[Mons Palatinus] Templum Victoriae

  • Noch früher als früh verließ ich am heutigen Morgen die Villa Flavia, um den Vorbereitungen beizuwohnen, die sich dem Tag der heiligen Victoria widmeten. Sie war die Göttin des Sieges und da man jenen nicht zu Mittag errang, sondern günstigerweise das Morgengrauen nutzte, stand ich auch mit dem ersten Morgenrot auf dem Palatin unweit des Mater Magna vor den Stufen des Heiligtums.


    Nur wenige Diener und Priester waren bereits vor Ort, der Initiator fehlte ebenfalls noch. So ließ ich meinen Mantel auf einem Mamorgeländer zurück und begab mich hinein, um Blumengränze und Palmenzweige zu holen. Einen Teil der Ausschmückung wollte ich vornehmen, um Victoria Virgo mein Angesicht zu zeigen.

  • Die Arbeiten gingen gut voran. Das Ziel war auf einen morgentlichen Ritualakt gesetzt und so wie die Dinge jetzt standen, war es durchaus möglich, das wir jenen Zeitpunkt einhalten konnten.


    Während man vom Markt Körbe mit Äpfeln, Trauben, Orangen, Pfirsischen und Birnen brachte, stellten auch einige der wohlhabenden Bürger Opfergaben zurecht. Ihre Zugaben enthielten zum Beispiel Oliven, Feigen, Austern, Zander, Forellen, Sardellen, kleinere Opfertiere und auch Opferkuchen, Kekse und Gebäck.


    Ich war damit beschäftigt zwei Sklaven anzuweisen, wie man eine Girlande aufzieht, als ein weiterer Wagen den Platz befuhr und somit unsere Tätigkeit einer Pause auferlegte. Jene Männer spendeten Flüssiggut und wir eilten uns nach ihrem Eintreffen die Blumenpracht nach oben zu ziehen und sie mit Bändern zu befestigen.


    Meine Anweisungen schienen die Richtigen gewesen zu sein, denn schon bald flatterten die Kränze und Blüten, die Palmenblätter und Reben im Wind.


    Soweit war alles vorbereitet... und wer fehlte noch?

  • Wenn es an seiner Arbeit etwas gibt, das Vic fast so gut leiden kann wie den ganzen Schriftkram, dann sind das Feiertage, die schon mitten in der Nacht beginnen. Manche davon verschiebt er für sich ganz einfach auf die Mittagstunden. Opfer ist schließlich Opfer und wenn ganz Rom schon früh am Morgen seine Pflicht tut, dann wird es schon nicht auffallen, wenn Vic die seine etwas verspätet antritt. Beim Tag der Victoria ist das allerdings nicht so einfach. Immerhin hat diese dafür gesorgt, dass sein Vater seinen Namen bekommen hat, den Victor schließlich von ihm geerbt hat. Wenn man also nicht sein Leben lang mit dem Namen Nonus oder Decimus rumlaufen muss, dann ist es das schon wert, sich mitten in der Nacht aus dem Bett zu quälen. Immerhin muss sich Vic nichtmal um die Toga kümmern, Saeva ist dabei auch in der Dämmerung recht geschickt, und die kühle morgendliche Luft, die ihm beim Verlassen der Casa entgegen schlägt sorgt dafür, dass Vic nach einiger Zeit wach ist. Auf dem Weg zum Palatin kauft er noch ein paar besonders gute Opferkekse.


    Zufrieden begutachtet er auf dem Hügel die fast abgeschlossenen Vorbereitungen. An Gaben für Victoria mangelt es nicht, wohl aber an ein paar Teilnehmern. Natürlich ist das nicht verwunderlich, viele Bürger Roms schaffen es nichteinmal am Nachmittag zum Opfer, was soll man da schon am Morgen erwarten? Vic nickt den anwesenden Sacerdotes zu, grüßt den ein oder anderen mit einem "Salve." und legt seine Opferkekse zu den Gaben dazu.

  • Gerade erst hatte der Tag die Welt aus den Händen der Nacht entrissen, ein nebliger Dunst lag noch über der schlafenden Wölfin, hüllte sie in ein dumpfes Tuch und ließ nur widerwillig die langsam aufkommende Hektik ihrer Bewohner gewähren. Längst hatten am Tempel der Victoria die Vorbereitungen begonnen für den Festtag der siegbringenden Göttin, doch noch war die offizielle Feier fern, noch gehörten das templum den wenigen bedächtigen Bürgern Roms, welche schon zu solch früher Stunde ihre privaten Gaben der Göttin ließen angedeihen. Zu Fuß war Gracchus den palatinischen Hügel empor gekommen, hielt ein vor dem aedes und wandte den Blick der zaghaft emporsteigenden Sonne zu. Groß und rund schimmerte das zarte Orange durch den Schleier aus Nebel, strafte der Gebäude Dimensionen Lügen, welche sich vor ihr erhoben, und verwischte ihre zweidimensionalen Konturen zu schattenhaften Silhouetten. Geleitet von den Sklaven samt seinen Opfergaben stieg Gracchus die Stufen zum Tempel empor, zog eine Falte der Toga über seinen Kopf und betrat, nachdem er seine Hände am Eingang hatte gereinigt, das Innere des Heiligtums. Wahrhaftig und endlos blickte die Beflügelte erhaben von ihrem Thron, strahlender noch an diesem ihrem Tage, der bronzene Kranz aus Loorbeer mit lederartigen Blättern umrankt, der starre Palmzweig von grünfarbenen Zweigen umbunden, die Flügel überzogen von weißfarben schimmernden Schwanenfedern. Augenblicklich löste sich die Räucherung aus Gracchus' Händen auf den glühenden Kohlen in dunstigen Nebel auf, umspielte die nackten Füße der Göttlichen, umschmeichelte die Falten ihres Gewandes und ließ den Ahnungslosen Stofflichkeit erahnen.
    "Dir, Victoria aeterna, wie es Dir zusteht, siegreiche Göttin, an diesem Deinen Tage, meine bescheidene Gabe als Teil einer viel größeren Bitte."
    Ein wenig Wein goss er zu ihren Füßen, ein Kranz aus Blumen schmückte neben anderen den Sockel um sie herum, sodann wandte sich Gracchus dem fleischlichen Opfer zu, das in seiner Gänze zu geben war. Zurück vor dem Tempelgebäude hielt er inne, nahm umsichtig einen weißfarbenen Vogel aus einem Käfig heraus, während einer der Sklave Wein in einen Becher goss. Es war ein edles Tier, schimmernd sein Gefieder, als hätte ein Regenbogen sich darin verfangen, in zartem Rosé und makellos der Schnabel und die kleinen Klauenfüße, das matte Blauschwarz der Pupillen perlmuttfarben umrandet, mit Stammbaum gar und vom angesehensten Züchter dieser Zeit, wertvoll, dass eine einfache Familie wochenlang sich hätte davon ernähren können - nicht von seinem Fleisch, doch von seinem Preis. Behutsam hielt Gracchus die Taube in seiner Hand, tunkte den Daumen der anderen in den Becher und strich sodann einige Tropfen des Weines über den kleinen Kopf - einzig ein sanftes Gurren aus des Tieres Kehle fehlte zur Perfektion des Augenblickes.
    "Dir, Victoria aeterna, wie es Dir geziemt, siegreiche Göttin, an diesem Deinen Tage, meine bescheidene Gabe als Teil der viel größeren Bitte unseres Volkes. Führe siegreich das Schwert unseres Imperators, führe Siegreich unsere Legionen aus dem Kampfe nach Hause und vergiss ... vergiss auch die Meinen nicht in Deiner Gunst."
    Langsam hob Gracchus seine Hand empor, öffnete sie hernach und entließ das Geschöpf der Göttin in deren Gefilde hinaus. Als wäre sie erst in diesem Augenblicke erwacht, sich ihres Daseins bewusst geworden, streckte die Taube ihre Flügel, schlug ein, zwei Male, bevor sie sich in die Luft erhob, majestätisch die Welt unter sich lassend. Verzaubert, entzückt schickte ob dessen Gracchus seine Blicke ihr nach, mit jedem Flügelschlag schien der Fluss der Zeit sich zu verlangsamen als das schimmernde Tier im Licht der Sonne sich verlor, welche den Nebel in faserigen Fetzen zerteilte, bis dass es letztlich fern im Osten aus seiner Sicht verschwand, fern dort, wo die Schlachtreihen des römischen Imperium sich formierten, wo Schlag um Schlag die parthischen Feinde fielen und die römische Macht wieder einmal über ihre Feinde triumphierte - so hoffte Gracchus indes, als er sich nach dem Opfer wieder aufmachte, den Palatin zu verlassen.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

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