Zwei Flavier und die Märkte

  • Es kostete Gracchus alle Mühe, seine Wut zurückzuhalten. Er biss die Zähne zusammen, bis er sich sicher war, dass er nicht zu laut werden würde. So wenig es auch gab, was Gracchus ausgeglichenes Gemüt erhitzen konnte, die Vergangenheit der Familie gehörte augenscheinlich dazu, und der Tonfall, mit welchem seine Schwester sprach, verbesserte die Sachlage nicht unbedingt.
    "In der Tat, sie tat was sie wollte. Folgte den Ideen dieser unsinnigen Sekte und besiegelte das Verderben unseres Bruders. Sie hat Anmius' Geist mit diesen perfiden Ideen vergiftet. Sie war es, welche die Schande über unsere Familie gebracht hat, bei den Göttern, es war nur gut von ihr, dass sie sich selbst dafür strafte und ihrem Leben ein ehrenvolles Ende setzte, statt weiteres Unheil in die Welt zu setzen."
    Der Ansatz eines trockenen, humorlosen Lachens entkam Gracchus' Kehle.
    "Wusstest du, dass der Gott der Christen Selbstmörder nicht in sein Elysium aufnimmt? Dass er sie in den tiefsten Hades verbannen lässt? Ist das nicht amüsant? Was glaubst du, wo der Geist unserer Mutter abgeblieben ist? Ein jeder dorthin, wo er sich wünscht? Dann schmort sie in den Flammen eines grausamen Reiches, und ich sage dir, Minervina, es ist nur gerecht, dass sie an diesem Irrglauben noch im Leben nach dem Leben verzweifeln muss! Hätte sie unseren Bruder nicht mit diesen wahnwitzigen Ideen angesteckt, wäre Anmius zur Legion gegangen, wie es sein Pflicht gewesen war, und anstatt dass sein Körper irgendwo im Sand verrottet ist, hätte er heute einen Sitz im Senat, vielleicht das Kommando über eine Legion. Nicht, wie es einem Patrizier würdig wäre, sondern einem Flavius. Anstatt dich über deine Herkunft zu beklagen, solltest du stolz auf sie sein, Minervina, und dich deinen Pflichten widmen, wie es von dir erwartet wird."
    Noch im gleichen Augenblick, als er die Worte sprach, bedauerte er sie nicht nur, sondern schämte sich gleichsam vor sich selbst. Manches mal schien es ihm, als hafte ihr Name an ihnen allen wie ein Fluch, und dann überkam ihn der Gedanke, dass sie alle daran zugrunde gehen würden, wie Animus. Doch eher würde er sich selbst in die verhasste Rolle drängen, als zuzulassen, dass seine Schwester die falschen Bahnen beschritt. In einer harschen Bewegung drehte er sich von Minervina weg, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen.
    "Lass uns nach Hause gehen."

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  • Minervinas Augen wurden schon ein wenig wässrig und glänzend... einerseits aus Zorn und andererseits aus Traurigkeit. Ihr Bruder schien ihre Mutter ja richtig zu verachten...


    Du scheinst garnichts zu verstehten Gracchus. Unsere Mutter lebte für Rom, unsere Mutter lebte für unseren Vater und unsere Mutter war offen allen Religionen gegenüber, unsere Mutter war mit dem Christentum aufgewachsen und ja, wahrscheinlich lebt sie heute in einer Zwischenwelt und büßt für immer und ewig, aber frage dich warum sie das getan hat. Warum sie ihr Leben geopfert hat und warum sie unseren Vater und uns verlassen hat. Das scheinst du vergessen zu haben, oder vielleicht auch nie gewusst...


    Minervina atmete tief durch und flüsterte..


    Weil sie Rom liebte, Weil der Verfall des Senats ku
    rz bevor stand, weil sich Legionen gegen den Kaiser richteten, weil alles zerfiel.... Weil sie ein Mahnmal setzen wollte...


    und dachte sie dabei an sich? NEIN... sondern an uns...


    Sie schüttelte den Kopf


    Sieh mich wenigstens an wenn ich mit dir rede. Du sprichst davon, die Ahnen zu würdigen und deine eigenen Mutter würdest du am liebsten verleugnen. Animus konnte selbst entscheiden und er ging seinen Weg, so wie du und ich auch.


    Obwohl Gracchus weiterging blieb sie stehen... langsam rannen ihr Tränen über die Wange. Mit ihrem Handrücken strich sie diese weg.


    Ich will nicht mit jemandem in einem Haus wohnen, geschweige denn kennen, der so über seine Mutter spricht...


    Ich werde mir eine andere Bleibe suchen müßen


    Mit diesen Worten trete sie sich um... hinter ihr eine Schaar von Sklaven...

  • Tatsächlich verstand Gracchus nicht, und er wollte auch nicht verstehen. Zu lange hatte er seinen Gram, seinen Zorn und seine Trauer über die Verganenheit in sich aufgestaut, als dass er nun Minervinas Worten Glauben schenken konnte. Ihre Mutter hätte andere Wege finden sollen, ein Zeichen zu setzen, Gracchus sah ihr Verhalten einzig als Flucht. So war es denn doch ein Teil der Familie, und konnte er sich für seine eigene Flucht nicht verachten, so konnte er dies doch bei seiner Mutter tun. Als sie es verlangte, drehte er sich zu seiner Schwester um, und als er sprach mischte sich eine tiefe Traurigkeit in seine Stimme.
    "Ich bin nie den Weg gegangen, für welchen ich mich entschieden hätte."
    Er atmete tief durch und legte ihr seine Hand auf die Schulter, als sie sich von ihm abwandte. Die Schärfe und der Zorn waren aus seiner Stimme gewichen, er wollte nicht die Verganenheit diesen Tag bestimmen lassen, obwohl es noch immer der Festtag des Saturnus, des Königs des vergangenen goldenen Zeitalters war. Doch die Vergangenheit ihrer Familie war nicht golden, nicht in Gracchus' Erinnerung.
    "Komm mit nach Hause, nicht wegen mir, sondern um deiner selbst Willen. Ich bin dort nur einer von vielen Bewohnern, du musst mir nicht einmal über den Weg laufen, wenn du dies nicht wünschst. Doch willst du die anderen strafen, weil ich dir nicht zustimmen kann und will? Zudem, wohin, Minervina, willst du in dieser Stadt gehen? Ohne deine Familie bist du hier nichts."

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  • Minervina wandte sich um. Ihre Augen funtelten vor Zorn und fast ein wenig Verachtung.


    Lieber ein Nichts, als einen Bruder der seine eigene Mutter nicht achtet, weil er nicht versteht für wen sie ihr Leben geopfert hat.


    Mit einer bestimmten Bewegung nahm sie seine Hand von ihrer Schulter.


    Nein, denn ich schätze in unserer Familie denken alle so, wie soll ich sagen, patrizisch. Auch wenn ich selbst Patrizierin bin, und das bin ich mit stolz, ein solcher wie du möchte ich nie werden. Denn wenn es zur Etikette gehört seine eigenen Eltern zu verachten, und das aus reinem Unverständnis, dann will ich das nicht sein.


    Sie ging einen kleine Schritt auf ihren Bruder zu, schaute ihm tief in die Augen, und meinte schlussendlich..


    Ich kam nach Rom um meine Familie wiederzufinden, aber stattdessen finde ich nur Hass und viel Oberflächlichkeit. Ich danke den Göttern, dass ich nicht so bin...


    Sie drehte sich wieder um und überlegte, ob sie nicht zum Fest der Ishtar gehen sollte... aus Trotz...

  • Ihre Sturheit ließ erneut Wut in Gracchus aufsteigen, doch die Flammen erloschen ebenso schnell, wie sie gekommen waren, wurden durch Enttäuschung verdrängt. Minervina war eine erwachsene Frau und er hatte kein Recht, ihr Vorschriften zu machen, ebensowenig wie es seine Pflicht war, sie an die ihre zu erinnern. Er hatte genug mit seinem eigenen Leben zu kämpfen.
    "Hass und Oberflächlichkeit nennst du es, und doch urteilst du selbst oberflächlich, denn wie kannst du dich sonst anmaßen, mir dies zu unterstellen, wo du nicht die geringste Ahnung dessen hast, was alldem vorangeht, was mit all dem verbunden ist? Patrizisch, nicht patrizisch, schwarz und weiß, oben und unten, gibt es mehr nicht in deinem Sinn? Du enttäuschst mich, Minervina, denn ich war immer stolz darauf, dass meinen Schwestern eine angemessene Bildung zukam. Doch offensichtlich hast du dich ihrer nicht angenommen. Ich bin, was ich bin, weder Aushängeschild für unseren Stand, noch für unsere Gens oder unsere Familie. Du beklagst dich, dass die Menschen dich in ein Bild pressen, welchem du glaubst nicht zu entsprechen, beklagst dich über abweisendes Verhalten dir gegenüber aufgrund deines Standes, doch du urteilst über all jene, welche in deinem Zuhause warten, nur aufgrund meines Verhaltens. Hast du Lucullus jemals gefragt, was er über seine Mutter denkt? Ich kann es dir nicht sagen, denn ich kenne ihn selbst kaum. Ebenso wenig wie ich Agrippina oder dich kenne, und dies ist es auch nicht, worüber sich eine Familie definiert, denn andernfalls hätte dein Vater, und auch deine Mutter, nicht dafür gesorgt, dass jeder von uns an einem anderen Ende der Welt aufwächst. Sie haben darauf vertraut, dass wir dort, wo wir sind, lernen werden, was Familie bedeutet, dass wir unseren Weg annehmen und ihn bis ans Ende gehen. Ich bin stolz auf meine Familie und ich nehme sie so an, wie ich es muss, nicht nur mit ihren Vorzügen, sondern auch mit den Pflichten, die sie mir auferlegt."
    Er hielt sie nicht länger auf, denn er wollte sich nicht gegen sie durchsetzen. Nicht nur, weil es ihm sinnlos erschien, sondern womöglich auch deshalb, weil er nicht genügend Ausdauer und Kraft dafür aufbringen konnte. Minervinas Auftauchen in Rom, ihre Worte, ihre Vorwürfe hatten alte Wunden aufgerissen, älter noch als jene aus Achaia, von denen Gracchus geglaubt hatte, dass sie längst verheilt waren. Doch dem war nicht so, war es nie gewesen, er hatte sie einzig tief in sich verdrängt, wie so vieles andere auch.
    "Wenn du dich von deiner Familie abwenden willst, dann tue dies. Ich werde dich nicht davon abhalten, ich habe bereits einen Bruder auf diese Weise verloren und dafür bezahlt. Noch einmal werde ich dies nicht tun, denn irgendwann ist auch mein Maß an Familie erschöpft."

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  • Minervina sah Gracchus in die Augen... Einerseits hatte er Recht, andererseits verstand er immernoch nicht was sie meinte.


    Ich muss dir Recht geben... ich habe vorschnell gehandelt.. denn nur weil du so denkst muss es nicht der Rest der Familie auch tun. Es tut mir Leid


    Irgentwie hoffte sie, wenn sie einen Schritt auf ihn zukommt, dass er es ihr nachtut.


    Aber verstehe mich auch, geliebter Bruder, ich komme nach Rom, finde meine Familie wieder und das erste was ich höre ist der Hass gegen unsere Mutter. Einerseits wird sie geachtet andererseits wird sie verachtet... hier scheint es nur schwarz und weiss zu geben... und genau dieses schwarz und weiss wird mir auch in unserem Stand entgegengebracht.


    Einerseits hasst man uns nur weil wir patrizisch sein, andererseits achtet man uns weil wir patrizisch sein.. dieses Schwarz und weiss, diesen Unterschied meine ich, und keinen anderen.


    Und wenn du mich oberflächlich nennst dann tue dies nur, aber ich habe wenigstens nachgedacht über das, was unsere Mutter getan hat, ich habe es versucht zu verstehen.


    Und wenn du mich ungebildet nennen willst dann tue dies nur, aber ich bin nur nach Rom gekommen um zu lernen, versuche andere Kulturen zu verstehen und kenne Ägypten und die Religion ihrer Götter sehr gut.


    Wie kann ich mich abwenden von meiner Familie? Das werde ich nicht tun! Aber du hast dich auch abgewandt... nämlich von deiner Herkunft... und das macht mich unendlich traurig...


    Minervina stiegen die Tränen in die Augen. Sie wollte ihren Bruder nicht verlieren, aber es machte sie so zornig, dass er sie nicht verstand. Sie war zornig, dass er ihr diese Sachen an den Kopf warf... woran sie nicht unschuldig war... aber vielleicht hatte sie sich ein wenig mehr Unterstützung gewünscht...

  • Gracchus trat auf seine Schwester zu und wischte mit seiner Hand sanft eine kleine Träne fort, die sich erdreistet hatte, aus Minervinas Auge die Wange hinab zu laufen.
    "Ich hasse sie doch nicht, Minervina. Ich ... ich habe versucht, es zu verstehen, mehr als ein mal. Für dich mag es einfach sein, du warst in ihrer Nähe, du magst erlebt haben, was sie zu all dem getrieben hat. Ich war es nicht, ich war fern in Achaia, ich hatte mich gerade damit abgefunden, meine Pflichten als zweitgeborener Sohn zu erfüllen, hatte gerade entdeckt, welche Vorzüge dies haben kann, als Animus sich völlig eigennützig von allem abwandte und plötzlich all das, was seine Pflicht gewesen war, auf meinen Schultern landete. Doch nicht einmal bei ihm würde ich von Hass sprechen, er ist ... er ist einfach nicht mehr Teil meiner Familie."
    Einzig im Schutz der Gens sprach Gracchus noch über ihn, in allen anderen Fällen war er völlig aus dem Stammbaum und der Vergangenheit gestrichten.
    "Aber du bist Teil meiner Familie, Minervina. Bitte, komm mit mir nach Hause. Womöglich waren meine Worte zu hart, womöglich waren sie ungerecht und dafür möchte ich mich entschuldigen. Doch wenn du nicht mitkommst, mir berichtest, wie es sich tatsächlich zugetragen hat, so werde ich niemals die Chance erhalten, meine Ansichten zu revidieren"
    Er reichte ihr die Hand und hoffte, sie würde sich nicht weiter sträuben. Er wusste, dass seine Mutter viel geleistet hatte, und er hatte sich immer danach gesehnt, sie dafür bewundern zu können wie seinen Vater, doch das Ende ihres Lebens und das, was er glaubte darüber zu wissen, hatte ihm dies unmöglich gemacht.

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  • Minervina zögerte zuerst, nahm aber dann die Hand ihres Bruders. Es war eigenartig... aber sie wusste, dass es die richtige Entscheidung war.


    Das heisst, dass du bereit mir zuzhören und bereit bist deine alten Ansichten vielleicht über Bort zu werfen? Wenn ja dann werde ich dich gerne wieder in die Villa Flavia Felix begleiten.


    Minervina sah ihn mit großen Augen an...


    .. und vielleicht reden wir dann auch mehr über einen Mann für mich...

  • Erleichterung durchströmte Gracchus, als seine Schwester ihm folgte, denn er war sich dessen bewusst, dass er keine ruhige Minute verbracht hätte, wäre sie nicht mitgekommen und stattdessen irgendwo in Rom herumgezogen.
    "Ich bin immer bereit, meine Ansichten zu revidieren, stellen sie sich als falsch heraus, denn ist es nicht dies, was den Menschen zum Menschen macht, dass er über sich selbst, seine Gedanken und Ansichten reflektieren und sie ändern kann?"
    Ihre Sorge um einen Mann nahm er mit einem leichten Schmunzeln zur Kenntnis, und während er sie nach Hause führte, ließ er sich bereits einige mögliche Kandidaten durch den Kopf gehen.

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  • Sie versuchte ein Lächeln auf ihre tiefroten Lippen zu zaubern.. tat sich aber noch ein wenig schwer...


    Wie wahr wie, wahr mein Bruder...


    Sie folgte ihm, das Gesicht nach unten, in Gedanken und wieder eine Erfahrung reicher.

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