmte sogar. Selbst, wenn sie ihn nur einfach wiedersehen würde und einen Moment mit ihm sprechen könnte, das wäre schon viel mehr, als sie erhoffen wollte. Und jetzt, wo sie daran dachte, wurde ihr Gesichtsausdruck wieder weich und verträumt und eindeutig verliebt.

  • Irgendwie wurde es für Serrana zunehmend schwierig Axillas Ausführungen zu folgen, da diese auf einmal ein wenig stockend sprach, aber nachdem die Botschaft hinter den Worten endlich bei ihr angekommen war, wurde sie schlagartig wieder rot und im höchsten Maße verlegen. "Oh nein, natürlich soll er nicht so etwas von mir denken, was für eine schreckliche Vorstellung." sagte sie entsetzt und sah Axilla mit weitaufgerissenen Augen an. "Meinst du wirklich, dass Männer so schnell eine schlechte Meinung von Frauen bekommen? Das ist ja furchtbar..." Du liebe Güte, hätte sie doch lieber den Mund gehalten. Was sollte ihre Cousine denn nur von ihr denken, schließlich war die doch im Grunde genauso unerfahren wie sie selbst und schon ein paar Minuten zuvor so verlegen gewesen, als Serrana die Frage nach ihren Erfahrungen zurückgegeben hatte. "Du hast natürlich recht." sagte sie dann schnell, in der Hoffnung ein bisschen von dem schlechten Eindruck wieder wettzumachen. "Ich hätte dich sowas lieber nicht fragen sollen, du musst mich ja für furchtbar unanständig halten..."


    Und zum wiederholten Mal während des heutigen Tages war Serrana äusserst froh, dass sie wieder auf Duccius Vala ausweichen konnte.


    "Ja, das kann ich mir vorstellen." sagte sie verständnisvoll, als Axilla darüber sprach, dass sie den jungen Germanen unbedingt wiedersehen wollte. "Was hat er dir denn eigentlich alles so über sich erzählt? Ich hab ja nicht so furchtbar viel mit ihm gesprochen, aber ich weiß noch, dass er Oliven sehr gern mag. Zumindest hat er Unmengen von denen verschlungen, damals bei der Cena... Aber vermutlich hilft dir das auch nicht wirklich weiter."

  • Kurz stutzte Axilla. Manchmal fragte sich die Iunia, ob Männer überhaupt dachten, auch wenn das ein ziemlich fieser Gedanke von ihr war. Aber zeitweise kam es ihr wirklich so vor, als wären die Herren der Schöpfung weitaus schlimmer, was gekränkte Eitelkeiten und widersinniges Verhalten anging, nur verbargen sie es besser als ihre weiblichen Zeitgenossen. Wie sonst war es zu erklären, dass gestandene Mannsbilder, die ganze Centurien befehligten oder über die Weltmeere segelten, anfingen zu stottern und herumzudrucksen, wenn man mit ihnen ganz normal sprach? Die normalerweise zielstrebig ihre Karriere verfolgten plötzlich zu allem und jedem ja sagte, nur weil frau das gerne wollte? Nein, Axilla war sich recht sicher, dass die Männer die Hälfte der Zeit nicht dachten, zumindest nicht, wenn sie eine Frau gern hatten.
    “Naja, also, wenn du da forsch wärst, dann müsste er sich ja fragen, woher du das kannst, wenn du sonst nicht so bist, oder?“ Axilla konnte sich auch einfach nicht vorstellen, dass Serrana hingehen konnte, ihn an sich ziehen und küssen, oder gar mehr. Das passte einfach nicht, und da würde sich nicht nur ihr Senator dann wundern. “Und ich halte dich nicht für unanständig. Ich hoffe, du hältst mich nicht dafür. Ich meine... es war ja alles keine Absicht. Also, schon, doch, aber... nicht so richtig.“
    Beim ersten Mal war sie sehr verliebt gewesen, und beim zweiten Mal von Opiumdämpfen und Alkohol betäubt. Gut, bei Archias nun hatte sie keine Ausrede für das, was in Alexandria passiert war. Aber das war definitiv nicht in ihrer Absicht gewesen! Es war einfach passiert, sie wusste selbst nicht so genau, was da passiert war.


    Aber Serrana war das Thema wohl auch ein wenig peinlich, und sie wechselte wieder gekonnt auf Vala. Er mochte Oliven? Das musste sie sich unbedingt merken. Vielleicht konnte sie ja, rein zufällig, welche dabei haben? Wobei ihr kein vernünftiger Grund einfallen wollte, warum ein normaler Mensch Oliven mit sich führen sollte. Aber merken wollte sie es sich auf jeden Fall.
    “Also, so viel unterhalten haben wir uns eigentlich gar nicht“, gestand Axilla. Eigentlich hatte er sie ja fast nur angeschrien. Aber trotzdem fühlte sie sich zu ihm so unendlich hingezogen. “Viel erzählt hat er eigentlich nicht. Nur, dass er aus Germania kommt. Und er kennt sich in der Stadt ziemlich gut aus.“ Axillas Gesichtsausdruck wurde noch ein wenig weicher, und sie musste wieder vor sich hinlächeln. “Er hat mich ein Stück weit getragen. Er hat wunderbare Hände.“ Gut, es war über die Schulter gewesen, fernab jeder Romantik, aber trotzdem. Sie war ihm ganz nahe gewesen, und das wollte Axilla nicht eintauschen.

  • Sie und forsch? Das war ja irgendwie schon ein Widerspruch in sich! Nein, Serrana war alles andere als forsch, und wenn die Gefahr bestand, dass sie so schnell missverstanden wurde, dann war es sicher besser gar nicht weiter über dieses Thema nachzudenken...
    Dass Axilla aus ihrer blöden Fragerei keine unangenehmen Rückschlüsse gezogen hatte, freute Serrana sehr und füllte sie mit großer Erleichterung. Und natürlich würde sie ihrerseits auch nie so etwas
    über ihre Cousine denken, wie kam die denn nur auf so eine Idee. Serrana schüttelte sofort den Kopf, stutzte dann aber ein wenig, als Axilla immer noch weiter sprach und runzelte dann irritiert die Stirn.


    "Es war keine Absicht? Was meinst du denn damit?" fragte sie zunehmend verwirrt nach. "Was war keine Absicht?"


    Und siehe da, auch Irritationen der einen oder anderen Art ließen sich mit Duccius Vala bestens umgehen!
    "Ihr habt nicht viel miteinander gesprochen? Naja, manchmal ist da ja auch nicht nötig, da versteht man sich auch ohne viele Worte." Serrana kratzte sich ein wenig verlegen am Arm. Was gab sie denn hier auf einmal für Weisheiten von sich? Als ob ausgerechnet sie eine besondere Ahnung von zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen hätte!
    Bei Axillas nächster Bemerkung riss sie dann allerdings wieder ungläubig die Augen auf.


    "Er hat dich getragen? Wie ist es denn dazu nur gekommen? Hast du dich irgendwie verletzt?" Serrana ließ sofort einen besorgten Blick über Axilla gleiten. Auf den ersten Blick sah man nichts, aber der Eindruck konnte ja auch trügen...

  • “Wie soll ich das meinen?“ fragte Axilla mehr als nur ein bisschen verwirrt zurück. Natürlich war es keine Absicht gewesen. Glaubte Serrana denn, es wäre Absicht gewesen? “Gut, ich war nicht ganz unschuldig daran, aber ich war verliebt, und die Situation damals war so... ich meine, er hätte ja nicht müssen. Er ist – ähm, war, mein ich – älter als ich und hatte schon Erfahrung und er wusste ja auch ganz genau, was passieren würde. Und Wein hatte ich auch getrunken, und... hui, der Wein in Ägypten, also, der ist sehr stark. Und... da ist es halt passiert. Aber das war keine Absicht und nicht geplant“, rechtfertigte sie sich vor ihrer Cousine. Das war ihr so peinlich, das zuzugeben, auch wenn an und für sich nichts verwerfliches daran war. Natürlich hatten die Männer es gerne, wenn sie die ersten bei einer Frau waren, aber Jungfräulichkeit war bei Weitem kein Muss, auch nicht für eine Frau, die zum ersten Mal heiratete. Es war mehr sowas wie ein kleiner Pluspunkt. Trotzdem schämte sich Axilla dafür, dass sie nicht tugendhafter gewesen war und kratzte sich verlegen am Arm.


    Zum Glück fragte Serrana auch gleich noch etwas zu Vala, auf das sie auch erst einmal ausweichen konnte. Der junge Germane, der im Moment durch ihre Tagträume spukte, war ein weitaus angenehmeres Thema.
    “Naja, eigentlich hab die meiste Zeit ich geredet. Ich glaube, ich habe ihn ganz schön zugetextet, aber ich plappere, wenn ich nervös bin. Und ich glaub, so nervös war ich in meinem ganzen Leben noch nicht wie da auf dem kurzen Weg.“
    Als Serrana sie nach Verletzungen fast absuchte, musste Axilla dann lachen und schüttelte den Kopf. “Nein, ich bin nicht verletzt. Wir haben nur ein bisschen gestritten, und weil es ihm nicht schnell genug ging, hat er mich kurzerhand hochgehoben. Ich hab ihm gesagt, dass er mich runterlassen soll, hab ihn sogar angebettelt, aber er hat mich bis fast vor die Haustür getragen, ohne Widerworte zuzulassen.“ Axilla bekam wieder dieses verklärte Lächeln nicht aus dem Gesicht. “Irgendwie ist das so unendlich süß“ schwärmte sie, während sie das alles durch eine mehr als rosarote Brille nochmal rekapitulierte.

  • Und dann fiel der Sesterz doch noch...nicht allzu schnell, das nicht,aber er fiel.
    Serrana hörte Axilla noch eine ganze Weile in leicht verwirrter aber dennoch entspannter Ahnungslosigkeit zu, bis sich durch deren Worte das Puzzle schließlich soweit zusammengesetzt hatte, dass selbst sie dessen Inhalt endlich zur Kenntnis nehmen musste.


    "Willst du damit etwa sagen, dass du...ähm...dass ihr....also ich meine, dass ihr DAS getan habt?" stotterte sie mit einem letzten bisschen Hoffnung, Axilla vielleicht doch falsch verstanden zu haben. "Aber dieser...dieser Mann muss doch gewusst haben, dass du als unverheiratete Frau noch nie...ähm, also, du weißt schon. Wie konnte er denn nur?" Serranas ungläubige Fassungslosigkeit wandelte sich immer mehr in Wut auf den unbekannten Verführer. Ihre arme Cousine war zweifellos schamlos getäuscht worden, ja, genauso musste es gewesen sein! "So ein elender, widerlicher, alter Lustmolch!" stieß Serrana zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Wie gut für ihn, dass er in Ägypten ist und ich ihn nicht kenne, sonst würde ich jetzt sofort zu ihm gehen und ihm vor die Füße oder woandershin spucken, das schwöre ich dir!" Mittlerweile hatte sie sich richtig in Rage geredet, aber da der Missetäter ganz offensichtlich in weiter und sicherer Ferne weilte, blieb Serrana nichts anderes übrig, als ein paarmal tief Luft zu holen, und darauf zu warten, dass sich ihre Aufregung allmählich wieder legte. Arme Axilla, was für eine schreckliche Geschichte...


    Diesmal half nicht einmal mehr das Zauberwort "Vala", denn ein bestimmter Satz ihrer Cousine ließ bei Serrana gleich erneut die Alarmsirenen schrillen.


    "Was meinst du mit "es ging ihm nicht schnell genug"? hakte sie äusserst misstrauisch nach. "Hat dieser Kerl etwa auch ...so etwas versucht?"

  • Was hatte Serrana denn auf einmal? Ganz verwundert sah Axilla zu, wie die Cousine sich immer mehr in Rage redete. Vorhin war doch noch alles in Ordnung gewesen? Sie hatte es doch schon vor etlichen Minuten mehr oder minder zugegeben? Oder...? Verdammt! Hätte ich mal bloß die Klappe gehalten!
    Axilla dämmerte, dass sie und Serrana gerade die ganze Zeit aneinander vorbei geredet hatten. Und dass die Cousine erst jetzt so wütend war, weil sie erst jetzt verstanden hatte. Am liebsten wollte Axilla im Boden versinken, ganz tief, und nicht mehr auftauchen. Ihre Wangen glühten und sie betrachtete sehr inständig den Boden des Atriums.
    “Naja, er wollte halt auch, und... ich wollte ja auch... und so alt ist er ja auch nicht...“, murmelte Axilla mehr zu sich selber, während Serrana sich mehr und mehr hineinsteigerte. Bei der Cousine hörte es sich ja fast an, als habe sie ein 50jähriger Butalo vergewaltigt, aber das stimmte ja ganz und gar nicht. Sie hatte ja ihren guten Teil dazu beigetragen, hatte Silanus ja beinahe schon darum angebettelt in ihrer Verliebtheit. Und so falsch es gewesen war, wirklich bereuen konnte Axilla es nicht. Aber zum Glück wusste Serrana nicht, dass es Silanus war. Axilla schaute nur einmal kurz erschrocken hoch, als die Cousine meinte, sie würde ihm ins Gesicht spucken.
    Und auch bei Vala reagierte sie noch ähnlich entrüstet und heftig, so dass Axilla gleich abwehrend die Hände hob. “Nein, nein, ganz und gar nicht! Überhaupt nicht! Wir haben ja sogar nur deshalb gestritten, weil ich einfach seine Hand ergriffen hatte. Er hat nichts versucht! Nichtmal, mich zu küssen.“ Axilla schüttelte bekräftigend den Kopf, so dass sich eine weitere Haarsträhne aus ihrer Frisur löste und ihr halb ins Gesicht fiel, bis Axilla sie nonchalant hinters Ohr strich.
    “Ich wünschte, er hätte es“, gab sie jetzt deutlich ruhiger zu und sah dabei einmal kurz zu Serrana auf. Ach, jetzt war es sowieso egal, was Serrana von ihr dachte, jetzt war es schon gesagt, da konnte sie es sich auch endlich mal richtig von der Seele reden, wo ihr ganzer Körper es doch sowieso hinausschreien wollte. “Du weißt ja gar nicht, wie das ist, Serrana, du kannst das ja gar nicht wissen. Aber jede Faser meines Körpers schreit nach ihm. Und er... er war einfach nur... er hat nicht einmal versucht, mich zu berühren oder irgend etwas. Er hat sich edler verhalten, als sonstjemand.“ Resignierend ließ sich Axilla wieder gegen die Wand, an der sie ohnehin standen, sinken, und schlug leicht den Kopf einmal dagegen, so dass ein dumpfes Geräusch durch ihren Kopf hallte. “Er ist einfach nur... perfekt...“ Und sie war so unendlich in ihn verknallt.

  • Wirklich fassen konnte Serrana immer noch nicht, was Axílla ihr da gerade offenbart hatte. Ihr selbst war die mehr als strenge Erziehung ihrer Großmutter derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie vor allem im Bereich von Sittsamkeit und Moral bislang immer in Schwarz-Weiß-Kategorien gedacht hatte. Ihre momentane Verliebtheit hatte diese Vorstellungen bereits ein wenig ins Wanken gebracht und Axillas Geschichte gab ihnen nun den Rest. Nach allem, was Laevina ihr im Laufe der Jahre eingetrichtert hatte, müsste sie die Handlungsweise ihrer Cousine doch eigentlich rigoros verurteilen, aber irgendwie konnte sie das gar nicht. Nein, Axilla war ein guter Mensch, das spürte Serrana ganz deutlich, und daher konnte sie in ihren Augen auch nicht wirklich etwas Schlimmes oder Verwerfliches tun.


    "Ich verstehe nur nicht, dass du nicht...also, dass du vorher nicht ein bisschen darüber nachgedacht hast." sagte sie dann verzweifelt und sah Axilla fast ein wenig flehend an. Ob es wohl am Wein gelegen hatte? Das war vermutlich die beste Erklärung..."Ich meine was sollen denn die Leute denken, wenn es jemals jemand herausfindet? Oder bist du davon ausgegangen, dass ...dieser Mann dich heiratet, und er hat es einfach nicht getan?" Serrana spürte, wie neue Wut in ihr aufstieg und sie ballte instinktiv die Hände zu Fäusten, als sie an den Unbekannten dachte.


    Dass Duccius Vala sich in dieser Hinsicht offenbar anständiger verhaltenen hatte, beruhigte sie dann wieder ein bisschen, auch wenn ihr die schwärmerischen Worte ihrer Cousine zu denken gaben. "Nein, das weiß ich vermutlich wirklich nicht." sagte sie leise und zu ihrer eigenen Überraschung ein wenig betrübt. Zwar begann auch sie mittlerweile Veränderungen in ihrem Körper und seinen Empfindungen festzustellen, die ihr zumindest eine Ahnung verschafften, wie schön das Zusammensein mit einem Mann sein konnte, aber soweit gingen ihre Erfahrungen dann doch noch nicht. Dass Duccius Vala ein attraktiver Mann war, war ja sogar ihr seinerzeit aufgefallen.


    "Naja, ich weiß nicht, ob er wirklich perfekt ist, dein Vala..."sagte sie dann mit einem schiefen Lächeln und streichelte dabei versöhnlich über Axillas Hand. "Aber er sieht auf jeden Fall gut aus, da gebe ich dir Recht. Und ich hoffe wirklich und wünsche es dir von ganzem Herzen, dass er diese hohe Meinung auch verdient.."

  • Ja, wenn Serrana Axilla besser kennen würde, würde sie sich vermutlich nicht darüber wundern, dass diese nicht besser nachgedacht hatte. Das war ja Axillas Problem. Sie dachte so gut wie nie über die Folgen ihrer Handlungen nach. Einige hielten das für bewundernswerten Mut, andere für abgrundtiefe Dummheit. Axilla wusste nicht einmal zu sagen, wo zwischen beidem der Unterschied lag. Aber Fakt war einfach, dass sie im Handeln schneller war als im Nachdenken.
    “Er hätte ja... aber“ Bei den Göttern, wenn sie das erzählte, dann verachtete Serrana sie sicher! Axilla sah weg und blickte in den Raum hinein, weil sie den Blick aus den Augen ihres Gegenübers nicht sehen wollte. “Ich hab nein gesagt. Das wäre... das wäre wirklich eine Schande für die Familie gewesen, und für seine Karriere das aus. Nein, das... das ging einfach nicht.“
    Dann trug lieber sie die kleine Schande, wenn es herauskam, als die große Schande, dass sie innerhalb der Familie geheiratet hatte, noch dazu so, dass es gerade so eben vom Gesetz erlaubt wäre. Nein, das hätte viel schlimmeres Gerede gegeben.
    “Und es weiß ja keiner außer dir und mir... und eben... du weißt schon.“ Silanus, Timos und letzterdings Archias... “Und ich hab ja nicht vor, bacchische Feste hier in der Casa zu geben und mich jedem an den Hals zu werfen. Das war... ein wunderbarer Fehler. Aber ich geh ja nicht rum, und erzähle das!
    Und... ich meine... es ist nicht gut. Und wehe du machst das mit deinem Senator, ehe er dich geheiratet hat!“
    Drohend hob Axilla den Zeigefinger und sah Serrana nun doch wieder an. “Aber so schlimm ist es nun auch nicht, wenn eine Frau keine Jungfrau mehr ist. Ich will ja nur heiraten und nicht Vestalin werden.“
    Es gab ja immerhin sogar Männer, die lieber Witwen oder geschiedene Frauen heirateten als junge Mädchen, weil bei denen die Fruchtbarkeit schon feststand. In einer Ehe ging es ja primär um Nachwuchs und sekundär dann um Macht. Jungfräulichkeit war ein augustinisches Ideal, wie die Univira, die nur einmal verheiratete Frau. Die Wirklichkeit sah aber doch meistens anders aus.

  • Kaum hatte Serrana nach Axillas unglaublichem Geständnis ihre Gedanken wieder einigermaßen geordnet, da stürzte sie eine neue Bemerkung direkt in die nächste komplette Verwirrung.


    "Wie jetzt?" Ohne, dass Serrana es merkte, wurde ihre Stimme jetzt wieder etwas schärfer."Er hat dir angeboten dich zu heiraten, und du hast abgelehnt? Ich dachte, du warst in diesen Mann total verliebt!" Sie schüttelte ungläubig den Kopf, hörte jedoch sofort damit auf, als Axilla ihr den Grund für ihre Weigerung nannte.


    "Und was heisst hier 'eine Schande für die Familie'? Für seine oder für unsere? Dass dieser Sittenstrolch sich nach so einem Verhalten noch Gedanken um den Ruf seiner Familie macht, ist ja wohl unfassbar! Der hätte doch wohl froh sein können, dass er dich überhaupt bekommt..."


    Da Serrana gerade so im Schwung war, hätte sie wohl noch eine ganze Weile so weitergewettert, aber Axillas unglücklicher Gesichtsausdruck hielt sie dann doch davon ab und brachte sie auf einen ganz anderen Gedanken. "Oder meinst du etwa für unsere Familie?" fragte sie jetzt etwas behutsamer. "Aber warum sollte eine Liebesheirat eine Schande sein? Es sei denn..." Serranas Gesichtsausdruck nahm wieder an Besorgnis zu,"....es sei denn, dieser Mann war nicht standesgemäß. War er vielleicht zu arm, oder stimmte etwas mit seiner Familie nicht? Oder war er etwa nur ein Peregrinus?" Du liebe Güte, allein die Vorstellung, dass Axilla etwas mit einem Mann angefangen hatte, der nicht mal römischer Bürger war, war ja schon schrecklich...


    Und ob es wirklich nicht so wichtig war, wenn eine Frau bei der Eheschließung keine Jungfrau mehr war? Naja, vermutlich kam es wirklich auf den entsprechenden Ehemann an, und so wie sie Axilla mittlerweile kannte, würde sich ihre Cousine wohl kaum einen sittentstrengen und hochmoralischen Gatten aussuchen...

  • Ja, sie war in Silanus verliebt gewesen. Auch wenn sie jetzt, wo sie so in Vala verschossen war, sich fragte, ob das wirklich so gewesen war, war dieses Gefühl jetzt doch um ein vielfaches brennender und bei weitem nicht so verklärt. Aber es gab Dinge, die waren wichtiger als Liebe. Von Liebe allein konnte man nicht Leben. Liebe gab Kindern keine Zukunft. Liebe ermöglichte einem nicht ein Leben in einem sicheren Haus mit eigenen Sklaven. Es gab einen Grund, warum die Philosophen meinten, dass jede Liebesheirat per se verwerflich sei.
    “Unsere Familie“, meinte Axilla, der das gedachte 'beides' schon auf der Zunge gelegen hatte. Aber sie würde Silanus nicht verraten, und sehr viel Auswahl hätte diese Antwort nicht gelassen. “Und er war Soldat.“ Mehr oder weniger stimmte das sogar. Gut, mehr weniger, aber auch Tribune waren Soldaten. Auch wenn diese heiraten durften. “Und das ging einfach nicht. Das wäre eine unendliche Schande gewesen, für uns beide. Das... nein, das ging nicht.“
    Gut, dass Serrana nichts von Timos wusste, da hätte sie sich wohl noch viel mehr aufgeregt. Immerhin hatte der gutaussehende Grieche sie erst abgefüllt und dann auch noch mit Opium berauscht, ehe er sie in sein Bett geführt hatte. Das sollte sie besser niemals erzählen.


    Als Axilla aufschaute und der empörten Cousine wieder in die Augen schaute, musste sie doch einmal Schmunzeln. Anscheinend musste man nur die richtigen Themen anschneiden, und Serrana bewies, dass in ihr durchaus iunisches Blut schlummerte. Ganz verbergen konnte man das wohl nicht, auch wenn Serranas Großmutter die Cousine sonst recht still und genügsam hatte werden lassen.
    “Aber jetzt ist es ohnehin egal. Ändern kann ich es nicht mehr.“ Axilla hoffte, damit Serrana ein wenig von ihrer Wut abzubringen, auch wenn sie ohnehin schon viel ruhiger zu sein schien. Aber Axilla wäre nicht Axilla, wenn sie nicht noch ein freches Grinsen obendrauf setzen würde. “Jetzt weiß ich wenigstens, was mich erwartet, wenn sich irgendwann mal jemand geeignetes findet.“

  • Inzwischen war eine derartige Sammlung von möglichen Schreckensszenarien vor Serranas innerem Auge vorbeigezogen, dass sie fast schon vor Erleichterung aufatmete, als Axilla zugab dass ihre heimliche Affaire "nur" ein Soldat gewesen war. Und in einem Punkt hatte ihre Cousine Recht: ändern konnte man jetzt ohnehin nichts mehr.


    "Das tut mir wirklich sehr leid." sagte Serrana mitfühlend, und wieder verrauchte ihre Empörung recht schnell angesichts von Axillas offensichtlicher Zerknirschtheit. "Das ist sicher schwer für dich gewesen, wo er dir doch so viel bedeutet hat. Aber dann ist es auch umso besser, dass du jetzt in Rom und nicht länger in Ägypten lebst. Auf die Weise, besteht wenigstens keine Gefahr, dass du ihn nochmal wiedertriffst und du kannst ihn in aller Ruhe vergessen."


    Zu ihrer großen Erleichterung wirkte Axilla allmählich nicht mehr ganz so betrübt, erst sah man ein Schmunzeln auf ihrem Gesicht und dann grinste sie sogar. Serrana lächelte automatisch mit, aber als der Sinn von Axillas Worten dann bei ihr ankam, biss sie sich ein wenig verlegen auf die Unterlippe.


    "Stimmt, in diesem Punkt hast du mir eindeutig etwas voraus. Ich kann mir das bislang, ehrlich gesagt, gar nicht richtig vorstellen."

  • Axillas Gesichtsausdruck wurde bei Serranas Worten kurz etwas gequält, war der betreffende Mann doch hier und nicht in Ägypten. Vergessen war da noch ein wenig schwerer, als es ohnehin schön wäre.
    “Ach, eigentlich bin ich darüber schon hinweg. Das war... vor fast zwei Jahren!“ Bei den Göttern, schon so lange? Aber tatsächlich, sie würde im Frühjahr schon 18 werden. Die Zeit verging wie im Fluge, wenn man jung war und seinen Spaß hatte, wie es schien. “Sonst könnt ich wohl kaum hier stehen und mit dir über Vala so schön tuscheln.“ Und jetzt war Axilla eindeutig über ihre Traurigkeit und Zerknirschtheit hinweg, denn ihre Stimme hatte schon wieder diesen verschwörerischen Unterton wie zu Beginn ihres Gespräches über die holde Männlichkeit. Sie erinnerte sich an eine Aussage von Serrana von vorhin und musste wieder noch breiter lächeln. “Und er sieht wirklich gut aus...“, schwärmte sie schon wieder und dachte an den flüchtigen Blick, den sie auf seinen nackten Körper gehabt hatte. Auch wenn sein Körper von Narben gezeichnet war und er insgesamt doch recht hager war, für sie war er einfach nur perfekt. Sie hatte vor den Narben keine Angst, im Gegenteil, sie faszinierten sie über die Maßen und gaben ihr ein seltsames Gefühl von Sicherheit. Er hatte gekämpft und wusste, sich zu verteidigen. Folglich wusste er auch, sie zu verteidigen. Und das machte ihn für Axilla mehr als nur ein bisschen attraktiv.
    Erst jetzt bemerkte Axilla, dass Serrana doch etwas zurückhaltender und unsicherer geworden war, ja beinahe zerknirscht. Und auch erst jetzt kam ihr der letzte Satz der Cousine so richtig ins Bewusstsein. Axilla öffnete kurz den Mund, um etwas zu sagen, ließ es dann aber doch. Kurz überlegte sie, was sie dazu sagen sollte.
    “Naja, sieh es mal so. Wenn dein Senator dich dann mal so richtig gefragt hat und der Termin steht, kennst du jetzt jemanden mehr, den du dann fragen kannst, was da so passiert.“ Axilla hatte beschlossen, es wie üblich auf die leichte Schulter zu nehmen. Ernst sein konnte man auch noch, wenn man alt war und ohnehin nichts besseres zu tun hatte.

  • "Oh, das ist schon zwei Jahre her?" fragte Serrana überrascht. "Dann warst du ja so alt wie ich jetzt als du...ähm, als es passiert ist." Ein komischer Gedanke eigentlich, denn im Grunde bedeutete er ja nichts anderes, als dass sie selbst mittlerweile offenbar auch alt genug war um mit einem Mann zu schlafen. Serrana spürte, wie sie bei dieser Überlegung allmählich rote Ohren bekam, und diesmal waren Axillas Schwärmereien von Valas optischen Vorzügen auch nicht wirklich eine Ablenkung.


    "Ja, ähm..., das ist ein sehr nettes Angebot." murmelte sie mit wachsender Verlegenheit. Du meine Güte, sie hörte sich ja an, als würde sie sich für die Einladung ins Theater bedanken...


    "Aber, ...ähm...angenommen, er fragt mich nicht oder vielleicht erst in ein paar Jahren, würdest du...mir...ähm...dann vielleicht trotzdem mal was ....darüber erzählen?" Oh, was war das peinlich! "Denn weißt du, eigentlich kenne ich ausser dir keine, die bereits ...äh, du weißt schon, oder zumindest hat mir keine was davon erzählt. Da müsste ich schon Großmutter fragen....und,...oh ihr Götter, das möchte ich mir lieber gar nicht vorstellen...." Serrana traute sich jetzt nicht mehr, ihrer Cousine in die Augen zu schauen und nestelte nervös an ihrem Armreifen herum. Bislang hatte sie sich mit diesem Thema eigentlich nie beschäftigt, aber so ganz allmählich wurde sie doch ein wenig neugierig.

  • Seltsam, wie sich die Wahrnehmung verschob, wenn man selbst betroffen war. Axilla war ja noch nie ein Ausbund an Tugend und Zurückhaltung gewesen, aber trotzdem fiel ihr erst jetzt auf, wie schlimm es wohl war, auch nur darüber zu sprechen, wobei es ihr gar nicht so schlimm vorkam. Sie hielt sich nicht für einen bösen Menschen, nicht im eigentlichen Sinne, konnte also folglich auch nicht wirklich etwas böses tun. Aber bei Serrana klang es nun doch schon sehr verrucht, wie sie betonte, dass „Es“ geschehen war.
    Axilla grübelte gerade noch darüber nach, ob sie vielleicht doch einfach unmoralisch und verdorben war, ja, ob vielleicht sogar die Ansichten ihrer Zeitgenossen recht haben mochten und Alexandria ein Moloch der Lasterhaftigkeit und der Ausschweifungen war und deshalb die Bewohner dort verdarb, als Serrana sie dann doch überraschte. Axilla stutzte kurz und überlegte, ob sie auch gerade richtig gehört hatte. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass Serrana gesagt hatte, was sie gesagt hatte.
    “Also, ich glaube nicht, dass er noch so lange warten wird. Da wär er ja schön blöd, immerhin bist du ja im richtigen Alter und unsere Familie hoch angesehen. Wer sagt ihm denn, dass du keinen anderen heiratest, wenn er dich so lange schmoren lässt?“ Axilla versuchte, ihre Überraschung hinter einem kleinen Scherz auf Kosten des Germanicers zu verstecken, aber so wirklich lustig klang sie dabei nicht. Auch das freche Zwinkern täuschte nicht über ihre fragenden Augen hinweg.
    “Ähm... also, ich weiß nicht, was ich dir da erzählen soll? Ich meine... was willst du denn wissen?“ Axilla wusste ja ncihtmal, ob sie alle Fragen beantworten konnte, gab es doch auch einiges, was sie selbst nicht wusste. Und sie konnte ja auch nur von ihren Erfahrungen sprechen.

  • Kaum hatte Serrana ihre Bitte geäussert, da wünschte sie schon, sie hätte sie sich verkniffen. Wie hatte sie denn nur auf so eine Idee kommen können? Andererseits, wer wusste schon, wann sich wieder die Gelegenheit zu so einem Gespräch ergeben würde. Und auch wenn dieses Thema in Serranas Fall noch nicht allzu akut war, würde es das doch irgendwann in näherer oder weiterer Zukunft vermutlich werden. Ausserdem hatte sie sich jetzt eh bereits aus dem Fenster gehängt, da würde es Axilla vermutlich eher seltsam finden, wenn sie plötzlich doch wieder das Thema wechselte.


    "Nun ja, so ganz furchtbar viel wirst du mir wahrscheinlich eh nicht erzählen können nach dem einen Mal...." begann Serrana ein wenig stockend und ohne den Blick von ihrem Armreifen zu nehmen, der auch weiterhin seine Runden um ihr Handgelenk drehte.


    "Aber weisst du, ich hab mal heimlich die Freundinnen meiner Großmutter belauscht, als die bei ihr zu Besuch waren. Und die haben alle nur darüber gejammert, wie furchtbar es ist, mit ihren Männern... ähm du weißt schon, und dass es vor allem am Anfang ganz schrecklich war....Naja, und das macht mir irgendwie ein bisschen Angst..."
    Jetzt hob Serrana doch den Blick und sah Axilla mit einer Mischung aus Unsicherheit und Hoffnung an. Jetzt, wo sie nochmal über die besagte Unterhaltung jener Damenrunde nachdachte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sich ihre Großmutter dabei sehr bedeckt gehalten hatte. Komisch eigentlich, denn normalerweise stieg Laevina immer mit Feuereifer in jede Klagerunde mit ein...


    "Deshalb wüsste ich gern, ob du es überhaupt nochmal tun würdest,...also ähm...auch wenn du nicht musst....du weißt schon, was ich meine..." Mittlerweile war Serranas Gesicht wieder dunkelrot angelaufen, aber Axilla schien ja, den Göttern sein Dank, bei diesem Thema nicht ganz so verklemmt zu sein wie sie selbst, also gab es durchaus Hoffnung auf eine Antwort, die vielleicht ein bisschen Licht ins Dunkel bringen würde.

  • Während Axilla endlich ruhiger wurde, wurde Serrana wieder nervöser. Ständig nestelte sie an ihren Armreifen herum, so dass es Axilla fast in den Fingern juckte, diese auch einmal zu berühren um zu fühlen, was damit denn sei. Zum Glück lenkte sie das aber nicht so sehr ab, dass sie Serrana erzählt hätte, dass es doch ein paar Mal mehr als ein Mal waren, und auch mehr als ein Mann mittlerweile. Aber irgendwelche Gewissensbisse hatte Axilla da nicht. Sie war nicht verheiratet, musste also niemandem treu sein. Und sie war, wenn sie jemandem ihre Zuneigung geschenkt hatte, diesem auch absolut treu gewesen, und zwischen den betreffenden Herren war auch immer einiges an Zeit verstrichen. Sie sah also eigentlich nichts, wessen sie sich schämen müsste, weil sie unehrlich gehandelt hätte. Sie besaß vielleicht nicht die Tugend der Keuschheit, die der Loyalität allerdings sehr wohl.
    Allerdings sah Serrana – wie wohl viele Römer – das etwas anders, so dass Axilla es ihr nicht auf die Nase binden musste. Die Cousine hatte jetzt wahrscheinlich sowieso schon eine gespaltene Meinung zu ihr, das musste sie nicht noch verstärken.
    “Ähm, also... wollen wir uns vielleicht einen Augenblick setzen?“ Axilla deutete auf eine der Bänke hier an der Wand und setzte sich hin, darauf wartend, dass Serrana es ihr gleich tat. Aber sowas besprach man besser im sitzen, hatte sie das Gefühl.
    “Also, das ist... schwierig. Weißt du... also, das erste Mal tut es weh. Egal, wie einfühlend und vorsichtig der Mann ist, es wird weh tun. Aber nur kurz.“ Zumindest war das bei ihr so gewesen, und war wohl nach allem, was sie gehört hatte in getuschelten Gesprächen der Sklaven oder anderswo wohl normal. “Und es fühlt sich... fremd an. Also, nicht unbedingt schlecht, aber... also, am Anfang war ich schon sehr verwirrt. Wenn er sich.. also... in dir bewegt, das ist... fremd.“
    Axilla überlegte, wie sie ihrer Cousine die Wahrheit sagen konnte, ohne ihr Angst zu machen. Und ob sie ihr nicht vielleicht Angst machen sollte.
    “Also, weißt du, die meisten Männer... also, die kennen es nur mit ihren Sklavinnen, und... also, die sind deshalb nicht sehr zärtlich. Und wenn es dann sehr schnell geht, und du grade nicht willst, dann kann es schon... ähm, weh tun. Von daher haben die Freundinnen deiner Großmutter vielleicht solche Männer?“
    Gut, das war wieder ein Punkt für die Angstmachen-Seite. Aber wenigstens wusste Serrana, wie es funktionierte, so dass Axilla nicht bei den Blümchen und den Bienchen hatte anfangen müssen. DANN hätte sie wohl erst Recht jetzt Angst gehabt.


    Axilla kaute kurz auf ihrer Unterlippe und überlegte. “Du musst mir auf Iuppiters Stein schwören, dass du das folgende niemals jemandem verraten wirst, und dass du deshalb nichts dummes tun wirst, erst recht nicht, bevor du zumindest verlobt bist“, sagte sie schließlich streng, als sie zu einer Entscheidung gekommen war.

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