Sinnloses (?) Geldausgeben, Teil I

  • Als sich ihre Lippen berührten, vergass er voll und ganz wo er denn war und die Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit am Strand von Ostia überkam ihn, wie eine der Wellen, welche bei dem Gewitter an den Strand geschlagen waren. Er spürte den Geschmack ihrer Lippen, sog ihren Duft in sich auf. Und auch wenn dieser Kuss nur kurz war, hatte er für ihn eine grosse Intensität, die zarte Berührung ihrer Lippen schien er an seinem ganzen Körper zu spüren, jede Faser seines Körpers genoss diesen Kuss, der seine noch ganz und nicht verblassten Erinnerungen an ihre letzten Küsse nur noch mehr verstärkte. Nie wollte er vergessen, wie es war, so sanft ihre Lippen zu berühren und von ihren Lippen berührt zu werden.


    Sanft hielt er sie in seinen Armen, auch seine rechte Hand hatte sich mittlerweile langsam auf ihren Rücken gelegt, er spürte ihre Hand auf seinem Rücken. Sie schmiegte sich so dicht an ihn, das er nicht anders konnte, als ihren wohlgeformten, weiblichen Körper zu erahnen und unweigerlich wanderten seine Gedanke zu dem, was ihr Kleid so sittsam verbarg. Und während sich nun die Ahnungen und Gedanken mit den Einnerungen an Ostia verbanden, dann wurde aus alledem ein Verlangen, dem nach zu geben, es ihn drängte. Doch es war nicht der rechte Ort dafür, auch die Verschwiegenheit eines gewieften Händlers hatte ihre Grenzen. Und zu dem, er wollte es zwar, aber nicht so. Denn es war mehr als ein schnelles Abenteuer, eine heimliche Liebschaft die er mit ihr wollte.


    Sanft hielt er sie in seinen Armen, spürte ihre Nähe und ihre Wärme und blickte in ihr Gesicht, seine dunklen Augen blickten tief in ihre Augen, verloren sich in ihrem Blick. Er wollte sie nicht mehr loslassen, einfach nur ihre Nähe geniessen.... Sie ganz für sich haben, für sie da sein wenn sie ihn brauchte, sie beschützen vor allem das ihr schaden könnte. Würde sich ein Hannibal oder ein Brennus erneut gegen Rom wenden, er würde sich ihm allein entgegenstellen, nur um sie schützen. Seine rechte Hand fuhr sanft über ihren Rücken, löste sich etwas, aber denoch hielt er sie fest im Arm und sein Ohr lauschte halb in Richtung Tür, nie seine Wachsamkeit verlierend


    "Ich möchte dich nicht mehr loslassen, Helena, " flüsterte er leise, während seine rechte Hand wieder zärtlich über ihre Wange strich, sanft mit ihrem Haar spielte und ein Lächeln auf seinen Lippen lag. Langsam beugte er sich zu ihr wieder etwas herab, das seine Lippen erneut dicht bei ihren waren. "Und auch deine Küsse möchte ich nicht mehr missen, Helena."Helena, dieser Name hatte ein besonderen Klang für ihn bekommen, ein Hauch nur und in dem denoch so viel lag, so viel sie ihm bedeutete. Zärtlich berührte er ihre Lippen erneute, küsste sie zärtlich und doch voller Intensität.

  • Sie spürte die Stärke seines Körpers, nicht durch die Arme oder zu enges Halten, eher durch seine Haltung selbst, durch die Art, wie er ihr nahe stand, ohne sich aufdrängen zu müssen, und dennoch wirkte. Er brauchte weder Worte noch Großtuerei, um der zu sein, der er war, als ein Mann zu wirken, der für das einstand, was er sagte. Und doch, dieses Mal ließen seine Worte bei ihr ein Echo zurück, das sie zittern ließ, merklich sogar, sodass sich ihr Körper etwas enger an den seinen drängte, obwohl es in dem Schmuckstand alles andere als kalt war. Was meinte er damit? Wollte er wirklich eine Beziehung mit ihr führen, in der er ihre Nähe nicht missen musste? War das eben das vorsichtige Vortasten in Richtung einer Affaire, die sie geheim halten mussten? Wollte sie das überhaupt? Es fiel ihr dieses Mal deutlich schwerer, seinen Kuss zu genießen, denn diesmal waren zu viele Gedanken die Begleiter des Augenblicks. Auch wenn sie tief im Inneren feststellte, dass ihr seine nun forschere Art zu küssen besser gefiel. Das Entschlossene passte zu ihm einfach besser als ein schüchterner, vorsichtiger Liebhaber, besser zu seinem bisherigen Auftreten.


    Als sich beider Lippen wieder lösten, blickte sie ihm deutlich ernster entgegen und flüsterte leise, damit der Händler es nicht mitbekommen konnte - Rom hatte viele Ohren, und sie wollte ihre Geheimnisse nicht irgendwann auf der Straße hören müssen:
    "Du bist, wer Du bist, und ich bin, wer ich bin. Alles, was aus dem Moment eine Ewigkeit machen würde, wird uns verwehrt sein, und das weisst Du so gut wie ich. Ich kenne das Gesetz ..." An eine Ehe dachte sie nicht einmal, eine so gute Partie war sie nicht und auch wenn sie ihn sehr schätzte, etwas wie Liebe empfand sie beim besten Willen nicht für ihn. Viel Sympathie, Respekt, auch eine gewisse Erregung, wenn er ihr so nahe war wie jetzt, aber dieses himmelhohe Flattern des Magens, eine hemmungslose Hingabe, wie sie es als junges Mädchen zwei Mal erlebt hatte, und dem doch nicht hatte folgen können, weil sie verheiratet gewesen war, war dies nicht. Vielleicht waren auch die Jahre vorbei, in denen sie sich hemmungslos verlieben konnte, ohne Rücksicht auf ihre Erfahrungen zu nehmen. Und Verliebtheit machte bekanntlich blind für alles andere, vielleicht war es ganz gut so, dass sie seine Nähe einfach nur genoss, ohne sich zu viel davon zu erwarten.


    Was er sich wohl dachte? Nie zuvor hatte sie sich in seiner Gegenwart gewünscht, seine Gedanken zu kennen, aber im Augenblick war sie einfach nur verunsichert. Auch wenn das Gefühl vorhanden war, mit ihm in vielem überein zu stimmen, im Moment blieb so viel Ungewissheit, dass es ihr schwer fiel, ihn nicht mit tausend und einer Frage zu überfallen. Und insgeheim fürchtete sie auch, dass er bei einer solchen Andeutung, wie sie diese mit dem Gesetz gemacht hatte, beleidigt reagieren könnte, aber deutlicher wagte sie die Möglichkeit einer Affäre nicht anzudeuten - er war ein ehrenwerter Mann, und sie wollte ihn nicht durch solche Sachen verletzen, aber dass er missverständlich gesprochen hatte, blieb eine Tatsache. Leise seufzend schmiegte sie sich einfach nur an ihn, den Kopf an seine Schulter lehnend, als könnte das die Verwirrung beseitigen, die sie im Moment bewegte.

  • Das Zittern ihres Körpers, als er davon sprach sie und ihre Küsse nie mehr missen zu wollen, war ihm nicht entgangen und unweigerlich hielt er sie etwas fester, doch immer noch sanft und behutsam. Und er bereute es, diese Worte verwandt zu haben, denn er spürte die verunsicherung, welche sie in ihr Ausgelöst hatten und nichts wollte er weniger als sie zu verunsichern. Nein, er wollte sie schützen und halten, für sie da sein, wenn sie ihn brauchte. Doch die Worte waren gefallen und nichts konnte sie zurücknehmen und ihr die ganze Geschichte dahinter erzählen, das konnte er nicht, noch nicht. Und so genoss er diesen Kuss, genauso wie den ersten und auch genauso, wie jene am Strand von Ostia.


    Er probierte es zumindest, denn seine Gedanken drehten sich um die Worte, welche er gesprochen hatte, und die Fragen welche diese wohl in ihr ausgelöst hatten. Doch auch trotz der Tatsache, das seine Gedankengänge darum kreisten, wie er ihr denn verdeutlichen konnte, welche Intention er den wirklich hatte, ohne den Pfad des Respekts und der Anerkennung zu verlassen, welchen er mit den Briefen nach Germanien eingeschlagen hatte, löste jede der Berührungen ihrer Lippen mit seinen wohlige Schauer in ihm aus. Und er betete zu den Göttern, sie würden es zulassen, das er diese Lippen immer wieder schmecken konnte. Doch gerade jetzt lag es auch an ihm, das Richtige zu tun, um sie wirklich zu gewinnen.


    Ihren ernsten Blick erwiederte er nicht weniger ernst, auch wenn in seinen Augen immer noch ein fröhliches, gelassenes Flackern war, doch er wollte nicht, das sie den Gedanken bekommen könnte, er würde nur mit ihr spielen. Denn auch wenn er heraus hörte, was sie mit ihren Worten meinte, das sie nur den Weg einer heimlichen Affaire sah, das war nicht was er wollte. Eine Affaire, ein Abenteuer, das konnte er mit einer Frau wie Luciana haben, nicht mit einer Frau, welche den göttlichen Caesar zu ihren Ahnen zählte. Obwohl der ja auch nicht den Abenteuern angeneigt gewesen sein sollte und dabei auch vor den höchsten Ständen nicht halt gemacht hatte. Doch er, Quintus Tiberius Vitamalacus schätzte sie zu sehr, um sich auf so etwas mit ihr einzulassen, denn es waren immer die Frauen, welche den Preis des Ehrverlustes zahlen mussten, wenn den eine solche Affaire publik wurde.


    So hielt er sie fest in seinen Armen als sie sich an ihn schmiegte, fuhr sanft über ihren Rücken. Er spürte, das sie Fragen hatte, Fragen, welche sie sich scheute zu stellen und die sie doch stellen musste, um ihrer Verwirrung herr zuwerden. Und sie konnte sie ihm stellen, sie könnte ihn Fragen was sie wollte, er würde es ihr beantworten. Doch da sie schwieg, sprach er, liese flüsternd in ihr Ohr. "Ja, wir sind wer wir sind. Ein Mann und ein Frau. Nicht mehr und nicht weniger." Seine Stimme klang freundlich, gar zärtlich, während er, leicht zu ihr herunter gebeugt, in ihr Ohr flüsterte. "Das Gesetz,.... Es kennt eine Möglichkeit. Doch es sind die Traditionen, welche es mir noch verbieten, mir dir darüber zu reden, Es gibt bestimmte Wege, die ein Mann einhalten muss."


    Er hoffte, sie verstand, was er denn meinte, das er nicht mehr sagen konnte, nicht von sich aus, das diese Andeutungen alles waren, das er gerade jetzt machen konnte, das es jetzt an ihr war, zu ahnen, was er meinte, wie ernst es ihm wirklich. Und auch zu ahnen, was er unternehmen musste, und vielleicht auch zu erahnen, das er es schon längst unternommen hatte. Dieser Ausflug war so ganz anders verlaufen, als er es sich gedachte hatte, wollte er nur mit ihr über die Märkte schlendern, den Tag einfach geniessen. Und nun,....

  • Seine Worte sollten wohl ihre Verwirrung ein wenig aufklären, aber in ihrer kleinen, unsicheren Realität verstärkten sie ihre Fragen eher noch mehr, als dass sie diese beruhigt hätten. Sie fühlte seine Arme, seine Berührungen überdeutlich an ihrem Körper, als müsste sie in seiner Umarmung brennen, fast verbrennen, und im Inneren ihres Kopfes war gleichzeitig alles kalt wie Eis, frisch von den Gipfeln der Alpen herabgeglitten, um die elefantösen Ausmaße ihrer Überlegungen zu erfrieren und zu ersticken, wie es einst die Kälte bei Hannibals Truppen gelungen war. Aber was wollte er ihr damit sagen, dass er Traditionen einhalten musste?


    Die Tradition, dass sich zwei ungebundene Menschen miteinander der Leidenschaft hingaben, konnte es wohl kaum sein - viel mehr als eine Zurückweisung konnte sie in diesen Worten nicht entdecken, denn er war einer direkten Antwort ausgewichen, hinterließ nichts als verschwommene Andeutungen, mit denen sie nicht viel anfangen konnte. Hätte es sie in diesem Moment nicht geschmerzt, hätte sie vielleicht besser reagieren können, doch so ließ sie sich einfach von ihm halten und nickte schließlich, ohne das Lächeln ersterben zu lassen.


    Der zweite Mann, für den sie sich interessiert hatte, der sie zurückwies - es wurde langsam zu einer Gewohnheit, einer Gewohnheit, die sie bei weitem nicht schätzen konnte und wollte. War sie denn so wenig anziehend für die richtigen Männer? Ein Gedanke, der ihr noch weniger schmeckte als die Zurückweisung in seinen Worten, die sie nicht in Frage stellte - er hatte sich entschieden, und sie ahnte, dass kein Wort, keine Geste an dieser Entscheidung zu rütteln vermochte. Jetzt hieß es nur, die Sache in Würde zu ertragen und sich sämtliche Gedanken aus dem Kopf zu schlagen, die in diese Richtung abdriften mochten. Eine Iulierin durfte nicht weichen, nicht straucheln, und wenn man schon unterging, dann wenigstens mit stolz gehobenem Kinn.


    "So ist es wohl," sagte sie leise und tat, was zu tun war - behutsam löste sie sich aus seinem Arm, auch wenn es schwer fiel, auch wenn ihr jeder kleine Teil dieser Geste einen dumpfen Schmerz im Inneren versetzte, aber es musste getan werden. Den Kopf wendend, betrachtete sie ihr Antlitz im hochpolierten Spiegel und hätte am liebsten geweint. So alt war sie noch nicht, was sie sah, fand sie nicht hässlich, nicht abstoßend und doch ... langsam hob sie eine Hand zu ihrem Ohr und nahm den Ohrring vorsichtig aus dem durchstochenen Ohrläppchen heraus, betrachtete das Schmuckstück sinnierend einige Momente lang.


    "Ich bin mir sicher, Dein Mündel wird hier so manches finden können, was ihr gefällt, falls Du das Risiko eingehen willst, ihr diesen Händler zu erlauben," kehrte sie dann ohne Umschweife zum vorherigen Thema zurück und legte den Ohrhänger zu seinem Gegenstück zurück, so sorgsam, als bestünde dieser aus einem so dünnen Glas, das bei der geringsten falschen Bewegung zu splittern vermochte. So, wie sie sich gerade selbst fühlte, und sie hoffte nur, dass er ihrer Bewegung folgen und das deutlich harmlosere Thema aufgreifen würde, alles andere negierend, was gesprochen worden war.

  • Sie verstand seine Andeutungen nicht, verstand sein mühseligen Versuch nicht, ihr zuverdeutlichen, welche Ziele er denn hatte. Anders konnte er ihre Reaktion nicht deuten. Sah sie in seinen Worten wirklich nicht die Hinweise, das er so viel mehr wollte, als nur eine heimliche Affaire ? War denn die Vorstellung, das er sie zu seiner Frau haben wollte so abwegig ? Lag es daran, das er ein Patrizier war und sie nicht ? Kam sie deshalb nicht zu dem Schluss, wie ernst er es mit ihr meinte ? All das schwirrte in seinem Kopf herum, während er einfach da stand, und sie beobachtete, wie sie den Ohrring wieder ablegte, ihre ganzen Worte kamen ihm so fern und so fremd vor. Oder hatte sie ihn verstanden und wollte es nicht, das er um sie warb ? Dieser Gedanke schmerzte ihn genauso wie die Vorstellung, sie könnte seine Worte als zurückweisung empfunden haben.


    Er verfluchte innerlich die Entfernung, welche nach Germanien herrschte, verfluchte alles, was ihn davon abhielt, die klaren und deutlichen Worte zu wählen, die er sonst zu wählen gewohnt war. Und es war gerade in diesem Moment, als sich an der Tür etwas regte, Stimmen laut wurden. Anscheinend hatte Titus sie eingeholt und stritt nun mit dem Tütwächter umeinlass. Doch kaum blickte er in den Laden herein, traf in ein klarer, kalter Blick seines Tribuns, der ihn sofort wieder umgekehren liess. Und auch der Händler, der wegen der Geräusche wieder zum Vorschein kam, bekam den Blick des Tiberius Vitmalacus zu spüren. Und es war ein Blick, der ihn lieber wieder zurück in seine hinteren Räume verschwinden liess, so viel ärger und auch Zorn war darin zu lesen, das es wirklich besser schien, den Kunden zunächst einmal in Ruhe zu lassen.


    Doch Tiberius Vitamalacus hatte die kleine Unterbrechung genutzt, einen Entschluss zu fassen. Zu oft schon hatte das starre Festhalten an den Regeln der Tradition in seinem Leben und dem von Menschen, denen er nahe stand, für Leid und Schmerz gestanden. Und er war nicht mehr der Jüngling, der seinem Grossvater befehle erteilte, heute war er es gewohnt zu befehlen. Auch wenn sein Grossvater im Raum wäre, er hätte sich gerade jetzt ihm wiedersetzt. Nein, er war entschlossen klare Worte zu wählen, nicht auf ihre Ausweichen einzugehen, er würde dieses Missverständniss nicht so zwischen ihnen stehen lassen.


    "Helena,"begann er leise, immer noch da stehend, wo er sie in seinen Armen gehalten hatte, etwas das er gerne wieder getan hätte, doch sie hatte sich gelöst und er wollte sich ihr auch nicht aufdrängen, "es ist nicht so, das ich dich nicht begehre. Nein, das tue ich, mehr als ich seit langem eine Frau begehre. Es gibt für mich zur Zeit nichts schöneres, als Zeit nur mit dir zu verbringen, dich in meinen Armen zu halten und zu küssen. Ja, das will ich ..."


    Und wie er dieses wollte, jede Faser seines Körpers schrie nach ihr, verlangte nach ihrer Nähe, doch er wollte doch auch mehr und so wählte er die Worte, die er sich schon so häufig zurecht gelegt hatte, für den Fall, das eine Antwort aus Germanien käme. "Als ich nach Rom kam, führte ich mit jedem meiner Familie ein Gespräch, darüber, das es die Pflicht eines Römers sei, zu heiraten. Mich selbst sparte ich dabei aus, schliesslich war ich es schon gewesen und ich habe schon einen Sohn. Doch bald darauf lernte ich jemand kennen, jemand der mir die Augen öffnete für die Zukunft und das Schöne im Leben. Und ich erkannte, das ich seit langem es gewohnt war meine Entscheidungen allein zu treffen, das mir jemand fehlt an meiner Seite, jemanden den ich schätze und vertraue, mit dem ich nicht nur das Bett teile, sonder auch meine Entscheidungen besprechen kann, und sei es nur mal, um meine eigenen Gedanken zu ordnen."


    Jene Nacht in der er diesen Entschluss fasste, liegt immer noch fest in seinem Gedächtnis eingebrannt, sie gehört zu seinem neuen Leben, so wie Helena dazu gehört. "So fällte ich eine Entscheidung und ich wünsche mir, diese ist meine letzte allein getroffene. Ich schrieb einen Brief an meinen Freund Numerianuns, legte einen Brief an deinen Vater bei. Eigentlich verbietet mir die Tradition mir, mit dir darüber überhaupt zu sprechen, bevor ich eine Antwort erhalten habe und vielleicht hätte ich lieber einen anderen Ort gewählt, doch ich möchte, das du weisst, welche absichten ich hege."


    Kurz hält er inne, blickt sie an, fast scheint er noch zu zögern, eine Antwort fürchtend, die ihm nicht gefällt, doch dann fährt er fort, seine Stimme fest und entschlossen."Helena, ich wünsche mir nichts mehr, als noch mehr Zeit mit dir zu verbringen. Doch ich möchte dich nicht als meine Geliebte, sondern als meine Ehefrau."

  • Sie musste eine Hand auf dem Tisch ablegen, auf welchem die einzelnen Waren des Händlers ausgebreitet lagen, damit die Finger nicht zu sehr zitterten, denn je länger er schwieg, desto nervöser und unsicherer wurde sie. Hatte sie ihn nun beleidigt? Oder dachte er darüber nach, was er sagen sollte? War das nun der Endpunkt einer sich anbahnenden Freundschaft, die sie zu schätzen gelernt hatte, oder würde er verstehen, dass sie auf Abstand gegangen war, um nicht weiter verletzt zu werden?


    Sie fühlte den weichen Stoff, mit dem die Auslage ausgepolstert worden war, unter ihren Fingerkuppen, als könnte sie sich durch die Berührung die Struktur dieses Stoffs bis tief ins Innerste einprägen, aber eigentlich stellte diese bewusste Wahrnehmung des Stoffs nur eine Flucht dar, eine Flucht vor ihren Zweifeln, Sorgen und Ängsten. Denn einer Sache war sie sich nun überdeutlich bewusst: Als Menschen in ihrem Leben, als Freund, wollte sie ihn nicht verlieren, selbst wenn er sie als Frau zurückwies. Sie schätzte seine Ansichten, seine zurückhaltende, aber nicht unsichere Art inzwischen zu sehr. Aber sollte sie sich so sehr getäuscht haben in ihm, in seinen Reaktionen?


    Dann entstand Bewegung am Eingang, aber sie wandte sich nicht um, sie wollte nicht sehen, wer da kam, vermutete sie doch die Nähe des stetigen Schattens des Tribuns, doch wortlos wurde jener wieder fortgeschickt, worüber sie nicht unglücklich war. Auch der Händler, dessen Nähe durch das Rascheln der Vorhänge angekündigt wurde, schien nicht allzu lange verweilen zu wollen. Umso besser, dachte die Iulierin, dann musste sie in ihrer Schmach wenigstens nicht von jedem angestarrt werden. Sie fühlte sich, als könnte ihr der Makel der zweimaligen Zurückweisung überdeutlich angesehen werden, und lenkte darob den Blick gezwungenermaßen wieder auf die Schmuckstücke. Viel zu schön, um wahr zu sein, dachte sie still und atmete tief ein. Die Handwerkskunst dieses Händlers suchte wirklich ihresgleichen, hätte sie mehr Geld zur Verfügung gehabt, hätte sie es sicherlich erwogen, hier etwas zu kaufen. Aber vor seinen Worten retteten sie diese Gedanken nicht. Er sprach, und jedes Wort brannte sich tief in ihr ein.


    Es schien, als würde jedes dieser Worte ihre wohlgeordnete kleine Welt einmal mehr in sich zusammenstürzen lassen - er wollte sie heiraten? Sie zu seiner Frau machen, er, der Patrizier, der traditionsbewusste Offizier, der zum Wohl seiner Familie unter den anderen Patriziern eher eine Frau hätte suchen sollen als unter Plebejern? Jähes Erstaunen, fast Entsetzen über diesen so ungewohnten Gedanken machte sich in ihr breit, aber auch eine andere Empfindung, die viel eher zu ihr passte als die Überraschung über seine Idee, viel besser als die eben erlebte Unsicherheit, der eben abflauende Schmerz, eine Reaktion, die es bereits einmal gegeben hatte, als ein Mann mit dem Gedanken gespielt hatte, um sie zu werben, ohne sie zuvor wenigstens zu fragen, ob sie heiraten wollte: Zorn. Nackter, blanker Zorn. Wie konnte er es wagen! Sie so im Ungewissen zu lassen! Wie lange hatte er diese Sache wohl schon geplant, ausgeführt?


    Ihren Onkel selbst darauf angesetzt, den Vermittler bei ihrem Vater zu spielen, wie konnte er nur? Ein Brief nach Germania brauchte seine Zeit, wann musste er diese Entscheidung getroffen haben - noch vor der Abendesseneinladung zu den Tiberiern? Und in all der Zeit, keine Andeutung, kein Wort, nichts, nicht der geringste Hinweis, kein Deuten. Was glaubte er eigentlich, mit wem er es zu tun hatte?


    "WAMM!" Klatschend landete ihre Rechte auf seiner Wange, und höchstwahrscheinlich war ihr die schallende Ohrfeige nur deswegen gelungen, weil er damit nicht hatte rechnen können - für eine Frau hatte Iulia Helena eine ausgesprochen kräftige Hand, die blauen Augen glommen wütend, während sie ihm die Worte entgegen spie: "Und all die Tage hast Du geschwiegen? Bin ich Dir denn kein einziges Wort, keine Andeutung wert, keine einzige Frage? Weisst Du, was ich wirklich hasse? Wenn sich Männer hinter diesen idiotischen Traditionen verstecken. Vielleicht will ich gar nicht mehr heiraten, ist Dir diese Idee schon einmal gekommen? Vielleicht will ich gar nicht mit einem Mann leben, der mich behandelt wie eine käufliche Ware! Hättest Du nicht einfach zuerst mich und dann meinen Vater fragen können? Bei allem, was uns bisher verbunden hat, hast Du so wenig Mut gehabt?!" Ihre Stimme war lauter geworden, und der Händler mochte sicherlich an diesem Nachmittag die erhoffte Unterhaltung bekommen - aber wer hätte auch damit rechnen können, dass ein Heiratsantrag mit einer Ohrfeige beantwortet würde?

  • Ihre Antwort schmerzte. Und es war nicht der Schmerz ihrer Ohrfeige, der in ihm brannte. Körperliche Schmerzen hatte er schon viele ertragen und auch gelernt zu ertragen, so das seine Wange kaum nachgab, nicht einmal eine leichte Rötung auf der dunklen Haut zu erkennen war. Doch ihre Worte brannten sich schmerzhaft in ihn ein, wie es ein glühendes Gladius nicht schmerzhafter hätte tun können. Ihm Feigheit vor zu werfen, seine Absichten so falsch zu verstehen, das traf den hochgewachsenen Soldaten mehr als jede Ohrfeige oder Hieb von ihr es tun könnte. Aber, er war Soldat, das war was er gelernt hatte und so tat er das, was ein Soldat bei einem Gegenangriff tat: Stellung halten.


    Kein Stück rührte er sich, er blieb an der Stelle stehen, an der er sie vor so kurzem noch in seinen Armen gehalten hatte. Vielleicht hätten viele andere Männer nun das Feld geräumt, doch er würde es nicht tun. Auch wenn er innerlich bebte, er blieb ruhig, versuchte es zumindest, doch etwas der inneren Aufgewühltheit schwang in seinen Worten mit. "Helena, wie kommst du darauf, ich betrachte dich als käufliche Ware ? Ich würde mich hinter idiotischen Traditionen verstecken ?"


    Er schüttelte den Kopf. Ja, es stimmte, er folgte Traditionen, so wie es sein Grossvater getan hatte und seine Ahnen, so war er erzogen worden. Doch er versteckte sich nicht hinter ihnen und gerade eben hatte er sie sogar gebrochen. "Es gehört sich, das ein Mann den Vater einer Frau fragt, ob er um sie werben darf ! Dieses erwarte ich von den Mitgliedern meiner Familie und daran halte ich mich selbst. Ich habe deinen Vater nicht gefragt, ob ich dich heiraten darf oder nicht." Genau an dieser Stelle macht er eine Pause, holt tief Luft. Mittlerweile hat er auch vergessen, das er sich im Geschäft eines Schmuckhändlers befindet, er sieht nur sie, vertraut auch darauf, das Titus ihm zuverlässig den Rücken freihält.


    "Nein,.. ich fragte ihn, ob ich dich fragen darf, nicht mehr und nicht weniger. Nie würde ich von deinem Vater eine Entscheidung über deinen Kopf hinweg verlangen, geschweige denn auf die Idee kommen, dich ihm abkaufen zu wollen. Selbst wenn er mir deine Hand gerade zu hinreichen würde, ein Nein von dir, auch nur angedeutet, wäre für mich binden. Vergiss nicht, ich weis zu gut, wie es ist, wenn über einen Kopf hinweg entschieden wird." Seine Erinnerungen an damals sind ihm immer noch ein Gräuel, auch wenn sich sein Hass gegenüber seiner ersten Frau mittlerweile zu etwas wie Mitgefühl und fast Mitleid entwickelt haben. "Wäre dein Vater in Roma, wäre ich zu ihm geeilt, hätte persönlich mit ihm gesprochen. Doch so konnte ich es nicht. Ich konnte einen Brief Schreiben oder aber einen Freund bitten, in meinem Namen zu sprechen. Und ich entschied mich, einen Mann meine Bitte vorzutragen, den ich wahrlich als Freund erachte, dies war eben dein Onkel Numerianuns."


    Nun macht er einen Schritt vor, direkt auf sie zu, sein linker Arm legt sich auf ihren Rücken, zieht sie sachte zu sich, seine rechte Hand fasst ihre Hand. "Helena, ich verstehe, wenn dir dieser Weg nicht gefällt, mir gefiel er auch nicht. Doch gerade weil ich dich so schätze und ehre, blieb mir keine Wahl ausser diesen Weg einzuschlagen. Bitte glaube mir, jedes mal, das ich dich sah und nicht von meinen Absichten sprechen konnte, schmerzte mir." wie um das zu unterstreichen, hebt er sachte ihre Hand, die ihn eben noch geschlagen hat, und berührt sie sachte mit seinen Lippen. "Ich wollte alles richtig machen und hab vielleicht alles falsch gemacht. Aber bitte gib einem altem Soldaten noch eine Chance, Helena."

  • Für einige Momente lang starrte sie ihn einfach nur wütend und verletzt an, die blauen Augen erfüllt von einem Feuer, das sehr wohl so heiss brennen konnte, dass man sich daran zu verletzen drohte, wenn man nicht acht gab - ein Vorgeschmack darauf, dass er sich eine Frau ausgesucht hatte, die sich nicht einfach jeder Konvention anpassen würde und wollte? Ein vielleicht erschreckender Teil ihres Charakters, den sie bisher noch nicht offenbart hatte? Etwas, das ihm vielleicht nicht gefallen konnte oder wollte? Es dauerte eine ganze Weile und viele seiner Worte, bis ihre Körperhaltung nicht mehr die schroffe Abwehr aufzeigte, die sie bei ihren eigenen Worten eingenommen hatte, bis sie wieder so beruhigt schien, dass er es wagen konnte, sie zu berühren, ohne einen zweiten Hieb befürchten zu müssen.


    Dann endlich, nach einer fast ewig scheinenden Zeit, in der sie ihn nur anblickte, sich halten ließ, ohne auf die Berührungen zu reagieren oder sich auch nur gegen ihn zu wehren, erst als seine Lippen ihre Hand berührten, löste sich ihre seltsame Starre, einer der Finger hob sich und strich ihm, soweit sie sein Gesicht damit zu erreichen vermochte, über seine Wange.
    Der Versuch, die Ohrfeige wieder gut zu machen? Still blickte sie ihn an, und noch immer sagte sie nichts, ließ seine Worte durch ihr Inneres pulsieren, sich setzen wie das Aroma eines besonders schweren, alten und damit wertvollen Weines. Konnte sie denn seinen Worten glauben? Vertrauen? Die Wunde, die ihr Sergius Sulla mit seiner unwürdigen Werbung geschlagen hatte, pulsierte noch immer, und ein guter Teil des hochgekochten Zorns lag auch darin begründet, dass sie sich, als sie davon erfahren hatte, dass jener um sie geworben hatte, hilflos gewesen war, sich nicht hatte abreagieren können, wie sie es gewollt hätte.


    War es sein Ernst, dass er sie so hoch schätzte? Dass er sie nun wirklich und voller Ernst um eine zweite Chance bat, obwohl sie es war, die sich hätte entschuldigen müssen - dafür, dass sie ihn geschlagen hatte, dafür, dass sie geglaubt hatte, er hätte tatsächlich über sie hinweg entscheiden wollen, dabei ging es nur um eine Werbung? Ihre Gesichtszüge wurden langsam, aber stetig und beobachtbar weicher, menschlicher, die Züge des Zorns flachten ab und hinterließen schließlich nichts als einen ernsten, nachdenklichen Blick der Iulierin, mit dem sie ihn maß, als müsse sie seinen Wert für alle Aeonen hindurch festlegen, nicht nur für ein vielleicht gemeinsam geteiltes Leben. Sie dachte nicht mehr an den Schmuckhändler, selbst Titus hatte seine Relevanz für sie verloren, im Augenblick beschränkte sich ihre Aufmerksamkeit allein auf den aufrechten, ein wenig unsicheren und doch vollkommen virilen Offizier vor ihr, dessen Wange sich unter ihrem Schlag flüchtig gerötet hatte, ein Teil Farbe, der hoffentlich bald verblassen würde.


    "Verzeih mir," sagte sie leise, dann wiederholte sie es, lauter, deutlicher, als fürchte sie, ihre Worte könnten überhört oder nicht wahrgenommen werden. "Verzeih mir, denn ich hatte gedacht, es wäre nicht nur eine Werbung gewesen, wegen der Du schriebst, Quintus." Da war es wieder, sein praenomen, das sie bisher nur ausgesprochen hatte, wenn sie miteinander alleine gewesen waren, wenn die Stimmung ein entsprechendes Vertrauen vorausgesetzt hatte. Dieses Mal jedoch schwankte ihre Stimme ein wenig, und sie klang eher ernst als zärtlich. "Hat er ..." Sie atmete tief ein, suchte sich noch etwas Mut zusammen, und dann gelang es ihr endlich, diesen Satz zu vollenden. "Hat mein Vater Dir geantwortet? Hast Du ... schon einen Brief von ihm bekommen?"

  • Während er sprach und dabei schon wieder in seine Arme geschlossen hatte, fürchtet er nicht, das sie ihn erneut schlagen würde, hätte sie es getan, hätte er es in kauf genommen, keiner ihrer Schläge könnte ihn mehr treffen als der erste. Warum sie so reagiert hatte, konnte er schon verstehen, zu gut erinnerte er sich an das Gespräch mit seinem Grossvater vor so vielen Jahren, als er, als junger Mann sein Tablium betreten hatte und freudstrahlend offenbarte, dass er Nova heiraten wolle und die Antwort war nur "Nein" gewesen. Stattdessen erfuhr er, das eine ganz andere heiraten werde und Nova bald als seine Schwester zählen wollte. Er hatte sich gefügt, weil es der Wille seines Grossvaters war, nicht mehr und nicht weniger.


    Vielleicht war es gerade das, was er so an ihr schätzte, dieses Aufbegehren gegen gewisse Konventionen, ihr Unwille, das über ihren Kopf entschieden werden sollte. Vielleicht hatten schon andere Männer sich an ihren Vater gewandt, welche, die schon konkrete Absichten verhandeln wollten. Irgendwie neidet er ihr auch ihre Fähigkeit, ihren Zorn so offen zu zeigen. Er selbst verbarg seinen hinter einer Maske von Gravitas und Dignitas, es sei denn, er befand gerade auf einem Exzierplatz. Und selbst da war seine Wut stets konrolliert.


    Und selbst als er mit seinen Worten geendet hatte, schwieg sie und dieses Schweigen verlängerte die Ungewissheit, ob sie ihn denn Verstanden hatte, das er nie über ihren Kopf hinweg eine Entscheidung hätte fallen wollen ? Das es nur das befolgen eines alten Rituals war, das er zuerst ihren Vater von seiner Absicht unterrichtete ? Ein Ritual, das sicher noch aus der Zeit der Könige stammte, denn hätte man damals geahnt, welche Distanzen zu überbrücken waren, hätte man ein anderes Ritual gewählt. Aufmerksam beobachtete er, wie ihre Gesichtszüge sich langsam aufhellten, und als sie ihre Hand auf seine Wange legte, hätte er fast vor Erleichterung tief aus geatmet.


    Und dann war da sein Name aus ihrem Mund, sein Praenomen, welches sie so spärlich verwandte und den zu hören gerade dardurch so viel bedeutung für ihn hatte. Auch wenn ihre Stimme ernster klang als sonst bei solchen Gelegenheiten, gerade dardurch gewann er mehr Vertrauen in das Gelingen seines Vorhabens, als durch ihre Entschludigung an sich. "Du must dich nicht entschuldigen, Helena," antwortete er leise, während seine Hand sich weiterhin sanft ihre Hand umschlossen hielt, "leider habe ich bis heute keine Antwort von deinem Vater erhalten. Ich weis nicht, ob dies ein gutes oder aber ein schlechtes Zeichen ist, oder aber ob es nur an den Entfernungen liegt. Doch ich konnte nicht länger warten, fürchtete ich doch, meine Haltung zu dir, erschien dir als zurückweisung, und das ist sie sicher nicht."


    Er blickte zu ihr herunter, sah in ihre Augen, berührte mit seinen Lippen sachte ihre Hand. "Doch es gibt etwas, das wichtiger für mich ist, wichtiger als eine Antwort deines Vaters." Hier stockte er etwas, konnte sie doch mit ihren nächsten Sätzen seine Hoffnungen und Pläne bestärken, oder aber vernichten. "Wie stehts du zu meinem Werben ? Kannst du dir Vorstellen meine Frau zu werden, die Frau eines alten Soldaten, der nun auf dem Feld der Politik kämpft ?"

  • Seine Gesichtszüge wandelten sich, eine gewisse Erleichterung glaubte sie zu erkennen, und es wunderte sie fast ein wenig. War ihm ihr Wohlwollen so wichtig geworden, obwohl sie sich noch nicht sehr lange kannten? Dennoch, er kannte sie wohl besser als die meisten Menschen, die sich in Rom befanden, ihren Bruder davon einmal ausgenommen, und er wusste mehr von dem, was sie bewegte, als ihr Bruder selbst. Warum war es ihr so leicht gefallen, Vertrauen zu ihm zu fassen? War es, weil vieles an ihm sie an Titus erinnerte, an die Ruhe, mit der ihr verstorbener Gemahl die Widrigkeiten des alltäglichen Lebens angegangen war, diese gewisse soldatische Gelassenheit, die davon kündete, dass er schon vieles viel schlimmere überlebt hatte und auch weiter überleben würde? Aber das wurde dem Tiberier nicht gerecht, denn er war ein anderer Mann als Titus und würde es immer sein. Das soldatische an seinem Wesen war ein Punkt, der für ihn sprach, aber sicher nicht der einzige, den sie angenehm und anziehend fand.


    "Ich weiss nicht, warum er nicht geantwortet hat," sagte sie leise, nachdenklich. "Vielleicht hat er einen Auftrag für seine Vorgesetzten zu erfüllen oder es gibt derzeitig so vieles in Mogontiacum zu tun, dass er keine Zeit findet? Mein Vater hat die Pflicht stets vor das Persönliche gestellt und ich glaube kaum, dass er sich in den Jahren meiner Abwesenheit so sehr geändert hat." Aus bösem Willen würde Marcus Iulius Lepidus sicherlich nicht eine Antwort zurückhalten, das lag für sie klar auf der Hand, es entsprach einfach nicht seiner Art. Ausserdem liebte sie ihren Vater zu sehr, um sich etwas anderes als berufliche Belastung vorstellen zu können. Behutsam drückte sie seine Hand, fast innerlich aufamtend - hatte er denn gemerkt, dass seine Antwort sie verletzt hatte? Dass er es ganz anders gemeint hatte, war ihr nun auch klar und fast hätte sie über ihre eigene Dummheit gelacht, die das Offensichtliche so kunstvoll ignoriert hatte.


    Der behutsame Kuss seiner Lippen ließ abermals einen leichten Schauer über ihren Rücken laufen, obwohl er nur ihre Hand damit berührt hatte, schien dieser Kuss doch tiefer zu greifen als jeder zuvor. "Du weisst, dass ich Dir nicht antworten dürfte, bevor nicht die Erlaubnis meines Vaters eingetroffen ist," sagte sie leise, fast bedauernd, denn wenn er sich an die Konventionen und Verhaltensvorschriften der Ahnen zu halten versuchte, dann musste sie es wohl auch. Der Gedanke daran, dass er jedoch enttäuscht sein musste, dies von ihr zu hören, die Tatsache, dass in seinen bittenden Worten dennoch die Würde eines aufrechten und ehrlich empfindenden Mannes gelegen hatte, ließ sie kurz auflachen, den Kopf schütteln, um dann, deutlicher und klarer fortzuführen: "Du kennst den Wahlspruch der Iulier sicher, Quintus. Traditio er Progressio - Tradition und Fortschritt. Manchmal muss man sich dem Fortschritt zuwenden, damit es weiter gehen kann, manchmal sind die Traditionen die bessere Wahl. Momentan möchte ich es lieber mit dem Fortschritt halten."


    Wieder entstand eine kleine Pause, in der sie ihn gleichsam ernst und doch sehr warm betrachtete. "Ja, ich kann es mir vorstellen. Sehr gut sogar. Auch wenn Dich Deine Familie dafür schmähen wird, dass Du eine Plebejerin ausgewählt hast, und man uns sicherlich sehr ... misstrauisch entgegen treten dürfte. Ich kann es mir vorstellen, Dein Leben zu teilen. Solange ich meines nicht vollkommen aufgeben muss."

  • Natürlich gab es viele Gründe, warum ihr Vater ihm noch keine Antwort irgendeiner Art gegeben hatte. Und neben der langen Distanz waren ihre Gründe eindeutig sehr plausibel. Doch es war wohl die Angewohnheit des Geistes, wenn er denn ungeduldig einer Antwort harrte und diese ausblieb, das er sich zunächst noch die optimistischen Erklärungen beiholte, das aber mit der Zeit immer mehr die unbefriedigenden, unerfreulichen Erklärungen überhand gewannen. Doch er bemühte sich innerlich Helenas Einschätzung zu teilen, denn er war entschlossen, sich nicht mehr von seinem Vorhaben abzubringen und wenn, dann nur von ihrer Ablehnung.


    Sicher dürfte sie auf seine Frage nicht antworten, wenn er seine eigenen Traditionen zum Mass ansetzte, doch dann hätte er selbst das Thema ja nicht erwähnen dürfen. Das er es getan hatte, lag einfach daran, das er in der Situation keine andere Möglichkeit gesehen hatte, diese zu retten, ausser eben eines unkonventionellen Manövers. Und da schon sein Grossvater ihn gelehrt hatte, das es in der Schlacht nicht die Tradition, sondern der Erfolg wichtig war, war für ihn selbst von einer seiner höchsten Instanzen, sein Vorgehen gerechtfertigt. Und mit jedem Wort der Iulierin wuchs seine Zuversicht, das er zumindest eine Antwort erhalten würde, egal wie diese ausfallen würde. Doch irgendwie gewann seine Zuversicht oberhand, denn eine Ablehnung hätte sicher nicht so viele Vorworte gebraucht.


    So studiert er gerade zu ihr Gesicht während sie spricht und besonders, während sie diese kleinen Pausen macht. Ihm entgeht nicht, wie sich ihn betrachtet, warm, vielleicht gar liebevoll und denoch mit dem Ernst, der der Situation so angemessen ist. Und als er ihre Antwort hört, die, die er erhofft, gar erahnt hat, legt sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Nun würde er alle Hindernisse aus dem Weg räumen, egal er sie ihm stellen würde. "Helena, sie sollen es wagen, mich zu schmähen, ich werde ihnen zeigen, was es heisst, sich mit mir auseinander zusetzten," antwortet er ihr, leise, aber dennoch energisch und bestimmt im Tonfall," seit dem Tod meines Grossvaters gibt es niemand in meiner Familie, mit dem ich die Konfrontation scheue."


    Bei diesen Worten schüttelt er leicht den Kopf, wie um sie zu bekräftigen. "Nein, meine Familie wird es schnell lernen, dir den Respekt entgegen zu bringen, welcher dir als meiner Frau gebühren würde. " Er hätte auch noch `müssen` anfügen können, denn jeder, der es wagen würde, Helena nicht gebührlich zu behandeln, würde erfahren, wie ein Probati sich auf dem Exzierplatz fühlte. Langsam führt er noch einmal ihre Hand an seine Lippen, küsst sie sanft, dann lässt er sie los und fährt leicht über ihre Wange. "Nie würde ich verlangen, das du dein Leben vollständig aufgibst, nein, das sicher nicht. Ich will das du auch zukünftig das tust, was dich erfüllt. Ich weiss, es wird nicht immer leicht, denn wer weiss, wohin mich eines Tages meinen Pflicht für das Imperium verschlägt, doch ich bin sicher, wir schaffen es. Zusammen !" Bei diesen Worten beugt er sich etwas herunter und küsst sie sanft und behutsam auf die Stirn, während er sie noch immer fest in seinen Armen hält.

    Aber die Probleme, die er schildert, sind fern, sehr fern, anderes liegt da viel näher, denn es hätte dieses Gespräch zwischen ihnen eigentlich nicht geben dürfen. So zieht er sachte ihren Kopf an seinen Oberkörper und flüstert ihr leise ins Ohr. "Ich hätte nicht fragen dürfen, du nicht antworten, so bleibt uns nur dieses Gespräch als unser Geheimnis zu betrachten. Wenn ich eine Antwort von deinem Vater habe, werde ich dich erneut fragen und hoffe die gleiche Antwort zu erhalten, meine liebe Helena." Sanft streicht er ihr durch das Haar, hebt leicht ihren Kopf, senkt leicht seinen, bis seine Lippen wieder ihre berühren.

  • Die Gedanken schweiften für einige Momente lang ab, glitten in eine Zeit zurück, in der sie noch sehr jung gewesen war und wie vor den Kopf geschlagen, als ihr Vater ihr eröffnete, dass er einen Mann für sie gefunden hatte. Titus war deutlich älter gewesen als sie, ein grober, harter Soldat, und sie hatte den ersten Abend gefürchtet, an dem sie mit ihm allein sein musste, ihn danach einfach nur verabscheut und seine Nähe geflüchtet, so oft sie es konnte - und dann hatte sich alles gewandelt. Aus der einstigen Angst wurden mit den Jahren Vertrauen, ja sogar Liebe, aus dieser Verbindung entsprangen sogar zwei Kinder. Wie würde es wohl sein, mit einem Mann zu leben, den sie schon vor der Vermählung zu schätzen wusste? Würde diese Sympathie eine ausreichende Basis für ein längerwieriges Glück bedeuten können oder würde sich dies wie bei vielen Paaren irgendwann zu einer Gewohnheit wandeln, die Gefühle ersetzte und eine andere Grundlage schuf? Sinnierend betrachtete sie den Tiberier und musste mit einem Mal leicht, fast melancholisch, lächeln.


    "Es wird viel Gerede geben, das darfst Du nicht vergessen. Die Menschen sind, wie sie sind, und Verbindungen zwischen Patriziern und Plebejern sind stets ein sehr dankbares Thema. Mir wird man vorwerfen, ich würde diese Verbindung zum gesellschaftlichen Aufstieg nutzen und nur an Deinem Geld und Deinem Namen interessiert sein, und Dir, dass Du Dich hast von einer jüngeren Frau betören lassen," sagte sie schließlich und das Lächeln wurde ein wenig breiter, amüsierter. Sich das Geschwätz der Leute vorzustellen hatte eine amüsante Note, konnte sie es doch durch die Klatschspalte der Acta in gewisse Richtungen lenken, wenn sie dies wollte - und genau damit verlor es für sie die erschreckende Qualität, die es vielleicht für andere Menschen in ihrer Situation gehabt hatte. Sachte strich ihre Hand über seine Talle, berührte den Rücken und hielt ihn nun auch von ihr aus, während ihr Blick zu ihm hinauf glitt, den seinen berührte und in diesen eintauchte, nachdenklich und warm zugleich.


    "Es soll zwischen uns bleiben, dieses Gespräch, und ich werde es niemandem gegenüber erwähnen, bis die Antwort meines Vaters eingetroffen ist," sagte sie recht bestimmt, um dann bekräftigend zu nicken. Ob sie ihm sagen sollte, dass Vinicius Lucianus einst dieselben Worte zu ihr gesprochen hatte, den Wunsch bekundet, sie an seiner Seite zu sehen? Ob sie ihm sagen sollte, welche quälenden Gefühle sie bewegten, wenn sie sich in der Nähe des Septemvirs Valerius Victor befand, dass sie bei weitem keine so tugendsame römische Frau in ihren Gedanken war, wie sie es hätte sein sollen? Aber dann legten sich seine Lippen auf die ihren und sie vergaß, was sie gedacht hatte oder hätte sagen können, der Augenblick schmolz zu dieser schlichten, simplen Berührung zusammen und sie schmiegte sich behutsam an seinen Körper, nun auch den anderen Arm um seine Tallie gelegt, um ihn so schnell nicht wieder loszulassen. Es war ein genussvoller, zärtlicher Kuss, und dieses Mal fiel es ihr nicht schwer, sich in diesen Kuss hinein zu geben, ihre kleine Welt von seiner Gegenwart ausfüllen zu lassen und schließlich, wieder mit geöffneten Augen, sein Gesicht zu betrachten, als müsse sie ihn jetzt erst ganz neu kennenlernen.

  • Nein, er bereute nicht, das er den strengen Weg der Konvention etwas verlassen hatte. Ihr warmer Blick, ihre zärtliche Berührung liessen ihn all dieses vergessen. Auch das sie sich immer noch im innern des Juwelierstandes befanden, umgeben von prächtigen Schmuckstücken, vergass er, als er sie küsste. Schmeckten ihre Lippen anders, seit sie von seinen Absichten wusste ? Fast schien es ihm so. Er spürte das es anders war als der Kuss zuvor, das sie diesen Kuss in seiner Länge und Zärtlichkeit voll und ganz geniessen konnte. Vielleicht weil nun zwischen nun klar war, in welche Richtung ihre Beziehung denn gelenkt werden sollte, beziehungsweise von ihm schon gelenkt worden war. Allein dafür hatte sich sein kleiner Bruch der Konvention schon gelohnt. Seine Arme umschlossen sie sanft, er genoss es sie so dicht bei sich zu spüren.


    Das Gesicht, zu dem sie aufblickte, hatte sich in der Tat leicht verändert. Das Lächeln das auf seinen Lippen lag und das sich in seinen Augen wiederspiegelte, war viel befreiter und gelassener, ja glücklicher als jedes das sie je von ihm Gesehen hatte. Nichts war mehr von der kühlen, starren Maske zu erkennen, welche seine Mitmenschen sonst zu sehen bekamen. Und auch wenn er in ihrer Gegenwart fast vom ersten Augenblick zu gelassen hatte, das sie hinter seine Fassade blickte und sehr bald ihr das eine oder andere warme Lächeln geschenkt hatte, wirklich verschwunden war die Fassade erst mit ihrer Zustimmung.


    Vielleicht war es zu früh, denn noch stand die Antwort ihres Vaters aus, könnte dieser seine Zustimmung verweigern, so wie damals sein Grossvater es getan hatte, als er Nova heiraten wollte. Und vielleicht hatte ihr Vater andere Kandidaten für sie in aussicht. Doch etwas war anders , er war nicht mehr der junge Mann von damals, er hatte Schlachten und Kämpfe gesehen und würde für seine Ziele kämpfen. Bei Nova er hattezuspüren bekommen, was es hiess einen Menschen nicht so lieben zu dürfen, wie man es wollte. Und das war etwas, das er nicht nioch einmal erleben wollte. Und vielleicht lag es daran, das er eben für Helena nicht genau das gleiche empfand wie für Nova damals. Es war sicher nicht nur sein Alter und seine Reife, die verhinderten das er sich in Helena so verlieben konnte wie in Nova, es war auch die Furcht dasselbe noch einmal erleben zu müssen.


    "Sie sollen es wagen, dir in meiner Gegenwart so etwas zu unterstellen. Wer das tut, wird einen ärger bekommen, wie er es noch nie erlebt hat," sagte er leise, aber sehr bestimmt im Tonfall. Und damit war für ihn das Thema des Standesunterschiedes vom Tisch. Sicher wusste er, das es gerade unter den Patriziern einige geben würde, welche seinen Entschluss sicher nicht gutheissen würden, doch damit würde er fertig werden.


    Draussen vor dem Laden hörte er wieder die Stimme von Titus, die ihn schmerzlich daran erinnerte, das sie beide nicht allein auf der Welt waren und es er irgendwann sie aus seinen Armen lassen müsste. Doch noch nicht jetzt, er wollte es noch einen Moment geniessen. "Wenn du mit Calvina diesen Stand erneut besuchst, Helena, wirst du die Ohrringe, welche ich dir eben angelegt hatte, nicht mehr vorfinden," sagte er mit sanfter Stimme, während seine Hand zärtlich über ihre Wange strich, ihr Ohr strich und ihre Haare leicht berührte. "Ich werde sie dir an dem Tag schenken, an dem ich dich erneut fragen werde. Keine andere Frau soll diese Ohrringe jemlas tragen."

  • Still betrachtete sie sein Gesicht, das Lächeln noch auf den Lippen, aber dieses Mal sagte sie nichts, trank mit ihrem Blick vielmehr die sich miteinander vermischenden und vermengenden Eindrücke, sein Lächeln, dieses mit einem Mal warm wirkende Gesicht des Mannes, an dessen Seite sie vielleicht die nächsten Jahre verbringen würde. Wollte sie dies wirklich? Konnte sie es sich vorstellen, neben ihm aufzuwachen und seine Tage zu teilen, mit ihm ihre Sorgen zu besprechen und die wenigen Stunden zu genießen, die ihnen vergönnt sein würden, wenn er von seinen Tätigkeiten und sie von ihrem Tagwerk in die gemeinsame Casa zurückkehren würden? Würden sie auch dann noch gut miteinander auskommen, wenn die ersten Sorgen sich in beider Leben schleichen würden, denn vermeiden ließen sich diese Sorgen sicher niemals? Und - sie würde die Casa Iulia verlassen müssen, um sie gegen die viel größere Villa Tiberia einzutauschen. Dieses geschmückte, aber doch deutlich unpersönlichere Haus ... es gab so viele Fragen, die sie jetzt nicht beantworten konnte und wollte. Aber ein wenig Unsicherheit blieb. Würde sie ihm die Frau sein können, die er sich erhoffte?


    "Ach Quintus," sagte sie lächelnd, als er so grimmig für ihre Ehre zu streiten versuchte, und schüttelte dann den Kopf. "Es wird sein, wie es ist, und wer reden will, wird dies sicherlich auch noch weiterhin tun, egal, was Du dagegen sagst. Verblendete Geister kann man nicht mit Worten umstimmen, das kann nur die Zeit lehren, wenn überhaupt. Und solange wir uns nicht beirren lassen, ist es doch ohnehin egal, wer was wann sagt, oder?" Am liebsten hätte sie ihn nun eine ganze Weile länger in ihren Armen gehalten und seine eigene Umarmung gefühlt, doch gab es am Eingang des Schmuckstandes Tumult. Irgendwer schien gerade zu versuchen, Titus zur Seite zu schieben, um in das Innere zu gelangen, und während die Männer draußen stritten, war die Stille im Inneren fast ein zu starker Kontrast. Wie es schon zuvor gewesen war, manche Augenblicke konnten wohl keine Ewigkeit sein, irgendwann hörte das Gewitter auf, und man musste den schützenden Felsvorsprung verlassen.


    "Du musst mir nichts schenken, Quintus," flüsterte sie. "Dein Wunsch, mit mir zu leben, ist Geschenk genug, und eines, das ich wirklich nicht erwartet hatte. Ich hoffe, Du kannst verstehen, dass es mich sehr erstaunt hat, davon zu hören ... alles hätte ich erwartet, aber sicher nicht dies. Du könntest so viel besser heiraten." Als sie das Gefühl bekam, dass er ihr widersprechen wollte, legte sie sanft einen Finger auf seine Lippen. "Sag es nicht, ich weiss, was Du sagen möchtest. Ich empfinde es eben so. Vielleicht kann ich es irgendwann anders sehen, ich weiss es nicht. Aber es wird immer so sein, wie es jetzt ist - dass ich durch diese Verbindung deutlich mehr gewinne als Du jemals haben wirst." Ein schwaches Lächeln umspielte die Lippen, und für diesen einen Moment war es offenkundig, dass sie nicht den Standesunterschied meinte, ihn nicht meinen konnte.

  • Ihre Worte bewiesen ihm wieder einmal, das seine Entscheidung, um sie werben zu wollen, die Richtige gewesen war. Und wenn auch viele sich ihre schändlichen Mäuler über diese Verbindung zereissen würden, in ihr steckte doch so viel mehr, als in den meisten anderen Menschen. Sie war eine starke Frau, er konnte das Erbe ihres Ahnen in ihrem Geist und ihrem Willen spüren. Sie war die Frau, die er wollte, mit ihr wollte er seine, wenn meist auch kurzen Nächte teilen, er wollte das sie sich ihre Freuden abner auch Sorgen teilten. Und natürlich würde er ihr die Ohrringe schenken, einfach weil er es wollte. Doch er sagte nichts mehr, er lauschte nur ihren Worten, genoss es, seinen Namen aus ihrem Mund zu hören, spürte wie sie sich ihr Finger sachte auf seine Lippen legten.


    Jedes Wort scheint ihm gerade überflüssig, als als ein in ihr Lächeln blickt, irgendwie wurde jedes Wort diesen Moment nur stören. Langsam beugt er sich wieder zu ihr heunter, küsst sie sanft auf ihren Lippen. Sicher wird dieser Moment nicht ewig dauern, doch nocheinmal möchte er ihren Lippen spüren, spüren wie es ist, wenn sich ihr Körper an ihn schmiegt.


    Fast hätte ihm in diesen Moment sein Gefahrensinn im Stich gelassen, denn er nimmt erst im letzten Moment wahr, das jemand das Geschäft betritt. Augenblicklich löst er sich von ihr, stellt einen abstand zwischen ihnen her, der gerade noch den moralischen Sitten entspricht. Er deutet auf einen Anhänger aus Gold. "Und du meinst, dieser Anhänger wäre das richtige für mein Mündel ?" fragt er laut und deutlich, wirft einen grossen Blick zur Tür. Doch es war nur Titus der herein gekommen ist, was er auch mitbekommen hat, der würde schweigen.


    Was man von dem Paar nicht gerade sagen kann, das kurz hinter Titus das Geschäft betritt. Die grosse hagere Frau mitteleren Alters redet wie ein Wasserfall auf ihren kleinen, rundlichen Ehemann, offensichtlich ein wohlhabender Ritter, ein. Innerlich verflucht er ihr erscheinen, haben die zwei doch ihre kleine Oase der Ruhe jäh zerstört. Wann würde er wieder erinmal gelegenheit haben, so vertraut mit Helen zu sein. "Ich glaube, du hast recht, das Amulett ist das richtige für Calvina," sagt er noch, mit einem Wink zum Händler. Dann blickt er wieder in Helenas Gesicht, lächelt, doch man kann auch erkennen, das er lieber wieder allein mit ihr wäre.

  • Es war ein sanfter, vertrauter Kuss, der nach einer seltenen Intimität schmeckte, die sie lange nicht mehr erlebt hatte. Dieser Kuss trug etwas anderes in sich als grenzenlose Leidenschaft oder reines körperliches Begehren, das Versprechen in der Berührung ihrer beider Lippenpaare war stumm gegeben worden und wurde auch stumm geteilt. Dass es ausgerechnet durch ein so profanes römisches Paar unterbrochen wurde, das sich auch noch lauthals stritt, war fast schon typisch für diese riesige Stadt und Iulia Helena wusste nicht, ob sie darüber ärgerlich sein sollte oder einfach nur lachen. Lachen wegen dieser seltsamen, gelösten Hochstimmung, die urplötzlich ihr Innerstes erfüllte, und als er das Spiel des braven römischen Bürgers beim Einkauf wieder aufnahm, spielte sie es amüsiert lächelnd natürlich mit, wollte sie ihn doch nicht kompromittieren. Es war schlimm genug, dass der Händler so manches mitbekommen haben mochte und sie nicht genau wusste, wie dieser Kerl einzuschätzen war.


    "Sie wird sich sicher sehr darüber freuen, wenn Du ihr dies zum Geschenk mitbringst. Alle jungen Frauen mögen Schmuck, und wenn es ihr noch ein wenig Glück bringt mit dazu, wird sie doppelt zufrieden damit sein, da bin ich mir sicher. Vielleicht finden wir dazu noch einen passenden Armreif oder Ohrringe? Dann kann sie alles bei einem wichtigen Anlass tragen und Du kannst sichergehen, dass sie passend gekleidet und nicht zu übermäßig geschmückt ist," plauderte sie voer sich hin und warf einen Blick auf die herrisch dreinstolzierende hagere Frau, die über und über mit Schmuck behängt schien. Nicht von ungefähr hatte sie die letzten Worte ein wenig betont und amüsierte sich innerlich über den giftigen Blick, den sie damit erntete.
    "Müffi," sagte die Hochnäsige zu ihrem rundlichen Ehemann, "... ich finde, wir sollten diese Halskette hier nehmen."


    Damit deutete sie auf ein wirklich teuer aussehendes Exemplar mit dicken, eingeknoteten Perlen, das gut und gerne seine dreihundert bis sechshundert Sesterzen wert sein mochte. "Wäre es nicht schöner, hättest Du Dir das selbst verdient?" entgegnete die Iulierin mit einem warmen, fast ein bisschen zu sanften Lächeln. "Ich verdiene mir eine solche einmal pro Woche selbst, mit einem Verstand und eigener Tatkraft." Müffi, der geplagte Ehemann, zuckte zusammen wie ein geprügelter Hund, während sich die Iulierin bereits in Richtung des Ausgangs gewandt hatte, an dem Titus noch immer stand und aufpasste, dass seinem Tribun niemand in den Rücken fiel.

  • Wer weiss, wie lange sie noch so im Geschäft des Juweliers gestanden hätten, denn es war nicht leicht, von sich aus einen solchen Hort der Ruhe und trauter Zweisamkeit zu verlassen. Doch während in Ostia mit dem Ende des Gewitters quasi das Ende der Unruhe die Zweisamkeit beendet hatte, war es hier das erscheinen der Unruhe in Form des älteren Ehepaares die Ursache für das Ende der Ruhe. Und während er Helenas Kommerntar zu dem Schmuckstück lauschte, dabei den Händler zu sich bat und ihm deutlich machte, welche Stücke er denn kaufen würde, blickte er kurz zu dem Ritter und seiner lauten Frau und fragte sich, wie es denn in zehn, zwanzig Jahrn wäre, wenn er und Helena lange verheiratet ein solches Geschäft betraten. Leicht musste er schmunzeln, so wie diese Beiden sah er er Helena und sich bestimmt nicht. Nicht nur das ihr Erscheinungsbild ganz anders war und er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, das Helena und er sich irgendwie dem älteren Paar ähnlich sehen konnten, nein, Helena hatte auch einen gnaz anderen Charakter, war selbstständiger und würde sicher ihn nicht so offen herum stubsen, was er selbst sicher auch nicht Mitmachen würde.


    Er gab Titus ein wink, der Hüne sollte das Finanzielle erledigen, er hatte das Talent, stets einen günstigen Preis zu erhalten, vielleicht weil die meisten Händler es nicht wagten, ihm zu wiedersprechen. Titus würde dann nachkommen.


    So folgte Tiberius Vitamalacus Helena aus dem Laden heraus, er hatte kein Verlangen, noch länger in der Gesellschaft dieses älteren Paares zu sein und die Antwort der Frau auf Helenas Bermerkung zu hören. Ihm drangen noch ein paar zickige Worte der Frau so Ohren, dann hatte der Lärm der Strassen Roms sie beide wieder. Als ob es das selbstverständlichste der Welt sei, reichte er ihr unauffällig seinen Arm und steuerte einen der nächsten Stände an.


    "Was für ein Paar," meinte er schmunzelnd den Kopfschütteln, "Ich frage mich, wie lange die Beiden schon verheiratet sind. Sicher schon einige Jahre. Mir könnte der Mann ja leid tun, doch wahrscheinlich gehört dieser Einkaufsbummel zu den seltenerer Gelegenheiten, an den die Zwei zusammen sind. Und in der übrigen Zeit lässt der gute seine Laune an seinen Sklaven aus." Auch wenn sie nun nicht mehr alleine waren, die Strassen waren immer noch gutgefüllt, obwohl sich der Nachmittag sicher langsam aber sicher dem Ende zu neigte, der Blick des Tiberiers ruhte auf Helenas Gesicht, das Lächeln auf seinem Gesicht war gelöst, sene Stimmung war so gut, wie schon lange nicht mehr.
    Und auch wenn er nicht unbedingt auf die Strasse und seine Mitmenschen achtete, steuerte er zielstrebig den nächsten Stand an, an dem ein Händler aus Gallien exquiste Glas- und Töpferarbeiten anbot. Vielleicht lag es an seiner Statur das ihn niemand ansties, oder aber daran, das der riessige Wonga ihnen folgte und alle finster anblickte, die der Iulierin und dem Tiberier zu nahe kommen drohten.
    "Galische Töpferarbeiten, als Kinder hätten wir fast einmal einen solchen Stand umgeworfen, Lucius, Cato,..." Kaum hat er diesen Namen genannt, verfinstert sich sein Gesichtsausdruck und er verstummt.

  • "Wer muss denn schon arbeiten, um Geld zu besitzen!" zickte die hagere Frau in Helenas Richtung zurück, was die Iulierin nur kurz lächeln ließ, bevor sie sich abwandte. "Selbst unser göttlicher Kaiser arbeitet jeden Tag zum Wohle des Reiches und gibt uns dadurch ein leuchtendes, wichtiges Beispiel. Der Müßiggang ist nichts für uns Römer, er macht uns nur faul und ..." ein Blick der Duumvir streifte den bemitleidenswerten 'Müffi', "...fett." Damit folgte sie endgültig ihrem Begleiter nach draußen und atmete durch. Die Luft war nicht unbedingt besser als im Inneren des Schmuckstandes, aber deutlich frischer, vor allem hatte die Rittersgemahlin ein furchtbar penetrantes Parfum aufgelegt gehabt, das innerhalb kürzester Zeit den Raum dominiert hatte - und wenn sie eins nicht leiden konnte, dann war es aufdringliches Parfum.
    "Sie könnten sich scheiden lassen," meinte Helena recht ungerührt zu der Bemerkung des Vitamalacus über das Pärchen, das sie soeben abgefertigt hatte, wiede den Kopf schüttelnd.


    "Wenn man sich denn so gar nichts mehr wirklich zu sagen hat ausser schlechten Worten, warum lebt man dann auf ewig zusammen? Vielleicht wären beide mit neuen Partnern glücklicher." Es herrschte zwar das allgemeine Gebot zur Ehe, aber es bedeutete nicht, dass man sich nicht auch wieder trennen konnte, wenn man sich gar zu sehr auf die Nerven fiel, zumindest konnte es kaum im Sinne der augustäischen Vorschriften sein, wenn man nur widerwillig Erben zeugte und ihnen eine furchtbare, streitbelastete Kindheit bot.
    Sie folgte ihm auf dem Weg über den Markt und stellte fest, dass sie an seiner Seite den dort herrschenden Trubel durchaus zu genießen wusste. Wongas und Titus' Anwesenheit - der Exlegionär hatte inzwischen wieder zu beiden aufgeschlossen - sorgte dafür, dass man den beiden Platz ließ, um durch die Straßen zu gelangen, und sie blickte immer mal wieder auf die Auslage des ein oder anderen Marktstandes, um sie zu betrachten, wenngleich sie nichts mehr wirklich zu fesseln wusste, dafür war ihr Kopf zu voll mit tausend anderen Gedanken.


    Dass er bei dem Stand mit den Glas- und Töpferwaren plötzlich so nachdenklich wurde, ließ sie innerlich aufhorchen. "Es bedrückt Dich etwas," stellte sie schließlich nach einem längeren, eingehenden Blick auf seine Miene fest und hob fragend eine ihrer Augenbrauen an. "Möchtest Du Deine Gedanken teilen? Vielleicht erleichtert es Dir diese Sache ein klein wenig, darüber sprechen zu können."

  • Bei Helenas Worten hatte unweigerlich an seine Ehe mit Lupus Mutter denken müssen. Diese hatte nur ein Jahr gedauert, doch es war ein schrecklihes Jahr für beide gewesen, doch er hatte nie an Scheidung zu denken gewagt, nicht so lange, sein Grossvater lebte. "Vielleicht konnten sie es zunächst nicht, und irgendwann haben sie sich an diesen Zustand gewöhnt. Wenn sie es nicht anders kennen..." meinte er nachdenklich, während sich fragte, wie es denn eines Tages sein würde, wenn er und Helena verheiratet wären. Ob es auch einmal den Punkt geben würde, an dem einer von ihnen den Gedanken bekommen würde, das es besser wäre die Ehe zu beenden ? Sicher, ein seltsamer Gedanke für einen Mann, der Gerade erst dabei war, um eine Frau zu werben, aber auch ein Zeichen dafür, wie nüchtern er an diese Werbung heran gegangen war.


    Es war wirklich so, das der Stand des Galliers plötzlich die Erinnerung an Cato und was dieser Getan hatte in ihm wach gerufen hatte. Und normalerweise hätte er nichts gesagt, hätte er einfach das Gespräch weiter geführt, aber hier, mit Helena an seiner Seite, fiel es ihm leicht zu sprechen und ihr Blick machte es ihm noch etwas leichter. "Es ist eine lange Geschichte. Lass uns npoch etwas weiter gehen." Mit ihr an seiner Seite setzte er seinen Weg fort, blickte dabei in hier Gesicht, bemühte sich zu lächeln, was ihm nicht wirklich gelang. "Cato ist mein Sklave, der Sohn von Mara, meiner Amme, wir sind eigentlich mehr Freunde als Herr und Sklave. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen, wir haben in Germanien schlimme Zeiten erlebt."
    Langsam geht er immer weiter, ignoriert einfach alle, die ihnen entgegen kommen, denn er weiss, das Titus und wonga ihnen den Weg freihalten würden. "Dann hatte ich ihn gebeten, auf Nova aufzupassen. Und ich habe ihm nie vorgeworfen, das er schuld am Tod von Nova sei. Von Nova erbte ich Alexis und ich erfuhr, das die beiden eine Beziehung hatten. Und ich habe es gestatte und beide Sklaven bei Lucius in Carthago Nova untergebracht."
    Er war damals in Germanien noch ein facher Optio, da hatte er keinen Platz für zwei Sklaven gehabt. "Vielleicht war das ein Fehler, ich weis es, Cato und ich haben uns lange nicht gesehen. Doch eines Tages erfuhr ich, das Cato einer anderen Sklavin bei der Flucht geholfen hatte, diese In der Casa meines Freundes versteckt hatte und obendrein sich wohl noch in diese andere Sklavin verliebt hatte. Zu allem Überfluss wollte sich diese Sklavin auch noch der Rückführung zu ihrem Besitzer mit Gewalt wiedersetzen und Cato eilte ihr zu Hilfe.... Ein Römer starb in folge der Verletzungen, welche er in diesem Kampf zugefügt bekam...."

  • "Die Frage ist doch, ob man es aushalten will, ob die Gewöhnung an den status quo irgendwann so groß ist, dass man ihn nicht mehr hinterfragt. Die ersten Jahre meiner Ehe waren sehr unglücklich, und ich habe oft überlegt, ob ich mich nicht trennen sollte - aber irgend etwas hielt mich stets zurück, zum Glück, so bekam ich die Zeit, meinen Mann im Lauf der Jahre besser kennenzulernen und ihn aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Wenn man sich aber nur noch unglücklich fühlt oder gegenseitig piesackt, welchen Wert hat eine Ehe denn dann noch? Schau Dir diese Leute an, ich glaube nicht, dass der Mann viel Freude daran hat, von seiner Frau dauernd vorgeführt zu werden wie ein Schoßhund," gab sie zu bedenken und schüttelte dann den Kopf. Wie sehr musste man einen Menschen verabscheuen, um ihn in aller Öffentlichkeit auf diese Weise zu demütigen? Das war etwas, das sie trotz allen Ärgers über ihren Gemahl nie fertig gebracht hatte, denn ein vor den Augen anderer entehrter Mann würde diese Schande nie vergessen.


    Dann jedoch lauschte sie seinen Erzählungen über seine Jugend, und wieder fügte sich ein kleines Puzzleteilchen in das große Bild seines Lebens. Überhaupt schien dies ein Teil seines Lebens zu sein, über den er wenig sprach, höchstens, wenn es um seinen Großvater oder seine Freunde ging. Insgeheim hatte sie schon mehrfach vermutet, dass sich viel Schmerz auch mit seiner Jugendzeit verband, und umso trauriger war es, dass nun einer dieser Freunde ihm Kummer zu bereiten schien.
    "Dennoch klingt es, als sei Cato nach diesen Vergehen noch immer am Leben - was er in meiner Familie sicher nicht mehr wäre - und ich befürchte fast, diese Geschichte hat noch nicht ihr Ende gefunden? Was bereitet Dir denn solche Sorgen?"

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