• Nein, Urlaub wäre nicht unglaublich. Schön, aber nicht unglaublich. Dem Ordo Equester anzugehören und diese Zugehörigkeit an das Kind weitergeben zu können, nicht mehr Tag und Nacht in der Castra verbringen zu müssen, ein eigenes Landgut zu besitzen, bei Einsätzen nicht mehr in der vordersten Reihe den Kopf zu riskieren und oben drauf das Doppelte an Sold zu erhalten … das war unglaublich! Und außerdem mehr als er je zu träumen gewagt hätte, seit er damals Sibel geheiratet und beschlossen hatte, seine Karriere hintan zu stellen. Dass seine Frau den wahren Grund für seine Freude nicht erriet, verwunderte ihn absolut nicht, Avianus wäre ja selbst nie darauf gekommen. So schenkte er ihr nur erneut ein Lächeln, als sie ihm hoffnungsvoll entgegenblickte. Bereits die Vorstellung, man könnte ihm ein wenig Urlaub gewährt haben, verschlug ihr fast die Sprache und dabei ahnte sie gar nicht, welche Neuigkeiten sie tatsächlich erwarteten, so genügsam und bescheiden wie sie stets war und sich selbst über die kleinsten Dinge freute.
    "Nein … besser. Viel besser", entgegnete er und setzte sich neben Sibel wieder auf einen der Sessel, bevor er endlich seine Überraschung verkündete: "Es ist so: Decimus Livianus hat mit dem Augustus persönlich über mich gesprochen. Dabei hat er eine Erhebung in den Ordo Equester für mich bewirkt und lässt mir ein Landgut im Süden Italias zukommen. Und anschließend werde ich bei den Cohortes Urbanae nicht mehr in den Mannschaften dienen sondern im Stab als Tribunus", erklärte er, nahm unterdessen ihre Hand in seine und strich ihr mit dem Daumen sanft über den Handrücken. Noch dazu ging es Sibel und dem Ungeborenen gut, wie die Obstetrix gesagt hatte, sodass seine Sorge um sie wieder ein Stück weit in den Hintergrund gerückt war. Dieser Tag konnte gar nicht mehr besser werden. Ein entschuldigendes Lächeln und ein knappes Nicken ließ er Vitulus zukommen, der sich in dieser Situation wie das fünfte Rad am Wagen fühlen musste, und wandte sich wieder seiner Frau zu.
    "Na? Hab ich zuviel versprochen?", fragte er. Sowie er geendet hatte, ließ er sie auch nicht mehr aus den Augen, denn keine Sekunde ihrer Reaktion wollte er verpassen, wenn sie realisierte, dass das Kind nicht die einzige gewaltige Veränderung wäre, die in den nächsten Tagen auf sie zukam.

  • Was konnte denn besser sein, als ein bisschen mehr Zeit zu zweit, beziehungsweise schon bald zu dritt zu verbringen? Sibel hätte sich nie im Leben mehr vorstellen können, denn für ihren Teil hatten sie beide schon weitaus mehr erreicht, als das, was sie sich hatte jemals erträumen können.
    Avianus nahm zunächst neben ihr Platz. Ja, vielleicht war es wirklich besser, wenn sie beide saßen, bevor er endlich seine Neuigkeiten verkündigte. Schon der erste Satz versetzte Sibel in großes Erstaunen. Schließlich kam es nicht jeden Tag vor, dass sein Vorgesetzter mit dem Kaiser persönlich über ihn sprach. Doch was dann folgte, ließ sie einfach nur noch sprachlos werden. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Offenbar hatten die Götter ihren guten Tag gehabt, denn wie hätte sie es sich sonst erklären können, dass sie plötzlich so sehr in ihrer Gunst standen.
    „Tribun? Du bist nun ein Tribun?“ Langsam schien sie wieder ihre Sprache zu finden. „Und ein Landgut im Süden?“ Wie viele Jahre waren bereits vergangen, seitdem sie damals Misenum den Rücken gekehrt hatte? Auch wenn sie dort unfrei gewesen war, die Landschaft um den Golf von Neapolis hatte ihr besonders gut gefallen. Und über allem hatte drohend der Vesuvius gethront. In ihrem Blick schwang ein Hauch von Sehnsucht mit ehe sich endlich ein glückliches Lächeln einstellte. Sibel umarmte ihn vor Freude und küsste ihn. Die musste wahrhaftig ihr Glückstag sein. Wahrscheinlich war es während alldem sehr unhöflich Vitulus gegenüber, dass sie ihn derart ignorierten, doch der Moment war geradezu unbeschreiblich. „Nein, das hast du nicht!“, wisperte sie ihm zu und war einfach nur glücklich, in seinen Armen zu liegen.
    Zuerst nahm sie diesen Schmerz, der aus ihrem Inneren zu kommen schien, erst gar nicht richtig wahr. Dann aber begann sie tief zu seufzen. Aus ihrem Seufzer erwuchs ein Schrei. „Aulus!“, rief sie, erfüllt von Furcht. „Das Kind! Ich glaube, es kommt. Jetzt!“

  • Die Neuigkeiten trafen Sibel ebenso unverhofft wie ihn vor ein paar Stunden. Avianus strahlte sie an, während sie nur sprachlos neben ihm saß, und sah dabei zu, wie die Bedeutung seiner Worte langsam zu ihr durchsickerte. Noch war er ja nicht Tribun. Nicht ganz. In ein paar Tagen würde es dann soweit sein. Bevor er etwas sagen konnte, gewann endlich auch bei ihr die Freude Oberhand, sodass sie sich ihm um den Hals warf, ihn sogar küsste, was sich in der Gegenwart anderer Leute ja eigentlich nicht gehörte. Dass zwischen Sibel und ihm eigentlich nichts Standard war, hatten die restlichen Bewohner der Domus bereits bemerkt und Vitulus würde es dann wohl auch recht schnell lernen. Von solchen Dingen wollte er sich aber auf keinen Fall die Laune vermiesen lassen.
    Er lächelte also weiterhin, hatte die Arme um sie gelegt und würde abwarten, bis ihre Aufregung sich wieder gelegt hatte. Doch ganz so einfach sollte es heute wohl nicht werden. Erst Sibels Aufschrei ließ sein Lächeln verblassen. Er löste sich etwas von ihr und blickte sie mit großen Augen an. "Das Kind?" Jetzt gleich? Irgendwann muss es ja kommen, das wusste er, spürte aber, dass er nervös wurde, als er begriff, was da auf sie zukam. Mehr als deutlich konnte er aus Sibels Augen und Stimme ihre Angst herauslesen und er war sich sicher, was auch immer er jetzt tat oder sagte, er durfte nicht dieselbe Furcht zeigen.
    "Diiicon!", rief er laut genug, dass es durchs ganze Haus hallte und der Sklave irritiert aus einem der Nebenräume stolperte. Der blickte zwischen den Eheleuten hin und her und brauchte gar nicht lange, um sich zusammenzureimen, was gerade passierte, denn den Schrei der Liberta hatte er ebenfalls gehört.
    "Ich bin hier, Dom- ..."
    "Jemand soll zur Hebamme laufen und ihr sagen, dass das Kind kommt", unterbrach Avianus den Sklaven.
    "Das Kind? Das Kind … natürlich, Dominus."
    "Es ist alles gut, ja? Wir kriegen das schon hin", wollte er seine Frau irgendwie beruhigen, als er ihr von ihrem Sessel aufhalf. "Denkst du, du kommst die Treppe hoch, wenn ich dir helfe?" So genau wusste er ja nicht, wie das mit den Wehen war. "Sonst lassen wir hier unten einen Platz herrichten."

  • Sibel nickte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Der ziehende Schmerz schien zum Glück langsam wieder nachzulassen. Jedoch nach einigen Minuten kehrte er nicht minder stark zurück. Die allgemeine Aufregung und überstürzte Betriebsamkeit, die ihr Aufschrei ausgelöst hatte, verunsicherte sie noch dazu. Jetzt zweifelte sie daran, ob sie überhaupt noch ein Schritt tun könnte. „Nein, lieber keine Treppe!“


    Während einer der Sklaven loslief, um die Hebamme zu rufen eilte ein anderer geistesgegenwärtig davon, um eines der beiden Gästezimmer vorzubereiten, die in nächster Nähe zum Atrium lagen. Sibel selbst bekam von der Hektik um sie herum kaum noch etwas mit. Vielmehr war sie inzwischen mit sich selbst, ihren Ängsten und dem Kind beschäftigt, das sich offenbar nun auf den Weg gemacht hatte. Dabei schwang hauptsächlich die Sorge mit, was in den kommenden Stunden mit ihr und ihrem Kind passieren würde. Die Hebamme hatte sie stets aufgemuntert. Doch Sibel wusste genau, dass bei einer Geburt Freud und Leid ganz dicht beieinander lagen.


    Letztendlich wurde sie von einer Sklavin die in das vorbereitete Gästezimmer geführt, in dem die Hebamme bereits wartete. Dann schloss sich hinter den Frauen die Tür, um sie vor den neugierigen Blicken der zurückgebliebenen Männer im Atrium zu schützen.

  • [Blockierte Grafik: https://s12.directupload.net/images/201024/pih3vaoa.jpgAraros


    Im Atrium angelangt wurde Araros einen Moment lang unsicher. Sollte er dem Iunier zuerst etwas servieren lassen und dann erst Agricola holen oder umgekehrt? Wäre es nicht sogar passender, ihn im Tablinum warten zu lassen? Nein. Lieber nicht. Nicht aus einer eigenmächtigen Entscheidung heraus. Das sollte Agricola lieber selbst entscheiden. Der würde so oder so nicht begeistert sein, bei seinen Tagträumen gestört zu werden.


    Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte sich Araros an den Besucher.


    „Wenn du mich für einen Augenblick entschuldigen würdest, Herr. Ich werde Iunius Agricola sofort Bescheid geben.“

  • Pollio folgte Araros zügig nach und blieb dann auch im Halbdunkel schnell wieder stehen. Das Atrium war für ihn ein willkommener Anblick. All die Verzierungen und die Einrichtungsgegenstände imponierten ihm und auch der Grad der ersichtlichen Pflege, welche diesem Haus wohl widerfuhr entsprach seinem Geschmack.


    Flüchtig warf er, von den Eindrucken noch immer vollends eingenommen, einen Blick auf Araros und nickte merklich. Ein leuchten lag in seinen Augen.

  • In einem vitalisierenden Gemütsgemisch aus Neugier und Verdrießlichkeit kam Agricola hinter Araros in’s Atrium marschiert. Tiberius Iunius Pullo, den Namen hatte er noch nie gehört, was allerdings nicht das Geringste zu bedeuten hatte. Es gab gewiss noch weit mehr Iunier, von denen er noch nie etwas gehört hatte. Da stand er also, der iunische Besucher. Und ihm, Agricola, fiel es nun zu, Avianus und Axilla auf möglichst würdige Weise zu vertreten. Wenn das mal nicht in’s Subligaculum ging.


    Immerhin, der erste Eindruck, den der Fremde auf Agricola machte, war eigentlich recht positiv. Abgerissener als dieser Pullo war er selbst auch nicht hier angekommen. Athletisch war der Bursche, groß war er auch – der klassische Durchschnittsrömer.


    „Salve, Tiberius Iunius Pullo.“, lächelte Agricola durchaus freundlich, „Es ist mir eine Freude, dich ... “
    „Pollio.“ kam es räuspernd von Araros.
    „Was?“
    „Tiberius Iunius Pollio, junger Herr.“


    Agricola schluckte einen Fluch hinunter, Araros ein Grinsen.
    „Äh .. natürlich .. Iunius Pollio. Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen. Mein Name ist Agricola. Ich bin der Neffe von Tribunus Avianus. Tja ....“ Merklich verlegen klatschte Agricola in die Hände. „Dann also .. willkommen in der Domus Iunia. Das wenige, was ich persönlich für dich tun kann, bin ich gerne bereit, zu tun. Ähm ... darf ich dir etwas anbieten? Verdünnten Rotwein vielleicht? Oder kaltes Zitronenwasser?“

  • Pollio konnte sich ein sanftes Lächeln nicht verkneifen ob des kleinen Formfehlers und der energetischen Überflutung, welche von Agricola ausging. Er nahm sich einen kurzen Augenblick, um den Eindruck des jüngeren Iuniers in sich aufzunehmen. Er wirkte auf den ersten Blick symphatisch, vielleicht ein wenig schmächtig. In der Stadt mochte man aber vielleicht auch weniger mit körperlicher Arbeit in Berührung kommen. Von all dem Unabhängig war das Empfinden, zum esten Mal einem seines väterlichen Blutes gegenüberzustehen und Pollio war jetzt... eher nicht beeindruckt.


    Nichts desto Trotz erinnerte er sich flux an sein Anliegen, möglichst viel über seine Familie zu erfahren und dort war ihm letztlich auch Agricola mehr als recht. Dankbar nickte er dem Jüngeren zu und brachte ein etwas wackeliges "Vielen.. Dank. Gerne ein Zitronenwasser, Agricola" zu Stande.


    Nun stand er ein wenig verloren rum und wusste nicht so recht wie er sich am besten Verhalten sollte. Aber möglicherweise würde sich dies ja schlicht aus dem weiteren Verlauf ergeben.

  • Zitronenwasser also. Weise Entscheidung bei dem Wetter. Agricola nickte Araros kurz zu, worauf dieser auf leisen Sohlen entschwand. So. Das wäre das. Sich erneut nervös in die Hände klatschend suchte Agricola nach irgendeinem Faden, den er aufnehmen und an dem er sich notfalls festkrallen konnte. Die gemeinsamen Ahnen und ihre Geschichte würden sicher genügend Gesprächsfäden hergeben, sollte man meinen. Blöd nur, dass er sich da auch nicht übertrieben gut auskannte. Aber immer eines nach dem anderen. Zunächst mal galt es herauszufinden, wer genau dieser Iunius Pollio war, wo er herkam und vor allem, welchem Zweck sein Besuch diente. Und derlei besprach man üblicherweise nicht im Stehen. „Sehr schön. Nun stehen wir hier rum wie die Deppen.“ Agricola stieg ein gutmütiges Grinsen in’s Gesicht. „Komm Pollio, setzen wir uns.“


    Mit einer einladenden Geste wies er auf die kleine Sitzecke aus Korbsesseln und Marmortischlein in der südwestlichen Ecke des Atriums, stapfte voraus und ließ sich wohlig stöhnend in eines der extrem bequemen Sitzmöbel plumpsen.


    „Zuallererst möchte ich mich entschuldigen, Pollio. Mir ist schon bewusst, dass du lieber mit einem .. sagen wir mal .. etwas älteren Gensmitglied gesprochen hättest. Und was meine Erfahrung im Umgang mit Gästen betrifft ... hmja, was soll ich sagen .. du merkst es ja selbst. Vielleicht solltest erst einmal du ein wenig erzählen. Immerhin scheinst du weniger nervös zu sein als ich.“

  • Pollio folgte Agricola flinken Fußes. Er war froh über die Ungezwungenheit, mit welcher der jüngere das Gespräch anging. Dies verschaffte ihm Sicherheit, hatte er doch weniger das Gefühl, mögliche protokollarische Fehler würde gravierende Auswirkungen haben. Letztlich würde dies aber wohl noch auf ihn zu kommen, hatte er doch vernommen, dass einer seiner Anverwandten scheinbar sogar ein Tribun sei. Dies imponierte Pollio über alle Maßen.


    Pollio ließ sich schließlich, wenn auch weniger enthusiastisch, ebenfalls in eines der Sitzmöbel fallen und ließ die ganze Szenerie etwas auf sich wirken. Auch wenn die dann aus seinem Mund kommenden Worte ebenfalls einen unbefangenen Eindruck vermitteln sollten, waren sie doch wohlweislich gewählt:


    "Wie mir scheint, finden wir ineinander die passende Gesellschaft Agricola. Was euch an Erfahrung als Gastgeber fehlt, fehlt mir an Erfahrung als Gast. Bei uns auf dem Land nimmt man dies nicht all zu genau." Im Nachhinein könnte er sich für diese Wortwahl selbst schelten, könnte man ihm doch nachsagen, er sei ein Bauerntölpel.


    Er überlegte kurz, wie viele seiner Motive er an dieser Stelle bereits offen legen sollte, fand für sich jedoch keinen Anlass, vor einem Familienangehörigen Geheimnisse zu haben. "Nun ich bin der Sohn von Lucius Iunius Corona. Dies macht mich wohl zu einem Iunier. Ich habe aber meinen Vater, wie auch den Rest meiner... unserer Familie bisher nie persönlich kennengelernt. Alles was ich über ihn und euch weis... stammt aus Briefen. Briefe... die ich nun seit einigen Jahren schon nicht mehr erhielt." Er hielt kurz inne, um seine Gedanken zu sammeln und zu überlegen wie er fortfahren sollte.


    "Nun da ich zum Manne gereift, hielt ich es für angebracht, meine Familie zu suchen, um mehr über sie in Erfahrung zu bringen... und vielleicht auch etwas über den Verbleib meines Vaters zu erfahren. Dies führt mich hier her." Er sah mit einem grüblerischem Ausdruck zu Boden. All dies schien ihm sehr nahe zu gehen.

  • Während Pollio erzählte kehrte Araros leise in’s Atrium zurück. Gefolgt von Aesara, die fast lautlos einen Krug mit zwei Bechern auf das Tischlein stellte, einschenkte und wieder verschwand. Agricola nahm es nur am Rande wahr. Unter anderen Umständen hätte ihr Erscheinen umgehend einen veritablen Blutstau in seinen Lenden verursacht, diesmal aber nicht. Was Pollio da berichtete, riss auch in Agricola eine kaum verheilte Wunde auf. Wie zum Orcus kam es nur, dass die Iunier immer wieder ihren Nachwuchs im Stich zu ließen? Egoismus? Ignoranz? Wahrlich, er hielt große Stücke auf seinen Onkel Avianus, sollte der aber mit Lucius dereinst ähnlich verfahren, würde er mit seinem Neffen ein Problem bekommen. Ein gewaltiges Problem.


    „Verstehe.“, sagte er schließlich mit aufrichtigem Mitgefühl in der Stimme. „Schöner Mist. Du weißt also nicht einmal, ob dein Vater noch am Leben ist? Und deine Mutter? Ich meine .. hat er sie einfach sitzen gelassen oder die Ehe offiziell annulliert?“ Für einen zurückgelassenen Sohn machte das freilich keinen Unterschied, aber eine förmlich überreichte Scheidungsformel hätte vielleicht Rückschlüsse auf den Verbleib des Vaters erlaubt.

  • Pollio nahm die Bediensteten nur am Rande war, nickte ihnen aber freundlich und dankbar zu. Ein Getränk aber nahm er sich nicht. Er entschied darauf zu warten, dass Agricola diesen Schritt unternahm.


    Seine Gedanken kehrten aber schnell zu seiner Geschichte zurück. Ganz so wie es Agricola nämlich andeutete, verlief sie dann doch nicht. Zumindest glaubte dies Pollio, als er weiter erzählte: "Nun... mein Vater ging nach Rom um seine Ehre im Dienste der Cohortes Urbanae wieder herzustellen, nach dem er vorher wohl in den falschen Kreisen verkehrte. Er wollte wohl schon vor meiner Geburt an einer... Zukunft für meine Mutter und mich arbeiten."


    Er richtete seine Aufmerksamkeit kurz auf seine Umhängetasche, in der sich ein Teil der Briefe seines Vaters befanden. Diese holte er nun hervor und hielt sie wie einen kleinen Schatz in den Händen. "Er schrieb mir von seinen Taten in in der Cohortes und von seiner Aufnahme und schickte uns über Jahre auch einen Teil seines Soldes. Bis..." Nun stockte ihm die Stimme und er brach seinen Satz ab.

  • Bei der Erwähnung der Cohortes schäumte eine altvertraute Wut in Agricola hoch. Natürlich. Die Urbaner. Irgendwie schienen die Iunier von den Stadtkohorten angezogen zu werden wie die Schmeißfliegen von der Latrine. Ein nachträgliches Argument mehr für seinen längst gefassten Entschluss, wenn die Zeit reif dafür war, der Legio beizutreten.


    Zunehmend zornig lauschte er den weiteren Ausführungen Pollio’s und fühlte sich jäh beschämt, als der davon sprach, dass Iunius Corona jahrelang nicht nur Briefe sondern auch einen Teil seines Soldes nachhause geschickt hatte. Das war weit mehr Zuwendung als Regulus, sein eigener Vater, für angebracht gehalten hatte. Das Leben war wohl doch nicht so simpel wie er es sich im Dämmerlicht der Bibliotheca zusammen zu spinnen pflegte – gute Väter hier – schlechte Väter dort. Sein Vater war ein verantwortungsloser Mistkerl gewesen, soviel stand für Agricola nach wie vor fest. Dasselbe aber Pollio’s Vater zu unterstellen, wenn auch nur andeutungsweise und unbeabsichtigt, war ein Fehler gewesen, den er nun bereute.


    „Bis der Kontakt irgendwann endgültig abgebrochen ist .. stimmt’s?“, vervollständigte er Pollio’s Satz mit belegter Stimme. „Das tut mir leid, Pollio. Ich kann mir vorstellen, wie das für dich gewesen sein muss. Besser als du vielleicht denkst.“


    Eines war klar: Er musste Pollio helfen, und er wollte ihm auch helfen. Bloß wie? Möglicherweise ließ sich in der Bibliotheca etwas über Corona finden. Aber das würde dauern. Zumal Agricola noch immer nicht damit fertig war, alle Schriftrollen einigermaßen übersichtlich zu sortieren. Dass es so etwas wie eine durchgehende Familienchronik gab, durfte ohnehin bezweifelt werden. Die Arbeit musste sich erstmal jemand machen. Knifflig, das Ganze.


    Plötzlich ging ihm auf, dass es im Grunde alles andere als knifflig war. Was war er doch für ein Rindvieh! Da hätte er auch gleich drauf kommen können.
    „Wart mal, Pollio ..“, strahlte er den sichtlich angefasst wirkenden Iunier an, „.. wenn er bei den Cohortes Urbanae dient, haben die auch Unterlagen über ihn. Denen rutscht keiner durch den Rost. Sogar wenn er inzwischen seinen Abschied genommen hat, wird er sicher noch in irgend einem Verzeichnis geführt. Mein Onkel Avianus ist Tribunus der Urbaniciani. Der kommt garantiert an die Unterlagen. Wer, wenn nicht er?“


    Restlos begeistert und gänzlich befreit von jeglichem Groll schnappte sich Agricola seinen Becher, kippte einen kleinen Schwall des Zitronenwassers auf den Boden und erhob ihn dann mit freudigem Grinsen. „Auf die Macht der göttlichen Eingebung. Auf Iuno und die Zukunft.“

  • Pollio war nur bedingt geneigt, sich dem Enthusiasmus des Jüngeren anzuschließen. Dies lag jedoch nur wenig an diesem selbst. Pollio gehörte schon immer zu den nachdenklicheren, bedachten Menschen. Er honorierte aber dennoch dessen gedanklichen Einsatz. Auch wenn Pollio wohl zur Familie gehörte, war eine derartige Hilfsbereitschaft doch nicht selbstverständlich.


    Iuno, welche wohl als Schutzpatronin seiner Familie gelten mochte, war nur bedingt von größerer Bedeutung für ihn. Es war schon immer die Stärke und bei aller Launenhaftigkeit doch auch Fruchtbarkeit schenkende Hand des Mars, welche ihn eher anzog. Doch konnte er nicht verneinen, dass die Fürsorge unter den Angehörigen der Familie, ja vor allem wohl auch dieser Familie, auf die göttliche Mutter zurück gehen mochte.


    So war es ihm letztlich möglich, mit einem echten Gefühl der Berührung den Trinkspruch zu erwidern. So hob auch er seinen Becher, schenkte der Göttin was ihr gebührte und erwiderte: "Möge ihr Segen stets auf den Banden der Familie weilen."


    Wenn ein Mitglied der eigenen Familie bei der Cohortes ein wichtiges Amt bekleidete, waren die Chancen für Aufklärung wohl tatsächlich nicht schlecht. Pollio wurde angesichts dessen etwas leichter ums Herz.


    Als er am erfrischenden Zitronenwasser genippt hatte, wollte er die Gelegenheit gleich beim Schopf packen und mit seinen Nachforschungen beginnen. Auch wenn sein Gegenüber ein eher jüngeres Exemplar seiner Familie zu sein schien, konnte er wohl möglich dennoch zumindest etwas in Erfahrung bringen. "Agricola, bitte erzähle mir doch etwas über unsere Familie." Ehrliches Interesse lag in seinen Augen.

  • Die Familie? Agricola hatte Mühe, das Zitronenwasser, an dem er sich soeben verschluckt hatte, bei sich zu behalten. Etwas über die Familie sollte er erzählen? Ausgerechnet er? Na wunderbar. Mit ihm als Gesprächspartner hatte Pollio wirklich das große Los gezogen. Seit Monaten lauerte er nun schon auf einen passenden Augenblick, um seinem Onkel detailliertere Informationen über die Iunii zu entlocken. Bislang vergeblich. Avianus war selten zuhause und wenn er es war, hätschelte er Lucius. Der kleine Stinker wusste vermutlich mehr über die näheren Familienverhältnisse als sein vernachlässigter Patruelis.


    Natürlich konnte er etwas von der langen Geschichte der Iunier erzählen, vom glorreichen Iunius Brutus zum Beispiel oder vom geschmähten Brutus Caepio, von Consules, Praetores und Tribuni, bloß hatte das mit Pollio’s Familie ebenso viel – oder besser gesagt so wenig – zu tun wie mit seiner eigenen.


    „Oha. Da fragst du genau den Richtigen.“, bekannte er mit einem ironischen Lächeln, „Ich bin nicht hier aufgewachsen, musst du wissen. Es ist noch keine zwei Jahre her, da bin ich ebenso ahnungslos hier angekommen wie du jetzt. Wie die Familien innerhalb der Gens miteinander verwoben sind, und wie sich unsere Gens in die Geschichte der Iunii einfügt, konnte ich selbst noch nicht so ganz entwirren.“


    Das stimmte zwar, war aber nur die halbe Wahrheit. Er hätte schon gekonnt, wäre er nicht zu verbohrt gewesen, jemand anderen danach zu fragen als seinen Patruus. Da musste er jetzt wohl über seinen Schatten springen. Pollio sollte nicht auch noch zum Opfer von Agricola’s Sturheit werden. „Araros!“


    Mit einem feinen Lächeln trat der altgediente Obersklave, der sich bisher in einigen Schritten Abstand postiert hatte, aus dem Halbdunkel.
    „Junger Herr?“
    „Du stehst schon dein Lebtag lang in den Diensten der Iunier und dürftest Bescheid wissen. Sind Iunius Pollio und ich nahe Verwandte?“
    „Nein. Das kann man nicht gerade sagen.“


    Agricola wartete. Pollio gewiss auch. Araros aber schien der Ansicht zu sein, mit der knappen Auskunft seiner Pflicht bereits genüge getan zu haben.
    „So? Was kann man denn sagen? Jetzt komm schon, Araros .. ich hab doch keine Ahnung.“
    Auf dieses Eingeständnis hatte der Inaitor offenbar gewartet, wie sein breiter werdendes Lächeln erkennen ließ.


    „Nun, Iunius Pollio und du habt denselben Ur-Urgroßvater. Lucius Iunius Silanus Torquatus. Dessen Vater wiederum, Lucius Iunius Ursus, gilt als Stammvater eurer Gens. Von einer wirklich nahen Verwandtschaft kann man also nicht sprechen. Die Iunia ist eine alte Soldatengens. Soweit ich weiß haben fast alle eure Ahnen entweder in der Legio oder den CU gedient. Wo sie stationiert waren und welchen Einheiten sie jeweils angehört haben, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis. Da kann euch wirklich nur der Tribunus oder Domina Axilla weiterhelfen.
    Was ich weiß, ist, dass der Vater von Iunius Corona ein gewisser Lucius Iunius Zissou und der wieder der Sohn von Marcus Iunius Cracchus gewesen ist. Es müsste eigentlich Unterlagen geben, nur kann ich beim besten Willen nicht sagen, wo. Das Sichten und Ablegen von Familiendokumenten fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich – wie du weißt, junger Herr.“


    Agricola zog einen Flunsch. Das hatte gesessen. Da räumte er von morgens bis abends Notizen, Verzeichnisse, Nachschlagewerke, Prosa und Biografien hin und her, und bekam trotzdem keine rechte Ordnung in den Laden. Der Punkt ging an Araros. „Verstehe.“, näselte er kleinlaut, „Danke Araros.“


    Nach einem wohltuenden Schluck Zitronenwasser wandte er sich – schon deutlich sortierter – wieder an den älteren Iunius. „Nun, Pollio? Ich hoffe, das hilft dir zumindest für den Anfang weiter. Wenn du sonst noch Fragen hast, frag am besten gleich Araros.“

  • Pollio entging nicht, dass der Sklave in gewisser Weise gegen Agricola zu sticheln schient. Er empfand dies als ziemlich unangebracht, entschied jedoch, dass es ihm als Gast nicht zustand, den Sklaven zurecht zu weisen.


    Stattdessen ließ er das Gesagte auf sich wirken. Wenn Agricola nur ein entfernter Verwandter von ihm war und dann schließlich nicht einmal direkt zu dem Zweig gehörte, in dessen Domi er sich gerade befand, so galt dies wohl auch für ihn selbst. Wie viel Hilfe konnte er also von ihnen erwarten und wie viele Antworten konnten sie ihm, selbst wenn sie wollten, geben? Schließlich war er für sie ein Fremder, auch wenn zumindest ein Teil des selben Blutes in ihrer aller Adern floss.


    Er überlegte kurz, wie er am besten Fragen sollte, ehe er das Wort an Araros richtete: "Wisst ihr etwas über meinen Vater, über dessen Verbleib und Tätigkeit hier in Rom?" Einen Gedanken später kamen ihm schon weitere Fragen, er musste seinen Wissensdurst zügeln, um einer Unhöflichkeit zu entgehen. "In welcher Beziehung steht mein Zweig der Familien zu dem Herren dieses Domi, Araros?" Es war ihm sichtlich unangenehm, dass er selbst so wenig über seine eigene Familie wusste. Es gab aber wohl in diesem Moment nur eine Möglichkeit, etwas daran zu ändern.

  • Froh darüber, sich eine Weile zurücknehmen zu können, schlug Agricola die Beine übereinander, faltete die Hände im Schoß und lauschte andächtig, wobei sein Blick immer wieder an Pollio’s lederner Tasche haften blieb.


    Araros blickte zunächst in’s Leere, auf irgendeinen imaginären Punkt, an dem er wohl die Stränge seiner Erinnerungen zusammenlaufen sah. Als er genug gesehen hatte, räusperte er sich kurz und begann dann mit seiner angenehm sonoren Stimme zu erzählen.


    „Ganz genau kann ich es nicht mehr sagen, Herr .. aber um die zehn Jahre mögen schon vergangen sein, seit ich deinen Vater Iunius Corona das letzte Mal gesehen habe, vielleicht auch mehr. Er hat hier eine Weile gewohnt. Allerdings nicht lange. Soweit ich mich entsinne, ist er damals hergekommen, um sich bei den Cohortes Urbanae zu melden, und das hat er wohl auch getan.
    Danach ist er nie wieder in der Domus aufgetaucht, was aber nicht ungewöhnlich ist. Es kommt nicht selten vor, dass sich Gensmitglieder hier nur vorübergehend einquartieren, um die verwandtschaftlichen Beziehungen zu pflegen, Geschäfte in der Urbs abzuwickeln oder eben bei den Cohortes anzumustern. Manche besuchen die Domus nach Ende der Grundausbildung, manche nicht. Dein Vater ist jedenfalls bis heute nicht wiedergekommen und einen Briefverkehr hat es meines Wissens auch nicht gegeben. Nicht unwahrscheinlich, dass er noch in der Castra Praetoria zu finden ist.
    Zu deiner zweiten Frage. Nun, der Hausherr der Domus ist .. momentan .. besser gesagt, schon seit einiger Zeit .. de facto .. also, wenn man es genau nimmt ..“


    Araros stockte. Agricola musste grinsen. Das war tatsächlich nicht immer so zweifelsfrei zu sagen, da musste der alte Ianitor schon aufpassen, um sich nicht in die Nesseln zu setzen. „Der Hausherr ist quasi die Hausherrin.“, half er amüsiert aus.


    „Äh ja .. richtig. so ist es wohl. Domina Iunia Axilla.“ nahm Araros den Wink dankbar auf, nur um gleich wieder in’s Zweifeln zu geraten. „Wobei .. es ist ja eigentlich so, dass sie sich die Zuständigkeiten .. die meisten jedenfalls .. mit Tribunus Iunius Avianus teilt. Wie auch immer, deine Frage war, in welcher Beziehung deine Familie zu den Hausherren steht, also der Großvater von Domina Axilla und Tribunus Avianus war ein Bruder deines Urgroßvaters Iunius Gracchus und somit dein propatruus. Das heißt, du bist der pronepos ex fratre von .. nein, falsch .. der nepos ex filio .. moment .. nein, das müsste ...“


    Schweißperlen begannen an Araros’ grauen Schläfen zu funkeln. Agricola's Grinsen wurde zu einem leisen Kichern. Das geschah ihm recht, dem alten Klugscheißer.


    „Wenn ich das alles richtig verstanden habe, bist du ein Großneffe des Großvaters der Hausherren und somit .. eben ein Vetter. Mal ehrlich, Pollio – spielt das wirklich eine so große Rolle? Wenn du ein Iunier bist, egal welchen Grades, bist du hier willkommen. Weder Avianus noch Axilla werden jemals einen Iunier abweisen.“

  • So langsam wurde die Hitze in der Stadt wieder schlimmer. Und damit einhergehend natürlich auch der Geruch. Axilla war froh, als sie vom Markt zurück und nach Hause kam. Über kurz oder lang würde zwar über der gesamten Stadt die Dunstwolke einer Million Römer liegen, aber bislang sperrte das Haus all dies noch sehr effektiv aus. Und der Garten mit seinen Blumen verbreitete noch einen erholsamen, sanften, frischen Duft.
    Eigentlich hatte Axilla erwartet, dass nach ihrem Anklopfen die Tür auch sofort geöffnet werden würde. Doch aus einem ihr unerfindlichen Grund musste sie zunächst warten. War etwas passiert? War Araros krank geworden? Sie hatte noch einmal geklopft und sogar gerufen, ehe die Tür aufging und das beruhigende Gesicht ihres Ianitors hinter der Tür erschien, der sich natürlich gleich entschuldigte.
    “Ist etwas passiert oder war ich zu leise beim ersten Mal?“ konnte man im Atrium dann Axilla im Vestibül fragen hören, mit echter Sorge in ihrer Stimme. Araros diente der Familie nun schon so viele und treue Jahre. Der Gedanke, dass er langsam in ein Alter kam, in dem er krank werden oder gar sterben würde, war mehr als nur erschreckend. Axilla konnte sich dieses Haus ohne ihn gar nicht wirklich vorstellen. Da wollte sie lieber einmal zu häufig nach einem Arzt geschickt haben, als ein mal zu wenig.
    Doch der Ianitor konnte sie beruhigen und berichtete nur, dass sie gerade Besuch im Atrium hätten, mit dem er noch beschäftigt gewesen sei.
    “Oh, Besuch?“ schallte es daraufhin ins Atrium, und kurz darauf auch schon Schritte.


    Axilla hatte sich nur die Zeit genommen, um rasch die staubigen Straßenschuhe auszuziehen und in ihre Sandalae zu schlüpfen. Damit flip-flopte sie auch schon ins Atrium herein, nur ein wenig schwitzig von ihrem Spaziergang draußen, aber sonst doch ganz die formidable Hausherrin. Heute- wie meistens – in hellem grün und mit nur wenig dazu passendem Schmuck.
    Agricola hatte sich scheinbar des Besuches schon angenommen und saß mit einem jungen Mann in einer der Nischen. Getränke waren auch schon da. So langsam schien der Junge sich als Gastgeber also durchaus zu machen. Nur den Besuch kannte Axilla jetzt auch bei genauerem Hinsehen nicht. Hätte Araros nicht „Besuch“ gesagt, hätte sie am ehesten geglaubt, dass Agricola einen neuen Freund mit nach Hause gebracht hatte. Vielleicht hätte sie ihren Ianitor doch ausreden lassen sollen, um zu wissen, wer das sein mochte. Ein alter Bekannter war er auf jeden Fall nicht.
    “Salvete“ begrüßte Axilla also die beiden Jungen mit ihrem bezauberndsten Lächeln und warf Agricola dabei nur ganz kurz einen vielsagenden Blick zu. Hoffentlich verstand der diese wortlose Art der Kommunikation und stellte ihren Besucher vor. Noch hoffentlicher hatte er ja bis jetzt nicht nur stumm wie ein Fisch mit ihm dagesessen, sondern auch gleich ein wenig Konversation geübt.

  • Mater Matuta, nicht noch einer! war der erste Gedanke, der Agricola durch den Kopf schoss, als Araros durch ein neuerliches Klopfen alarmiert, zur Porta marschierte. Ein einzelner Besucher ging ja noch in Ordnung, zumal ein solch angenehmer wie Pollio, aber mehrere Besucher gleichzeitig zu empfangen, stellte Ansprüche an Agricola's Gastgeberqualitäten, denen er sich keinesfalls gewachsen fühlte. Er konnte nur hoffen, dass der weise alte Ianitor das ebenfalls so sah, und weitere unangemeldete Besucher abwimmelte.
    Mit gespitzten Ohren lauschend bedachte er Pollio mit einem unsicheren und etwas schiefen Lächeln, das sich erst wieder zurecht rückte, als die Stimme des vermeintlichen Besuchers deutlich zu erkennen war. Es war Axilla. Den Göttern sei gedankt. Und da kam sie auch schon in’s Atrium geschritten, selbstbewusst und würdevoll wie immer.


    Agricola erhob sich strahlend. „Salve Axilla! Wie schön, dich zu sehen.“ Und das war ehrlich gemeint, wie er sich leicht verwundert eingestehen musste. Axilla war eine vielbeschäftigte Frau, und obwohl Agricola ebenso wie sie zu den ständigen Bewohnern der Domus gehörte, bekam er sie nur sehr selten zu Gesicht, was er insgeheim bedauerte. Dass sie nun ausgerechnet in dieser Situation erschienen war, bot daher gleich in mehrfacher Hinsicht einen Anlass zur Freude.


    „In der Tat, wir haben Besuch.“, beeilte er sich zu erklären, „Und wie mir scheint, sogar iunischen Besuch. Wenn ich vorstellen darf.“ Mit einer Geste, die er selbst durchaus als elegant hätte durchgehen lassen, wies er auf den Gast.
    „Das ist Tiberius Iunius Pollio. Der Sohn von Lucius Iunius Corona. Pollio ist hier, um Näheres über den Verbleib seines Vaters zu erfahren.“ Hier setzte er eine kurze Kunstpause. „Pollio, diese anmutige Dame ist Iunia Axilla, Seele und Hausherrin der Domus Iunia.“


    Gleichsam entspannt, erfreut und neugierig, nahm Agricola die Arme hinter den Rücken und überlies für’s erste den Erwachsenen das Wort.

  • Pollio, welcher gedanklich noch daran arbeitete, wie er das Missverständnis, die verwandschaftlichen Beziehungen würden ihn aufgrund einer daraus abgeleiteten Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfestellung interessieren, aus der Welt schaffen konnte, nahm die Ankunft eine weiteren Person erst nur am Rande wahr. Als diese wiederum an sie herantrat und dann auch durch Agricola vorgestellt wurde, beeilte sich Pollio natürlich aufzustehen.


    Nach einer, wie er hoffte, höflichen Verbeugung sprach er mit freundlicher, doch auch etwas nervöser Stimme: "Ave, domina. Es ist mir eine Freude und Ehre euch kennenzulernen." Hatte er womöglich Glück und würde von der Dame dann doch schon umfangreichere Antworten erhalten?!

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