[Subura] Cloaca Maxima und ihre Nebenkanäle

  • Sica bemerkte die Veränderung in Hannibals Verhalten im Umgang mit jener Sklavin und augenblicklich war sein Misstrauen geweckt. Er hatte dem anderen Sklaven für seine Verhältnisse sehr weit vertraut. Allein dessen Rettung und die Einführung in die Unterwelt waren ein deutliches Zeichen dafür gewesen. Jeden geringeren Sklaven hätte Sica bei einer solchen Tat mit deutlich weniger Aufwand aus dem Weg geräumt. Er hatte jedoch eine über sehr lange Zeit gefestigte und alles andere als hohe Meinung von der kleinen blonden Sklavin, die auch durch diese kleine Scharade nicht auch nur im geringsten beeinflusst werden konnte. So kam es, dass Sicas sämtliche Sympathien für Hannibal und jegliches beginnendes Vetrauen bei dessen offensichtlicher Solidarisierung mit der Sklavin sämtlich und restlos verpufften. Sicas Miene verhärtete sich minimal, als er innerlich dieses Urteil über jenen einst so vielversprechenden Sklaven fällte.


    Diese Sklavin war über die Dauer ihrer gesamten Existenz noch nie auch nur zu irgendetwas nützlich. Trotzdem entspricht es den ausdrücklichen Anweisungen ihres Besitzers, dass sie in der Obhut des Caeciliers zu verbleiben hat. Was hast du mit seinem Haushalt zu schaffen? Mit welchem Recht hast du sie von dort entfernt?


    Sica hoffte nicht nur für das kurzfristige Wohl Hannibals und Nadias, dass jener eine gute Erklärung dafür vorbringen konnte. Sich mit dem Praefectus Praetorio anzulegen war einen Dummheit, die ihresgleichen suchte und empfindliche Teile der Unterwelt ernsthaft in Gefahr bringen konnte. Die Sklavin selbst ignorierte er bei alldem konsequent. Er wusste, dass mit ihr ohnehin nicht zu reden war.

  • Dass die Sklavin ein unnützes, dummes Ding war, dessen war sich auch Sciurus sicher, und durch Hannibals dahingeworfene Worte keinesfalls von dieser Meinung abzubringen. Wie damals, als er sie in der Sklavenkammer gefunden hatte, drückte sie sich auch jetzt wie ein jämmerliches Elend an die Wand, gerade als wolle sie die Nutzlosigkeit ihrer Existenz damit bestätigen, und es fehlten nur noch die Tränen. Ihr Anblick war widerwärtig, nicht, weil sie wie Hannibal bis zum Hals in Fäkalien gestanden hatte, und möglicherweiße metaphorisch gesehen noch jetzt darin stand, sondern weil sie Sciurus mit diesem unterwürfigen und rückgratlosen Verhalten wieder an seine Mutter erinnerte. Wie diese würde das dumme Ding eines Tages in einer der Ritzen verschwinden, welche die Wände überzogen, an welche sie sich drückte, würde sie als namenloses Etwas im Circus, im Tiber oder einem schlecht geschaufelten Erdloch landen. Während der unterschwellige Hass und die Verachtung in Sciurus aufstiegen und sich mehr und mehr auf Nadia projizierten, blieb er mit seiner Aufmerksamkeit voll und ganz beim Geschehen um sich herum, registrierte jede Bewegung, jeden Laut und jede Veränderung in der Luft um sich herum.

  • Stille herrschte in der Cloaca. Decius scharrte unruhig mit seinem Fuß im Matsch vor sich, unterbrach die eisige Kälte zwischen den Männern, und sah überall hin, wie die Anderen, nur nicht zu Sica und Sciurus. Hannibal sah Sica kühl und regungslos an. Doch innerlich ärgerte sich Hannibal sehr. Fortuna war doch so wohlmeinend mit ihnen gewesen. Sie sind in das Haus des Caeciliers gekommen, konnten dort ihre Scharade abziehen, Hannibal sich absetzen und mit Nadia entkommen. Und warum liefen sie dann ausgerechnet diesen beiden Sklaven über den Weg? Hannibals rechter Mundwinkel zuckte leicht. Die Worte, die Hannibal zuerst auf der Zunge brannten, schluckte er sofort herunter. Denn er war eigentlich nicht ein Mann, der unbedacht sprach. Zumindest bildete er sich das selber gerne ein.


    „Der Praetorianerpraefect? Mit dem habe ich nichts zu schaffen. Und ja, Nadia ist in seinem Haushalt! Was nichts an der Tatsache ändert, dass sie durch ihren Herren gewisse Freiheiten hat. Und bald auch ihre Freiheit! Darum schadet es nicht, wenn sie vorher noch etwas für ihr Leben lernt.“ Hannibal lächelte kühl, innerlich jedoch immer noch sehr angespannt. Wieder verfluchte er mental die Tatsache, dass er keinen Dolch bei sich hatte. Tapp! Tapp! Das Trippeln einer Ratte und dann ein leises Scharren waren aus dem dunklen Gang zu hören. Die Ratte stand immer noch dort und lauschte. Informationen waren gut in der Cloaca zu bekommen und er konnte immer Informationen gebrauchen. Schließlich brauchte er auch sein tägliches Brot. Auf leisen Sohlen, die Stille zu nutzen hatte die Ratte gelernt, versuchte er sich wieder davon zu stehlen.

  • Nadia fühlte sich von den Blicken der beiden Sklaven völlig durchbohrt, auch wenn sie die Augen beider nicht ganz sehen konnte, wusste sie, dass sie angesehen wurde und sie konnte den Hass fast fühlen. Ihr Herz hatte sich bis jetzt noch immer nicht beruhigt und das Rauschen in ihren Ohren schien nun ihr ständiger Begleiter zu werden. Wenn sie wenigstens ihr schlimmes Gefühl los werden würde, dass noch mehr passieren würde als diese Begegnung die sie hier hatten. Sie kannte Sica, wenn auch nicht gut und war sich sicher, dass er Hannibal sicher nichts glauben würde. Nadia wusste auch nicht ob Sica sie nicht auch schon einmal in der Villa zusammen gesehen hatte. Alles war möglich und jeder Blinde konnte sicher seine Schlüsse ziehen.
    Einen Moment musste sie einfach ihren Blick von ihnen abwenden und die Worte begannen in ihren Ohren widerzuhallen. Langsam fuhr sie sich mit ihren Händen durch ihr Gesicht und strich sich ihre blonden Haare nach hinten. Wenn doch jemand hier wäre, der ihnen helfen könnte, aber sie waren alleine und niemanden würde es hier unten auffallen, wenn noch ein paar mehr Leichen hier verwesen würden.


    Sie nahm all ihren Mut zusammen, wirklich alles was sie in dieser ausweglosen Situation noch zusammenraffen konnte und trat von der Wand nach vorne auf sie alle zu, um sich neben Hannibal zu stellen. Nun stand sie ihren ehemaligen Peinigern genau gegenüber und spürte wie trocken ihr Hals doch geworden war. Gern wäre sie nun an einem fernen Ort gewesen, ja sie wünschte sich sogar in die Sklavenunterkunft des Praetorianers zurück, aber sie stand hier und auch wenn sie innerlich zittertet begann sie leise zu sprechen.


    "Das alles geht dich nichts an. Wir sind nicht in der Villa Flavia und du hasst hier draussen keine Macht über mich und kannst mir nichts anhaben." Natürlich wusste sie, dass das alles nicht stimmte und er sehr wohl viele Möglichkeiten hatte, aber sie war es leid zu schweigen und doch bereute sie es schon wieder ohren Mund auf getan zu haben.

  • Sicas linke Augenbraue schob sich um den Bruchteil eines digitus nach oben. Darüber hinaus erlaubte er sich keinerlei Regung, während er die Erklärung Hannibals aufnahm. Auf die Sklavin reagierte er anfangs nicht einmal, sondern ignorierte sie weiterhin komplett. Seine Antwort ging einzig und allein an Hannibal.


    Ich hoffe für dich, dass das keine Lüge ist. Wenn du uns durch diese sinnlosen Eskapaden den Praefectus Praetorio an den Hals holst, dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken. Ob dieses nutzlose Ding etwas für sein Leben lernt oder nicht, ist mir vollkommen gleich. Wenn sie dem Haushalt der Flavier nicht mehr zur Last fällt, umso besser. Aber hier hat sie nichts, aber auch rein gar nichts verloren. Sie ist unfähig, faul und eine Verräterin. Bring sie auf der Stelle wieder an die Oberfläche. Wenn ich sie noch einmal hier unten erwische oder erfahre, dass sie sich hier unten herumgetrieben hat, dann kann ich für nichts mehr garantieren. Weiters brauchst auch du selbst dich in dem Fall hier nie wieder blicken lassen. Verstanden?


    Sein eiskalter Blick verharrte noch einige Sekunden auf dem Sklaven, bevor Sica sich endlich dazu herabließ auch die kleine Blonde zu beachten. Voll Verachtung sah er sie von oben herab an und der eben noch zwar scharfe, doch verhältnismäßig neutrale Ton seiner Stimme wurde deutlich drohend.


    Halt dein vorlautes Maul, du dummes Ding. Der Ort, an dem wir uns befinden, ist vollkommen unabhängig von dem was dir blüht, wenn du dich weiter so töricht verhältst.


    Ihre Naivität sprach für sich. Sicas sah kurz zu Sciurus, um dessen Meinung zu ihrem weiteren Vorgehen zu erkunden. Falls jener weitergehende Maßnahmen schon jetzt für erforderlich halten würde, würde Sica wohl kaum große Einwände haben.

  • Wie sich das dumme Ding gewisse Freiheiten beim Praefekten der Praetorianer erworben hatte, dies konnte sich Sciurus vorstellen. Ihr Körper bot immerhin in dieser Hinsicht einige Vorteile - war er nicht gerade mit den vielfältigen Inhalten der Cloaca Maxima in Berührung gekommen - und war dabei billiger zu haben, als der einer Lupa. Dass ein Herr jedoch dermaßen einfältig war, sich von ihr damit die Freiheit erzwingen zu lassen, dies verwunderte ihn. Selbst da sie als Sklavin nicht das geringste taugte, ihr Körper war deswegen nicht ohne Wert, mochte es nur für eine besonders originelle Einlage während der Ludi sein. Auf der anderen Seite würde dies auch einen Vorteil bieten. Als Sklavin war sie Teil des flavischen Besitzes. Als Freigelassene würde ihr Dahinscheiden keinerlei finanziellen Verlust bedeuten.


    Dass das dumme Ding Sica offen angriff, dies bestätigte ein weiteres Mal, dass in ihrem Hirn nur mehr kalte Luft zu existieren schien und sie sich nicht im Geringsten dessen bewusst war, wo sie sich befand. Sciurus spürte den Griff des Messers zwischen seinen Fingern und obwohl er sich ansonsten ungern mit dem Aufwand der Leichenentsorgung befasste, in diesem Fall hätte er durchaus eine Ausnahme gemacht und statt eines Toten bereitwillig zwei, oder auch drei entsorgt. Doch Sica entschied anderweitig. Als Sciurus den Blick des Vilicus auf sich ruhen spürte, nickte er mit dem Kopf zu Hannibal hin. "Wenn er lügt, werden sie auch an der Oberfläche nicht mehr sicher sein." Er forcierte den flavischen Sklaven mit seinem Blick, in dem nur Kälte lag. "In diesem Fall solltest du dein Heil weit weg von Rom suchen, mit der Puttana oder ohne sie."

  • Etwas ging in Nadia wieder einmal vor, als wollte sich ein anderes Ich an die Oberfläche kämpfen, aber sie ertrug diese kalten Blicke einfach nicht mehr, diese Worte. Sie erinnerte sich kurz an die Gespräche mit Crassus. War es bei ihnen beiden nicht auch so gewesen, dass sie sich erst total feindlich gegenüberstanden und später war alles anders gewesen. Sie hatte ihn hintergangen und ihr Versprechen gebrochen und war geflohen, aber das war eine andere Sache, aber warum sollte es hier nicht auch irgendwie geschehen, dass sie sich alle miteiander verstanden? Die Frage konnte sie sich auf der Stelle auch gleich alleine beantworten, weil diese beiden Männer in ihren Augen völlig irre waren. Gut sie war geflohen und ihre Glaubwürdigkeit lag in Frage, aber vielleicht würde der Prätorianer darüber hinwegsehen, wenn sie ihm zwei besondere Exemplare ans Messer liefern konnte.


    Nadia hasste die Blicke der beiden, denn sie konnte sie nie vergessen und hier unten wirkten sie noch bedrohlicher als bei Tageslicht. Die Worte waren kälter als Eis und schnitten durch ihre Seele. Sie konnte die Blicke von Sciurus auf sich spüren und blickte dann Sica in die Augen, dabei musste sie ihren Kopf anheben, was irgendwie eine ziemlich demütige Pose war, aber sie konnte an ihrer Größe nichts ändern. Sie hatte fürchterliche Angst, aber da war auch wieder das andere, was sich oft mit ihrer Angst mischte und sie wollte sich von diesen beiden Kerlen einfach nicht mehr unterdrücken lassen. Der Schein der Lampe spiegelte sich in ihren klaren Augen wieder und malte ein paar Schatten auf ihr Gesicht. Gerne hätte sie nun einfach Hannibals Hand genommen, aber sie tat es nicht, wollte diesen Schritt der Schwäche nicht gehen.


    "Ich werde meinen Mund nicht mehr halten!" , sagte sie und die Flamme in ihren Augen schien einen Moment aufzulodern. Eine minimale Drohung lag in ihren Worten, denn sie konnten so einiges bedeuten. "Lass uns einfach gehen, dann bist du uns los, oder....." Sie schluckte ihre Worte wieder hinunter. Drohen brachte sicher nichts weiter als noch mehr Probleme und sie wusste sehr gut, dass sie es immer wieder schaffte sich selber noch größere Probleme zu machen. Aber sie wollte sich keine Angst mehr machen lassen von diesen beiden Sklaven. Genau, auch sie waren nur Sklaven und sie wusste zu wem sie gehen konnte und erzählen konnte was hier unten vor sich ging. Cato würde ihr glauben, er würde ihr alles glauben und es war auch die Wahrheit, doch sie hatte sich diese Drohung noch verkneifen können, auch wenn sie ihr auf der Zunge lag.


    Bestimmt hatte sie wieder alles nur schlimmer gemacht als es schon war. Sie hätte ihren Mund halten sollen, schließlich wollte sie Hannibal nicht schaden und das tat sie doch grade, das sagten die Worte von Sciurus deutlich aus. Sie hielt dem Blick von Sica nicht mehr stand und warf eine eiskalten Blick zu dem anderen Sklaven. In ihrem Leben hatte sie noch nie Menschen so sehr gehasst wie diese beiden. Man musste ihnen doch das Handwerk legen und sie nahm es sich vor mit Cato zu reden, schließlich arbeitet er für die Urbaner, auch wenn sie nicht wusste, dass er schon längst bei dem Vigilen war, aber das tat ja nichts zur Sache. Das Messer hätte sie jetzt gerne in ihren Händen gehalten nur um es einen von beiden in den Bauch zu rammen. Sie dachte nicht daran, dass es eigentlich auch sie jeden Moment treffen konnte, denn sie hatte andere Gedanken und spürte diesen Hass in sich aufsteigen, den sie langsam nicht mehr kontrollieren konnte.

  • Als ob ihn das Ganze nichts angehen würde, sah Hannibal zur Seite. Seine Augen verfolgten ein schmales Rinnsal, was an dem vermoosten Mauerwerk entlang floss. Äußerlich war er völlig ruhig, doch tief in ihm drin stieg eine stete Wut auf. Jedwegige „Loyalität“, die er einmal gegenüber Sica verspürt hatte, da Sica ihm vor einiger Zeit geholfen hatte, war jäh verflogen. Stattdessen drängte sich die Lust zu morden in ihm auf. Und wie oft, wenn es ein ruhiges Verlangen nach dem Blut seines Gegenüber war und das Bedürfnis, dem anderen die Gerechtigkeit, die in seinem Kopf nur bestand, wiederfahren zu lassen, lächelte Hannibal. In seinen Augen glitzerte es, flavisch und völlig von der Mordlust durchdrungen. Langsam sah er wieder zu Sica und lächelte immer noch.


    Hannibal verschränkte die Hände hinter dem Rücken und taxierte erst Sciurus, den er mit herablassendem Spott ansah, und dann ernster Sica. „Natürlich!“ Nadias Einwände und ihre Worte schenkte Hannibal keine Beachtung. Er fand ihren Mut durchaus beeindruckend, aber auch gefährlich für die Situation. Zwar fürchtete Hannibal nicht seinen eigenen Tod, aber Nadia durfte nichts passieren. Das war sein einziges Ziel und Streben hier in der Cloaca. „Dann gehen wir mal...zurück an die Oberfläche!“ Hannibal nickte Decius zu. Der bückte sich angewidert und griff nach einer Hand von dem Toten, um ihm mitzuschleifen. „Gibt es sonst noch etwas?“ fragte Hannibal. Völlig ruhig und ohne sich etwas anmerken zu lassen, dass die Situation sich immer weiter zuspitzte.

  • Die Sklavin schien fest entschlossen, sich in äußerste Gefahr zu begeben. Unter normalen Umständen hätte Sica nicht lange gezögert und ihr Leben für diese Frechheit als Tribut eingefordert. Doch er hatte noch andere Dinge zu tun und wollte sich hier und heute nicht auch noch mit einem wahrscheinlich nicht einverstandenen Hannibal auseinandersetzen. Sie widersprach sich, indem sie ihm gleichzeitig drohte und ebenso vorgab einen friedlichen Ausweg aus dieser Situation zu suchen. Sica interpretierte dies als eindeutige Verzweiflungstat, deren Nutzen sich ihm völlig verschloss. Zu ihrem Glück war er fest davon überzeugt, dass ihr ohnehin niemand Glauben schenken würde, sein Wort hingegen bedeutend schwerer wog. Ein handfestes Alibi würden sich Sica und Sciurus schon bald beschaffen. Sollte sie dennoch versuchen, auch nur irgendwelche Aktivitäten der Unterwelt aufzudecken, so würde er persönlich dafür sorgen, dass vor allem und in erster Linie Hannibal an Sicas und Sciurus' statt mit in diese Verwicklungen hineingezogen werden würde. Ein letztes Mal fixierte er die Sklavin mit regloser Miene.


    Die Logik deiner Worte ist geradezu lächerlich.


    Von diesem Moment an wollte er seine Zeit nicht weiter verschwenden und wandte sich wieder Hannibal zu, den er abschätzig musterte. Weitere Maßnahmen würden auch ihn betreffend noch zu bedenken sein. Jetzt beschränkte er sich darauf, nur dessen gestellte Frage zu beantworten.


    Nein. Verschwindet.


    Demonstrativ beendete er damit das Gespräch, gab Sciurus einen Wink und wandte sich ab, um dem unterirdischen Gang in entgegengesetzte Richtung zu folgen. Es war notwendig geworden noch einige Getreue zu kontaktieren, die den Abzug der von nun an unwillkommenen Gäste der Unterwelt observierten und ebenso sicherstellten, dass mit der Beseitigung jener Leiche kein Schindluder getrieben wurde.

  • Der Blick der Sklavin für Sciurus zauberte diesem den Hauch eines Lächelns auf die Lippen, denn diese Art frostigen und gefühllosen Blick zeigten nur Menschen, die verstanden hatten, worum es tatsächlich ging. Sollte er sich täuschen, und sie immer noch in Unkenntnis der Lage verweilen, so würde sie diese Unkenntnis ohnehin nicht mehr lange genießen können. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und folgte Sica. Es dauerte nur Sekunden, dann verblasste das karge Licht ihrer Lampe und ließ um Hannibal und seine Bande undurchdringliche Dunkelheit zurück, unterbrochen nur vom Glucksen und Gurgeln des Kanals.

  • Stetig tropfte der Regen von den Wänden herunter, das Licht entschwand und ließ die kleine Gesellschaft von Hannibal alleine zurück. Hannibal spürte in seinem Nacken einen einzigen kalten Tropfen, der ihn traf und langsam unter seine Tunika glitt. Er presste seine Lippen fest aufeinander. Was die Parzen wohl damit bezweckt hatten? Doch Hannibal würde sich niemals anmaßen, den Willen der Schicksalsgötter zu erahnen. Er war ja nur ein Werkzeug dieser, so fühlte er sich jedoch immer wieder. Er wandte sich langsam um. „Decius, zünde die Laterne wieder an!“ Es war eigentlich unnötig, dass Hannibal die Worte an Decius richtete. Denn er war schon längst dabei nach seinem Feuereisen zu suchen und mit zitternden Fingern – er hatte eine höllische Angst vor Sica- die Laterne anzumachen. Es dauerte eine Weile ehe das Licht schwach erklomm und in das starre und verzerrte Gesicht der Leiche leuchtete. Decius wandte schnell seinen Blick ab. „Oh, Hannibal, das war zuviel...der Praefectus...ja, gut. Aber eine Leiche anfassen. Ich bin verflucht. Wenn meine Frau das erfährt...!“ Doch Hannibal kümmerte sich nicht darum und trat zu Nadia. Er berührte sie sachte an der Schulter.


    Ein etwas bemühtes Lächeln huschte über Hannibals Gesicht. Er fühlte sich auf eine gewisse Weise ertappt. Wusste doch Nadia nicht, in welchem Kontakt er mit Sica stand und was das alles zu bedeuten hatte. Doch hier und jetzt war keine Zeit zum kleinen Plausch über die Schwierigkeiten und Widrigkeiten des Lebens. So sah er sie nur einen Moment stumm und mit seinen dunklen Augen ernst an. Dann dreht er sich zu seinen Kameraden um, die alle die Leiche mit Abscheu aber auch Faszination begutachteten. Natürlich nicht, weil sie noch nie eine Leiche gesehen hatten. Aber immerhin war das eine Leiche, die Sica da angeschleppt hatte. Und somit wohl etwas „Besonderes“. Hannibal ging auf den Körper zu. „Los, helft mir schon! Der beißt euch nicht mehr!“ Alle Männer zögerten. Doch dann hoben sie mit die Leiche hoch. „Gehen wir!“ befahl Hannibal seinen kleinen „Trupp“. Hannibal sah zu Nadia. "Gehen wir?" fragte er sie leise.

  • Sie lebte! Sie lebte immer noch und sie konnte es einfach nicht fassen, dass es so war. Nadia hatte die letzten Sekunden oder waren es Minuten gar nicht mitbekommen. Ihre Angst hatte ihr Bewustsein einfach ausgeschaltete, zumindest hatte sie das Gefühl, dass es so war und deswegen sah sie auch einen langen Moment einfach nur ins Leere. Die Schritte brachten sie erst wieder zurück und dann auch der Gestank, der ihr wieder beißend in die Nase stieg und ihr klar machte wo sie hier eigentlich war und wie sie selber und die anderen aussahen.
    Das Treiben der anderen bemerkte sie aber dennoch nicht oder sie wollte es nicht merken,. Langsam wurde ihr bewusst, dass sie dem Tode eben mal wieder ziemlich nahe gewesen war und sie aufpassen musste, dass sie ihnen nicht noch einmal begegnen würde. Ein weiteres mal war sicher tödlich.


    "Gehen?" fragte sie Hannibal leise als er neben ihr auftauchte. "Ja gehen wir." Schon wieder war nichts mehr von der mutigen oder tollkühnen oder vielleicht eher lebensmüden Nadia mehr vorhanden. Das Zittern ihrer Hände versuchte sie zu überspielen indem sie diese ineinanderfaltete und vor sich verschränkte, dann nickte sie Hannibal noch einmal zu, dass sie bereit war.

  • Dunkelheit, das schwere Atmen der Männer, die sich noch im Gewölbe befanden, mischte sich mit dem Geräusch des strömenden Regen, der durch die vielen Kanäle und Eingangsdeckel zur Cloaca rauschte. Ein nervöses Rascheln und dann kratzte Stein über Eisen, noch mal und noch mal. Ein Funken leuchtete in der Finsternis auf, schließlich glomm wieder die kleine Laterne in Decius Händen. Voll des Vorwurfs starrte er Hannibal an, schließlich hatte er eine ungereinigte Leiche berühren müssen. Hannibal lächelte noch mal aufmunternd zu Nadia und wandte sich dann zu den Anderen. „Gut, verschwinden wir von hier!“ Missmutig sah Hannibal auf die Leiche, mit Abscheu auf dem Gesicht geschrieben bückte er sich. „Hilf mir mal, Decius!“ „Ich? Nein, einmal reicht, wirklich! Noch einmal berühr ich die Leiche nicht!“ „Fabus?“ Fabus schüttelte den Kopf. Ceprus, einer der stummen Hintergrundfiguren, erbarmte sich schließlich und half Hannibal den toten Körper mit zunehmen. In den ersten Schritten wankte Hannibal unter dem Gewicht, doch dann lief er stetig durch die Kanäle und tiefer unter die Subura. Weiter in Sicherheit und weg von den unsicheren Gefilden nahe des Casa Caecilia.


    Und so findet auch diese kleine Geschichte ein Ende. Unsere Heldin, Nadia, wurde im Laufe der letzten Zeit in große Abenteuer gestürzt, dem Praefectus der Praetorianer ausgeliefert, musste in einer wilden Flucht durch die Casa Caecilia schleichen und hinab in die gruseligen und ekelerregenden Kanäle der großen Cloaca von Rom steigen. Und als Höhepunkt wurde sie mit ihrem schlimmsten Feind, ihrem ärgsten Angstgegner- dem gefährlichen Sica konfrontiert. Doch auch dies überstand sie. Eilt sie jetzt einer besseren Zukunft entgegen oder wird ihr Leben weiter eine Quelle von Gefahren und großen Gefühlen sein? Ihr wollt es wissen, dann folgt weiter, wenn es heißt: "Nadia, Sturm der Gefühle"...oder lest einfach im Lupanar in der Nähe des Venustempels.

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