Vestibulum / Eingangsbereich

  • Zu ziemlich später Stunde erreichte auch ein Reisewagen aus Roma den Landsitz der Gens Claudia und hielt direkt vor dem Eingang. Das heutige Bankett war bereits in vollem Gange, als Claudius Marcellus diesem Wagen entstieg und sich auf den Weg in das Haus machte. Die Familie hatte sich wirklich sehr viel Mühe gegeben dieses Fest zu veranstalten und auch wenn es alles andere, als in seinen Terminkalender passte, wollte Marcellus dieses Event keinesfalls verpassen. Er gab den Sklaven Anweisungen sein Gepäck in sein Zimmer zu bringen und begab sich selbst dann auf den schnellsten Wege zum Bankett.

  • Die Sonne strich sanft über den bergigen Horizont, färbte den Himmel in orangerote Lichterflecken und leuchtete in einem purpurnem Spiel die Wolkenfetzen am Himmel an, die von dem lauen Wind, der den Duft des Frühlings in sich trug, in Richtung der Berge im Norden getrieben wurden. Abermals ritt Marcus, dieses Mal ohne seinen Sklaven Hannibal, den Weg in Richtung der villa Claudia. Dumpf schlugen die Hufen bei jedem Schritt auf den Pflastersteinen, der Wind zerrte an seiner dunkelroten paenula, die er an dem Abend, statt der unbequemen toga trug. Mit den Gedanken völlig woanders ließ Marcus die Zügel durchhängen und sein dunkelbraunes Pferd streckte bei jedem Schritt den Kopf weit nach vorne, lief, frei der Nase nach, an den Strassen Mantuas vorbei. Erst als er an einem schwarzen und kahlen Baumhain vorbei ritt, einige Raben krächzend sich aus den toten Ästen in den Himmel erhoben, bemerkte Marcus, daß er den falschen Weg genommen hatte.


    Mit einem leisen Seufzen lenkte er sein Pferd wieder zurück und fand schließlich doch noch den rechten Weg zur villa. Dort angekommen stieg er von dem Ross hinab, lockerte den Sattel und band das Tier an einem hölzernen Pfahl fest, ehe er seine paenula über seiner hellen tunica glatt strich, den Weg- an einigen kleinen Büschen und mit Knospen versehenen Sträuchern vorbei- entlang ging, am Rande einige Frühlingsblumen bemerkte, auf den Eingang des villa Claudia zutrat und selber seine Hand hob, um zu klopfen. Ruhig wartete Marcus, sah über die Bäume hinweg auf das Abendrot, beobachtete einige hochfliegende Schwalben, die wohl schon aus dem Süden zurück gekehrt waren und wandte sich abermals der Tür zu als er den Laut des Öffnens- ein marginales Scharren- vernahm.


    “Salve, mein Name ist Marcus Flavius Aristides. Der Hausherr erwartet mich.“

  • Samira war vom Hausherren aufgetragen worden, auf einen besonderen Gast zu warten und ihn einzulassen. Ein Flavier war es, und ein Soldat. Und es war wichtig, das hatte sie sich gemerkt. Letztens schien der ganze Haushalt Kopf zu stehen. Man rief sie nächtens in das Zimmer der Herrin, damit sie deren ehemaligem Bruder die Toga richten konnte, doch anschließend konnte sie nicht schnell genug wieder verschwinden. Es wurde ein Bankett zur Sichtung potentieller Ehemänner für die Herrin Epicharis abgehalten, und nun wurde der Flavier, der auch schon auf dem Bankett anwesend gewesen war, allein erwartet. In ihre Gedanken hinein klopfte es vernehmlich, und die zierliche Sklavin beeilte sich, noch schnell den Sitz ihrer Kleidung zu überprüfen und dann die Tür zu öffnen. Sie scharrte wieder, und Samira würde später jemandem Bescheid sagen, dass sie neu justiert werden musste. Das Wetter hier im Norden Italiens beeinflusste das alte Holz.


    "Willkommen, Herr. In der Tat wirst du bereits erwartet. Wenn ich dir erst den Umhang abnehmen darf?"


    Sie ließ ihn eintreten und half ihm beim Ablegen der Kleidung, anschließend bedeutete sie ihm, ihr zu folgen.


    "Der Herr wartet im Triclinium."

  • Der Wind zerrte an den Büschen neben dem Eingang, ließ die vergilbten Grashalme am Rande erzittern und fuhr doch bedeutend kühler über Marcus Rücken. Da er nicht eine toga trug, sondern das dafür ersetzende Gewand, die paenula, war er nicht unfroh schnell in die villa eingelassen zu werden. Mit einem marginalen Nicken reichte Marcus die lacerna, die er nur über dem Arm trug- der Tag war wahrlich schön genug gewesen- an die Sklavin weiter. Schemenhaft erinnerte er sich an die junge Frau, Marcus befand, daß es eine vortreffliche Wahl war, mal eine hübsche- wenn auch für ihn nicht sonderlich anziehende- junge Frau als ianitor einzuteilen. Die hässlichen Kerle, die zwar wirksam Bettler abweisen konnte, waren doch nichts für das Auge eines Ästheten.


    „Ich danke Dir!“


    Einem männlichen Sklaven gegenüber hätte Marcus wohl niemals solche Worte in den Mund genommen, aber bei den weiblichen Unfreien passierte es ihm immer wieder. Derart angenehm empfangen zu werden, trat Marcus tiefer in die villa hinein und folgte ihr zum triclinum.


  • Sharif öffnete die Tür und betrachtete den Mann, der davor stand, eingehend. Er sah nicht aus wie ein Bettler und konnte gut ein Bittsteller sein. Da hatte er Glück, dass er so gut gekleidet war, sonst hätte Sharif ihn davongesagt. So aber ließ sich der Ianitor nach einer mehr als eingehenden Musterung dazu herab, den Mann zu fragen: "Wer bist du und was willst du?"


  • Sharif schaute noch einmal genauer hin. Das war ein Magistrat? Na sowas. Aber er war ein Annaeer, und die Annaeer waren eine befreundete Familie. Etwas machte klick im Kopf des Ianitors. Freunde sollten höflich und freundlich behandelt werden, also trat er einen Schritt zurück und öffnete die Tür etwas weiter. Dennoch hatte er eher schlechte Nachrichten für den Besucher.


    "Ich würde dich gern melden, Herr, doch der Hausherr weilt gegenwärtig in Roma. Er ist Sodalis der Curia Italia und wurde dort zu einer Dringlichkeitssitzung gerufen. Es steht mir nicht zu, Herr, aber es verwundert mich doch, dass du nicht ebenfalls zugegen bist. Soll ich ihm etwas ausrichten?" fragte Sharif und senkte ausnahmsweise einmal demütig den Kopf.

  • Gerade als er gehen wollte fiel ihm die Einladung ein.


    "Ich habe die Einladung noch vergessen."


    Dann gab Modestus dem Sklaven die Einladung und ging diesmal wirklich.


    Sehr geehrte Familie Claudia,


    Die Stadt Mantua zelebriert am


    ANTE DIEM XVIII KAL MAI DCCCLVII A.U.C.
    (14.4.2007/104 n.Chr.)


    die Eröffnung des neuen Amphitheaters, mit einem großen Fest.


    Zu diesem Spektakel seit ihr herzlichst eingeladen.


    Selbstverständlich werden euch exzellente Plätze reserviert.


    Wir hoffen auf eure Anwesenheit und
    wünschen euch noch einen schönen Tag.


    gez. Kaeso Annaeus Modestus


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