Ein freier Nachmittag

  • Eigentlich war Mantua gar nicht so übel. Das fand auf jeden Fall Aintzane, die die Uferpromende, die den Fluss, der durch Mantua floss, säumte, entlang ging, als sie einen freien Nachmittag von den Pflichten als Sklavin in der Casa Aurelia hatte. Sie betrachtete die Enten, die Schwäne, die Menschen. Ja, es war sicher ein schönes Land gewesen, bevor es die Römer verschandelt hatten. Im Grunde war Italia noch immer schön. Nicht so schön wie die Pyrenäen, aber trotzdem... um sich von einem plötzlichen Gefühl des Heimwehs abzulenken, blickte sie auf die Leute hinab (die Italiener waren bemerkenswert klein gebaut) und betrachtete ihr Treiben. Heute war offenbar nicht viel los, nur ein paar Menschen gingen auf dieser Straße herum. Es war sicher nicht mit dem Gedränge in Rom zu vergleichen. Vielleicht nimmt sich einer von denen sogar Zeit für mich?, dachte sie. Die Gemütlichkeit des hiesigen Lebens, das zu tun, wäre schon einmal vorhanden.


    Sim-Off:

    Wer schreiben mag, ist herzlich eingeladen...

  • Ich schlenderte an der Promenade entlang, einfach nur so. Vor mich hinträumend dachte ich über mich selbst nach, horchte in mich hinein. Da sah ich eine Dame, sie wirke traurig und ein bisschen verloren. Ich sprach sie an.


    „Salve meine Dame. Entschuldigen Sie bitte, falls ich stören sollte. Ich fragte mich nur, weshalb in ihrem netten Gesicht ein trauriges Bild flackert.“

  • Aintzane blickte auf und sah das Gesicht eines Mannes vor ihr, den sie nicht kannte, aber trotzdem schwang in seiner Stimme ein vertrauter Akzent mit... der eines Griechen. Vorsichtshalber aber antwortete sie ihm auf Latein.
    "Ach, nichts, danke für die Frage." Dann machte sie eine kurze Pause. "Oder doch. Diese Umgebung ist so ungewohnt für mich. Ich kenne hier niemanden. Hier ist nichts, was mich an meine Heimat erinnert. Ich kenne niemanden, und mein Stand erlaubt es mir nicht, mich gründlich mit meiner neuen Wohnstätte auseinanderzusetzen.", sagte sie und seufzte.

  • „Selbiger Grund ringt auch mein Herz zu Boden. An einigen Orten war ich bereits, seit ich meine korinthische Heimat verließ, aber heimatlich fühlte ich mich bislang nirgends. Erst war ich in Hispania, dann war ich in Germania, wo ich auf einer Hühnerfarm arbeite. Aber irgend etwas fehlt mir dort. Welchen Standes bist du?“

  • "Korinth... die Mutter meines Lehrers Oligos, der selber Mysier ist, kam aus Korinth.", sagte Aintzane auf Griechisch, stolz darauf, endlich von ihrer Sprachbegabung Gebrauch machen zu können. "Es soll sehr schön dort sein."
    Bei seiner Frage bemerkte Aintzane mit einem traurigen Blick in ihren Augen: "Ich bin Sklavin." Sie merkte, dass die Konversation auf Latein dann doch viel einfacher ging, ihr Griechisch war schon etwas rostig. "Ich merke doch, dein Latein ist viel besser als mein Griechisch. Trotzdem freue ich mich, dass ich endlich wieder einmal einen Griechen treffe."

  • „Nirgendwo ist es so schön wie in Korinth. Das Wasser ist klar und rein, die Blätter der Bäume in wunderschönen grünen Farben und die Sonne läßt jeden Tautropfen in glänzendem Licht erstrahlen. Vielleicht sagt das jeder über seine Heimat, jedenfalls sage ich das über die meine.“ Sagte ich mit griechischen Worten um dann sanft lächelnd in die lateinische Sprache zu wechseln.


    „Viele Menschen aus dem römischen Gebiet und auch aus Rom selbst waren in Korinth anzutreffen. Viele von jenen kommen um Philosophen zu sehen, ihre Worte zu hören, ihr Wissen zu schmecken, ihren Geist zu fühlen, ihre Weisheit zu atmen. Sie alle meinten ein gutes Griechisch sprechen zu können, aber leider war es miserabel, so dass ich lieber in Latein mit ihnen sprach.“


    In ruhigen Worten fragte ich sie:


    „Was ist so schlimm an deinem Sklaventum, sind es deine Herren oder ist es die Unfreiheit? Bist du geflohen oder treibt dich ein Befehl an diesen Ort?“

  • "Nun, wenn du das sagst, kann ich auch genau so gut sagen, die Pyrenäen, meine Heimat, wären der schönste Platz der Welt. Doch stimmt das? Das weiß keiner. Aber ich glaube zu wissen, dass dies für mich der schönste Ort der Welt ist. Es gibt hohe Berge, klare Gebirgswässer, Schnee und Wüste, Weiden, Moore und Almen. Vielleicht ist es nicht schöner wie Korinth... nur anders." Den letzten Satz sagte sie auf Griechisch, das lateinische Äquivalent wollte ihr partout nicht einfallen.


    Sie schmunzelte, als sie seine stolzen Worte hörte. "Ist deine Meinung von den Römern im Allgemeinen so? Auch ich habe schon viele ignorante, unwissende Leute getroffen. Und nicht alle von denen waren Römer." Dann machte sie eine Pause und lächelte in sich hinein. "Aber schon die meisten."


    Die ruhigen Worte des Griechen brachte sie dazu, die Frage zu beantworten, ohne ins Jammern oder Schimpfen zu kommen.
    "Meine Herren sind ganz in Ordnung, glaube ich... aber es ist die Unfreiheit. Die Gebundenheit. Die Unfähigkeit, irgendetwas tun zu können, wonach man Lust hat. Die absolute Aussichtslosigkeit, zu fliehen. Das Gefühl der Heimatlosigkeit. Du weißt wenigstens, dass Korinth noch steht... ich habe seit 14 Jahren nichts mehr von meinem Heimatdorf gehört.
    Ich bin hier, weil ich einen freien Nachmittag habe. Ausnahmsweise.


    Sag, was trieb dich von deiner Heimat fort?"

  • „Also ich glaube, dass die Ignoranz bei den Römern ausgeprägter ist als bei so manch anderem Volk. Aber bei den Römern scheint sie verstärkt aufzutreten.“


    Ich überlegte, wie ich es am besten ausdrücken sollten, warum ich die Heimat verließ und strich dabei mit dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger übe die Stirn.


    „Es gibt in Korinth, neben den vielen Philosophen, eine größere Christengemeinde. Mittlerweile ist die Stimmung recht aggressiv und deshalb ging ich fort.“

  • "Da stimme ich mit dir überein. Absolut.", meinte Aintzane und stich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    "Christen? Man sagt, sie wären schädluich für das römsiche Reich. Deshalb können sie gar nicht so schlecht sein.", lächelte Aintzane.
    "Agressive Stimmung? Das heißt, du bist entweder ein Christ, der von den Römern bedroht wurde, oder ein Christenhasser, der von den Christen bedroht wurde. Welches von beidem stimmt nun?"

  • „Ersteres trifft zu. Ob nun Christen schlecht für das römische Imperium sind, weiß ich nicht. Aber das Christentum ist gut für die Menschen! Das ist doch entscheidend. Als Christ und Stoiker bin ich der Auffassung, dass alle Menschen vor Gott gleich sind und er alle gleichsam liebt, egal in welcher Stellung sie auch sind. Das was mit uns geschieht gilt es zu ertragen, was es auch sei. Allerdings muss ich natürlich sagen, das es für einen Nicht-Sklaven viel leichter ist so etwas zu behaupten. Und an mir ist zu sehen, dass einfache Dinge manchmal schwierig sind. Auch wenn ich an Gottes Liebe teilhabe und deshalb mein Herz erfreut ist wie noch nie zuvor, habe ich doch Heimweh und vermisse mein Familie, was mich auch manchmal traurig macht. So wie jetzt“


    Ich machte ein leicht besorgtes, aber interessiertes Gesicht und fragte mit gleicher ruhiger Stimme:


    „Was ist in deinem Dorf passiert? Die Römer haben es überfallen und dich versklavt!?“

  • "Das klingt sehr schön... aber ich denke einfach nicht, dass solche Gedanken realistisch sind. Wäre euer Gott so mächtig, wie ihr sagt, wären alle christlichen Sklaven schon längst frei und du eventuell schon römischer Kaiser... oder wenigstens zu Hause. Würde er euch lieben, würdet ihr nicht der Reihe nach in die Arena geschickt werden.", meinte sie, nicht ohne etwas Mitleid, aber auch Bewunderung in ihrer Stimme.
    "Ich selbst könnte mich nie von meinen Göttern trennen. Sie sind die einzige Verbindung, die ich noch zu meiner Heimat habe. Ohne dem Bestand von Vater Sugaar und Mutter Mari würde es mir nie so gut gehen wie jetzt. Niemand sagt, dass sie allmächtig wären, doch vor dem Übelsten können sie die Menschen bewahren... wenn sie wollen."


    Abermals seufzte sie, als der Grieche nach ihrer Heimat fragte.
    "Unser Volk hat sich gegen die Römer aufgelehnt. Doch dieser Aufstand wurde schnell niedergeschlagen. Der Initiator dieses Aufstandes war Sendao, Häuptling von Pasadaia... und ich bin seine Tochter. Ich habe gesehen, wie er geköpft wurde. Und dann hat man mich in die Sklaverei verschickt." Sie blickte zum Fluss hinaus. "Ewig ist es schon her... 14 Jahre... unfassbar."

  • Ich schmunzelte und behielt die Stimmlage:


    „Ja, wenn wir wüßten was Götter wollen und wie sie denken, wären wir selbst Götter. Welcher Gott ist mächtig, sind es die römischen Götter, die germanischen, keltischen oder der Gott an den ich glaube? Was bedeutet das eigentlich, mächtig, und ist das wichtig? Kommt es denn darauf an was, eine Gottheit für einen Menschen macht? Viele Leute denken, dass es wie bei einer Geschäftsbeziehung zu zugehen hat. Ich glaube an einen Gott, bete zu ihm und erwarte, dass er mir aus meiner Not hilft oder meine Problem für mich löst. Das ist doch zu leicht! Außerdem, was hätte die Gottheit davon, denn jeder Gott ist mächtiger als ein Mensch und hätte doch keinen Nutzen von den Opfern der Menschen!“

  • "Vielleicht ist es auch einfach nur so... egal ob es jetzt meine Götter sind oder dein Gott... sie spielen mit uns. Sie vertreiben sich ihr unsterbliches Leben damit, sich aus uns einen Jux zu machen, uns Barrieren ins Leben zu werfen und belustigt zuschauen, wie wir damit zurechtkommen.", meinte sie bedrückt, mit einem bitteren Ausdruck um ihr Gesicht.
    "Die Götter... es stimmt, die Götter wissen, was die treiben.", und musste im gleichen Augenblick über den unfreiwilligen Humor in diesem Satz lachen.
    "Auf jeden Fall, mein Name ist Aintzane und ich komme vom Volk der Basken. Wie heißt du, Korinther?"

  • "Vielleicht ist das so, wir werden es nicht herausfinden! Alles was wir können ist glauben!"


    Ein interessantes Gespräch, ich fragte mich war das schöne Mädchen so traurig aussieht und jetzt sprechen wir, ohne das ich es beabsichtigt hatte über die Götter. Schon verrückt wie das manchmal geht.


    „Meine Eltern gaben mir den Namen Drakontios“

  • "Glauben... wer glaubt, weiß nicht. Das hat mir mein Pflegevater und Lehrer immer gesagt."


    Er stellte sich vor.
    "Interessanter Name. Bist du deinen Eltern so drakonisch vorgekommen?" Bei dem Gedanken lächelte sie, ihr Melancholie war verflogen.

  • "So ist es! Aber was wissen wir Menschen schon?! Mir fällt dazu Protagoras ein, der sagte, dass er von den Göttern nichts wisse, weder das sie sind, noch das sie nicht sind. Was heißt schon wissen? Vielleicht ist auch alles so wie es Platon sagt, dass wir uns nur die Schatten der wirklichen Welt anschauen. Was wissen wir schon?!“


    Ich lächelte und überlegte, kam ich mir selber drakonisch vor, hatten meine Eltern mir je das Gefühl gegeben, dass ich es sei?


    „Vielleicht bin ich es an manchen Tagen, könnte aber nicht sagen wann. Darauf müsste ich selbst mal achten. Hat denn dein Name in deiner Heimat und deiner Sprache eine Bedeutung?“

  • "Sokrates brachte das ganze auf einen einfachen Satz: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und so alt diese Weisheit ist - sie ist richtig."


    Sie schaute mit einem leisen gefühl der Beklommenheit zuBoden. Ob die weisen Erdgötter auch jetzt über sie wachen?


    "Aintzane... das heißt Ruhm." Sie räusperte sich. "Die Römer sagen: Nomen est Omen... da sieht es man es wieder einmal; die spinnen, die Römer. Was an meiner Situation rühmlich ist, will ich wirklich wissen."

  • Ich lachte lauthals als sie von den Römern erzählte.


    „Manchmal könnte man das glauben, ja, aber das sind wahrscheinlich nur die verschiedenen Sichtweisen und Traditionen der einzelnen Völker. Ist dies eine übliche Sichtweise bei euch über die Römer“


    Ich überlegte kurz und fragte dann:


    „Was an deine Situation ist den unrühmlich? Erlangt man denn nur Ruhm durch große Taten, durch Taten über die man noch lange sprechen bzw. schreiben wird oder darüber das wir selber etwas schreiben? Du bist eine Sklavin und kennst Sokrates und wahrscheinlich nicht nur ihn. Deinen Ruhm könntest du doch durch charakterliche Stärke zeigen, indem du an deinen Traditionen festhältst wo es geht, Willensstärke zeigst oder deine Aufgaben so genau wie möglich erfüllst? Oder?“

  • "Nun, ehrlich gesagt, ich habe das von einem Gallier gehört, der unheimlich stolz darauf war, seinen Staumbaum auf einen gewissen Obelexus oder Obolux zurückverfolgen zu können... wie dem auch sei, er hat Recht."


    Sim-Off:

    :D


    "An meiner Situation ist vielleicht rühmlich, dass es eine irdische Probe der Götter ist, für die ich vielleicht für ewig in der Anderswelt lande. Charakterliche Stärke, Festhalten an den Traditionen? Auch gut möglich, dass man dadurch innerlichen Ruhm erlangen kann. Doch... gehorchen? Aufgaben erfüllen? Das tue ich nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen. Ich persönlich finde das nicht rühmlich. Wahrhaft rühmlich sein kann man nur in Askatasuna - in Freiheit."

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