Zum nächstbesten Termin kam der Quaestor Consulum zur Rostra. Erneut trug er seine strahlendweiße Toga Candida, das laue Lüftchen brachte die sorgfältig gelegten Falten ein wenig in Bewegung, doch saß das Kleidungsstück trotzdem sicher. Durus stieg die Stufen hinauf und blickte hinab. Eine große Gruppe von Klienten und Freunden stand unten in der ersten Reihe - bereit, rechtzeitig Beifall zu spenden oder etwaige Probleme zu lösen. So erhob er seine sorgfältig geübte Stimme:
"Quirites!"
Es dauerte einige Zeit, bis es still wurde und ein paar Bürger herantraten, um dem Quaestor zuzuhören.
"Wieder wende ich mich an Euch! Wieder bitte ich Euch um Eure Stimme! Und wieder wird sich Euch die Frage stellen, warum ihr die tun solltet. Doch ich habe wieder eine – wenn nicht mehrere – Antworten auf diese Frage zu bieten:
Dafür muss ich Euch jedoch nicht erneut mit meiner Lebensgeschichte langweilen, trotzdem will ich einen kurzen Überblick über meine bisherigen Aufgaben und Erfahrungen geben, da wohl einige von Euch meine letzte Rede nicht gehört haben:
Ich, Manius Tiberius Durus, gewählter Quaestor des Cursus Honorum, gehöre zur ehrenwerten Gens Tiberia, die zahlreiche Politiker hervorbrachte und -bringt. Ich stamme aus Alexandria in Aegyptus, kam hier her und arbeitete als Magistratus im Municipium Misenum, sowie als Advocatus Imperialis hier in Rom am Kaiserhof.
In der letzten Amtszeit wähltet ihr mich dann zum Quaestor Consulum und als solcher habe ich meine Arbeit gewissenhaft erfüllt – dies soll jedoch nicht Gegenstand dieser Rede sein, in diesem Punkt will ich auf meine Res Gestae verweisen, die ich nach Ablauf der Amtszeit ebenfalls hier vortragen werde.
Kommen wir also zum eigentlichen Gegenstand meiner Rede: Warum solltet Ihr mich zum Aedilis Curulis wählen?
Um diese Frage zu beantworten, habe ich den Codex Universalis mitgebracht, wo die Aufgaben des Aedils zusammengefasst sind. Diese werde ich jetzt abarbeiten und Euch so meine Qualifikationen für das Amt darlegen:"
Durus ließ sich eine Buchrolle heraufreichen, die er zielsicher an der Stelle öffnete, wo die Ämter des Cursus Honorum beschrieben wurden. Dann begann er, vorzulesen:
"§ 54,3: Ihre – also die der Ädilen - ursprüngliche Aufgabe lag in der Unterstützung der Volkstribunen bei deren Arbeit. Aus diesem Grund genießen sie ebenfalls gerichtliche Immunität. Dies führte weiters dazu, dass man ihnen die Leitung des Polizeidienstes übertragen hat.
Bei dieser Aufgabe kommt mir zugute, dass ich – wie bereits erwähnt – als Advocatus Imperialis tätig war und auch dort eng mit den Cohortes Urbanae und den Prätorianern zusammengearbeitet habe. Somit verfüge ich über Erfahrung mit den polizeilichen Aufgaben und ihren Behörden.
Der gleiche Paragraph, Absatz 4: Ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit ist die Verwaltung und Aufsicht über die Tempel und Spiele.
Hier hingegen kommt die vorherige Beschäftigung – die Magistratur in Misenum – zugute: Ich war für den Bau der Villen in der Stadt verantwortlich und habe somit ebenfalls Erfahrung mit die Überwachung von eventuell nötigen Restaurationen oder sonstige bautechnischen Veränderungen.
Diese Erfahrung kommt ebenfalls bei der nächsten Aufgabe des Ädils zum Tragen:
Absatz 6: Ihr Aufgabengebiet umfasst die Cura Urbis mit der Aufsicht über Instandhaltung und Sicherheit in der Stadt und deren Verkehr. Dazu zählt auch die Einhaltung der Marktordnung, die Kontrolle der Bäder, Bordelle, Garküchen und der öffentlichen Brunnen.
Neben dem Cursus Architecturae, der mir eine gewisse Überwachung der Bauspezialisten ermöglicht, hatte ich in Misenum auch die Marktaufsicht inne – entwarf sogar selbst eine bis heute gültige Marktordnung für das Municipium.
7.: Der zweite Bereich ist die Cura Annonae, der die Aufsicht über Speicher und Magazine, die Kontrolle der Getreide- und Ölzufuhr sowie die Organisation der Getreideverteilung umfasst.
Bei diesem Punkt helfen mir wohl vor allem meine Erfahrungen, die ich durch den Besitz meines Landgutes in Misenum gewonnen habe. Dies wird mir erlauben, die Qualität und den Preis des eingekauften Getreides richtig einschätzen zu können und somit die Belastung des Aerariums möglichst gering zu halten.
8.: Als letzte Verantwortung obliegt ihnen mit der Cura Ludorum noch die Organisation der öffentlichen Spiele.
Auch hier habe ich Großes geplant: So würde ich gern die Ludi Plebii im November abhalten, um Euch Abwechslung vom harten Arbeitsalltag zu bieten. So habe ich geplant, wieder einmal die Naumachia Augusti zu verwenden.
Rom war immer eine Landmacht, doch auch auf dem Wasser gibt es interessante Kampfsituationen, die eine lohnende Alternative zu den gewohnten Landkämpfen bieten.
Schließlich komme ich zur letzten gesetzlich geforderten Aufgabe:
Im Sinne des Amtsverständnisses üben sie in ihren Verwaltungsbereichen auch die Rechtsprechung aus. Somit entwickelt sich aus ihren Edikten ein allgemein anerkanntes Handelsrecht.
Dass meine bereits erwähnte Erfahrung als Advocatus Imperialis mir in diesem juristischen Bereich gute Dienste leisten wird, muss ich wohl nicht näher erläutern.
Natürlich umfasst meine Erfahrung nicht alle Bereiche ädilischer Tätigkeiten, jedoch glaube ich, dass sie mir die Ausübung dieses Amts erleichtern würden.
Aus all diesen Gründen möchte ich Euch bitten, mir Eure Stimme zu schenken. Für Sicherheit und zur Freude der ewigen Stadt!
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit - wenn es noch Fragen gibt, dürft Ihr diese gern stellen!"
Durus räusperte sich leise - diese lange Rede beanspruchte seine Stimme schon ein wenig. Trotzdem blieb er eisern stehen und ließ sich keinen Wein reichen, ehe die Fragen gestellt worden waren - soweit es welche gab!