Auf den Straßen von Mogontiacum

  • "Noa, wennnnnn do meinsch...", stockte Sönke mitten in seiner Bewegung als er mitbekam, dass der ohnmächtige Iunius nicht mehr ganz so ohnmächtig war, "...dennn Wunnsch isch mi Befähl." Sprach's, und ließ den Römer ohne größere Vorwarnung einfach von seiner Schulter rutschen, so dass dieser wieder im Dreck der Straße landete.
    "Füä sonn Schmaschthaksche, bisch abba jansch schee schwoar.", beschwerte Sönke sich nach der Erleichterung, und lehnte sich an die nächstbeste Häuserwand, weil die Welt sich immernoch partout weigerte stehen zu bleiben.
    "Isch ha verscht di haamzubringe..", begann er schließlich mit seiner eigenen Apologie, "..bisch do fitt jenoch, datte datt alleen schaffs? I wöd scho langscham müd, un' i mott anne annere Ende vonne Stadt..."

  • "Asch...", wollte Silanus schon weiterschimpfen, als er sich auf einmal im freien Fall befand, und mit dem Gesicht voran im Morast der Straße landete. Irrigerweise war das erste, was ihm nach der unsanften Landung in den Sinn kam, die Erkenntnis, dass es aufgehört hatte zu regnen. Das nächste war diejenige, dass man Matsch nicht atmen konnte.. und die darauf, dass der barbarische Idiot sowas wie eine Antwort erwartete. Was wollte er überhaupt? Und warum hatte er ihn durch die Gegend geschleppt? Und vor allem: interessierte Silanus das überhaupt?


    "Wasch willscht eigentlich?", fragte Silanus nachdem er sich umgewälzt und den Matsch aus dem Gesicht gestrichen hatte, "Willsch du jetzt Brüderschafn, oder wasch? Lasch mi in Ruhe, un verpisch di..."

  • Einen Moment lang blickte Sönke den Schreiber dull an, und seine Gedanken drifteten vom Alkohol geführt ins Nichts ab. Erst als sein Körper mit einem Schauer auf die weiterhin bestehende Kälte reagierte, bekam auch sein Geist mit, dass er sich auf dem besten Wege in den mentalen Leerlauf befand. Es galt nach Hause zu kommen, und da kam ihm die Trotzigkeit des Schwächlings gerade recht.


    "Nnnnnaa... wwie do wolsch...", schnarrte er, zog hoch und rotzte in einem ausgiebigen Bogen auf die gegenüberliegende Häuserwand, "...da will mmman eenmo netttttt schein... verreck dddoch, Hureso."
    Sprach's, gab dem Schreiber noch einen Tritt und verschwand dann im Dunkel der Straße...


  • War dieser Albtraum also für heute vorbei. Den Tritt noch in der Magengrube spürend blickte Silanus misstrauisch dem Barbaren hinterher, bis dieser von den dunklen Straßen verschluckt worden war, erst dann wagte er es sich aufzuraffen, was alles nur kein schmerzloses Unterfangen war. Sein ganzer Körper tat unterschiedlich stark weh, und der einzige Platz, der ihm nicht weh tat hing zwischen seinen Beinen.. na wenigstens hatte der Barbar den Anstand gehabt ihm nicht da auch noch plattzumachen. Andererseits hätte es zu diesem Idioten gepasst..


    Silanus spuckte aus, und versuchte sich erst einmal zu orientieren, was in finsterer Nacht bei vielleicht zwei oder drei entfernt leuchtenden Laternen gar nicht so einfach war. Er wanderte fünf Momente lang unschlüssig durch die Straßen, immer versuchend sich so oft wie möglich unter Holzgebilden vor dem jederzeit wieder auftauchenden Regen zu verstecken, bis er schließlich an einem Schwarz in Schwarz an einer Wand klebenden Graffiti erkannte, wo er eigentlich war: zwei Ecken von der heruntergekommenen Insula entfernt, in dem er seine Nächte verbrachte. Na, wenigstens etwas.. so dauerte es auch nicht lang bis Silanus sich wieder in seine kleine Kemenate geschleppt hatte, sich seine Nassen Klamotten von sich riss und sich in sein von Flöhen zerfressenes Bett warf.

  • http://www.kulueke.net/pics/ir…rmanen-maenner-alt/18.jpgDer Wein hinterließ einen sauren Geschmack auf der Zunge des Mannes, der in einer Spelunke seine Frustration zu ertränken versuchte. Herge, Sohn des Balduin war seit jenen schicksalshaften Tagen völlig abgehalftert. Damals war es ihm wie die einzig sinnvolle Möglichkeit vorgekommen, sich der im Aufsteigen begriffenen Duccii zu entledigen. Feuer und Schwert, das war seine Devise gewesen. Herge war für das Feuer zuständig und damit erfolgreich gewesen, indem er das Handelshaus dieses Lando abgefackelt hatte.


    Doch Tudicius Pudens, dieser dämliche Affe, hatte seinen Teil mit dem Schwert völlig versaut. Lando war gefallen, ganz entgegen des Plans. Ebenso wie Pudens sein Leben gelassen hatte. Herge seufzte jämmerlich und trank noch einen weiteren großen Schluck. Und wo war er jetzt? Nach der Flucht vor der befürchteten Rache der Duccii hatte Herge sich irgendwie durchgeschlagen. Er hatte sich als Tagelöhner, Bandit und Dieb über die Zeit gerettet. Aber das war nicht das, was er sich vom Leben erhofft hatte. Deshalb trank Herge. Ständig.


    So auch heute. Sein Schädel war bereits etwas schwer geworden und seine Gedanken einmal mehr in Düsternis abgesunken. Herge war voller Wut und Rachsucht. Auf die Götter. Auf dieses Leben. Und ganz besonders auf diese Duccierhunde, die ihm sein Leben endgültig versaut hatten. Er wollte es ihnen heimzahlen.


    Als Herge spät nachts aus der Spelunke stolperte, pochte in seinem Kopf nur noch ein Gedanke: Vernichtung.

  • Obwohl es von der Taberna Silva Nigra nicht weit zur Casa Atia war, beeilte sich Alpina. Sie fürchtete sich in der Dunkelheit. Die vielen fremden Menschen ängstigten sie.


    Sie bog um eine Ecke und während sie unter dem Vorbau eines Handwerkerhauses hindurchhastete, legte sich ihr plötzlich eine Hand von hinten auf den Mund. Eine andere kräftige Hand umfasste sie und drückte ihr förmlich die Luft ab. Rückwärts zog sie der Unbekannte in eine enge, dunkle Gasse, die zwischen zwei Insulae lag.
    Alpina versuchte zu schreien und sich zu befreien, aber der Mann, der sie festhielt, war zu stark. Sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken und hörte seine raue Stimme, die flüsterte.
    "Halt gefälligst still, du dummes Gör!"

  • Der Unbekannte drückte Alpina an die Wand des nächststehenden Hauses. Die raue Wand zerkratzte ihr Gesicht. Ihr war klar, was der Kerl von ihr wollte und sie suchte nach einer Möglichkeit, sich aus seinem Griff zu lösen. Doch zunächst blieben alle Versuche erfolglos. Erst als er seinen Griff lockerte, um ihre Tunika hochzuziehen, witterte Alpina eine Chance. Sie biss ihn kräftig in die Hand, die ihren Mund verschlossen hielt. Laut schreiend und flluchend lockerte er nun auch den Griff der anderen Hand etwas. Alpina trat nach hinten und schien gut getroffen zu haben, denn tatsächlich war sie nun frei. Sie duckte sich zur Seite weg und rannte dann so schnell sie konnte aus der Gasse heraus und in die Dunkelheit der Stadt.

  • Alpina versuchte mit den großen und schnellen Schritten des werdenden Vaters Schritt zu halten. Um nicht in jede Pfütze zu treten, raffte sie den Mantel mit der einen Hand, mit der anderen trug sie den Korb. Angesichts der frühen Stunde waren die Straßen noch leer und sie kamen schnell voran.

  • Witjon war verständlicherweise in Eile. Alpina erging es wohl in den meisten Geburtsfällen so, dass der männliche Part in der Situation - getrieben von seiner schmerzleidenden, keifenden Frau - ziemlich aus dem Häuschen war und alles und jeden in seinem Umfeld bald genauso zu terrorisieren begann wie sein weibliches Gegenstück. Oder aber es waren gleich sämtliche Frauen eines Haushalts, die ohne Beteiligung des Mannes die Geburt über die Bühne brachten, das konnte Witjon nicht umfänglich beurteilen. Seine erste und bisher einzige Geburt - beziehungsweise die seines damaligen Weibes - war unter völligem Ausschluss seiner Person verlaufen. Im Rückblick war er dafür sehr dankbar, hatte die Geburt immerhin einen tödlichen Ausgang gehabt.


    Heute jedoch schwankten seine Empfindungen zwischen freudigem Hochgefühl, panischer Angst und nervöser Übelkeit, so dass alsbald sämtliche Gedanken vor dem reinen tatsächlichen Geschehen verblassten. "Hier entlang", kommandierte er gelegentlich, wenn es um eine Straßenecke ging und eine Abzweigung genommen werden musste, oder "Na los doch", wenn er das Gefühl hatte, dass Alpina zu langsam war.


    Schließ erreichten sie zu Witjon grenzenloser Erleichterung den Domus Petronia, wo sie zügig eingelassen wurden.

  • Nochimmer wütend auf die herablassende Behandlung durch die Wachsoldaten, stieg Phryne wieder in den Reisewagen und gab ihrem Sklaven Glaukus die Anweisung, sie unverzüglich zur Curia zu fahren.
    Nun wußte Glaukus natürlich nicht, wo sich die Curia in Mogontiacum befand. Er musste sich also durchfragen. So erhielt Phryne gleich eine Stadtführung. Neugierig sah sie aus dem Fenster ihres Reisewagens und betrachtete die unterschiedlichen Vici, die sich teils mit einfachen Fachwerkhäusern, teils mit durchaus ansehnlichen Villen präsentierten. Der germanische und keltische Einfluss war nicht zu übersehen. Endlich hielt der Wagen vor dem Statthalterpalast.
    Wieder ließ sich Phryne von Glaukus aus dem Wagen helfen und von ihrer Sklavin Korone die Kleidung richten. Dann stieg sie die Stufen zur Porta der Regia hinauf.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!