[Ludi Romani] Theaterstück im Marcellustheater



  • Die Tore öffnen sich!


    Im Norden Roms und in der Nähe des Forums Holitorum, dem Gemüsemarkt, doch nicht allzu weit weg von den anderen Veranstaltungsorten, öffnete ein weiteres Theater seine Pforten. Sklaven schlossen die Tore zum Marcellustheater auf und ließen die ersten Gäste hinein. Man könnte meinen die Theaterstücke wären bei der breiten Masse nicht so beliebt, wie die Spektakel der Gladiatorenkämpfe, die Aufregungen der Tierhatzen oder die Begeisterung der Wagenrennen. Auf den großen Teil traf es zwar zu, doch auch das Theater war in Rom beliebt. So hatten auch hier sich schon einige Besucher versammelt, die in das große Amphitheater schritten, welches noch nicht mal 100 Jahre alt war und dem Neffen des Augustus gewidmet und dem Gott der Künste, Apollo, geweiht war. Wie immer wurden die ersten Reihen für die Prominenz und die reiche Schicht frei gehalten. Diese Reihen waren auch mit Kissen belegt, damit jene priviligierten Gäste bequemer sitzen konnten. Die ärmeren und einfacheren Römer und Ausländer mussten sich mit den hinteren Reihen begnügen. Doch auch sie würden die Theatervorstellung hautnah mitverfolgen können und selbst die hinterste Reihe würde flüsternde Worte noch verstehen können.


    Der Dramatiker Bubalus, der das Theaterstück immer und immer wieder mit den Schauspielern eingeübt hatte, schlich aufgeregt in das Theater hinein. Seine Schritte lenkten ihn auf die vorderen Reihen zu, wo ein Platz für ihn reserviert war. Blass und nervös strich er sich immer wieder über seine spärlichen Haare, als ein vornehmer Römer ihn ansprach. „Salve, Bubalus. Als ich hörte, dass Du das Stück aufführst, bin ich natürlich gleich hierher geeilt. Aber sag, welches Stück war es noch mal? Die Antigone oder der Oedipus?“ Bubalus blieb stehen, lächelte dünn und neigte kurz das Haupt. „Werter Aurentius, was für eine Ehre, dass Du meinem Stück beiwohnen wirst. Es wird der Oedipus sein, ganz frei nach griechischem Vorbild!“ Aurentius, seine Gattin an der Seite, lächelte erfreut. „Sehr schön, dann hoffe ich, beginnt die Vorstellung bald?“ Der Dramatiker nickte eifrig. „Aber natürlich, sobald noch einige weitere Zuschauer eingetroffen sind!“ Weitere Besucher kamen durch die Pforten und suchten die besten Plätze vorne zu ergattern...

  • Theater lag mir wesentlich mehr als die ganzen Kämpfe mit Gladiatoren und das Zerfleischen Unwürdiger durch wilde Tiere. Ich war wirklich kein Befürworter dieser Spektakel, aber viel weniger war ich noch ein Gegner, denn ich wusste, dass die wenigsten so dachten und sehr viele eben diese Ereignisse liebten. Brot und Spiele hieß es und wenn das Volk danach schreit wäre ich nicht derjenige der nein sagen würde. So führte mich mein Weg also zum Theater, wo die Tragödie es Königs Oedipus vorgetragen werden sollte. Zwar kannte ich die Geschichte, aber als Theaterspiel hatte ich sie noch nicht erlebt und außerdem war sie es durchaus wert, mehr als einmal den weg in die Köpfe der Römer zu finden.
    Als die Tore des Gebäudes endlich geöffnet wurden, war ich mit einer der ersten, die das Theater betraten und es das erste mal von innen bestaunte. Ich liebte Theaterstücke, aber im Theater selber war ich nur sehr selten. Lieber las ich die Dramen, Tragödien und Komödien, aber solch ein Ereignis konnte man sich ja schlecht entgehen lassen. Man sagte mir, dass das noch ein recht junges Amphitheater war, aber es war trotzdem – oder genau deswegen – erstaunlich und wunderschön. Wiedereinmal ein Meisterwerk römischer Architektur. Brauchte ich nur noch warten, dass es hier auch ein Meisterwerk der römischen Schauspielerkunst gab.


    Nach wenigen Überlegungen machte ich mich auf den Weg zu den vorderen Plätzen, dachte ich mir doch, dass ich mich zu den privilegierten Leuten zählen durfte, im Gegensatz zu den vielen Peregrini und 'niederen' Bürgern, die sich schnell einen Platz in den vorderen reihen schnappten, wo sie auch kurz danach wieder vertrieben wurden, als man erkannte, wer sie waren – oder wer sie nicht waren. Langsam ließ ich mich auf eines der Kissen nieder und beobachtete amüsiert, wie sich weiter das Theater füllte, während ich auf den Anfang des Schauspiels wartete.

  • Plautius betrat das Theater und suchte sich einen Platz im vorderen Bereich, möglichst weit außen. Nach der Zeit der Entbehrungen in germanien schien nun erst einmal eine Zeit der Fülle in sachen Kultur anzubrechen. Nun gut. bald würde er wieder in Mantua sein und da gab es erst einmal nicht mehr viel in dieser Richtung.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Weitere Menschen kamen in das Theater hineingeströmt und verteilten sich über die Praecinctiones, die Korridore zwischen den einzelnen Rangkeilen, auf die Zuschauersitze bis hoch zu der überdachten Galerie, die den Abschluss des Theaters bildete. Zwischen einigen Männern schälte sich Medeia heraus, die langsam an der Orchestra, der halbkreisförmigen Sitzgruppen direkt vor den Bühnen entlang ging. Hier konnten sich die Senatoren setzen, die sogar eigene Zugänge hatten. Medeia wählte einen dieser, ging jedoch an den Sitzen vorbei und auf die Reihen zu, die den Eques vorbehalten waren. Ihr moosgrünes Gewand, mit silbergoldenen Bändern um die Taille gebunden, floss förmlich um sie herum. Ihre Oberarme waren wieder bloß und nur eine schmale, sehr dezente Palla verdeckte einen Hauch von ihren Schultern. Ihre roten Locken hatte sie wieder kunstvoll hochgesteckt, während zwei gewollte Locken aus ihrer Frisur sich um ihren Hals herumschmiegten. Um ihren Hals trug sie eine schmale goldene Kette, deren Anhänger verheißungsvoll in ihrem Ausschnitt halb verborgen lag.


    Ohne zu zögern steuerte sie auf Plautius zu und blieb an seiner Seite stehen. Lächelnd sah sie auf den sitzenden Centurio herunter. „Centurio, einen wunderschönen Abend wünsche ich Dir. Wie schön, dass Du die Zeit gefunden hast, dem Theater bei zu wohnen. Ist der Platz neben Dir vielleicht noch frei?“ Ihre Palla rutschte etwas von ihren Schultern herunter und lagen dann in der Beuge ihrer Arme. Dabei zeigte sich, dass ihr Gewand von zwei schlangenförmigen Spangen aus Silber und mit goldenen Köpfen gehalten wurde.



  • Beginn der Vorstellung


    Akt 1, Teil 1


    Nachdem das Theater, was durchaus 20 000 Menschen aufnehmen konnte, sich recht gut gefüllt hatte, wurden die Tore, bis auf einem kleinen Zugang geschlossen. Die hinteren Fackeln wurden gelöscht und nur noch die Bühne wurde angeleuchtet. Das Raunen, die Gespräche verstummten als dann das Tuch, welches den Blick auf die Bühne verborgen hatte, weggezogen wurde. Auf der Bühne stand eine große Wand, die kunstvoll bemalt war. Ein Palast war zu erkennen, dahinter Häuserdächer und das Meer. Auf den Stufenrequisiten vor dem Palast saßen Kinder, ein greiser Priester und Jünglinge. Die Darsteller trugen allesamt bunte Gewänder und bemalte hölzerne Masken. Einige Tibiae, eine Doppelflöte, wurde gespielt, unsichtbar fürs Auge. Die Melodie klang getragen und etwas traurig.


    Eine Tür, die auf die bemalte Palastwand gepinselt war, öffnete sich. Tubae wurden im Hintergrund geblasen und Musiker trommelten laut als ein Mann herunter kam. Seine Schritte waren kunstvoll tänzelnd und sein Körper beweget sich wie das Schilf im Wind. Er trug eine prachtvolle Tunika mit goldroten Mustern und eine kurze Toga über seinen Schultern, die von goldenen Spangen an der Tunika festgehalten wurde. Mit anmutigen Gesten bewegte sich der Mann auf die Gruppe von niedergeschlagenen Menschen herunter. Von der Seite traten vier Schauspieler auf. Sie trugen große und imposante Masken, die von ihrem Kopf bis zu ihren Knien gingen und ausdrucksstark verzerrt waren. Eine Maske hatte herunterhängende Mundwinkel, eine Strahlte, eine Dritte sah voll des Hasses aus und die Vierte trug eine Krone und zierte eine herrschaftliche Miene, dies war wohl der Chor.


    König Ödipus, der Mann aus dem Palast, trat auf die kleine Versammlung zu. Er streckte seine Hände aus, tanzte leicht um die Gruppe herum. Die bekrönte Maske trat nach vorne. Laut und fast singen verkündete die Maske den Text des König Ödipus, während der Tänzer, Ödipus, kunstvoll die Gestiken vollführte, sich mal zu den Kindern wandte oder zu dem alten Priester.


    Ödipus: Oh ihr Kinder, was sitzt ihr hier flehend auf den Stufen? Erfüllt von Schmerzgestöhn und Bittgesängen. Ich halte es nicht für Recht von Boten, Kindern, die Kunde zu erfahren. Doch Du, alter Mann, sprich, was erfüllt das Gemüt? Was ist es, Furcht oder Begehren, was euch zu mir führte? Sprecht, denn ich bin kein herzloser Mann!


    Die herrschaftliche Maske tritt zurück und die traurige Maske nach vorne. Der Priester steht auf, läuft auf der Bühne tanzend, aber dabei künstlich gebrechlich wirkend, auf und ab ehe er sich vor die Füße des Königs, der ganz starr steht, wirft.


    Der alte Priester: Oh, Herrscher meines Lande, Ödipus! Du siehst uns voll des Grams und der Trauer. Hat das Volk uns doch geschickt, Dir von der schlimmen Kunde zu erzählen. Die Herden siechen dahin, die Frauen scheinen unfruchtbar zu sein. Und dazu quält uns der feuertragende Gott mit der urverhassten Pest. Das Haus des Kadmos leert sich, dafür füllen sich die Hallen des Plutos mit Gestöhn und Klagerufen. So flehen wir Dich an, oh Ödipus, erlöse die Stadt, wie Du es einst bei der gnadenlosen Sängerin getan hattest. O Bester du der Sterblichen, richte wieder auf die Stadt.


    Flehend die Arme gehoben, erstarrte der Priester. Wieder trat die herrschaftliche Maske vor.


    Ödipus: O arme Kinder. Meine Seele stöhnt um die Stadt und schon viel geweint hab ich um die Leiden meines Volkes. Doch seid gewiss, ich such schon lange nach einer Heilung. Kreon, den eignen Schwager, entsandte ich nämlich zu Suchen nach einem Heilmittel bei Phoibos’ pythischen Häusern. Schon lang ist er fort, doch mit ihm wird der Wille der Götter erfahren werden. Aber da, da kommt er schon...


    Alle Figuren verharren und ein weiterer Schausteller kommt auf die Bühne, er ist genauso schlank wie Ödipus und trägt eine grüne Tunika. Tanzend, sich immer wieder um die eigene Achse wirbelnd kommt er heran und verbeugt sich tief vor des Königs Füßen.

  • Zitat

    Original von Artoria Medeia
    Ohne zu zögern steuerte sie auf Plautius zu und blieb an seiner Seite stehen. Lächelnd sah sie auf den sitzenden Centurio herunter. „Centurio, einen wunderschönen Abend wünsche ich Dir. Wie schön, dass Du die Zeit gefunden hast, dem Theater bei zu wohnen. Ist der Platz neben Dir vielleicht noch frei?“ Ihre Palla rutschte etwas von ihren Schultern herunter und lagen dann in der Beuge ihrer Arme. Dabei zeigte sich, dass ihr Gewand von zwei schlangenförmigen Spangen aus Silber und mit goldenen Köpfen gehalten wurde.



    Plautius schreckte aus Gedanken und der Vorfreude auf das Theaterstück auf. Er sah Medeia und erhob sich höflich.


    "Verzeiht meine Unaufmerksamkeit, Artoria Medeia. Ich habe mir das Stück gerade noch einmal in Erinnerung gerufen. Der Platz neben mir ist frei und ich würde mich über deine Anwesenheit sehr freuen. Ich muß zwar in Kürze wieder zurück nach Mantua, aber ich wollte mir dieses kulturelle Ereignis nicht entgehen lassen."


    Höflich bot er Medeia den Sitzplatz an.

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  • Einige Männer drängten sich hinter Medeia vorbei. Doch ehe sie angerempelt wurde, trat Medeia auch schon einen Schritt näher an Plautius heran. „Da gibt es nichts zu verzeihen, Centurio! Ich danke Dir!“ Medeia lächelte, ihre grünen Augen funkelten gut gelaunt und sie nahm neben Plautius Platz. Ehe noch die Vorstellung begonnen hatte, beugte sie sich ein wenig näher an ihn heran. „Ich bin schon selber gespannt auf das Stück. Der Dramatiker hat es verboten, dass man bei den Proben dabei sein durfte. Aber ich hörte, dass es mit den neumodischen Pantomimetänzern aufgeführt werden soll. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig skeptisch bin. Aber ich bin auch anderes aus Griechenland gewöhnt. Da wäre man über so eine Art Sophokles zu zeigen, sicherlich schockiert!“ Medeia schmunzelte darüber, konnte sie sich die Empörung der alten griechischen Männer, Frauen gab es im Theater seltenst, gut vorstellen. „Das ist natürlich schade!“ erwiderte Medeia auf Plautius Worte über die sich zu Ende neigenden freien Tage in Roma. „Ich hoffe jedoch, Dich bald in Roma wieder zu sehen, Centurio!“ In dem Moment begann die Vorstellung. Alles wurde dunkel und in Medeias Augen war nicht mehr zu lesen.



  • Ödipus- Kreon kehrt zurück oder der Orakelrat


    Akt 1, Zweite Szene


    Kreon tänzelt vor Ödipus und verneigt sich ruckartig. Die Akteure erstarren und sehen wie Statuen über die Zuschauer hinweg. Die Lichter um sie herum erlöschen und sie sind nur noch wie Schemen zu erkennen. Stattdessen wird ein hinterer Teil der Bühne erleuchtet. Ein geisterhaftes Stöhnen ist von dort zu hören. Gestalten kriechen auf den Boden entlang. Sie sehen scheußlich aus mit schwarzen Beulen, blutigen Stellen an ihren Leibern, mageren Gerippen ähnlich. Düstere und schrille Musik begleitet die Pestkranken. Ihr klagendes Leiden wird im singenden Ton vorgetragen.


    Die Pestkranken: “Oh Ödipus, oh König unseres Landes, hilf! So hilf! Warum wurden wir mit diesem Leid geplagt? Die Götter müssen es uns als Strafe geschickt haben. Wir werden sterben müssen...!“


    Die Lichter verlöschen und wie von Zauberhand wird wieder Ödipus angeleuchtet. Ödipus greift zu Kreon und berührt ihn leicht an der Schulter.


    Herrschaftliche- Ödipus:
    „Schwager, sprich, was trugen Dir die Götter auf? Welchen Spruch brachtest Du mit vom Orakel?“


    Fröhliche Maske- Kreon:
    „Gute Kunde bring ich, Ödipus! Denn die Götter sagten uns die Hoffnung voraus. Wenn der Schandfleck des Landes beseitigt ist und die Mörder des Laios, unseres früheren Herrschers, gefunden wird, dann wird die Stadt erlöst werden. Der Ruchlose ist in diesem Lande und es gilt den Mörder zu finden.“


    Ödipus sieht Kreon erstaunt an, tanzt um ihn herum, macht allerlei ratlose Gestiken ehe er die Maske wieder für sich sprechen lässt.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus:
    „Doch wo soll ich suchen, wo die Spur aufnehmen? Wo starb Laios, war er im Hause oder war’s im Freien?“


    Fröhliche Maske- Kreon:
    „So sprach das Orakel, dass er starb, nachdem er aufgebrochen war. So kehrte er niemals mehr heim! Zeugen gab es keine, bis auf einen Boten. Dieser sprach von Räubern, die den König angriffen und erschlugen. Doch damals gingen wir dem nicht auf den Grund. Die Rätselsängerin, die Sphinx, brachte uns dazu, es im Verborgenen zu lassen!“


    Ödipus wendet sich an die Zuschauer. Wie einen heiligen Eid schwörend, hebt er die rechte Hand und vollführt einige tanzende Bewegungen dabei.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus:
    „So werde ich Licht in das Dunkel tragen. Dieses Gräuel will ich zerstreuen und den Mörder des Laios finden. So steht auf, ihr Kinder und Priester. Den Schandfleck will ich vom Lande nehmen und zu unserer Rettung eilen.“


    Alle samt erheben sich, die Kinder lachen auf und tanzen umeinander. Der Priester tänzelt von der Bühne weg, Ödipus bietet ebenfalls noch eine kunstvolle Tanzeinlage ehe sie alle abreten. Wieder Dunkelheit. Ein Paukenschlag donnert durch das Theater.


    Schrille Flötenmusik erhebt sich, Tibiae gemischt mit den Klängen der Fistula Obliqua, einer Art von Querflöte. Einige Lichter gehen wieder an, grausige Schatten tanzen über die Kulissen und wieder kriechen die Pestkranken über den Boden.


    Die Pestkranken: „Oh weh, zahllos tragen wir das Leiden. Krank ist nicht nur das ganze Volk, es reifen weder die Früchte des Landes noch gebären unsere Frauen Kinder. Zahllos sind die Toten, die Stadt stirbt dahin. Und unbetrauert liegen ihre Söhne am Boden, todverbreitend, unbeweint, Gattinnen dabei und ergraute Mütter!“


    Paukenschlag! Schriller Ton! Ein Wehgeklage und Schmerzensschreie.


    Die Pestkranken: „Doch wird uns Ödipus die Erlösung bringen? Ahnt er doch selber schon, was für ein Verhängnis, ein Schwert des Damokles, über sein Haupt schwebt. Die Träume, die Bilder und seine Erinnerungen überkommen ihn. Doch er verschließt die Augen! Oh weh, wir Armen! Wir siechen dahin. Oh ihr Götter helft und leitet unseren König!“


    Fackeln werden gelöscht. Die Bühne ist für einen Moment in Schwärze gehüllt. Das Wehklagen ist noch etwas länger zu hören ehe auch das erstirbt.

  • Zitat

    Original von Artoria Medeia
    Einige Männer drängten sich hinter Medeia vorbei. Doch ehe sie angerempelt wurde, trat Medeia auch schon einen Schritt näher an Plautius heran. „Da gibt es nichts zu verzeihen, Centurio! Ich danke Dir!“ Medeia lächelte, ihre grünen Augen funkelten gut gelaunt und sie nahm neben Plautius Platz. Ehe noch die Vorstellung begonnen hatte, beugte sie sich ein wenig näher an ihn heran. „Ich bin schon selber gespannt auf das Stück. Der Dramatiker hat es verboten, dass man bei den Proben dabei sein durfte. Aber ich hörte, dass es mit den neumodischen Pantomimetänzern aufgeführt werden soll. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig skeptisch bin. Aber ich bin auch anderes aus Griechenland gewöhnt. Da wäre man über so eine Art Sophokles zu zeigen, sicherlich schockiert!“ Medeia schmunzelte darüber, konnte sie sich die Empörung der alten griechischen Männer, Frauen gab es im Theater seltenst, gut vorstellen. „Das ist natürlich schade!“ erwiderte Medeia auf Plautius Worte über die sich zu Ende neigenden freien Tage in Roma. „Ich hoffe jedoch, Dich bald in Roma wieder zu sehen, Centurio!“ In dem Moment begann die Vorstellung. Alles wurde dunkel und in Medeias Augen war nicht mehr zu lesen.



    "Oha, er hat das Zusehen bei den Proben verboten. Vielleicht erleben wir eine Überraschung."


    Plautius schnupperte und nahm den Geruch von Medeia auf. Rosenöl!


    "Griechenland ist nicht Roma. Das Kultur- und Zuschauerniveau ist anders. Wir werden es sehen. Ob ich so bald in Roma wieder bin weiß ich nicht. Von Mantua nach Roma ist es selbst mit einem schnellen Pferd eine ziemliche Reise. Allerdings würde ich mich zuvor gerne noch von dir zu den hiesigen Literatur- und Schriftrollenverkäufern führen lassen. Ich muß meine Bestände mal wieder auffrischen. Außerdem würde ich gerne unsere Essen damals in Germania fortsetzen und einen ungestörten Nachtisch mit dir einnehmen. Ich würde dich daher gerne in der Casa Matinia empfangen bevor ich aufbreche." flüsterte Plautius.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!



  • Ödipus Suche beginnt oder des Sehers grausame Wahrheit!


    1 Akt, dritte Szene


    Donnergrollen, Wehgeklage. Zwei Fackeln werden angezündet und werfen ihre Lichter an düsteren Figuren vorbei. Deren Schatten fallen lang auf die weiße Wand dahinter. Immer wieder zucken die Figuren auf, abgehackt und schauerlich. Stöhnend winden sie sich, Wind faucht über die Bühne und allerlei gruselige Theatereffekte werden eingesetzt. Ödipus betritt die Bühne. Verzweiflung ist in sein geschminktes Gesicht geschrieben. Er tanzt nach vorne und verharrt vor einer der Gestalten. Die königliche Maske tritt nach vorne.


    Herrschaftliche- Ödipus:
    „Ihr fleht, meine Untertanen? Doch hört, hört meinen Worten zu. Helft mir bei meinen Forschungen nach des Laios Mörder. Ihr, die ihr hättet forschen müssen, damals als euer König starb, ihr tretet jetzt vor und sprecht. Kennt jemand, einen aus diesem Lande, der Täter ist, soll er ihn mir nennen. Der Sprechende soll reich belohnt werden. Aber auch den Täter ruf ich auf, sich zu zeigen. So soll er das Land unbescholten verlassen dürfen. Doch wenn er gefunden werden muss, soll er meinen ganzen Zorn spüren, auch wenn er zu meinem eigenen Geschlecht gehört. Helft mir suchen, oh Kadmeer!“


    Die Gestalten wenden sich zu Ödipus. Ihre Schatten bewegen sich genauso ruckartig. Als ihre Gesichter ins Licht kommen, sieht man wieder ihre scheußlichen Beulen und Blutflecken auf dem Angesicht.


    Die Pestkranken:
    „Wir mordeten nicht, oh Herrscher diese Landes. Doch wissen wir einen, der Dir helfen vermag. Er ist an Seherkraft dem Phoibos fast ebenbürtig. Es ist der Herr Teiresias!“


    Herrschaftliche- Ödipus:
    „So ließ ich nach ihm schicken!“


    Ein alter Mann erscheint auf der Bühne. Um seine Augen trägt er ein Tuch und er wird von einem nackten Knaben geführt, dessen Löckchen sich über seine Schultern ringelten. Ödipus tritt an den alten Mann heran.


    Herrschaftliche- Ödipus:
    „O der du alles begreifst, Teiresias, Phoibos sandte uns Kunde, dass die Erlösung von der Krankheit durch das Finden von Laios Mörder kommt. Doch wer ist der Mörder? Gib eine Fährte mir, weiser Mann.“


    Die traurige Maske- Teiresias:
    „Weh, wehe, wie furchtbar das Klarsehen, wenn es dem Klarsehenden nichts nützt. Lass mich gehen, o Ödipus!“


    Herrschaftliche- Ödipus:
    „Siehst du das Leid des Volkes nicht, Teiresias. Sprich schon, was siehst Du? Oder soll Dich erst mein Zorn treffen? Steckst Du gar mit hinter jener schamlosen Tat?“


    Teiresias zögert und windet sich. Er geht auf und ab, seine Hände machen allerlei verzweifelter Gestiken. Dann wendet er sich Ödipus zu.


    Die traurige Maske- Teiresias:
    „Dann will ich sprechen, Ödipus, bedenke Deine vorigen Worte und höre. DU bist der heillose Besudler dieses Landes.


    Dieses Mal tritt auch die zornige, hasserfüllte Maske nach vorne mit Ödipus eigener Maske.


    Herrschaftliche und Zornige- Ödipus:
    „So schamlos schleuderst Du die Worte heraus. Wie glaubst Du Deiner Strafe zu entrinnen?. Oder was willst Du mit Deinen Worten gar sagen? Was besudele ich, wo liegt meine Schuld? Sprich, oder meine Hand wird Dich hier und jetzt richten.


    Teiresias tritt ein wenig zurück. Theatralisch hebt er seine Hände schützend vors Gesicht.


    Die traurige Maske- Teiresias:
    „Du zwangst mich wider Willen zu reden. Aber gut, dann hast Du meine Worte nicht verstanden und ich will es Dir klarer sagen. Du, Ödipus, bist des Mannes Mörder, den du suchst. Du bist es, der das Land mit Krankheit und mit Leid plagt. Du magst mir zürnen, mich niederstrecken, doch ich bin die Kraft der Wahrheit. Und nur diese verkünde ich Dir!“


    Ödipus lacht laut und geht voll des Zorns auf Teiresias zu.


    Herrschaftliche und Zornige- Ödipus:
    „Du sprichst von der Wahrheit, alter Mann. Bist Du nicht blind an Ohren, Geist und Augen? Wer schickt Dich, sind es Neider oder gar Kreon, der nach dem Throne strebt? Doch Dein Hohn und Dein Spott kann mir nicht schaden oder einem anderen, der das Licht der Wahrheit sieht!“


    Die traurige Maske- Teiresias:
    „Es ist nicht dein Los, durch mich zu fallen, denn Apollo ist genug dies auszuführen!“


    Herrschaftliche und Zornige- Ödipus:
    „O Reichtum, Königsmacht und Können...so bringt dies Neider mit sich. Kreon, der Getreue so schien er, will den Thron und trachtet mir ihn zu rauben mit Hilfe eines Scharlatans. Du, listiger Bettelpriester, stehst Kreon wohl sehr nahe und willst das Volk gegen mich mit Deinen Lügen aufhetzen.


    Die traurige Maske- Teiresias:
    „Du irrst, Ödipus. Ich steh dem Loxias nah und werde niemals des Kreons Schützling. Ich sprach nur die Wahrheit. Mag ich blind sein und Du der Sehende, so siehst Du doch nicht, wie tief Du im Übel steckst. Du bist der Blinde, Ödipus! So bin ich von Geburt ein blinder Narr, wie Dir erscheint, aber in den Augen Deiner Eltern, die Dich zeugten, war ich ein kluger Mann!“


    Ödipus horcht auf und hebt in Erstaunen seine Arme.


    Herrschaftliche und Zornige- Ödipus:
    „Wie, welche Eltern? Wer hat mich gezeugt?“


    Die traurige Maske- Teiresias:
    „Der heutige Tag wird Dich zeugen und vernichten. Doch nun werde ich gehen, ich sehe, Du willst es schon. Doch sag ich Dir, der Mann, den du suchst, der ist hier. Ein Fremder meint man, zugezogen, doch als gebürtiger Thebaner entpuppt er sich. Blind statt sehend, als Bettler wird er über das Land ziehen. Mit den eigenen Kindern lebt er, wie Bruder und Vater zu gleich. Der gleiche Mann ist der Frau, der er entspross, Sohn und Gemahl. Und des Vaters Mörder ist er ebenfalls! Und fasse Du als Lügner mich, dann sage ich, dass ich in der Seherkunst nichts weiß!“


    Der Seher und der nackte Knabe gehen davon. Ödipus verharrt und geht dann wieder in seinen Palast. Die Pestkranken umklammern sich und jammern leise. Ihr Wehklagen durchdringt wieder die Schwärze als die Fackeln nach dieser Szene kurzzeitig erlöschen.

  • Zitat

    Original von Camillus Matinius Plautius
    ......Allerdings würde ich mich zuvor gerne noch von dir zu den hiesigen Literatur- und Schriftrollenverkäufern führen lassen. Ich muß meine Bestände mal wieder auffrischen. Außerdem würde ich gerne unsere Essen damals in Germania fortsetzen und einen ungestörten Nachtisch mit dir einnehmen. Ich würde dich daher gerne in der Casa Matinia empfangen bevor ich aufbreche." flüsterte Plautius.


    Ein paar Nachzügler huschten durch die Dunkelheit, nachdem das Theaterstück angefangen hatte. Während die Figuren auf die Bühne traten zog Medeia sich ihre Palla von der Schulter herunter. Es war auch wirklich ein warmer Abend. Sorgfältig faltete sie die Palla auf ihrem Schoß und verfolgte gespannt das Theaterstück. Ein wenig schaudern tat sie bei den Pestkranken dann jedoch sehr wohl und auf ihren bloßen Schultern und ihren Armen zeigte sich eine leichte Gänsehaut. Die erste Szene war vorbei und Medeia wandte sich Plautius zu. „Rom ist nicht Griechenland? In der Tat. In mancher Hinsicht bedauerlich, in vielerlei jedoch sehr erfreulich. Wären wir in Athen, dann könnten wir kaum hier zusammen das Theater besuchen, es sei...“ Medeia zögerte und verstummte. Dass Hetären durchaus das griechische Theater besuchten, wollte Medeia jetzt nicht erwähnen.


    Aber die nächste Szene rettete sie darüber hinweg. Medeia verfolgte auch diese und erst in der nächsten Zwischenpause wandte sie sich wieder zu Plautius. Leise flüsternd setzte sie ihre Konversation fort. „Er hat den Chor weggelassen!“ Missbilligung war in Medeias Gesicht zu sehen. „Die schönsten Stellen, die poetischsten Verse, nun ja. Er hat den Text auch selber interpretiert. Einige Stellen kommen mir bekannt vor, andere hat er jedoch stark gekürzt und zusammengefasst. Röme...!“ Erneut verstummte Medeia und schmunzelte leicht. „Verzeih!“ Ein Hauch von verlegener Röte spiegelte sich auf Medeias Wangen wieder, aber vielleicht lag es auch nur an dem Fackellicht, was wieder anging.


    Die dritte Szene wurde aufgeführt. Medeia schwieg erneut und nutzte dann den Abtritt von Ödipus um Plautius letzte Anmerkung zu erwidern. „Nun, den Papyrusmarkt zeige ich Dir natürlich gerne, wenn er auch hier in Roma nicht so schön ist wie in Athen. Und das mit dem Nachtisch? Wir werden sehen, Centurio.“ Die Lichter wurden erhellt und ein Obst- und Weinverkäufer lief durch die Tribünen. Ehe sie bei Plautius und Medeia ankam, war schon mehr als die Hälfte wegverkauft. „Wie gefällt Dir das Stück, Centurio?“ Medeia winkte den Obstverkäufer heran und lächelte gut gelaunt. Zwar war das Stück doch recht neuartig für sie aufgeführt, aber es war immerhin Theater.

  • Als Orestilla das Theater endlich gefunden hatte, hatte sie feststellen müssen, dass das Stück bereits begonnen hatte. In der Hoffnung, die anderen Zuschauer nicht zu stören, suchte sie sich in der Dunkelheit noch schnell ein freies Plätzchen. Ihre Nachbarn waren so mit dem Geschehen auf der Bühne beschäftigt, dass sie sie kaum bemerkten und auch Orestilla schlug das Stück bald darauf in seinen Bann.

  • Plautius entging nicht dieser Hinweis von Medeia. Vielleicht ein weiterer Schnippsel zu ihrer Vergangenheit? Er grübelte, wie genau das gesellschaftliche Leben in Griechenland ablief und wie es da mit Theaterbesuchen aussah. Vielleicht durften Frauen nur mit, wenn sie verheiratet waren.


    Die Pestkranken waren so überzeugend dargestellt, daß Plautius sich fragte, ob das nicht echte Pestkranke waren. Also wenn die bei dieser modernen Aufführung des Stückes in die Zuschauermenge laufen würden und echte Kranke waren, dann würde er sich Medeia über die Schultern werfen und das Theater so schnell wie möglich verlassen. Nur kein Risiko eingehen. Die Pest war seines Wissens nur durch die Götter heilbar.
    Bei Mars! Keiner der Pestkranken näherte sich mehr als nötig. Uff!


    Plautius schmunzelte als Medeia ihrem Unmut Luft machte. Er hatte das Stück zwar auch etwas anders in Erinnerung, aber in der letzten Zeit war ja mehr und mehr von modernem Theater die Rede. Lediglich bei dem “Röme...!“ von Medeia erlosch das Schmunzeln einem grimmigen Blick. Dann strich seine Hand wie zufällig über Medeias Hand und er nickte auf ihre Entschuldigung hin und flüsterte leise. “Meine hübsche Griechin. Was wäre die griechische Welt ohne uns römische Kulturbarbaren. Wie eine Suppe ohne Salz.” Plautius zwinkerte Medeia kurz zu. Und widmete sich wieder dem Stück.


    Ah, scheinbar gab es eine Pause. Erw andte sich mit gedämpfter Stimme wieder an Medeia.
    “Danke. Roma ist für mich noch sehr unübersichtlich. Ich nehme das Angebot mit einem Marktbesuch zwecks Literaturkauf gerne an. Ich will nicht, daß es mir im Winter in Mantua wieder so geht wie in Germania, wo ich sehnsüchtig am Tor auf die Abschrift der Acta wartete um irgendetwas zu Lesen zu bekommen. Odre aus Verzweifelung selber wieder Gedichte schreibe.
    Über den Papyrusmarkt in Athen habe ich schon sehr viel gehört, aber leider noch nie selber gesehen. Vielleicht irgendwann einmal ...” Ein bedauernder Tonfall lag in der Stimme von Plautius.


    “Natürlich können wir den Nachtisch auch in einer öffentlichen Taberna gehobenen Rufes einnehmen. Und du bringst noch eine Anstandsdame oder einen Leibwächter mit. Ich möchte dich nicht bedrängen oder in Verlegenheit bringen mit der Wahl der Casa Matinia. Letztere wirft sogar eher ein schlechtes Bild auf mich fürchte ich. Meine Neffen und Nichten lassen es dort an einer strengen Hand gegenüber den Haussklaven fehlen. Mitunter herrschen gewisse verlotterte Zustände was deren Aufmerksamkeit betrifft. Ich tue in der kurzen Zeit mein Bestes, aber leider ...”


    “Das Stück wird sehr eigenwillig aufgeführt. Ich hätte mit einer sehr klassischen Aufführung gerechnet, da der Tribunus und du ja die Veranstalter der Ludi seid. Dennoch findet es meine Zustimmung und ich unterhalte mich sehr gut. Sowohl was das Stück betrifft, wie auch meine charmante Begleitung. Das moderne Theater ist gewöhnungsbedürftig, aber das kannst du sicher besser beurteilen. In Roma gibt es sicher andauernd Aufführungen, die du besuchen kannst. Meine letzte besuchte Aufführung waren mehrere Strassentheaterstücke auf dem Markt bei den Spielen in Germanien, wo ich am Pferderennen teilnahm und wir uns kennenlernten. Möchtest du etwas trinken?”


    Plautius winkte einen der Weinverkäufer vorsorglich heran.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!


  • Ein blutiger Streit


    Akt 2, Szene 1


    Ein Sistrum wurde geschlagen, eine Bronzerassel. Die Tibia spielte einen langgezogenen klagenden Laut, langsam ging eine Fackel nach der Anderen an. Einige Gestalten, in grauen und schwarzen griechischen Gewändern, und nackte Knaben dazwischen standen oder knieten in starrer Haltung auf dem Boden. Kreon wirbelt tanzend auf die Bühne. Seine Bewegungen sind stürmisch, energisch und aufgebracht. Sein Gesicht in einer Mischung aus Wut und Unglauben verzerrt. Er tritt mitten unter die Gestalten, die sich langsam, träge und fast unbeteiligt ihm zuwenden.


    Die wütende Maske tritt nach vorne- Kreon
    Männer! Bürger! Mit furchtbaren Worten erfahre ich, dass mich der Herrscher Ödipus anklagt. Aufbegehren soll ich gegen meinen Herrscher. Den Seher soll ich angestiftet haben, übles gegen meinen Schwager zu behaupten. Jene Anschuldigungen kann ich schwer erleiden, so hab ich wahrlich keine Lust mehr am Leben.


    Die Bürger im Chor gesprochen:
    Vom Zorne ergriffen sprach Ödipus die Worte!


    In dem Moment tritt Ödipus aus dem Palast auf die Bühne. Er sieht Kreon und sein Gesicht verzerrt sich vor Wut. Anklagend hebt er den rechten Arm und deutet auf Kreon.


    Zornige Maske und herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Ha du! Wie, du wagst es hier her zu kommen? Besitzt Du so die Frechheit, dass Du vor mein Haus kommst. Du Mörder dieses Mannes...“ [zeigt auf sich selber] „..Du, der doch Räuber meiner Herrschaft sein willst. Auf meinen Thron willst Du Dich schleichen mit faulen Tricks und üblen Lügen. Närrisch ist Dein Unterfangen, zu versuchen mit List und Tücke die Königsherrschaft zu erjagen.


    Die herrschaftliche Maske tritt zurück, die Traurige tritt nach vorne und zwei Masken sprechen wieder gleichzeitig- Kreon
    „Warum sprichst Du so zu mir? Welches Übel hast Du erfahren, was Du mir anhängst?


    Zornige Maske und herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Rietest Du mir nicht, den Seher zu rufen?“ [Kreon nickt] „Wie lange ist es eigentlich schon her, dass Laios spurlos verschwand durch tödliche Gewalt und war damals der Seher schon im Geschäft?“ [Kreon nickt erneut] „Doch sprich, warum suchtest Du den Mörder Deines Schwagers, den Mann Deiner Schwester nicht?“


    Traurige Maske- Kreon
    „Wir fahndeten, versteht sich- doch hörten nichts. Und wo ich nicht klar sehe, da schweig ich lieber. Doch sehe ich schon, den Vorwurf, den Du mir machen willst. Ist meine Schwester nicht Deine Frau und diene ich dir nicht als Dritter, in der Herrschaft des Landes?“


    Zornige Maske und herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Als falscher Freund zeigst Du Dich!“


    Traurige Maske- Kreon
    „Unrecht tust Du mir, Ödipus. Ich bin nicht von solcher Art, dass es mich gelüstet Herrscher zu sein. Weiß ich doch, dass das Herrschen viel Kummer und schwere Entscheidungen bringt. Zorn und Hader folgt diesen. Jetzt steh ich noch mit allen gut, alle grüßen mich freundlich auf der Straße. Fragen bei mir nach, wenn sie Dich brauchen. Als Dritter will ich weiter verbleiben, denn die Last des Herrschens zu tragen ist mir zu schwer! Niemals würde ich mich gegen Dich erheben. Folgte ich doch Deinen Anweisungen und ritt zum Orakel des Apollo. Treu hab ich gemeldet und mit dem Seher hab ich mich nicht verbündet. Hast Du Beweise, so verhafte und töte mich, nicht nur mit Deiner Stimme, nein doppelt, mit meiner Eigenen dazu. Doch nur auf unbewiesenen Argwohn klage mich nicht an. Denn gerecht ist dies nicht.“


    Die Bürger tanzen um Kreon und Ödipus herum. Wieder spielt die Tibia und dazu werden mehrere Lyras gezupft, alles unsichtbar fürs Auge. Die Bürger verharren und sprechen im Gleichklang.


    Bürger:
    „Gut sprach er! Herr, wer schnell denkt, strauchelt leicht!“


    Zornige Maske und herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Wenn einer, der einen Anschlag im Dunkeln plant, schnell vorgeht, so muss schnell auch ich entgegenplanen. Warte ich in Ruhe, so wird er mich stürzen.“


    Traurige Maske- Kreon.
    „So wünschst Du mich aus dem Land zu werfen?“


    Zornige Maske und herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Nein! Sterben sollst Du, nicht verbannt nur sein. DAS will ich!“


    Ödipus zieht ein Gladius hervor. Kreon springt zurück, hebt erschrocken die Hände. Ödipus macht einen Ausfall nach vorne und schlitzt das Gewand von Kreon auf. Blut spritzt auf die Bühne, Kreon schreit vor Schmerz auf. Ein Raunen geht durch das Publikum und die Tibiae spielen schrill. Kreon packt einen Stock, der auf dem Boden bereit lieg und hebt es gerade noch als das Schwert wieder herunter saust und sich in das Holz bohrt.


    „HALT, ihr Elenden...! Will Schwager gegen Schwager kämpfen?“


    Eine Frauenstimme donnert durch das Theater. Die Bürger winden sich und stolzieren nach hinten. Die üblichen Pestkranken kommen auf die Bühne gekrochen. Sie klagen, dann verharrt alles für eine theatralische Pause.


  • Die Wahrheit kommt ans Licht?


    Akt Zwei, Szene Zwei


    Eine Tuba wird geblasen, Flöten spielen eine pompöse Musik, Rasseln werden geschüttelt und einige Frauen (nicht sichtbar) singen einen betörend anmutenden Choral. Eine Frau in einer langen, goldbestickten Stola tritt auf die Bühne. Ihre langen schwarzen Haare umfließen ihre weichen und runden Schultern, das Gewand lässt einen doch großzügigen Ausschnitt erkennen und sie läuft in einem sinnlichen Gang, nicht tanzend, auf Ödipus und Kreon zu. Beide sehen die Frau, manchen wird sie auch als Clodia von der Cena Libera bekannt sein, wie erstarrt an. Ödipus hält das Gladius wie ein Damoklesschwert über Kreon.


    Die Frau hebt gebieterisch die Hand und spricht selber. Keine Maske tritt nach vorne.


    Iokaste:
    „Bei den Göttern, ihr Unglückseligen, was tut ihr hier? Kämpft der Schwager gegen Schwager? Wer hat das Übel entfacht, wer hat das erste schlechte Wort gesprochen, welches führte zu diesem Streit?“


    Kreon läuft schnell, aber voll mit tänzerischen Schritten zu seiner Schwester. Schnell versteckt er sich hinter sie und deutet anklagend auf Ödipus.


    Traurige Maske- Kreon.
    „Schwester, furchtbare Worte hat er gewählt. Er will mich aus dem Vaterland stoßen oder gar töten. Du sahest es doch selber. Doch all die Worte sind unwahr. Und unglücklich will ich sein, nein verflucht zugrunde gehen, wenn etwas von dem wahr sein sollte, was ich Dir angetan habe, Ödipus!“


    Er wendet sich um und flieht mit einem eleganten Sprung von der Bühne. Iokaste schreitet langsam auf Ödipus zu.


    Iokaste:
    „So sprich, Herr, war ist vorgefallen zwischen Euch?“


    Ein Bürger tritt nach vorne, hebt beide Arme nach oben als ob er die Götter anflehen will. Die versammelten Bürger und Knaben sprechen im Chor.


    Die Bürger im Chor gesprochen:
    „Den eidgebundnen Freund verklagte er, ein blinder Verdacht kam auf aus Worten, welche unberechtigt waren, und verletztn.“


    Iokaste geht einen Schritt auf Ödipus zu und umgreift sein Handgelenk.


    Iokaste:
    „Bei den Göttern, Herr, erklär auch mir, weshalb Du nur in Dir solch einen Zorn hast aufgerührt. Was waren die Worte, die gesprochen wurden? Wer hatte Schuld an diesem Streite?“


    Ödipus lässt sein Schwert sinken und steckt es dann schließlich weg. Voll des Gram verzerrten Gesichtes sieht er zu den Zuschauern und hebt die rechte Hand.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Mörder des Laios nennt mich Kreon. Zwar sprach er die Worte nicht selber aus, doch über den Seher ließ er es mir verkünden. Den Schurken schickte er nach vorne und behauptete dreist, ich sei es, der über das Land den Fluch brachte.“


    Iokaste lässt Ödipus los und lacht. Ödipus sieht sie erstaunt an.


    Iokaste:
    „Mach Dich los von all dem, was Du sagst, mein Gemahl. Denn hör auf mich und lerne, dass es wahrhaftig kein sterblich Wesen gibt, das teilhaftig ist der Seherkunst. Ich will Dir dafür Beweise geben. Denn einst erging an Laios ein Orakelspruch. Über ihn würde ein Schicksal kommen, besiegelt durch seinen eigenen Sohn. Durch seine Hand soll er sterben. Doch dann erschlugen an einer Scheide dreier Wagenwege Räuber und nicht sein Sohn ihn. Denn sein Sohn, kaum da war er drei Tage alt, wurde verschnürt ins unzugängliche Gebirge geworfen. Und so hat Apollo es nicht durchgesetzt, dass jener zum Mörder seines Vaters wurde.“


    Ödipus reißt die Augen auf und hebt pathetisch die Hände über den Kopf und rauft sich verzweifelt die Haare.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „ Was packt mich, da ich eben Dich gehört habe, Frau, der Seele Irrlauf und Erschütterung des Geistes. Sprachest Du von dreier Wagenwege? Wo ist dieser Ort? Wo geschah dieses Unglück und erzähl mir genaueres? Wie sah Laios aus? Und kam er mit einem großen Zug?“


    Iokaste sieht Ödipus verwundert an.


    Iokaste:
    „Ein Scheideweg, dort von Delphi und Daulia her. Es war kurz bevor Du im Besitz der Herrschaft gelangtest. Laios, ein Mann von großem Wuchs und mit blütenweißem Flaum um sein Haupt, von deiner Gestalt wich er nicht stark ab. Er zog mit einem Wagen mit fünf seiner Männer und ein Herold war unter ihnen. Nur einer entkam, ein Diener. Doch als Du die Herrschaft annahmst, da bat er mich, ihn als Hirten auf das Land zu schicken. Ich gewährte ihm den Wunsch. Doch warum fragst Du es?“


    Ödipus schreitet auf der Bühne auf und ab und ringt mit seinen Händen.


    Herrschaftliche Maske und traurige Maske:
    „So schicke nach dem Hirten. Denn er soll mir bezeugen, was ich vermute. Sprechen darüber sollte ich nicht, doch ich will es Dir nicht vorenthalten.“


    Ödipus und Iokaste treten zur Seite. In dem Moment wird vor die Bühnenwand des Palastes ein Anderes herunter gelassen. Es ist der Innenhof eines römischen Hauses. Fröhliche Musik wird gespielt, auf die Bühne treten Tänzer und einige andere Gestalten. Darunter sind auch ein Mann, der Ödipus bis aufs Haar gleicht, und ein älteres Ehepaar. Ödipus Maske spricht weiter und der König Ödipus deutet auf die Szene.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Mein Vater war Duumvir von Korinth, ein wahrhaft angesehener Mann und meine Mutter Merope aus einem altehrwürdigen Geschlecht. Mir war ein ehrenhaftes Leben bestimmt unter ihrem Dach, bis zu jenem Abend als ein Mann es wagte, in seiner Trunkenheit falsche Worte zu sprechen!“


    Ein Mann steht auf und lacht grölend.
    „He, Ödipus, Sohn des Polybos, untergeschoben bist Du Deinen Eltern. Ein Bastard und kein ehrenhafter Sohn bist Du!“


    Der junge Ödipus will aufspringen und sich auf den Beschimpfenden werfen, doch die anderen halten ihn davon ab. Die Musik verstummt und um sie herum wird eine Tuch fallen gelassen. König Ödipus tritt wieder nach vorne und sieht zu den Zuschauern.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Meine Eltern zeigten sich empört über dieses Verhalten und versuchten mir mein Bedenken zu zerstreuen. Doch heimlich ging ich nach Pytho und Apollo schickte mir einen Orakelspruch! Schlimmes sagte er mir voraus, dass ich der Mutter mich vermischen müsste und ein Geschlecht, unerträglich anzusehen, zutage bringen würde. Meinen Vater, der mich gepflanzt, würde ich erschlagen. So wanderte ich von meinem Heime fort. Auf dem Scheidewege nun traf ich eine Gruppe von Männern...“


    Die feiernde Gesellschaft war mittlerweile verschwunden, das Bühnenbild wechselte wieder, mittels aufwendiger Theatermechanismen, die dem Zuschauer jedoch verborgen blieb. Karge Landschaft war auf die hölzerne Wand gemalt, dazu ein Weg. Ein Wagen polterte auf die Bühne, auf dem sitzt ein älterer Mann. Voraus geht ein Mann mit einem Heroldsstab. Der junge Ödipus, dem König wie aus dem Gesicht geschnitten, kommt wieder auf die Bühne und läuft auf die Gruppe zu.


    Herold:
    „Aus dem Weg!“


    Er stößt den jungen Ödipus zur Seite als der Wagen an ihm vorbei poltert, tritt Laios, der König mit dem Fuß nach Ödipus. Dieser verzieht sein Gesicht voll des Hasses und packt seinen Stab. Wütend schlägt er nach Laios. Er trifft ihn am Kopf. Laios schreit laut auf und fällt vom Wagen und die Bühne herunter. Er bleibt vor den Zuschauern reglos liegen. Ödipus, im Rausche seines Zornes erschlägt einen nach dem Anderen. Nur einer kann fliehen.


    Ödipus Maske spricht und der König Ödipus gestikuliert dazu.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „So erschlug ich sie alle! Durch mich ist er umgekommen. Ich brachte den Fluch über die Stadt! So sprach der Seher recht!“


    Die Bühnenbilder werden schnell wieder hochgezogen, der Wagen verlässt die Bühne über eine kleine Rampe und Iokaste tritt nach vorne und an die Seite von König Ödipus.


    Iokaste:
    „Das kann nicht sein. Denn es ward vorher gesagt, dass sein Sohn ihn erschlagen sollte. Doch jener Unglückselige hat ihn nie erschlagen, ist selber vorher doch gestorben. So stimmen auch die anderen Sprüche des Sehers nicht. So kann es nicht so sein, dass Du den Laios hast erschlagen.“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „So schicke nach dem Hirten, er soll die Wahrheit verkünden!“


    Iokaste nickt und Beide wenden sich ab und gehen in den Palast zurück.


    Die Pestkranken kommen auf Händen und Knien auf die Bühne gekrochen. Düstere Flötenmusik begleitet ihren Auftritt.


    Die Pestkranken:
    „Oh ihr Parzen, das Schicksal ist unabwendbar. Licht wird in die Dunkelheit gebracht. Ödipus beginnt zu erkennen. Doch die volle Wahrheit ist ihm noch nicht erschienen. Wehe uns! Wehe uns!“


    Dunkelheit fällt über die Bühne, die Fackeln wurden gelöscht.

  • Plautius folgte aufmerksam und gebannt dem Schauspiel. Wer wußte schon wann er noch einmal in solch einen kulturellen Genuss kommen würde. Zumindest in den nächsten Wochen und Monaten. Wenn die Aufführung auch recht eigensinnig war.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Die leichte Berührung an Medeias Hand schien sie beileibe nicht zu stören. Im Gegenteil, ihr Lächeln wurde etwas breiter und die Geste fand wohl ihr Wohlgefallen. Das Stück ging weiter, die Pause nahte, Plautius wandelte die Örtlichkeit seiner Einladung und rief nach dem Wein. Der Weinverkäufer kam heran. An dem Abend hatte er doch schon ein gutes Geschäft machen können. Er trug einen kleinen Holzladen um seinen Bauch gebunden, in dem große Krüge mit Wein, mit Wachs versiegelt, und einige Tonbecher standen. Der schmächtige Verkäufer, ein älterer Mann und recht dürr, schien kaum den Bauchladen tragen zu können. Doch rabiat bahnte er sich einen Weg an einer schwatzenden Gruppe Männer vorbei und auf Plautius zu. „Wein der Herr? Guter süditalischer Landwein! Eine Karaffe? Oder lieber nur zwei Becher voll?“


    Der gute Mann wartete bis Plautius das Gewünschte bestellt hatte, gab es an ihn weiter und drängte sich durch die Menge weiter. Es galt noch den restlichen Wein zu verkaufen. Doch das gab Medeia auch die Gelegenheit, wieder in Ruhe mit Plautius zu sprechen. Sie wandte sich ihm zu und in ihren Augen funkelte es amüsiert. „Werter Centurio, eine Anstandsdame bedarf ich nicht. Ich bin keine junge Frau mehr, die gerade den Kindesbeinen entwachsen ist.“ Medeia schmunzelte bei den Worten und fügte an. „Aber meinen Leibwächter nehme ich natürlich mit, ob in eine Taberna oder vielleicht dann doch eher in die Casa Artoria. Wenn Du Deiner Familie kein schlechtes Vorbild sein willst!“ Medeia wollte wohl noch etwas sagen, aber sie kam nicht mehr dazu.


    Die Pause war beendet, die nächste Szene wurde gespielt. Kreon und Ödipus führten ihren heftigen Disput auf der Bühne. Als dann das Gladius heraus gerissen wurde, holte Medeia tief Luft und scheinbar etwas erschrocken (Oder tat sie nur so?) berührte sie Plautius mit ihrem nackten Oberarm an seinem Arm. Vorne kämpften die beiden Männer, dann war die Frauenstimme zu hören. Medeia sah neugierig spähend nach vorne. Wieder war eine kurze Pause.


    Medeia atmete auf und beugte sich zu Plautius rüber. Eine rote Haarlocke von ihr streifte ihn dabei ganz leicht an seiner Schulter und dem Ansatz seines Halses, wo die Stola nicht seine Haut bedeckte. „Ich habe schon gehört, dass manchmal sogar Sklaven im römischen Theater auf die Bühne geholt werden und dort sterben, wie im Gladiatorenkampf. Ich hoffe, der Dramatiker hat nicht einen Hang dazu.“ Iokaste trat auf die Bühne. Medeia blinzelte verblüfft, schien sie die Frau doch wieder zu erkennen. Doch das tat ihrer Aufmerksamkeit keinen Abbruch. Oder schien es auch nur so zu sein? Denn wirklich zurück gerutscht war Medeia seit der leichten Berührung beim Gladiuskampf nicht. Iokaste und Ödipus traten ab.


    Es war völlig dunkel im Theater. Ein Murmeln war das einzige Zeichen, dass überhaupt noch jemand in dem Theater, außer Plautius und Medeia, war. Medeias Stoff raschelte leicht. Der Duft der Rosen näherte sich ein wenig dem Centurio. Ihre Hand legte sich auf Plautius Unterarm und strich ihm sogar geringfügig darüber hinweg. „Centurio, im Garten sagtest Du, dass Du in meinen Augen lesen kannst, doch wie ist mit meiner Stimme?“ Sie schien die Worte wie eine Katze zu schnurren. Medeia beugte sich immer näher heran. Doch war es im Theater viel zu dunkel, der Himmel zu sehr bewölkt, um auch nur Schemen wahr zu nehmen. Doch plötzlich lagen Medeias Lippen auf Plautius. Weich als ob sie ihm ihre Stimme auf diese Weise offenbaren wollte. Ihr seidiger Mund streiften ihn hauchzart und dann umfassten ihre Lippen seine Unterlippe. Zart, fast spielerisch, hielt sie ihn so kurz umfangen. Dann löste sie sich von ihm. Nur ein Fingerbreit von seinem Gesicht entfernt, hauchte Medeia sehr leise. „Centurio, bist Du Dir sicher, worauf Du Dich mit mir einlässt?“

  • Plautius erlaubte sich einen Moment der Überraschung. Dann aber auch der inneren Erleichterung. So schnell konnte sich die Frage der Initiative und des Vorgehens schon entscheiden. Er genoss einen weiteren Moment ihren Duft, ihre Berührung und den Kuss bevor er leise antwortete.


    „Über deine Stimme habe ich noch nicht nachgedacht. Da hast du mich jetzt überrumpelt, aber eine Überraschung bedeutet noch keine Niederlage, sondern nur eine neue Herausforderung. Von der Stimme würde ich jetzt auf eine schnurrende, anschmiegsame Katze schließen, aber weiß ich wirklich, ob es sich um einen sprungbereiten Panther oder eine harmlose Hauskatze der Casa Artoria handelt? Das ist nach nur einem Kuss schwer zu sagen. Obgleich man jetzt als „männliche Maus“ auch denken kann, dass sowohl eine kleine, wie auch eine große Katze für die Maus gefährlich ist.


    Nein, Medeia. Ich bin mir nicht sicher, worauf ich mich bei dir einlasse, denn ich bin nur ein instinktgesteuerter Mann mit einer passablen Intelligenz. Selbst die Götter wissen nicht absolut worauf sie sich bei den Frauen einlassen. Denn dann hätte Zeus bei Hera eine bessere Wahl getroffen oder von mancher Sterblichen die Finger gelassen um Probleme mit seiner Ehefrau zu vermeiden. Und ich bin kein Gott.


    Vielleicht weiß ich nicht auf was ich mich bei dir einlasse? Liegt eine der Moiren etwa schon auf der Lauer um das Leben der Maus zu beenden? Aber ich weiß, dass ich mich darauf einlassen will! Ich bin Soldat, ein Kämpfer und Überlebenskünstler. Ich stelle mich jeder Herausforderung.
    Und ich bin mir darüber im Klaren, dass ich zwar offiziell um dich werben kann, aber dir erst einmal eine versteckte Beziehung zumuten muß um deinen Ruf und deine Ehre nicht zu beschmutzen. Ich darf dich erst heiraten oder mich mit dir verloben, wenn ich Tribunus bin oder die Legio verlasse.
    Ach ja. Der Tod kann mich theoretisch überall treffen, aber es gibt schlimmere Tode als in den Armen einer schönen und klugen Frau. Allerdings bitte ich um eines. Spiele nicht mit mir. Auch wenn meine Probati und Legionäre es vermutlich abstreiten werden, so habe ich auch Gefühle, die verletzt werden können.


    Hm. Küss mich noch einmal bevor es auf der Bühne wieder heller wird und man uns sehen kann, vielleicht fällt mir inzwischen eine bessere Antwort bis zur nächsten Pause ein.“

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Die Dunkelheit und die dadurch entstandende Intimsphäre nutzte Medeia durchaus aus. Die Hand an Plautius Arm strich etwas höher und unter seine Toga. Ihre Finger glitten über seinen Oberarm entlang und ihre Hand blieb dort ruhen. Die Finger ihrer anderen Hand erkundeten derweil Plautius Kinnlinie während er mit ihr sprach und sie entfernte sich kein bisschen von seinem Gesicht. So war immer mal wieder der Hauch ihres Atems zu spüren. Ihr einer Fuß wanderte keck an Plautius Wade entlang und sie lehnte sich leicht gegen ihn. Ihre Rundungen waren deutlich unter dem leichten koischen Stoff zu spüren. Jetzt war der Rosenduft leichter auszumachen. Er kam von ihrer Stola. Ihre Hals und ihre Wange rochen anders, völlig ohne den Duft von Blüten. Eher als ob es ihr eigener wäre. Ein wenig wie Milch oder wie ein warmer Wind, der über den Sommerwald strich? Es war schwer zu beschreiben. „Centurio...“ hauchte Medeia leise. „Du sprichst von so vielen ernsten Dingen, Götter, Moiren, das Heiraten. Davon lieber ein ander Mal. Aber Deinen letzten Wunsch will ich Dir gerne erfüllen!“


    Medeia Finger tasteten zärtlich über Plautius Wange hinweg und strichen ihm leicht über die Schläfe. Sie legte ihre Lippen auf Plautius Mund, verschloß und versiegelte ihn für dem Moment. Ihr Körper schmiegte sich enger an ihn und seine Toga heran und ihr Mund öffnete sich ein wenig. Sanft zerging der Kuss auf beiden Lippenpaaren, mehr eine Verheißung und wie zarte Butter in der Sonne. Eine Locke ihrer roten Haare kitzelte an Plautius Wange und sie küsste ihn einen Hauch stärker, ihre Zungenspitze spielte an Plautius Unterlippe und dann öffnete sie mit ihr seinen Mund zärtlich. Vorsichtig erforschte sie ihn und ihr Zungenkuss wurde mit jedem Herzschlag leidenschaftlicher und fester. Ihre rechte Hand ruhte auf seiner Wange, ihre Linke erkundete ihn unter seine Toga und ihr Kuss schien sehr lange zu währen. Langsam entfernte sich Medeia von ihm, ruhte mit ihren Lippen an seiner Unterlippe und löste sich zuletzt von dort. Einen Herzschlag schwebte sie noch vor seinem Gesicht. Ihr schneller Atem strich über seine Lippen, dann bewegte sie sich wieder zu ihrem Platz zurück. Die Lichter gingen an und sie saß dort „züchtig“ wie schon zuvor. Nur das Glänzen ihrer Lippen, eine Strähne, die sich etwas gelöst hatte und ihr schnellerer Atem schien sie ein wenig zu verraten. Sie warf Plautius ein Lächeln zu als schon die ersten Fibulatöne erklangen.

  • Plautius lächelte Medeia an und wandte sich dann selbstbeherrscht und äußerlich gefasst wieder dem Schauspiel zu.


    Innerlich tobte in ihm ein Vulkan. Bei Venus! Was für eine Frau. Plautius kam sich spätestens jetzt etwas wie ein unwissender Barbar vor. Also zumindest auf dem Gebiet der Erotik, Verführung und Liebe war ihm Medeia überlegen. Aber nun gut. Zum Lernen war Plautius nie zu alt.


    Er musste sich eingestehen, dass das Stück zwar sehr interessant war, er sich jetzt aber lieber weiter mit Medeia „unterhalten“ hätte. Er rief sich selber zur Ordnung auf. Schließlich war er disziplinierter Soldat und kein liebestoller Strassenköter. So fieberte er der nächsten Pause entgegen.Plautius lächelte Medeia an und wandte sich dann selbstbeherrscht und äußerlich gefasst wieder dem Schauspiel zu. Obwohl er am liebsten ganz laut JUHU! geschrien hätte.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

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