[Colis Quirinalis] Templum Quirini
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Die Sonne erhob sich langsam am Firnament, als ich die Villa Flavia Felix verließ, um meine Sänfte zu besteigen. Dies gestaltete sich etwas schwierig. Denn erstens hatte ich meine beste Toga angezogen und zweitens wollte ich jene weder zerknittern, noch später an meinem ersten öffentlichen Opfer verknirscht aussehen. Als jene Hürde endlich geschafft war und die Träger sich in Bewegung setzten, brachte man mich zum nördlichsten der sieben klassischen Hügel Roms, dem Quirinal. Eben jenen Hügel, wo sich die Tempelanlage des Quirinus befand.
Mein Eintreffen wurde bereits erwartet. Die Opferhelfer hatten den Vorplatz zum Opferaltar geschmückt. Der Bock war präperiert und ein weiteres Tier stand bereit, sollte sich Ersterer als unrein herausstellen. Erneut etwas umständlich verließ ich die Sänfte und ließ mir dabei ausreichend helfen. Dann stand ich vor dem Tempel und blickte die lange Sandsteintreppenanlage nach oben. An ihrem Ende erwartete mich der Opferplatz. Dessen Kernstück ein aus Bimsstein gehauener Altar bildete. Erst als ich ihm später sehr nahe war, erkannte ich die feinen Spurrillen, die das Schlachtblut in angemessen große Amphörchen leiteten. Doch dazu später.
Ich grüßte einen Priester, der sich vorstellte und den Opferablauf überwachen würde. Zwei weitere Helfer hatten sich dem männlichen Tier gewidmet. Ein weibliches wäre für einen Gott unangemessen. Mit langsamen, erhabenen Schritten machte ich mich auf, den Tempel zu erreichen. Die Treppen waren noch gut in Schuss. Immerhin wurde die Anlage erst im Jahre 16 v. Chr neu erbaut, nachdem sie im Spätsommer des Jahres 49 v. Chr. Opfer eines verheerenden Brandes geworden war.
Als ich die obere Ebene, den Opferplatz erreicht hatte, stand ich auf einer rechteckigen Plattform, deren schmale Enden von der Treppe und dem Eingang zum aedes begrenzt wurden. Jener war überdacht, das Vordach jedoch nicht zu weit in Richtung Altar gezogen. Nicht selten verbrannte man dei edlen Teile der Opfertiere, um sie den Göttern darzubringen. Mein Blick schweifte hinüber zu den anderen Hügeln. Der Ausblick war grandios und sollte mein heutiges Opfer erfolgreich sein, würde dies in den nächsten Jahren meine Wirkungsstätte sein.
So ließ ich nichts anbrennen, sondern begab mich näher an den vorhin bereits vorgestellten Altar heran. Man hatte den Bock bereits darauf gesetzt und mit Schnüren befestigt. Das ihm das nicht gefiel, war verständlich. Doch würde ihn sein jehes Ende noch viel weniger passen.
Zuerst trat ich an das bereit gestellte Waschbecken und säuberte mich ordentlich. Dann begann ich mit der Opfereinleitung.
Ich erhob die Hände und Arme zum Himmel. Mein Blick tat es ihnen langsam Gleich. Wobei er die vergoldeten Hörner inspizierte.
"Oh Quirinus, Gott des Trias, Herrscher über die Waffen und Beschützer der Kämpfenden. Ich stehe hier um dir zu dienen. "
Die ministri erklommen den Opferplatz und hielten sich jeweils zu viert an den Seiten. Ihre Aufgabe war das Halten des Weihrauchs. Er war angezündet und seine Schwaden wandten sich empor.
"Das Mahl ist bereitet. Lass es dir durch mich überbringen und nimm es an, so sein Herz rein, seine Leber zart, die Hoden kräftig, die Lunge sauber und die Nieren gespühlt sind."
Meine Hände gingen mit den Schultern leicht nach hinten, um einem Popa das nötige Zeichen zu geben. Er ließ sich auf die Knie nieder und überreichte so mit würdigen Anstand mir das Opfermesser. Es war aus reinem Stahl, mit Verzierungen an des Messers Schneide. Feine Ornamente und einem hochwertig gearbeiteten Griff. Dankend nahm ich jenes Messer an und führte es über den Rücken des Opfertiers. Dabei murmelte ich einige Frasen, Worte die dem Bock als Beruhigung dienen sollten.
Dann schoss meine Hand nach oben, wie ein Blitz schlug das Messer in die Halsschlagader des Tieres. Blut spritze weit, viel weiter als bedacht, so bekamen auch die Knaben mit den Weihrauchstäbchen ihre Suppe weg und meine Toga war dahin. Sanft glitt die Klinge durch den Hals, bog nach hinten ab und offnete den Ranzen des Gamsbocks. Er war passend auf den Rücken gefallen. Mit blutverschmierten Händen fischelte ich in dem Tier herum. Befreite es vom Herzen,. von der Milz,der Galle, die Milz, die Lunge, die Leber und auch die Nieren. Sie alle legte ich in die Opferschale. Bei den Hoden mußte ich stocken. Warum hatte man das nicht früher gesehen? Zu offensichtlich war es. Wer hatte die hostiam probare so schlampig ausgeführt. Unter meiner Regie würde das anders werden. Mit leicht erregten Gesichtsausdruck wandte ich mich um und sprach aus:
"hostia succidanae!"
Worauf mich ein Priester schief von der Seite anschaute. Er war es wohl gewesen, der das Tier ausgesucht hatte. Sein Gesicht würde ich mir merken.
Der Altar wurde geräumt, die Gebeine fortgeschafft, die kleinen Amphoren erneuert, das Blut vom Altar gespühlt. Eine Neue Opferschale bekam ihren Platz. Meine Hände wusch ich erneut sauber, eine Toga war so schnell nicht aufzuziehen. So stand ich erneut vor einem Gamsbock. Diesmal blickte ich ihm weniger auf die vergoldeten Hörner, sondern fühlte die Hoden. Sie waren besser, viel besser.
So schritt ich in die Anfangsstellung zurück und erneuerte meinen Aufruf an Quirinus.
"Oh Quirinus, Gott des Trias, Herrscher über die Waffen und Beschützer der Kämpfenden. Ich stehe hier um dir zu dienen. "Frische Weihrauchstäbchen erfreuten die Luft mit rauchenden Schwaden und die Ministri taten ihres Gleichen einen Schritt zurück.
"Das Mahl ist bereitet. Lass es dir durch mich überbringen und nimm es an, so sein Herz rein, seine Leber zart, die Hoden besonders kräftig, die Lunge sauber und die Nieren gespühlt sind."Mit einem gleichförmig rasch geführten, gesäuberten Opfermesser schnitt ich wieder präzise die Halsschlagader durch. Doch fiel der Bock diesmal nicht auf den Rücken, ein Opferhelfer erledigte dies für mich. Als das Tier ausblutend so da lag, wartete ich einen Augenblick. Ließ die Ruhe wirken, hoffte auf saubere Innereien und darauf, das Quirinus das Opfer würde annehmen.
Dann begab ich mich daran, den Gamsbock auszuweiten. Die Lunge, sauber, die Nierchen perfekt. Die Leber zart und Glatthäutig. All das legte ich in die Opferschale und fuhr fort. Die Hoden bestätigten ihr Äußeres und auch das Herz ließ keine Wünsche offen. So allmählich näherte ich mich dem Litatio. Doch wollte ich nichts übersehen, oder überstürzen. Fest stand, die kleinen Amphoren waren zu klein. Das Blut schwappte über und suchte sich seinen Weg die Treppe hinab. Begünstigt wurde dies durch die leicht angeschrägte Plattform. Wohl ein baulicher Trick, um dem Regenwasser nur einen Weg zu lassen.
Als ich das Tier geweidet hatte, nahm ich das Herzen aus der Schale, reckte es in die Höhe und passte dabei unzureichend auf. Das noch anliegende Blut lief mir in den Nacken und ließ mich kurz schaudern. Doch da mußte ich jetzt durch. So erhob ich meine Stimme und schrie ein kräftiges:
"Litatio!"
... aus. Meine Arme senkten sich wieder. Das Herz kam zu den anderen Innereien zurück in die Opferschale und ich legte das Messer, das noch immer meine rechte Hand zierte auf dem Altar ab. Dann verneigte ich mich einen Augenblick vor dem toten Bock und ließ die kurze Ruhephase auf die Teilnehmer des Opfers wirken. Erst dann gab ich den Wink die Opfergaben zum Kochen zu schaffen. Natürlich wurden die Innereien, bestimmt für die Gottheit, getrennt gekocht. Weiterhin würde Quirinus zuerst speisen, bevor die zarten Fleischstücke in einem Opfermahl verzehrt wurden.
Ruhig stand ich neben dem Altar und wartete auf ein Zeichen...
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Sim-Off: Der Opferplatz ist normal vor dem Tempel, also unterhalb der Steintreppe, die gehört schon zum Tempel dazu.
Victor gibt sich gerade einem ausgiebigen Gähnen hin, als eine Sänfte am Tempel eintrifft. Als sich sein Mund zuklappt und er die Hand sinken lässt, geht daher seine Augenbraue nach oben. Kurz darauf wundert ihn aber nichts mehr, denn es ist der Flavier, der zu seinem Opfer erscheint, und bei Flaviern wundert Vic eigentlich nichts mehr. Dass der angehende Sacerdos immerhin alles gut organisiert hatte, lässt hoffen.Nach einer kurzen Begrüßung legt Lucullus auch gleich los. Etwas pathetisch für ein kleines Opfer, aber Vic lässt ihn in Ruhe gewähren. Quirinus bekommt dieser Tage nicht viele Opfer und so kann ruhig auch mal ein privates Opfer groß ausfallen, vor allem, da der Patrizier sicher genug Sesterzen auf seinem Konto hat. Victor stellt sich seitlich des Opferaltars um genau alles im Blick zu behalten und notiert sich auf einer kleinen Wachstafel alles, was es später anzusprechen gilt.
Als das erste Tier ausgeschlachtet wird und der Flavier den Fehler bemerkt, beißt Vic die Zähne zusammen, um ein Lachen zu unterdrücken. Da hat er alles so gut geplant und doch das wichtigste vergessen. Immerhin steht ein zweiter Bock bereit und das Opfer kann direkt weitergehen. Alles in allem ist es eine ziemliche Sauerei, da würde Lucullus nochmal Üben müssen, bis er sich nicht mehr so einsaut, aber Vic treibt es die Erinnerung an seine eigenen ersten offiziellen Opfer in den Sinn und vielleicht findet der Flavier auch selbst so großen Gefallen wie Vic daran, in den Eingeweiden rumzuwühlen. Als Lucullus die Vitalia zum Kochen freigibt, tritt Vic etwas näher um ebenfalls einen Blick drauf zu werfen, doch auch aus seiner Sicht sieht alles recht gut aus.
Ein Minister bringt dem angehenden Sacerdos eine Schüssel, um seine Hände zu reinigen. Victor tritt zu ihm und blickt auf seine Wachstafel. "Gut, gut, fangen wir mal an, deine Handlungen zu analysieren. Allgemein hat es mir ganz gut gefallen und es steckt sicherlich Potential in dir. Allerdigs habe ich ein Voropfer vermisst. Ich weiß, beim privaten Opfer wird das nicht immer gemacht und nur Weihrauch verwendet, aber da du hier zeigen sollst, dass du auch ein öffentliches Opfer leiten kannst, hätte ich das schon erwartet. Der Weihrauch und das Voropfer finden in dem Fall auch im Tempelinneren statt, aber ich glaub, das hattest du in der Prüfung immerhin richtig beantwortet, also passt das schon. Was du auf jeden Fall gelernt hast, ist dass du das Tier selbst prüfen solltest. Verlass dich bei einem großen Opfer niemals auf irgendwelche Tempeldiener. Tu es am Tag vorher, oder bevor du den Tempel betrittst, aber geh zu dem Tier, schau es dir an. Prüfe, ob die Augen in Ordnung sind, also nicht gerötet oder tränend, schau dir die Nase an, dass nichts rausläuft, ebenso wie das Maul. Faulige Zähne oder Schaum im Maul müssen beim Opfer nicht auffallen, aber sie weisen meist drauf hin, dass das Tier krank ist, und dann kannst du die Vitalia auch vergessen. Außerdem solltest du drauf achten, dass das Tier nicht krumm geht oder hinkt, dass das Fell durchgehend gleichmäßig ist und sich nicht irgendwo kahle Stellen zeigen, oder bei Geflügel die Federn ausfallen."
Vic blickt auf die Wachstafel, schüttelt kurz den Kopf und schaut wieder auf. "Alles andere wirst du nur durch die Praxis lernen." Grinsend deutet er auf Lucullus blutverschmierte Toga. "Auch, wo man stehen muss um sich nicht einzusauen. Aber beim großen Opfer macht das sowieso ein Cultrarius oder Victimarius, da bist du normal aus der Gefahrenzone." Außer bei Stieren und Ochsen, da kann man nie ganz sicher sein, aber auch das würde Lucullus noch selbst herausfinden. "Nuja, falls du Fragen bezüglich eines Opfers oder Feiertags oder sonstwas Kultisches hast, dann steht dir die Regia jederzeit offen, auch ein Sacerdos muss nicht alles wissen. Wenn du also bei der Übergabe des Götteranteils jetzt nicht noch den Tempel abfackelst, dann werd ich anschließend in der Regia vorbei gehen, und deine Ernennung zum Sacerdos publicus in die Wege leiten. Glückwünsch."
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Das Opfer war also zur ausreichenen Zufriedenheit durchgeführt. In Zukunft war ich mir sicher einen Schlachtmeister mit an den Altar zu führen und mich auf die Eingeweitenschau zu begrenzen.
So legte ich ein leichtes Lächeln auf mein Gesicht auf und antwortete:
"Ich werde mir die größte Mühe geben das Heim Quirinus stehen zu lassen."
Dann trug man den Kessel mit den fertig gekochten Innereien zurück zum Altar und hob sie mit einer löchrigen Kelle heraus. So floss das überflüssige Wasser ab und die nun nurnoch feuchten Lebensorgane fanden ihren Platz auf dem Altar. Mit Oel übergossen, begannen sie zu brennen und die beigestellte Statue des Quirinus konnte das Mahl annehmen. Mit Stille verfolgte ich der Verbrennung und freute mich schon darauf Morgen in der Früh auf den Quirinal zu kommen...
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Am Ende des Opfer steht der Tempel tatsächlich noch und Vic macht sich zufrieden eine letzte Notiz auf seiner Wachstafel und klappt die dann zu. Wieder einer, der durch alles durch ist. Hoffentlich würde er es eine Weile als Sacerdos publicus aushalten.
"Das wär dann alles. Glückwunsch nochmal, Sacerdos publicus Flavius Lucullus. Die Einteilung zum Tempeldienst ist immer in der Regia nachzulesen. Ansonsten bleibt mir nur, dir ab morgen frohes Schaffen zu wünschen. Vale!"
Da Vic nicht mit der Sänfte da ist, hat er noch ein Stück Fußmarsch vor sich.
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Ich nickte bei jenen Worten, wartete bis der Priester von dannen war und ließ mir dann ein Bad einlassen. Einen meiner Sklaven schickte ich zur Villa frische, saubere Sachen zu holen. So wusch ich mich vom Blut rein und zog eine neue Toga auf. Wenig später setzte sich meine Sänfte in Bewegung. Ich hatte die erste Stufe gut gemeistert. Das war zu feiern und wo ginge das besser als in der Villa Flavia.
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Die letzten Tage war ich damit beschäftigt gewesen die Umgebung zu erforschen. Es gab eine Menge Regeln im Cultus, die eingehalten und befolgt werden wollten. Nebenbei lernte ich dazu den Tempel mit seinen vielen kleinen, wie großen Räumlichkeiten kennen. Wußte schon bald, wo sich die Opferutensilien befanden, elche Listen auszufüllen waren und mit welchen Zyklien die Opferstunden verdingt wurden.
Mein Blick streifte den des Quirinus, als ich ihm einen Opferkuchen brachte. Ich verneigte mich tief vor dem Bildnis und sprach einige kurze Formeln, dann wand ich mich zum Gehen. Doch es sollte nicht für lange sein. Schon in wenigen Stunden nach einem kleinen Mahl würde ich zurückkehren, diesmal mit der Aufgabe einen der Gebetsräume auszudekorieren.
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Lebe deinen Traum, doch beachte dabei die Riten unserer Vorfahren, hatte unser Vater immer gesagt, wenn wir fröhlich von den Weiten des Reiches träumten und so manch eine Geschichte erspannen, wie wir die Welt bereisen könnten. Gracchus hatte eben jenen Weg dann unter den scharfen Augen unseres geliebten Vaters gewählt und war aus Rom fortgegangen. Ich wurde danach zum Landgut verbracht, wohl aus der weisen Voraussicht das nicht noch ein Sprößling die Schriften der Griechen studieren wöllte.
Meine Zeit dort in Oberitalien habe ich nie verdammt, sondern immer genossen. Während ich hier in Rom ein ungutes Gefühl entwickelte. Zwar blieben die Arbeiten ansprechend, intressant und übersichtlich, doch war viel und oft zu spüren, das die Verwaltung im Cultus mehr Nebensächlich bedacht wurde.
So kam es vor, das man ein Opfer in Auftrag gab, der Termin Wochenlang vorher zur Tafel stand und dann zwei Tage vor dem Beginn die Lagerkammern nicht jene Opfergaben aufwiesen, die angedacht waren. Aber auch an alltäglichen Dingen fehlte es manchmal, es mußte improvisiert werden oder ein Opfer auf den nächst möglichen Tag verschoben.
Heute machte ich mich auf, jene Kammer am Templum Quirini aufzusuchen und die Vorräte aufzunehmen. Später könnte ich dann einen Opferdiener damit betrauen auf den Märkten und den Spezialboutiquen nach Ersatz Ausschau zu halten.
Mit dem Stilo und einer Wachstafel bewaffnet schob ich den Riegel beiseite und öffntete die Türe, deren Angeln mächtig krächzten. Der Raum roch nach Feuchte und das einfallende Licht machte mir klar, das das keine Arbeit für mich war. Also schob ich mich zurück in eine der vorgelagerten Schreibstuben am Tempelportal und wies zwei Sklaven damit an die Vorräte fein säuberlich getrennt nach Art, Alter und Zustand vor der Kammer auf dem Boden auszubreiten. Dabei konnten diese die Säuberung vornehmen und meine grundsätzliche Arbeit war sowohl erleichtert als auch verschoben.
So ließ ich mir durch den Kopf gehen, was der Tag die Zeit bis zur möglichen Inventur bringen würde und entschied mich für einen Blick auf die heiligen Waffen. So ließ ich mir einen Flakon voll leichtem Öl geben und nahm zwei Leinentücher mit...
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Wenn man bedenkt wie aufregend das Leben in den Straßen Roms sein mußte, entfaltete sich der Tempeldienst als ruhendes Eiland in der stürmischen See. Ich war gerade dabei die Statue des Quirinalis zu überprüfen und zeigte mit ausgestrecktem Arm den Putzsklaven ihre Schwachstellen. Man mußte kein Handwerker sein, um ihre schluderischen Abschnitte zu erkennen. Das würde mir einen lockeren Nachmittag im Innenhof des Tempelareals einbringen. Zwei Stecken im Boden bildeten dort hinter verschlossenen Türen den idealen Platz um Sklaven zu lehren, was es hieß die aufgetragenen Arbeiten nur unzureichend auszuführen.
Während ich so also die Stellen zusammen zählte -es würde Einfluss auf Härte und Waffenwahl haben- überlegte ich bereits welcher der beiden Sklaven zuerst seinem Schicksal entgegen sehen würde. Der stämmigere von Beiden oder das zarte Fleisch des Anderen. Wahrscheinlich kam ich nicht darum dem großen, kräftigen zuerst zu bearbeiten. Im Zusehen würde der kleine schmale schon vor dem ersten Peitschenhieb brechen.
Doch bevor ihre Stunde geschlagen hatte, mußten sie ihre Arbeit ausbessern und ich wollte dem Quirinalis noch ein Opfer darbringen. Dazu betrat ich einen kleinen Raum, der in einer Nische der Säulen untergebaut war. Es befand sich darin ein kleiner Schemel und ein reich verzierter Altar, auf welchem einige Kerzen brannten. Ich kniete vor einer kleinen Kopie des riesigen Statuenabbildes Quirinalis nieder und träufelte etwas Wein darüber. Dann fand ein Opferkuchen und einige Kekse in einer Schale Platz. Mit einigen Worten bot ich meinem Gott das Mahl an und vollführte wenig später die Übergabe durch Verbrennung.
Noch gut eine halbe Stunde verbrachte ich bei Quirinalis und seinem Mahl, um ihm immer wieder von den Freuden und Sorgen der Menschen zu berichten. Dann erhob ich mich, erneuerte die bereits abgebrannten Kerzen und stellte zwei Weihrauchstäbchen auf. Wenig später hatte ich den Raum verlassen und bewegte mich auf meine Zuchtaufgabe zu.
Die beiden Sklaven warteten bereits demütig im Hof. Ein Zeichen dafür, das sie ihrer Untaten wußten und Reue zeigten. Doch ich war heute nicht für Gnade aufgelegt und wählte so jene Waffe, die mit einem langen aus Ochsenhorn gefertigten Griff begann, sich in kleinen verzahnten Kettengliedern fortsetzte, die zu fünfen an der Zahl Ketten bildeten. An ihren jeweiligen Enden befanden sich kleine widerborstige Haken.
Die Anweisung war gnadenlos, der Wille nun nicht mehr so stark, doch die Geislungshelfer um so mehr. Wenig später trug ich eine Toga voller dunkelroter Flecken und das Jammern und Flehen war auch noch im Tal vor dem Colis Quirinalis zu hören. Schon bald aber da war ich mir sicher, würde die Statue meines Gottes in höherem Glanze erstrahlen als jede andere in der Stadt.
Ich verließ den Innenhof, um mich umzukleiden, dann wartete eine Lesung im Refugium. Der Tag hatte doch gerade erst begonnen...
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Mit einem langen Tag über den Studien im Refugium hatte ich gerechnet, das er sich derart ausdehnte, nicht. Doch es war noch hell, als ich die Stufen zum Tempel erklomm. Sicher warteten die Sklaven wieder vor der ewigen Halle, um dem Ritual der Salbung mit Tat zur Seite zu stehen. Wenn sie da waren, dann sicher nicht erst seit eben, denn eigentlich hatte ich sie drei Stunden früher bestellt. Sie hatten noch viel zu lernen, aber guter Hoffnung war ich trotzdem sie vorzufinden. Seit ihren letzten Ausrutschern, den Mäßigungen, die ich teils ihnen selbst verabreicht hatte, mußten sie sich langsam klar sein, das es ein Leben in Freude und Vollendung nur in Dehmut und Geduld gab.
Natürlich behielt ich Recht. Beide Männer noch junger Jahre standen auf dem letzten Treppenabsatz und warteten mit den üblichen Arbeitsgeräten darauf hinter mir den Tempel zu betreten. In ihren Gesichtern stand Erleichterung geschrieben, als mein Kopf in ihr Blickfeld wanderte.
Ich voran betraten wir den Tempel. Es roch üblich und ich blickte beim Laufen auf die Weihrauchreserven in den Ständern. Zwei bis drei würden aufgefüllt werden müssen, doch das konnten sie auch noch tun, wenn meine Sänfte sich bereits zur Villa Flavia bewegte.
Wir schritten die abgenutzten Treppen hinunter. Hier wucherten die emsigen Spinnen fast täglich mit ihren Netzen den Gang zu. Er war hell erleuchtet, fast wie am Tag mußte es einem vorkommen. Trotzdem bewegten wir uns immer tiefer in den Berg. Nur die Priester und einige Sklaven wußten das es diesen Ort gab und keiner hatte das Geheimnis zweimal preis gegeben.
Die Gittertüre war erreicht. Sie schwang mit einem Ächzen auf und gab einen mittelgroßen Raum frei. Zwei Wächter standen der Tür Gegenüber.. Priester in fein gesponnenen Mänteln. Ich nickte ihnen zu, sie kannten mich und ihre Blicke blieben unbeeindruckt. So lenkte ich den Schritt in die Mitte des Raumes, wo ein Altar wohnte. Meine Hand kletterte aus dem Tuch hervor, strich langsam und von Gemurmel, meinem Gemurmel begleitet über die heiligen Waffen der Salier. Am Schild angekommen, blieb meine Hand stehen. Ein Luftzug durchfuhr die Halle, die Fackeln flackerten auf und ich drehte mich langsam zum Eingang hin.
Er wurde von der knochigen, kaum noch aufrecht gehenden Gestalt des Sextus Iulius Maxentius eingenommen. Und der Gehstock tockte auf den kalten Stein. Seine Augen waren bei weiten noch in der Lage den Raum, selbst in diesem Maße der Erleuchtung wahr zu nehmen, sein Geit war frischer denn je und natürlich hatte er auch die Regung seiner Lippen unter Kontrolle und so ließ er mich wissen, das es nur ihm zustand jene heiligen Reliquen zu berühren. Meine Zeit sollte kommen, seine jedoch wäre noch lange nicht vorbei.
Totgesagte leben länger ging mir dabei durch den Kopf. In ein zwei Jahren würde man ihn herunter tragen müssen, nur damit er die Salbung noch vornehmen konnte, aber es hauchte auch den Gehalt von Amtserfüllung durch den Raum. So trat ich schweigend beiseite, legte den Kopf dehmütig nach vorn und ließ den Flamen Quirinalis zu Werke gehen. Natürlich standen die beiden Diener ihm zur Seite und ich blickte aufmerksam seinen rituellen Handlungen zu. Wo begann er, wie strich er die Paste auf, was waren seine Worte dabei... all sowas würde sich in meinem Gedächtnis fest verankern.
Die Salbung würde Stunden dauern...
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Wochen über Monate konnte die Arbeit in den Tempeln eintönig wirken und dem Priester nur schwer von der Hand gehen. Aber es gab auch Lichtblicke. Feste zum Beispiel. Ein großes Opfer vor großer Menge oder eine Gebetsstunde vor Versammlungen. Dann gab es Studien die den Alltag abwechslungsreich machen konnten. Aber auch Stunden der Lehre halfen über triste, sich immer wiederholende Rituale hinweg.
Heute war so ein Tag. Der Flamen hatte mich aus der Leere gerissen und in die Lehre genommen. Ein sehr alter Mann war er. Die Erfahrung mit der er zu Werke schritt, ließ mich immer wieder erschaudern und doch fühlte ich mich in seiner Nähe wohler als bei sonst einem Priester.
Sextus Iulius Maxentius war streng in seiner Ausübung, noch fester hielt er mich in seinen Klauen und warf schwere Vorwürfe mir entgegen, wenn ich die Tabula nicht beachtete oder Fehler zu offensichtlich beging. Doch mit den Monaten im Dienste des Quirinal kamen auch Fehler im rituellen Handeln immer weniger vor.
Der alte Mann lehrte mich Dinge, die man in der Priesterschaft wohl nur unter vorgehaltener Hand ausgesprochen hätte, ihm aber im Gesamtbild der Horizonte wichtig schienen. So lernte ich Sternenbilder zu lesen, die Mythologie der Griechen zu begreifen oder Tierkreiszeichen zu deuten. Natürlich auch alles wissens, wie unwissenswertes über Quirintalis, die Salier und jene Waffen und ihre Geschichten unten in den Grotten.
Meine Zeit in der Villa Flavia beschränkte sich oftmals nur auf ein karges Frühstück, ein Abendmahl. Vielmehr "wohnte" ich bei ihm. Maxentius, den nur wenige so nennen durften, zeigte mir die Künste der Alchemie, schwarze Magie und Hexenwesen. Er war der festen Überzeugung, das nur ein Priester der beide Horizonte gesehen hatte, wußte wo seine Gebeine stehen würden.
Schon zum ersten Besuch in seiner kleinen Kammer auf dem Tempelberg mußte ich einen Schwur leisten. Damals verstand ich nicht warum, später als ich einmal den Aedilen auf dem Markt zusah, wie sie die Zelte der Wahrsager und "Giftmischer" räumten, verstand ich es etwas mehr. Heute wußte ich das es zwar wichtig war die Lehren und Schriften zu kennen, aber es unser Geheimnis bleiben mußte. Nur wenige konnten mit den Riten leben und danach handeln. Daneben zeitgleich den Schriften zweifelhafter Gelehrter Glauben schenken und trotzdem nicht dem allgemeinen Verfall folgen.
Ich hoffte mein Horizont würde der hell erscheinende Himmel über Rom bleiben.
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Nach dem obligatorischen ersten Jahr erreichte mich eine Nachricht. Nicht von den Göttern geschrieben, aber wenigstens mit göttlichem Inhalt. So wurde es einem neuen Priester zu teil jene Aufgaben, denen ich mich hatte widmen müssen, zu erfüllen. Mein Tagesablauf hingegen wurde nun mehr von einer hell erleuchteten Kammer bestimmt. Doch grub ich mich in Schriften, alten wie neuen Datums und umso tiefer ich vordringen konnte, umso unverständlicher drangsalierte mich das Ganze.
Zwar verstand ich vieles nach dem zweiten, dritten Lesen, doch erfüllte sich in meinem Innersten nicht eine Art Befriedigung. So mußte ich mir Notizen machen. Schrieb vieles in Stichpunkten neu auf, verglich es mit dem im Geiste gespeicherten und verwarf nicht selten einen ganzen Tag.
Trotz das es eine mühsame wie unliebsame Arbeit zu sein schien, bohrten die vielen Fragen auch in der Nacht nach Antworten und trieben mich am nächsten Tag zu früher Stunde zurück in jene Kammer. Wieder begann der Morgen, wie es am Abend geendet hatte und wäre mein Auftraggeber nicht immer im Dunst scheinbar zu erblicken, ich hätte mich schon längst dem Weine hingegeben...
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Tage, Wochen ja Jahre können wie im Fluge vergehen. Schaut man den Vögeln traurig im Herbst nach, wie sie sich in eine entfernte Welt aufmachen, freut man sich umso mehr, wenn sie im Frühjahr den Weg zurück finden und die Stadt mit Leben füllen. Zwar können einige von ihnen durchaus lästig sein, andere sind hingegen wichtig für Religion und die Kommunikation mit den Göttern. Schon früh im angehenden Frühling finden die ersten Vogelschauen statt. Man erkundigt sich dadurch, wie die Götter zur Aussaat stehen, wie sie zum Imperium halten.
Während die Auguren den Vögeln zusehen, finden sich die Tempeldiener und Priester, die Laien und Furien einfach alle ein, um die Tempel zu reinigen. Nicht nur Tauben und Spatzendreck wird dabei entfernt, sondern auch die Ablagerungen, die der Winter hinterlassen hat. Nach all jenen Arbeiten läßt man die Götter mit einem Reinigungsopfer ihr neues Jahresheim beziehen und hofft auf Milde, auf Verständnis und darauf, das dieses Jahr ähnlich dem Alten verliefe, das die Götter Rom gewogen sind, das sie uns lieben, so wie wir sie verehren.
Zu diesen Tagen gab es einfach sehr viel zu tun und ich hatte wenig Zeit für mich selbst. Noch immer suchte ich nämlich nach meiner Berufung. Sollte ich mich auf die Tugenden und meine bestandenen Lesungen berufen um Rom als Flamen zu dienen? Die Familie würde sicher Freude empfinden. Doch ich , ich wußte nicht, ob ich dafür bereits bereit war. Nach einigen überlegen, nahm ich mir vor meinen Bruder aufzusuchen. Wir hatten uns nur wenig gesehen die letzen Monate. Kaum mal ein Mahl zusammen in der Villa genossen, kaum mal ein Wort in Gelassenheit geschwätzt. Eins nur eins war mir noch in Erinnerung, wie er an meinem Krankenbett verharrte.
Ich würde mich dazu am nächsten Tag aufmachen. Heute war ich zu erschöpft. Das erste richtige Opfer im Frühling hatte mich mehr ausgelaugt, als jene Arbeiten, die dazu galten den Tempel des Quirinius zu reinigen und in neuem Glanze erstrahlen zu lassen. So blieb ich auf den Stufen erst stehen, dann sitzen und blickte hinunter zu den Auguren die ihren Schülern die Zeichen der Vögel erläuterten. Ich konnte sie nicht hören, aber ich hoffte die Götter waren uns auch dieses Jahr so gewogen, wie sie es doch schon so lange taten.
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Auf einem ihrer vielen Andachtsgänge zu den Tempeln der urbs aeterna kam Plotina endlich auch eines Tages zum Templum Quirini, den sie seit früher Jugend besonders verehrte. Schon auf den ersten Blick fiel ihr auf, wie sauber und gepflegt hier alle Anlagen waren; mit Liebe und Einsatz hegte man diesen Ort für Quirinus.
Plotinas Gesicht hellte sich auf. Mit leichten Schritten ging sie die Stufen zum Tempel hoch, vorbei an einem ehrwürdigen Mann, der soeben auf den Stufen Platz genommen hatte. Konnte das etwa der Sacerdos des Quirinus sein? schoß es ihr plötzlich durch den Kopf. Sie verneigte sich jedenfalls leicht vor ihm und hoffte, dass er nach ihrem Gebet im Tempel auch noch da sein möge; gerne würde sie ihn ansprechen! Bei all dem hörte sie jedoch nicht auf, leise ihr Gebet zu Quirinus zu rezitieren:
"Täglich begeben sich Beter in deinen Tempel, Quirinus.
Ich kam von weit, bin noch fremd hier - finde hier Heimat und Andacht.
Nimm meinen Dank, hör mein Flehen: Schenk frischen Mut mir und Tatkraft!"Auch im Innern setzte sie ihre Rezitation fort. Erst als sie ganz vorne angekommen war, hielt sie inne, hob ihre Augen und stand lange schweigend da. Dann gab sie sich einen Ruck und ging langsam wieder hinaus. Sie freute sich, als sie den Mann, den sie für den Sacerdos hielt, immer noch auf den Stufen sitzen sah, wusste allerdings nicht recht, wie sie ihn ansprechen sollte. Schließlich fasste sie sich ein Herz und trat behutsam an ihn heran:
"Ich weiß, dies ist ein Ort der Sammlung und des Gebetes, und es schickt sich nicht, dass ich dich anspreche - vor allem dann nicht, wenn du der bist, den ich in dir vermute: Der Sacerdos des Quirinus?"
Plotina sah ihn fragend und auch ein bisschen ängstlich an.
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Ich beobachtete gerade wie sich ein Turteltaubenpärchen im Tempel der Iuno einnistet. Immer wieder flogen sie über das Forum und sammelten kleine Stöckchen, Zweige und Ähnliches ein. Füllten ihr Nest und setzten zu neuen Flugrunden an. Die Stimme klang wie die einer Frau. Nicht zu alt, durchdrang mein Ohr. Langsam hob ich den Kopf wandte die Blicke von den Täubchen ab und hin zu ihr.
"Salve junge Dame. Wenn es dein Wunsch ist in den Kontakt mit einem Priester hier am Tempel des Quirini zu treten, stellen sich Normen und Formen hinten an. Wie kann ich dir behilflich sein?"
Noch immer saß ich auf den Stufen, blickte aber in das jugendliche Gesicht und wartete. Nicht selten führte ich viele Gespräche am Tag, um den Menschen den Brückenschlag zwischen den Göttern und ihrem Dasein leichter zu machen. Viele fürchteten mehr die Macht der Götter, als das sie ihre milde Hand erkannten, die uns Römer nährte.
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Plotina atmete erleichtert auf. Ihr Besuch im Templum Quirini schien von diesem Gott gesegnet zu sein, denn sie hatte sich nicht getäuscht: Der Mann, der vor ihr auf den Stufen saß, war Priester an diesem Tempel. Und nicht nur das: Er hatte sich Plotina zugewandt und hoheitsvoll, wie es sich für einen Sacerdos geziemt, aber auch verbindlich zu ihr gesprochen.
"Ich danke dir, denn du ermutigst mich, einige Gedanken mit dir zu teilen, die mir seit meiner Ankunft hier in Rom durch den Kopf gehen. Ich bin nämlich erst seit kurzer Zeit hier; aufgewachsen bin ich in Ägypten, obwohl ich aus der Gens Sergia stamme - mein Name ist übrigens Sergia Plotina."
Dabei neigte sie vor dem Sacerdos leicht ihren Kopf.
"Obwohl ich also in Ägypten aufgewachsen bin, wurde ich in durch und durch römischem Geist erzogen; und es war natürlich immer mein Wunsch, eines Tages diese Stadt zu betreten, besonders die Tempel, denn ich wurde auch von klein auf zu großer Ehrfurcht vor unseren Göttern angeleitet; Quirinus hat dabei immer eine herausragende Rolle gespielt. Nun bin ich seit einiger Zeit hier in Rom und gehe auch immer wieder in die Tempel. Ich bin dann immer voller Dankbarkeit und kann es noch gar nicht richtig fassen, dass ich tatsächlich hier stehe."
Plotina blickte noch einmal liebevoll in das Innere des Tempels.
"Aber ich sehe natürlich auch, dass trotz meiner Erziehung, die in allem darauf bedacht war, römische Traditionen zu ehren - dass trotz dieser Erziehung Ägypten eben doch nicht Rom war. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mir einiges anders vorgestellt habe. Gewiss, die Tempel erstrahlen in herrlichem Glanze zur Freude der Menschen und der Götter; und dir muss ich ein großes Lob dafür aussprechen, mit welcher Hingabe du diesen Tempel pflegst! Aber mir scheint doch, dass das Interesse an den alteingesessenen römischen Göttern in der Stadt im Abnehmen begriffen ist."
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Die herrliche Sonne hatte eben auch ihre Schattenseiten. Eine kleine Quasselstrippe war diese Sergia Plotina schon. Nun zumindest stellte sich die junge Dame mit diesem Namen vor und ich hatte Mühe ihren vielen Worten zu folgen, was wohl an meiner mittaglichen Rammdösigkeit lag. Um mir ein besseres Bild über ihren Wissenstand zu machen, legte ich einige wenige, aber direkte Fragen auf.
"Wie lange bist du denn schon in Rom?"... und die Feststellung nebst Mahnung... "Es ist immer gut ehrfürchtig gegenüber den Göttern zu sein, doch stimmt es sie milde, wenn du ihnen etwas Kleines zum Gebet mitbringst. Ein paar Kekse vielleicht ein Kuchen oder etwas Wein..." sollten mir dabei einen Einstand geben. Hinterher schob ich noch eine Neugierde: "Ist deine Familie mehr in Rom beheimatet, weil du es als Besonderheit titulierst in Ägypten deine Kindheit verbracht zu haben?"
Sie stand noch immer, das tat dem Genick nicht gut, meinem Hals.
"Setz dich doch zu mir..." bot ich ihr an.
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Noch während sie zu dem sacerdos gesprochen hatte, war Plotinas Unsicherheit immer größer geworden. Nicht nur, dass sie merkte, dass sie nicht die richtigen Worte fand - sie hatte auch den Gesichtsausdruck ihres Gesprächspartners gesehen sowie die Veränderung, die sich dort zeigte, während sie noch redete. Langweilte sie ihn? Aber wie sollte sie denn sonst erklären, dass .... Und wie immer, wenn Plotina unsicher wurde, redete sie noch mehr bzw. in immer komplizierteren Formulierungen; sie wusste das und konnte doch in diesem Augenblick gar nichts dagegen tun.
Es überraschte sie dann schließlich auch nicht, dass der sacerdos kaum auf das einging, was sie ihm zu vermitteln versucht hatte. Eher schon verwunderte sie, dass er sie aufforderte, sich zu ihm zu setzen. Zögernd und zugleich dankend gehorchte Plotina - und machte sich daran, die Fragen des Mannes zu beantworten.
"Mit Hilfe der Götter bin ich erst vor gut einer Woche hier in Rom angelangt; und heute bin ich hierher gekommen, um Quirinus für sein Geleit Dank zu sagen. Du hast natürlich Recht, ich hätte nicht mit leeren Händen kommen dürfen ..."
Plotina sah fast schmerzerfüllt zum Tempel hin und dann vor sich auf den Boden.
"... ich werde wiederkommen, und dann werden meine Hände gefüllt sein. Allerdings ..."
- und jetzt schaute sie den Sacerdos direkt an -
"allerdings habe ich mich schon oft gefragt, ob solche Gaben das sind, wessen die Götter wirklich bedürfen - oder ob sie nicht vielmehr auf unser Handeln sehen."
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Die junge Dame füllte die Luft mit sonderbaren Fragen. Vielleicht war es ja das, was ein Mädchen ihres Alters ausmachte. Fragen zu stellen. Sie zu beantworten, so das es dem Cultus und Riten gerecht wurde, war garnicht so einfach und ich kein Lehrmeister. Trotzdem versuchte ich es...
"Die Götter sind denke ich besonders entzückt, wenn sie von uns genährt werden. Natürlich blicken sie auch auf unsere Taten, aber im Tageswerk ist es nicht ihre Aufgabe oder sollte ich besser sagen Pflicht nebst Berufung die Menscheit zu lenken oder zu tadeln. Sie lassen uns freie Hand. Jene Götter, Nymphen und Halbgötter haben genug mit sich selbst zu tun und denken garnicht daran ihre unendliche Zeit mit dem Bestrafen einzelner Menschen zu vergeuden."
Ich lächelte in mich hinein und dachte an die Schriften des Ovid, des Homer, des Aeneis. Sie alle versuchten uns die Götter näher zu bringen.
"Ab und an wird es nötig mit einer Flut oder einem starken Wind auf die Nachlässigkeiten der Schäfchen zu reagieren. Aber der Tage denke ich sind es wenige die ihrem Glauben vernachlässigen."
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Plotina hörte dem sacerdos mit großer Aufmerksamkeit zu und musste bei einigen seiner Bemerkungen ebenfalls lächeln, erinnerten sie sie doch an die Erzählungen, denen sie in ihrer Kindheit und Jugend so oft gelauscht hatte. Gleichzeitig gingen ihr unzählige Gedanken durch den Kopf. Einige von ihnen bahnten sich jetzt ihren Weg auf Plotinas Lippen, und noch ehe sie es sich recht versehen hatte, fing sie auch schon an zu sprechen.
"Ich danke dir sehr für deine Belehrung! Vielleicht siehst du an meinem Lächeln, dass mir unsere alten Erzählungen, auf die du anspielst, wohlbekannt sind. Und glaub mir, ich bin heilfroh, dass die Götter mit uns so nachsichtig sind!"
Dabei musste Plotina lächeln und blickte auf ihre Fußspitzen. Dann sah sie wieder auf.
"Wenn ich eben gesagt habe, dass die Götter vielleicht vielmehr auf unser Handeln sehen, sollte das nicht meinen Wunsch nach Bestrafungen ausdrücken. Eher umgekehrt: nach Hilfe."
Irgendwie spürte Plotina noch, dass sie jetzt zuviel sagen würde, aber es gelang ihr nicht mehr, sich zu bremsen.
"Verstehst du, ich zweifle nicht, dass die Götter unsere Ernten segnen. Aber manchmal spüre ich in mir selber so einen Zwiespalt: Ich möchte das Richtige tun, doch dann bin ich schwach. Und kann ich damit dann zu den Göttern gehen? Du sagst doch selbst: Sie haben so viel mit sich zu tun ..."
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