Die Prozession
Trotz des Feiertags liegt an den Iden des Novembers ein grauer Himmel über Rom. Im Westen zeigen sich sogar einige dunkle Wolken, die sich langsam auf die Stadt zuschieben. Nicht gerade die besten Vorzeichen für das Epulum Iovis, doch vielleicht wird Iuppiter während des Ritus noch milde gestimmt und lässt das Wetter noch umschlagen, oder verhindert zumindest, dass es noch anfangen würde zu Regnen.
Die dem Opfer vorangehende Prozession lässt zumindest einiges erwarten. Die Blüten, welche zu diesem Anlass auf der Straße verstreut werden, wurden eigens aus den südlichen Provinzen importiert, so dass der Weg trotz der Jahreszeit bald mit bunten Blättern gesäumt ist. Junge Ministri tragen stolz die kleinen Schalen, in denen sie duftende Räucherungen verbrennen. Obwohl die aufsteigenden Rauchsäulen durch den leichten Wind schnell in Fetzen zerrissen und bald in den Himmel über die Menschenmenge getragen werden, hängt um die gesamten Prozession herum der Geruch nach Lorbeer, Kassia und Bisameibisch. Hinter den Kindern, die die Blüten aus ihren Körben auf den Weg streuen, folgen die Musikanten. Der Klang ihrer Hörner und Flöten und das eintönige Scheppern der bronzenen Rasseln kündigen das Nahen der Götter an.
Gesäumt von Iuno und Minerva liegt Iuppiter, der mächtigste der Götter, auf seiner Sänfte und blickt mit seinem blutrot gefärbten Gesicht auf die Menschen hinab, die an der Straße stehen und laute Triumph-Rufe erschallen lassen. Für diesen Anlass waren die Götterstatuen gereinigt und gesalbt und dann in ihre prächtigsten Gewänder gekleidet worden. Nach den Göttern folgen deren Diener. Die Epulonen, deren Existenz allein auf diesen Feiertag und den gleichartigen im September zurückzuführen ist, schreiten caput velatum, mit einem Zifpel der Toga über ihrem Kopf, und sind in Gedanken längst bei dem kommenden Opfer oder Göttermahl, manche auch schon am Abend, dann wenn für sie selbst das Mahl folgen würde. In Gedanken an anderem Ort sind sicherlich auch die Opfertiere, ein Ochse und zwei Kühe, die nach den Septemviri epulonum in der Prozession mitgeführt werden. Alle drei sind strahlend weiß gekalkt, ihre Hörner leuchten in mattem Gold, um ihre Köpfe sind die rot-weißen infulae mit den vittae daran gelegt und auf den breiten Rücken liegen die wollenen dorsulae. Es sind große, massige Tiere, die mit einigen anderen seit mehreren Monaten auf diesen Tag vorbereitet und dementsprechend gemästet worden sind, und die nun das große Los gezogen haben, tatsächlich am heutigen Tag für die Götter geopfert zu werden. Nach den Opfertieren folgen noch einmal Musikanten und danach die Bürger Roms, wie bei allen Prozessionen in der Reihenfolge ihres Standes.