Es war ein schöner Morgen, die Sonne hatte sich gerade erst über den Dächern Roms blicken lassen. Die Tauben gurrten noch in den Straßen und erst langsam erwachte Rom zum pulsierenden Leben. Das Leben, worauf das ganze Imperium zuströmte, denn hier war das Herz des Imperiums und auch die Seele. Als die Sonne noch ein klein wenig höher gewandert war, wurde eine Sänfte durch die Straßen getragen, die Via Sacra hoch und dann auf das Forum Romanum. Vorbei an dem Weg zum Kaiserpalast hoch und dann in Richtung der Curia, wo die Rostra stand. Ort vieler mündlichen Auseinandersetzungen, aber auch der Sammelpunkt von Wahrsagern, Scharlatanen und verrückten Rednern. Die Sänfte wurde herunter gelassen und Medeia entstieg ihr. Sie trug wieder eine schneeweiße Stola und ihre Haare streng, aber nicht ohne Kunst, nach hinten gebunden. Einige Schritte von der Rostra entfernt blieb Medeia stehen. Etwas Unruhe huschte über ihr Gesicht, doch gleich darauf straffte sie ihre Gestalt und bekam wieder einen gelassenen Ausdruck. So stieg sie auf einer der Rednerbühnen und wandte sich um. Eine Zeitlang blieb sie auf der Rostra stehen und wartete. Ab und an grüßte sie bekannte Gesichter bis eine Menschenmenge sich vor der Rostra versammelt hatte.
„Bürger Roms! Heute stehe ich nun schon ein zweites Mal vor Euch. Schon letztes Jahr erklomm ich diese Bühne, sprach zu Euch und warb um Euer Vertrauen für mich als Quaestor. Und Ihr habt mir Euer Vertrauen gegeben. Dafür danke ich Euch. Ich hoffe sehr, Euch nicht enttäuscht zu haben.“
Medeia stand immer noch aufrecht, doch all ihre Gestik vermittelte Offenheit gegenüber Zwischenfragen und auch Anmerkungen. Kunstvoll bewegte Medeia ihre recht Hand bei ihrer Rede, um ihren Worten mit ihren rethorischen Künsten Gewicht zu geben. Ihre linke Hand hielt dabei die strahlendweiße Palla, die fast wie eine Toga sorgsam in Falten um ihre Schultern lag.
„Heute stehe ich erneut hier, um Eure Stimmen für mich zu werben. Ich, Artoria Medeia aus der Gens Artoria, möchte um das Amt des Aedilis Plebis kandidieren. Nicht lange möchte ich über die Taten meiner Quaestur sprechen. Ich möchte Euch nicht mit der Aufzählung quälen, welche Teile der Chroniken der letzten Jahre bis zur Inthronisation unseres geliebten Kaisers und weiter zuvor ich geordnet, sortiert und in eine annehmbare Form gebracht habe. Auch nicht jene Ereignisse aufzählen, die ich erst der Chronik hinzugefügt habe oder meine Archivarbeiten erwähnen, die eines Quaestor Urbanus benötigten. Das werde ich Euch, so sollte es Euch interessieren, noch in einiger Zeit ausführlich darlegen und mich Euch allen Fragen stellen.“
Medeia lächelte leicht und sah von Einem zum Anderen. Ihre Augen suchten auch den Blickkontakt mit den Bürgern und Zuhörern an jenem Tag.
„Über das, was ich in der nächsten Amtzeit vollbringen will, werde ich sprechen. Denn das Amt des Aedils bringt mannigfaltigere Aufgaben mit sich als bis jetzt vor mir lagen. Und zu den einzelnen Aufgaben will ich Euch erläutern, warum ich mich dafür berufen fühle, Euch in diesem Amte zu dienen.“
Medeia verstummt, um das bisher gesagte kurz wirken zu lassen. Doch wartete sie nicht zu lange, damit die Menge sich nicht wieder zerstreute.
„Primus werde ich mich natürlich um die Aufsicht kümmern. Die Märkte bedürfen eines genauen Blickes der Aedile, damit Gerechtigkeit und ein vernünftiger Handel dort bestehen kann. So sollt Ihr wissen, dass ich früher auch ein Geschäft führte und somit eure Sorgen und Eure Probleme diesbezüglich genau kenne. Doch heute führe ich dieses nicht mehr und bin so in der Lage, objektiv und ohne meinem eigenen Betrieb den Vorteil zu geben, Euch mit meinen Kräften zu unterstützen und zu helfen.“
Erneut pausierte Medeia kurz.
„Secundus werde ich auch mein Augenmerk auf all jene Kontrollarbeiten richten, die die Aedile benötigen. Die Straßen Roms und der dortige Verkehr muss gut beobachtet, kontrolliert und ausgebessert werden. Dies will und werde ich auch tun. Doch auch die Bauarbeiten bedarf es mit Argusauge zu überwachen. Wie oft stürzen immer noch Insulae wegen der schlampigen Art der Bauherren ein? Wer kennt nicht jemanden, der einen Verwandten unter diesen morschen und alten Balken der Insulae verloren hat?“
Medeias Stimme sprach energischer und sie sah bestimmt zu den Zuschauern. Niemand sollte glauben, dass sie sich nicht auch mit den Reicheren anlegte, um des Wohls der römischen Bürgers Willen.
„Dennoch werde ich die Aquädukte, mit Hilfe der städtischen Behörden, und unsere großen und kleinen Thermen nicht vergessen. Nur in schönen Thermen sind die entspannten Stunden nach der harten und oft unbarmherzigen Arbeit des Tages möglich. Sauber, gepflegt und geöffnet sollen sie sein und das zu jeder Jahreszeit und jedem Tag!“
Mit einer kurzen Pause sah Medeia zu den einzelnen Zuhörern.
“Viel wird in letzter Zeit gesprochen über eine mögliche Verärgerung der Götter. Unzufrieden mit unserem Glauben und mit unseren religiösen Diensten sollen sie sein. Gerade deswegen sollten wir auf die Tempel besonders wieder achten und ob sie dem Blick eines Gottes und unserer ehrwürdigen Ahnen genügen können. Auch davon werde ich mich überzeugen und meine Kräfte für jenes Ziel einsetzen!“
Und somit kam Medeia zu ihrem letzten Punkt, den sie in Verbindung mit ihrem möglich zukünftigen Amt erläutern wollte.
„Tertius werde ich jedoch mich um einer der wichtigsten Aufgaben der Aedile, natürlich mit meinen Kollegen, kümmern. Genau werde ich den Ankauf des Getreides überwachen und dafür Sorge tragen, dass es die Römer erhalten, denen es von Rechts wegen auch zusteht. Neben Panem, sollen jedoch die Circenses nicht zurück stehen.“
Medeia lächelte kurz, wusste sie doch allzu gut, wie sehr sich gerade die Römer auf diese freuten.
„Die Ludi Romani stehen bald an und ich werde Euch nicht wenig versprechen. Wie mir schon zu Ohren gekommen ist, kündigte Euch der Candidatus, Tiberius Vitamalacus, große und fulminante Spiele an. Und ich kann Euch versichern, auch ich werde meinen Beitrag leisten, dass Ihr jene vielen Tage im September dieses Jahres nicht vergessen werdet. Lange schon ist es her, dass in Roma mehr als Wagenrennen stattfanden. Ihr sollt aufregende Kämpfe, berühmte Gladiatoren, gefährliche und exotische Tiere sehen und doch auf die Aufregung der Wagenrennen nicht verzichten müssen. Auch werde ich an so manch eine Ludiattraktionen anknüpfen, die schon lange nicht mehr bei den Spielen vorkamen. Doch mehr möchte ich Euch heute und hier nicht verraten.“
Medeia schmunzelte bei ihren letzten Worten und holte zum letzten Teil ihrer Rede aus. Dabei griff sie mit einer wohlgesetzten Gestik an ihre Palla.
„Bürger Roms! Schon letztes Jahr sprach ich davon, dass es mein Bestreben im Amte ist, Euch zu dienen. Allen Menschen der Stadt und allen römischen Bürgern möchte ich das Leben erleichtern und ihnen Zufriedenheit und sogar Glück in ihr Leben bringen. Weder Stand, noch eine unterschiedliche Ansicht soll dabei mein Tun beeinflussen, sondern nur das Wohl des Imperiums werde ich vor Augen behalten. Es ist an Euch zu entscheiden, ob Ihr in mir eine Frau und einen künftigen Amtsträger seht, die all jenen Aufgaben gewachsen sein wird. Ich hoffe, dass Ihr mir erneut Euren Vertrauen schenkt und mich in das Amt des Aedils wählt.“
Medeia schwieg für einen Herzschlag, lächelte freundlich, wirkte dabei jedoch weiterhin aufrecht, gelassen und unerschrocken.
„Und gerne stehe ich Euch noch für Fragen zur Verfügung!“