Nach den missglückten Vinalia hatte ich mir zum Ziel gesetzt, wenigstens zu den ludi romani wieder auf die Beine zu kommen, und die hingebungsvolle Pflege so mancher Hand in der Villa Flavia hatte es wieder geschafft, mir sowohl meine Kraft als auch ein passables Aussehen zurück zu bringen. Nefertiri hatte mich am Abend noch einmal rasiert, sodass nicht auch nur die Andeutung eines Barts meine Wangen umwölkte, an diesem Abend wollte ich einfach nur eindrucksvoll aussehen, denn bei der cena liber musste ein Mann erst einmal hereingelassen werden, wenn er teilnehmen wollte - als verlottertes Subura-Gezücht standen die Chancen enorm gering, also musste eine ordentliche Aufmachung her. So hatte ich mich auch für eine dunkelrote Tunika entschieden, die einen Teil der Oberschenkel noch zeigte, und natürlich die Toga, denn über dieses antiquierte Modeunglück ging nichts, wenn man Eindruck machen wollte, und genau das hatte ich an jenem Abend vor. Mit meinem Sklaven Rutger im Schlepptau, dem ich ebenso eine neue, dunkelrote Tunika gegönnt hatte, damit er mir an diesem Abend keine Schande bereiten würde und optisch zu mir passte, hatte ich mich mit einer Sänfte durch die Straßen Roms tragen lassen - noch einmal wollte ich das Risiko eines Überfalls nicht eingehen, selbst mit Bewachung nicht - und so erreichten wir den ludus magnus zur angemessenen Stunde.
"Halte Dich vorerst an meiner Seite," sagte ich zu meinem widerspenstigen Germanen, der mit etwas Glück und dank seiner Statur vielleicht heute abend auch ein wenig Glück haben würde - man hielt Männer eben am besten bei Laune, wenn man ihnen ab und an etwas Entspannung gönnte, und die Menge an schönen römischen Frauen würde heute abend enorm groß sein. Aber auch die muskulösen Männer, die morgen um ihr Leben kämpfen würden, beflügelten meine Phantasie nicht unbeträchtlich, am liebsten wäre ich hier mit Gracchus hergegangen und hätte mich mit ihm irgendwann in eine einsame Zelle zurückgezogen ... aber jetzt mussten wir erst einmal in das Innere gelangen. Schon die breitschultrigen Schwarzen mit der ölig glänzenden Haut boten ein verlockendes Bild, und ich schritt kurzerhand voran, als hätte ich ein Recht dazu, mich hier aufzuhalten, Rutger direkt hinter mir - und tatsächlich, das Kunststück klappte, man hielt mich nicht auf, was mich wieder zu der Überlegung brachte, dass man mit ausreichend Dreistigkeit fast überall hin gelangen konnte. Oder aber die Türsteher waren gerade zu sehr damit beschäftigt, einer Gruppe Frauen mit wackelnden, ausladenden Hinterteilen nachzustarren, ganz sicher war ich mir nicht - aber nur ein Dummkopf hinterfragte sein Glück zu sehr, denn irgendwann würde er vielleicht keines mehr haben.
Zwei ausgesprochen zart aussehende junge Frauen, die einander so ähnlich sahen wie ein Ei dem anderen, mit blondem Haar und heller Haut, gekleidet in so dünne Gewänder, dass es mir fast schien, als könnte man ihre Brustknospen unter dem cremefarbenen Stoff ausmachen, schlüpften an mir und Rutger vorbei und unterhielten sich kichernd miteinander. "Was meinst Du, werden wir heute einen Mann für uns finden?" - "Aber ganz bestimmt. Welcher Mann kann schon zwei Frauen widerstehen, die ihn gleichzeitig verwöhnen?" - "Meinst Du, wir finden einen, der lange genug durchhält?" - "Schau doch, der dort drüben, wie hiess er doch? Quadratus, genau. Sieh Dir diese Muskeln an, der hält bestimmt mindestens viermal durch." - "Nur vier Mal? Du bist heute bescheiden!" Während einigen Männern, an denen sie vorbei gekommen waren, angesichts dieses Dialogs sowohl Augen als auch Zungen hervorquollen, kicherten die beiden nur und machten es sich gemeinsam auf einer der freien Klinen bequem, Rutger und ich wurden von der sich hier drängenden Menge weiter in das Innere gespült, vorbei an lachenden und scherzenden Menschen, die bester Laune schienen.
Ich blickte mich hingegen ein wenig um und erreichte schließlich einen Teil des Geschehens, in dem die prominenteren Besucher sich aufzuhalten schienen, hier schwirrten auch die meisten Sklaven herum, die sich um die Bedienung der Gäste kümmern sollten. Während ich versuchte, mich zu orientieren, fiel mein Blick auf einen roten Lockenschopf und ich sah unwillkürlich genauer hin, hatte ich diese Farbe in ihrem natürlichen Zustand doch schon lange nicht mehr gesehen, das letzte Mal war es in Athen gewesen, die Haarpracht einer ganz besonderen Frau. Ich wartete ab, bis sie mir ihr Profil zeigte, dann machte mein Herz unvermittelt einen Sprung, setzte im Schlag aus und mit einem Mal verblasste der Trubel der cena liber um mich herum, ließ mich wie einen Trottel inmitten Weiser stehen. Das konnte nicht wahr sein, was machte sie hier? Ohne darüber nachzudenken, schob ich mich näher an diese Kline heran, auf der gerade ein Gladiator dabei war, einen hellhäutigen, schlanken und formvollendeten Schenkel mit dem Gesichtsausdruck eines Genießers eines seltenen, erlesenen Weins küsste, und blieb dort stehen, diese Frau ein weiteres Mal betrachtend. Ohne Zweifel, sie musste es sein. "Medea. Wie schön, Dich einmal wiederzusehen," sagte ich und blickte in das Gesicht der amtierenden Aedilis Plebis, Artoria Medeia.