Roma war eine riesige Stadt. Das Herz des Imperiums, jede Straße war eine Ader die das Herz belebte. Jede Provinz war ein Körperteil, welche ohne das Herz nicht existieren konnte und das Herz brauchte ebenso diese Provinzen. Roma, eine Stadt in der man alles erreichen, aber ebenso gut alles verlieren konnte. Wenn man schon einmal hier war, dann sollte man diese Stadt wenigstens mit einem Spaziergang würdigen...
Lange war es her, dass Tacitus durch diese Straßen geschlendert ist. Viel zu lange. Nur ganz entfernt erinnerte er sich an einige Details, Details, die aber wohl jeder kannte, der einmal in Rom war. Nein, es war kein Beweis, dass er hier lebte, aber wie sollte er hier irgendetwas wiederfinden? Diese Stadt veränderte sich täglich ein bisschen und wöchentlich ein ganzes Stück. Wie sollte er sich denn nach Monaten, ach was, Jahren wieder zurecht finden? Das schien einfach unmöglich zu sein. Was er kannte, waren die zeitlosen Dinge. Große Bauwerke, die schon ewig standen, die nicht einfach so ihren Standort änderten. Das war seine einzige Orientierungsmöglichkeit. Schon der Weg zur Casa Artoria war eine kleine Odyssee...
“Hach Roma ... ich muss zugeben: Ein klein wenig habe ich dich schon vermisst. Aber obwohl du dich sehr verändert hast, hast du dich doch gut gehalten.“ Ja, jetzt, nach dieser großen Zeitspanne schien im die Idee, aus Roma vorzuziehen einfach nur dämlich vor. Was hatte er sich damals gedacht? Man konnte Mantua gar nicht mit Rom vergleichen. Zugegeben, Mantua war auch eine wundervolle Stadt, aber die Art, wie Tacitus dort lebte war ein Zustand. Ja, 'leben' konnte man das gar nicht mehr nennen, es war mehr ein 'hausen'. Ein verdammt armseliges Hausen. Jeden Monat musste man hadern, dass das Geld reichte. Vorher musste man auch auf sein Geld achten, aber, es war wesentlich angenehmer. Der Artorier dachte eine ganze zeit lang, dass bessere Zeiten folgen mussten, so wie der Tag der Nacht folgt, aber für ihn war eine anhaltende Dunkelheit. Vielleicht war jetzt der passende Augenblick gekommen, den Sonnenaufgang zu genießen?
Jaja, unser Tacitus. Versunken in Selbstmitleid und voller Reue über sein überstürztes Handeln vor einigen Jahren. Niemand – nicht einmal er selbst – konnte diese Entscheidung nachvollziehen und er hoffte, dass sein bisheriges Leben hier einen Schlussstrich hatte. Einen neuen Anfang wollte er, einen Teil seiner Vergangenheit hinter sich lassen und ironischerweise wollte er das aber wieder in Mantua stattfinden lassen ... nachdem er eine kurze Weile in Rom verbracht hätte. Aber man würde sehen, was die Zukunft noch bringen würde...
“Mal schauen, wie viele Sesterze ich überhaupt noch dabei habe ...“ murmelte er und griff nach seinem Lederbeutel, der an einem braunen und stabilen Gürtel um seine Tunika hing. Ein uralter Lederbeutel, noch aus seiner Kinderzeit. Er hatte ihn mit viel Müh und Not selbst gemacht. Das Leder richtig behandelt und das Bändchen eingefädelt. Natürlich war das für ihn jetzt kein Problem, aber als kleines Kind, wie er es da war, wurde das zu einer richtigen Herausforderung. In dem Moment, wo Tacitus den Lederbeutel in seiner Hand öffnete, um nach dem Inhalt zu schauen, war ein kleiner und harmloser Aufruhr auf der anderen Straßenseite ausgebrochen, welchen den Artorier leicht zusammenschrecken ließ und darüberhinaus auch den Beutel aus seiner Hand gleiten ließ. Mit einem eleganten Bogen purzelte das braune Etwas auf das Kopfsteinpflaster und der klimpernde Inhalt verteilte sich auf einer nicht gerade kleinen Fläche.
“Ach, so ein Dreck verdammt!“ murrte er, als sein Missgeschick bemerkte und ging dann in die Hocke, um seine teuer verdienten Münzen wieder aufzulesen.
Vielleicht mag ja einer helfen, oder einige Geldstücke mitgehen lassen ...