Am Hoftor | Arrecina, Rutger und Ajax

  • Gelangweilt, aber durchaus pflichtbewußt, versah Ajax der Thraker seinen Dienst: das Hoftor bewachen. Der bullige Sklave stand schon seit Stunden stumm, groß, und abschreckend davor. Zweimal hatte er heute schon mit seinem massiven Stab verdächtige Herumtreiber verscheucht, und einem auch ordentlich das Fell gegerbt. So war es ihm lieber, als wenn gar nichts los war. Am allerliebsten war es ihm aber, wenn es richtig zu Sache ging, und sein caestus zum Einsatz kam, wenn Knochen brachen und Blut spritzte.


    Gerade hatte er das Tor wieder verriegelt, und war in den Schatten der Mauer getreten. Dort flocht er sich seinen drahtigen schwarzen Bart neu, und dachte dabei über Gloria nach. Gloria, das war eine verführerische Amazone, und er war recht stolz auf sie - er hatte sie sich nämlich selbst ausgedacht! Sie war die Hauptperson in einer Geschichte, die der zähe Kämpe in den vielen langen Stunden seiner Wache ersonnen hatte. Sich solche versponnenen Erzählungen aus den Fingern zu saugen, das war schon seit Jahren Ajax' geheime Leidenschaft. Aber natürlich behielt er die Geschichten für sich. Keine Menschenseele wußte davon. Er wäre ja zum Gespött der ganzen Villa geworden. Nein, hier gab man sich besser keine Blöße.


    Im Moment stand ihm eine Szene vor Augen, in der Gloria in einer knappen Lederrüstung an den Altar eines fiesen ägyptischen Priesters gefesselt war.... da riss ihn Hufgeklapper und das Geräusch von sich nähernden Schritten in die Realität zurück.
    Sein finsteres bärtiges Gesicht zeigte keine Spur von diesem zarten Innenleben, als er sich zu Arrecina und Rutger wandte.
    "Junge Herrin." knurrte Ajax, und senkte das zottige schwarze Haupt ein wenig vor Arrecina.

  • Sie war gespannt was dieser Tag noch mit sich bringen würde und lief auf der anderen Seite der Stute her während Rutger sie führte. Zwar hatte sie niemanden bescheid gesagt, dass sie das Anwesen verlassen würde, aber das würde schon in Ordnung gehen. Das Geklapper der Hufe schallte ziemlich im Hof entlang und langsam näherten sie sich dem Tor und dem Wächter der dazu gehörte. Arrecina hatte keine Ahnung wie das hier von statten ging, aber er würde sie beide schon gehen lassen, schließlich war sie die Herrin hier und durfte raus wann sie wollte, zumindest kannte sie es nicht anders.
    Kurz vor dem Mann kamen sie zum stehen und sie überlegte kurz, denn der Mann erinnerte sie an irgendjemanden, aber sie kam nicht auf den Namen, was wohl auch nicht grade wichtig war. In ihren braunen Augen trat ein Funkeln, denn dieser Ton missfiel ihr, aber wenigstens senkte er ein wenig sein Haupt, was wohl sein Glück war. Mit erhobenen Kopf sah sie den Mann, dessen Namen sie wieder vergessen hatte, streng an. "Öffne das Tor für uns, wir werden vor die Tore Roms gehen um auszureiten."Eigentlich erwartete Arrecina nicht, dass er ihr wiedersprechen würde, denn das hätte dann ganz üble Konsequenzen für ihn wenn sie es weiter sagen würde. Sachte hatte sie wieder ihre Hand auf den Hals der Stute gelegt und sie konnte es gar nicht erwarten auf dem Rücken dieses Tieres zu sitzen und den Wind um ihre Nase zu spüren.

  • "Ja Herrin." knurrte Ajax, und griff nach dem Riegel. Dann stutzte er, kratzte sich an seinem Stiernacken, und sah Arrecina fragend an.
    "Du, Herrin, der Germane soll aber nicht raus. Der ist noch wild."
    Rutger hielt ruhig das Pferd am Zügel, und trug seine schönste Unschuldsmiene zu Schau. Er? Wild? Jeder der ihn jetzt ansah mußte erkennen, daß das völliger Quatsch war! Er war die Zivilisation in Person.
    "Du mußt wen anders nehmen, Herrin. Brutus vielleicht? Soll ich ihn mal rufen?" schlug Ajax vor, und kratzte sich wieder unbehaglich.
    Es war immer heikel, wenn ein Flavier nicht bekam was er wollte,und Ajax wünschte sich, die junge Herrin wäre eine Stunde später aufgekreuzt. Dann hätte seine Ablösung, Diomedes, sich damit herumschlagen müssen - dem hätte er das auch gegönnt -, während er selber ein Mittagsschläfchen halten würde, oder noch ein wenig an der Altarszene feilte.
    Der große Thraker richtete die Augen auf den Boden. Er hatte gerade das seltsame, unwirkliche, Gefühl, selbst die Figur in einer Geschichte zu sein. Er hoffte, daß diese 'Szene' hier glimpflich für ihn ausgehen würde.

  • Da hatte ja was kommen müssen, als hätte sie es geahnt setzte sie eine dunkle Mine auf und betrachtete Ajax genau. "Sind wir das nicht alle in unserem Herzen?" fragte sie kalt und trat ein wenig näher an Ajax ran. Er wagte es wirklich ihr abzuschlagen den Sklaven mit nach draussen zu nehmen? Ihre Augen verengten sich langsam etwas zu kleinen Schlitzen und ein Zucken ihrer Augenbrauen bedeutete meist nichts Gutes. "Ich sage dir etwas und ich sage es nicht zwei mal. Du wirst uns nach draussen lassen oder mein Vater wird mit dir einige Takte reden, ich kann natürlich auch meinen Onkel Felix holen, ich denke er hätte sicher Spaß dir zu zeigen auf wen du zu hören hast. Was sollte dieser Sklave" sie deutete dabei auf Rutger "..schon machen? Wenn er weglaufen würde käme er nicht weit, da man nach ihm suchen würde und er würde sein Leben verlieren auf grausamste Art und ich glaube kaum, dass er mit etwas tun würde. Er wird immer wild bleiben, aber das ist jeder Sklave irgendwo, wir müssen nur lernen zu kontrollieren und nun mach dass Tor auf oder ich vergesse mich und das könnte äusserst schlecht für dich ausgehen." Arrecina ging erst gar nicht auf seinen Vorschlag ein wen anderes zu nehmen, denn sie kannte die anderen nicht. Am liebsten wäre ihr natürlich Hannibal gewesen, aber der war nicht hier und Cerco, den hatte sie mit anderen Aufgaben bedacht, ausserdem konnte er nicht reiten.

  • "Sind wir das nicht alle in unserem Herzen?" Verwirrt blinzelte der Thraker. Wollte sie eine Antwort darauf? Er hatte sich über diese Frage selbst schon Gedanken gemacht - in den langen Stunden seiner Wache, wie wir uns denken können - , und gerade wollte er ansetzen, um der jungen Herrin seine Sicht der Dinge darzulegen, als Arrecina dann Klartext redete.
    Ajax war kein feiger Mann. Früher, bevor er zu den Flaviern kam, war er Raubtierwärter im Circus gewesen. Er hatte Löwen, Tigern, Krokodilen (und einmal sogar einem Nashorn) Auge in Auge gegenüber gestanden. Und er hatte sie gebändigt. So erwiderte er auch Arrecinas bedrohlichen Blick ruhig, fest, und ohne sich eine Schwäche anmerken zu lassen, denn sobald sie eine Schwäche witterten, fielen die Bestien über einen her.
    Doch dann sprach sie die magischen Worte aus:
    "Ich kann natürlich auch meinen Onkel Felix holen".
    Da schlug Ajax die Augen nieder, und seine Schultern sackten tiefer. Resigniert knurrte er:
    "Ja Herrin. Wie du wünscht, Herrin."
    Er zog den schweren Riegel zurück und trat zu Seite. Die Torflügel schwangen weit auf.

  • Wenn sie eines gut konnte, dann ihren Willen durchsetzen und fast immer waren ihr da alle Mittel so ziemlich recht die sie dafür benötigte. Es hatte etwas gutes, die Nichte eines sehr einflussreichen Mannes zu sein, aber sie wusste, dass sie das nicht immer nur als leere Drohung benutzen konnte und vielleicht wusste dieser Ajax ja auch, dass sie noch mit ihrem Onkel über dieses Verhalten sprechen würde. Arrecina warf Rutger einen verschwörerischen Blick mit einem Lächeln zu und es schien sogar ein wenig schalkhaft zu wirken, nicht mehr so ernst wie die ganze Zeit, nein eher wie das Lächeln eines jungen Mädchens was grade nichts als Unsinn im Kopf hatte.
    Mit einer Bewegung und einem Kopfnicken deutete sie Rutger an, dass sie nun endlich hier raus gehen konnten und tat den ersten Schritt vor die Tore der Villa und dem Anwesen. Immer noch hoffte sie, dass kein anderer sie gesehen hatte, aber anscheinend war es nicht der Fall und sie hatten den Tag für sich, denn um die Rückkehr machte sie sich keine weiteren Gedanken, das würde sich dann entscheiden wenn sie wieder hier waren was geschehen würde und ob sie Ärger bekam weil sie Rutger einfach mitgenommen hatte, aber wer würde ihr schon einen Wunsch abschlagen können wenn sie ihr Gegenüber ansah?
    Vor dem Tor wandte sie sich wieder an den Sklaven. "Hast du eine Ahnung wie wir hier weg kommen, also welchen Weg?" Fragend sah sie ihn an, denn sie hatte eigentlich nicht wirklich eine Ahnung wie es nun weiter gehen sollte, aber eines wusste sie, dass sie nicht durch Rom reiten durften, das war ja verboten, auch wenn sie das ziemlich doof fand.

  • Die junge Flavierin schien ungeheuer Spaß dabei zu haben, den Wächter einzuschüchtern - sie blühte förmlich auf. Ruger hatte auch Spaß, schließlich machte ihm gerade die Tochter seines übelsten Feindes den Weg frei. Fröhlich erwiderte er ihr verschwörerisches Lächeln, und tat den ersten Schritt: aus dem Hof auf die Straße.


    "Junge Herrin, wenn du ausreiten willst, dann nimm am besten die Porta Quirinalis." antwortete Ajax. Gestenreich beschrieb er ihr den Weg, den er gut kannte - er führte dort immer die Hunde der Flavier aus.
    "Also, du gehst erst mal hier die Straße lang, immer bergab, und hinter dem kleinen Park, an der Erosstatue, biegst du links ab. Da kommst du dann auf die Via Nomentana, du hältst dich bei der Garküche rechts, also am Quirinustempel vorbei, immer geradeaus, bis zum Tempel deiner Gens, und dann siehst du schon das Stadttor. Da sind immer viele Taschendiebe, sei vorsichtig. Und nach dem Tor gehts über die Brücke, und dann bist du schon im Grünen."
    Er senkte wieder den Kopf. "Herrin."

  • Sie dachte keine Sekunde daran, dass der Wächter sie nicht nach draussen lassen würde oder, dass Rutger auf schlimme Gedanken kommen würde, denn sie wusste was sie mit einem solchen Sklaven machen würde wenn er nicht gehorchte, nicht umsonst hatte sie einen ziemlich hohen Verschleiß an Sklaven irgendwie. Sie waren grade mal ein, zwei Schritte weit gekommen als der Wächter wieder zu sprechen begann und sie schon dachte, dass er es sich anders überlegt hätte und fast wäre sie ihm ins Wort gefallen um ihn anzugreifen, aber da er ja nur einen guten Weg erklärte hellte sich ihr Gesicht auch gleich wieder etwas auf, aber ein wenig Skepsis blieb immer noch.
    "Danke" sagte sie tonlos und schnell und lief neben Stute und auf der anderen Seite Rutger her. Sie würden den Weg schon irgendwie finden, denn sich das Gerede merken konnte sie nicht wirklich, also musste sie darauf vertrauen, dass der Sklave sich wenigstens etwas davon gemerkt hatte.

  • Ajax der Thraker sah den drei Gestalten nach, wie sie die Straße entlang gingen, und immer kleiner wurden - die junge Herrin, das edle Pferd, und der wilde Germane. Der drehte sich gerade noch mal um, und warf einen Blick auf die Villa zurück. Ajax hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache. Aber er hatte ja getan was er konnte. Falls was schiefging, traf ihn keine Schuld. Nur ob das die Herrschaften auch so sehen würden?
    Mit einem kalten Knoten im Magen sah er die drei um eine Ecke biegen und verschwinden.


    - Fortsetzung folgt -

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