Architectus Urbi besucht das Praetorium

Ein orientalischer anmutender Mann, seines Zeichen grammateas, also ein Mitglied der Schreibstube hier in den praetoria, tritt auf den fremden Besucher zu. Sein Erscheinen steigert die Atmosspähre in diesem Raum und verzaubert diesen Ort so nahe bei Rom in einem zauberhaften Vorposten der orientalischen Welt.

"Shalom, edler Herr, womit kann ich euch behilflich sein ?"

Der spitzbärtige Mann rollte mit den Augen. Ganz merkwürdig sah das aus.

"Ohne Frage seid Ihr hier richig, wenn Ihr den amtlichen Bezirksverwalter seiner Majestät, Ioshua Hraluch, sucht, doch sagt mir, was ist Euer Begehr, dann kann ich den Bezirksverwalter davon unterrichten, wenn er Euch empfängt."

Schlagartig öffnete der Tylusier die Augen, als hätte irgendwas seine Aufmerksamkeit geweckt.

"Ein architect ? Und Ihr bewerbt euch um die Ausschreibung zum Bau eines Gymnasions ? Ich weiß davon bescheid, denn zufälligerweise war ich es, der das Plakat eigenhändig veröffentlichte.

Ihr könnt eure Pläne und Referenzen mir übergeben. Sobald eine Entscheidung gefällt wurde, bekommt Ihr eine Mitteilung."

Ein wenig dumm schaut der grammateas schon aus der Wäsche, als der architect sich ihm widersetzt und auf eine Audienz besteht. Er ist nicht gewohnt, daß die Leute ihm widersprechen, sondern seinen Anweisungen folge leisten, die ja in aller Regel von oben kommen.

Kurz irritierend spricht er weiter "Moment, ich werde nachsehen, ob er Zeit hat." und damit verschwand der Schreiber den langen Säulengang bis er irgendwann um die Ecke bog und aus dem Blickfeld des architectus verschwand.

...

Nach einer Weile, nach der man sich fragen konnte, ob er überhaupt wiederkam, tauchte der Schreiber auch wieder auf.

"Der Bezirksverwalter ist bereit, Euch zu empfangen, bitte folgt mir !"

Ioshua saß an seinem überdimensionierten Schreibtisch. Er hatte eine Schwäche für Prunk und wollte auch in Ostia nicht auf ihn verzichten.
Er spitzte gerade ein paar Federn, während er dabei fröhlich ein Liedchen pfiff, als der grammateas mit dem Architectus Urbi das officium betrat.

Als der Besucher das officium betrat und den Besucher erkannte, erhob er sich, um ihn zu begrüßen.

"Shalom, alter "Freund" !"

Der Schreiber machte sich darauf stillschweigend von dannen.

Ioshua hatte den Kahlköpfigen natürlich auch längst erkannt.

"Die Götter gehen für uns Sterbliche schon zuweilen seltsame Wege und sind nicht selten zu Scherzen aufgelegt."

Auch wenn Ioshua sich fragte, was für einen kranken Humor dieses überirdischen Wesen haben mußten.

"Du kommst also aufgrund der Ausschreibung für den Bau eines Gymnasions ? So nenne mir Deine Referenzen, architecte ?"

Er hatte nicht vor, Abstriche zu machen, nur weil er der architectus urbi war. Er würde sich bewerben müssen wie jeder andere auch.

"Deine Anteilnahme rührt mich." sprach Ioshua nicht ohne einen Funken Ironie.

"Wir haben in Tylus ganz gute Methoden, um einen Fachmann von einem faulen Ei zu unterschieden. Was kannst Du mir also demonstrieren, daß Dich als Fachmann ausweist ?"

Abwartend sieht Ioshua den Architectus an.

Ioshua nickte.

"So denn, was hast Du mir mitgebracht ?"

Ioshua kramte eine Wachstafel von seinem Tisch hervor und legte sie dem architectus vor.

"Die Fläche weißt eine Größe von einem iogerum auf (2500 qm) und ist in ihrer vollen Größe nutzbar. Es besteht ein Wasseranschluß via Aquaedukt.

Nun, uns kommt es darauf an, daß der architectus uns überzeugt. Präsentiere uns, etwas, was Dir vorschwebt."

Nun mußte Ioshua lachen.

"Hoho, Du scheinst Ikarus persönlich zu sein, daß Du mal eben einen Entwurf zu zeichnen in der Lage bist. Bitte, tu Dir keinen Zwang an. Ich werde genüßlich abwarten bis Du wiederkommst und mir vorträgst, was Du vorzutragen im stande bist."

Dann ließ er nach einem grammateas schicken, der dem Architectus Urbi ein ruhiges Kämmerlein zuweisen sollte. Ein Glück hatte die tylusische Botschaft ausreichend cubicularia für Gäste, Staatsbesucher und sonstige Besucher.