• Sollte der Offizier jetzt jeden Abend zu Hause speisen, dann würde ihm sicherlich das Legionsessen nicht mehr munden. Solche und ähnliche Gedanken gingen Claudius durch den Kopf, als er sogleich am Folgetag erneut die heimische Villa aufsuchte, um dort seine leibliche Tochter zu treffen, die er immerhin Jahre nicht gesehen hatte.


    Er übergab seinen Mantel einem Sklaven und strebte ohne Umwege dem Triclinium zu, denn er erwartete ein gemeinsames Essen. In seiner Vorstellung war Epicharis noch ein junges Mädchen und es war schwer vorzustellen, wie sie derzeit aussah. Immer wieder drängten sich relativ kindliche Hände, eine kleine Statur und erstaunte Augen in Claudius' Geist, der sich erfolglos bemühte, dem theoretischen Alter ein angemessenes Äußeres zuzuordnen. Entsprechend neugierig bog er in den letzten Gang ein und betrat kurz darauf das Speisezimmer.

  • Was Vesuvianus allerdings erblicken sollte, war nicht jenes kindliche Mädchen, das ihm seine Erinnerung vor Augen führte, sondern eine erwachsene Frau, wie sie gerade mit dem Rücken zum Eingang in einem Korbstuhl saß und eine Schriftrolle studierte. Das lange, braune Haar fiel ihr in sanften Wellen über ihre Schultern und den Rücken hinab. Doch als sie die Schritte hinter sich laut werden hörte, wandte sie sich rasch um. Zwei fröhliche braune Augen blitzten Vesuvianus freudig an, ehe Epicharis aufsprang und zu ihm eilte, um ihren Vater überglücklich zur Begrüßung zu umarmen.


    "Vater!" nuschelte sie in seine stattliche Brust, und mehr musste sie auch gar nicht sagen, denn allein die Art, wie sie es sagte, drückte aus, dass sie ihn so sehr vermisst hatte, wie es nur eine Tochter vermochte.

  • Hatte er tatsächlich vor Jahren geglaubt, die Legion sei sein einziges, sein wahres Zuhause? Die Kameraden seine Familie? Konnte man sich eigentlich durch Enttäuschungen bedingt, seiner Pflichten, seiner Verantwortung und seiner Zuneigung zu den Menschen entziehen, deren Bande durch Blut noch um ein vielfaches schwerer wogen als die ohnehin schon wertvollen Bande der Freundschaft? Nein! Claudius wurde in jenem Moment, als er die fraulichen Schultern und das lange braune Haar betrachtete, klar, dass er erfolglos vor all dem geflohen war und mehr noch, dass er im Grunde all das schmerzlich vermisst, aber bestmöglich verdrängt hatte. Ein Kloß saß ihm im Hals, als sich Epicharis umwandte und auf ihn zugeeilt kam.


    Ungelenk, weil ungewohnt, schloss er die fragile Gestalt in seine Arme, ließ das Gefühl auf sich wirken und spürte Weichheit im Herzen, das sonst vornehmlich Härte erfüllte. Seine rechte Hand strich über das seidige Haar, bevor er seine Tochter bei den Schultern nahm und etwas von sich fort hielt, um sie in Ruhe zu betrachten.


    "Mir fehlen die Worte", stammelte er zunächst, fing sich aber recht schnell. "Du bist groß geworden und wunderschön." Stolz klang in seiner Stimme ebenso wie die Wiedersehensfreude.

  • Epicharis ließ die Musterung geduldig über sich ergehen. Ihres Vaters Blick blieb an Haar und Gesicht hängen; und als er sie schließlich mit Komplimenten überhäufte, sah sie verlegen zur Seite. Errötete sie sogar? Sie hörte wohl den Stolz in seiner Stimme, und genau jener war es auch, der sie aufblicken und lächeln ließ. Ja wirklich, Epicharis war zu einer ansehnlichen Frau heraungewachsen, auch wenn es sicherlich viele im Imperium gab, die hübscher waren als sie. Zumindest redete sie sich das ein, aber Schönheit war immerhin auch Geschmackssache.


    "Und du siehst noch genauso aus wie damals, als ich fortging. Ach, was habe ich euch alle so vermisst!"


    Sie löste sich mit einer Handbewegung von Vesuvianus und deutete auf eine Liege, während sie selbst in einem Korbsessel Platz nahm. Sie hielt nichts von der neuen Mode, bei der Frauen sich wie die Männer zum Essen auf einer Kline nieder ließen. Zwei Sklaven standen bereit und schenkten dem Hausherren sogleich den besten Falerner ein, den sie im Hause hatten, Epicharis selbst hielt schon einen Becher in der Hand und sah ihren Vater wissbegierig an.


    "Ich soll dich schön von Prisca grüßen. Und Imperiosus Iulianus habe ich auch kennen gelernt. Aber sag, was habe ich verpasst? Deine Briefe waren stets so knapp. Hattest du viel zu tun?"

  • Claudius lachte kurz auf, als seine Tochter die Feststellung traf, er sei inzwischen nicht gealtert.


    "Zeige mir den Mann im Militär, dem das gelingt. Etwas Derartiges kann wohl nur der Gott aller Soldaten, Mars, von sich behaupten."


    Ein Schmunzeln lag auf seinem Gesicht, als er der Einladung folgte und sich auf der Kline ausstreckte, ein wohliges 'Ah' unterdrückend. Beiläufig nahm er den Weinbecher entgegen, ließ aber seine Tochter dabei nicht aus den Augen. Wie war das noch? Die alten Haudegen in der Legion meinten, an seinen Kindern sähe man, wie die Zeit vergangen war … und richtig. Nachdenklich blies er die Luft durch die Lippen, bevor er den Becher ansetzte.
    Die Sklaven folgten alsdann einer lässigen Handgeste und trugen die Speisen auf.


    Als Epicharis Prsica erwähnte, lächelte er wieder. Vesuvianus fragte sich manches Mal, wie die Kleine in Rom zurecht kam. Er hatte einfach zu wenig Zeit für seine Kinder. Aus dem Gedanken heraus überging er zunächst Iulianus.


    "Prisca, wie geht es ihr? Hoffentlich kommt sie gut zurecht. Ich erwäge eine weitere Amtszeit im Cursus Honorum, dann hätte ich für euch beide wesentlich mehr Zeit, zumindest wäre ich für gewisse Zeit in Rom. Wo gedenkst du, dich niederzulassen? Sag doch zunächst, was sind deine Pläne, bevor ich über Vergangenes spreche. Und Imperiosos … na ja, das ist nun weniger mein Lieblingsthema."


    Eine steile Falte entstand für kurze Zeit auf der Stirn des Claudiers, die sich aber bald wieder glättete.

  • Epicharis schmunzelte und musterte ihren Vater erneut. Natürlich, da waren die ein oder anderen zusätzlichen Falten und auch hier und da eine neue kleinere Narbe zu sehen, aber im Großen und Ganzen sah Vesuvianus doch aus, wie sie ihn in Erinnerung gehabt hatte: groß, kräftig, nicht dick und nicht mager, eben wie ihr Vater so aussah. Da er allerdings anderer Auffassung zu sein schien, zuckte sie nur grinsend mit den Schultern und sagte nichts mehr dazu, was auch gar nicht nötig war, da nun die Speisen aufgetragen wurden.


    Vesuvianus wirkte einen Moment nachdenklich und fragte dann nach Prisca, von der ihm Epicharis gern Bericht erstattete.
    "Ihr geht es gut. Sie hat sich den Göttern verschrieben, doch ist sich nicht sicher, ob dies der ihr vorbestimmte Weg ist oder ob die Götter nicht etwas anderes für sie vorgesehen haben. So wie ich es gesehen habe, scheint sie gut zurecht zu kommen. Marcellus und Dolabella stehen ihr auch zur Seite."


    Epicharis griff sich etwas Brot und brach es in kleine, mundgerechte Stücke, die sie mit etwas Käse zu sich nahm. Der hispanische Käse war sehr viel würziger als der italische, weshalb sie die angenehme Milde so sehr genoss, dass sie sogar einen Moment genießerisch die Augen schloss. Erst die Absicht ihres Vaters, erneut den Cursus Honorum zu beschreiten, ließ sie ihn wieder anblicken, zuerst überrascht, doch im nächsten Moment schon nickte sie.
    "Ich gllaube, das ist der richtige Weg für dich, Vater. Nicht nur, weil du mehr Zeit für uns haben würdest, sondern auch, weil es dich weiterbringen würde. Der Dienst bei der Legion erfüllt dein Herz, das hat er schon immer getan, aber nur mit dem Cursus Honorum kommst du weiter. Außerdem ist der doch die Option auf einen Platz im Senat, nicht?"


    Sie lächelte und nickte noch einmal unterstützend, denn sie meinte ernst, was sie da sagte. Die Frage nach ihren eigenen Absichten kam früher als erwartet, und so war es nicht verwunderlich, dass Epicharis zuerst einen Moment nachsinnen musste, ehe sie sich dazu äußerte.
    "Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Ich würde gern bei dir bleiben, doch fürchte ich, dass du ohnehin wenig zeit für mich haben wirst. Und dann ist ja noch Deandra... Andererseits wäre ich gern bei Prisca. Vielleicht werde ich eine Zeit hier verbringen und eine Weile in Rom. Ich möchte mich noch nicht festlegen. Was sagst du dazu? Meinst du, dass Deandra mit nach Rom kommen würde? Soweit ich weiß, haben sich sie und Prisca noch nicht kennen gelernt."


    Aufmerksam betrachtete sie das Gesicht ihres Vaters, als sie Deandras Namen erwähnte. Immerhin hatte sie ihre neue Schwester selbst kennen gelernt, ohne dass ihr Vater etwas dazu gesagt oder sie darauf vorbereitet hatte. So fragte sie sich nun, was er wohl dazu sagen würde, außer acht lassend, dass sie damit seine Frage nach ihren weiteren Absichten ebenso wie die Äußerung über iulianus überging, aber das war nun wichtiger.

  • Claudius lauschte wortlos den Ausführungen seiner Tochter, fragte sich jedoch, ob Prisca bereits erwachsen genug war, die Zweifel ihre Zukunft betreffend, ohne elterlichen Rat zu zerschlagen. Da fehlte eben eine Mutter, bereits seit vielen Jahren. Vesuvianus war nicht in der Lage, all das zu bieten, was aufwachsende Kinder benötigten. Erst als höherer Offizier sah er sich überhaupt in die Lage versetzt, dem Castellum zeitweise den Rücken zu kehren, in den Mannschaftsdienstgraden war das vollkommen unmöglich gewesen.


    Minuten des stillen Genusses von Wein und Teigwaren vergingen, bevor ein neues Thema aufkam. Epicharis äußerte sich mit klugen Argumenten zum Cursus Honorum, was Claudius einmal mehr vor Augen führte, wie erwachsen seine Tochter inzwischen war.


    "Ja, eine erneute Amtszeit würde die Möglichkeit eines Senatplatzes schaffen, zudem die eines weiteren Karrieresprungs in der Legion. Bedauerlich ist nur, dass keineswegs der neue Posten ein Legionsposten sein muss, es könnte auch einer bei den Stadtkohorten oder sonst wo sein. Ich könnte zudem in eine andere Provinz versetzt werden."


    Vesuvianus wiegte nachdenklich den Kopf. Das war keineswegs das, was er wollte. Er liebte die Legion und nicht irgendeine, sondern die PRIMA, aber sein derzeitiger Rang war eines Patriziers nicht angemessen.


    "Für begrenzte Zeit würde sich unsere Situation in Bezug auf gemeinsam verbrachte Stunden verbessern, danach sind wir alle von den Entscheidungen des Kaisers abhängig", resümierte er. Dennoch … er hatte sich zu einer weiteren Amtszeit entschlossen. Er schob seine eigenen Überlegungen beiseite, als Epicharis über ihre Pläne sprach. Ab und an aß er ein paar Happen, hörte aber weiterhin aufmerksam zu.


    "Tja, was sage ich dazu? Zwischen Rom und Mantua zu pendeln, halte ich für möglich. Das würde zudem bedeuten, dass in Abständen auf beiden Anwesen nach dem Rechten gesehen wird. Es ist fahrlässig, allein Sklaven und Verwaltern diese Arbeit zu überlassen. Mir wäre wohler, wenn die Verwaltung der Ländereien und des Vermögens durch jemand aus der Familie bewerkstelligt wird, aber ich weiß nicht einzuschätzen, ob du überhaupt dafür Neigungen hegst. Du weißt, dass ich eine Tätigkeit außerhalb des Hauses nicht gestatten würde?"


    Vesuvianus war sich nicht sicher, er hatte sich mit seiner Tochter lange nicht über solchen Themen auseinandergesetzt.
    Schließlich kam die Rede auf Deandra. Claudius war überrascht, dass Epicharis bereits von ihr wusste. Mehr als einen langen Lidschlag suchte sein Blick aber nicht den ihren. Er griff zunächst nach Oliven.


    "Deandra … nun, ich denke schon, dass sie mit nach Rom kommen würde. Sowohl in Rom als auch in Mantua stehen unsere Villen unweit voneinander."


    Vesuvianus registrierte bei sich, dass die neue Schwester offensichtlich ohne bemerkenswerte Schwierigkeiten aufgenommen worden war. Das freute ihn, ein kleines Lächeln erschien, wenn auch nur für Momente. Er war niemandem gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet über das, was er tat oder entschied. Unfrieden hätte er auch nicht geduldet.
    Das vollkommen wertfreie Ansprechen der neuen Schwester veranlasste ihn jedoch dazu, sich entgegenkommend zu zeigen.


    "Wie kommst du mit der Situation zurecht, eine neue Schwester zu haben?", fragte er daher mit Interesse.

  • Epicharis hörte ihrem Vater interessiert zu. Normalerweise interessierte sie Politik nicht sonderlich, aber hier ging es nicht um irgendjemanden, sondern um die Familie und noch dazu um ihren Vater. Sie wusste, dass er bereits einmal Rom als Magistrat gedient und seine Sache gut gemacht hatte, und wie er selbst sagte, würde eine erneute Amtszeit im Cursus Honorum sowohl seine Möglichkeiten in der Legion als auch das Ansehen der Familie mehren, dessen war sich Epicharis vollkommen sicher. Es war als seine Tochter natürlich auch ihre Pflicht, ihn zu Unterstützen, aber sie tat das nicht nur wegen der engen Blutsverwandschaft, sondern auch, weil selbst sie als Nicht-Politik-Interessierte den Sinn hinter diesen Aktivitäten erkannte. Als er ihrer Meinung nach mit leichtem Unwillen von der möglichen Versetzung in eine andere Provinz sprach, lächelte sie und knüpfte an seine Worte an:


    "...oder aber in der Prima bleiben oder nach Rom versetzt werden. Ich bin mir sicher, dass nicht nur Prisca sich sehr freuen würde. Ich bin mir sicher, dass du jeden Posten, den dir der Imperator zuteilt, mit bestem Wissen und Gewissen bekleiden wirst. Du bist ein Claudier", sagte sie, als erklärte das schon alles, dabei war sie keineswegs arrogant oder hochmütig, sondern lediglich stolz auf das, was ihr Vater und andere nenneswerte claudische Vorfahren bereits für die Gens geleistet hatten. Einen Großteil hatte sie natürlich nicht selbst erlebt, sondern aus Schriften oder durch Erzählungen erfahren. Epicharis erinnerte sich noch gut daran, wie die Tante aus Hispania immer am Kaminfeuer gesessen und erzählt hatte, wenn sie zu Besuch gekommen war. Kurz schlich sich das Bild von der erkrankten Tante in ihren Kopf, und wie sie schließlich an ihrer Krankheit gestorben war, dann wandte sie sich wieder der Unterhaltung zu. Es verwunderte sie schon etwas, dass ihr Vater ihr damit quasi gleich zwei Haushalte so gut wie überlies, denn so interpretierte sie seine Worte.


    "Ich bin mir sicher, dass Marcellus und auch Iulianus ein Auge auf das römische Anwesen haben werden, aber ich werde gern helfen, so gut ich kann. Was genau meinst du mit der Vermögensverwaltung? Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal, welche Betriebe und Geschäfte die Claudia alle besitzt...", sagte Epicharis und trank einen Schluck Falerner.
    "Ja, Vater. Ich hatte überlegt, vielleicht Vestalin zu werden. Was sagst du dazu, würdest du das gestatten? Immerhin würde mir nicht mehr möglich sein, Nachkommen claudischen Blutes großzuziehen."


    Ein aufmerksamer Blick streifte Vesuvianus bei dieser Frage. Epicharis war sich selbst noch nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Als kleines Mädchen hatte sie bereits alles daran gesetzt, den Jungen die Köpfe zu verdrehen und vielleicht tat sie das heute noch, auch wenn sie es nicht mehr provozierte. Aber Vestalin zu sein, bedeutete auch, sich nicht zu binden und jungfräulich zu bleiben. In ihre Gedanken hinein sprach Vesuvianus Deandra an.


    "Ich war...naja, um ehrlich zu sein, habe ich mich etwas überrumpelt gefühlt, als ich in Mantua ankam, ihre Sklavin mir die Tür geöffnet hat und etwas von ihrer Herrin erzählte, die adoptiert worden sei... Das kam etwas überraschend für mich, zumal ich es von einer Sklavin erfahren habe. Ich habe mich frisch gemacht und sie dann getroffen. Sie ist nett und ich denke, wir werden viel zusammen unternehmen können. Aber...eine Frage brennt mir auf der Zunge, Vater. Warum hast du sie adoptiert?" fragte sie ihn ohne Vorwurf in der Stimme, sondern lediglich aus Neugier, was ihrem Gesichtsausdruck auch durchaus zu entnehmen war.


    "Ich hielt es für unpassend, Deandra selbst diese Frage zu stellen."

  • Nach Rom versetzt zu werden … Für den ehrgeizigen Claudier war das keineswegs erstrebenswert - vertrat er doch, wie andere Offiziere aus der Prima, die Auffassung, die Stadteinheiten seien von geringer Qualität. Er hatte nicht einmal Interesse daran, zu den Prätorianern versetzt zu werden, geschweige denn zu den anderen Einheiten. Einzig Rom bot dann Vorteile gegenüber anderen Provinzen, aber es war müßig über solcherlei Dinge nachzudenken, so lange er noch in der Prima dienen durfte. Zudem nahm Vesuvianus an, dass Epicharis sich keineswegs für solche Details interessieren würde - er besprach derlei Angelegenheiten bevorzugt mit anderen Offizieren. Daher ging er auf dieses Thema nicht mehr ein.


    Also suchte er sich eine bequemere Stellung und folgte wieder den Ausführungen seiner Tochter.


    "Mir ist nicht bekannt, dass die Villa zu Rom wieder häufiger bewohnt ist. Iulianus war lange Zeit in Germania und wo sich Marcellus aufgehalten hatte, weiß ich nicht zu sagen. Jedenfalls stand die Villa lange Monate annähernd leer. Sollte sich das geändert haben, ist meine Sorge unbegründet. Aber was die Vermögensverwaltung betrifft … nun, ich besitze etliche Ländereien, die verwaltet werden wollen, wofür ich zwar Angestellte habe, aber nichts geht über die eigene Kontrolle. Geschäfte und Betriebe besitzen wir freilich nicht. Wir sind Patrizier, Epicharis, keine Händler. Wir besitzen Grund und Boden und erzeugen Früchte des Bodens, der Reben, der Bäume. Du weißt schon."


    Claudius griff erneut zu seinem Becher, betrachtete aber seine Tochter dabei. Eigentlich war er sich sicher, dass ihr insgesamt bewusst war, was sich für einen Patrizier schickte und was nicht. Er legte auf jeden Fall sehr viel Wert darauf, angemessen zu leben und die Familie angemessen zu führen. Dass er sich darin von der Masse Roms abhob, war nicht nur gewollt, es war praktisch Pflicht. Ihre Überlegungen, in Bezug auf den Dienst an Vesta, bestätigten ihn darin.


    "Selbstverständlich würde ich dir den Dienst als Vestalin gestatten", sagte er daher mit voller Überzeugung und stellte den Becher wieder ab. "Vesta zu dienen, stellt für jede junge Frau aus gutem Hause eine Ehre dar. Allerdings müsstest du dich in Bälde entscheiden, denn du bist auch bereits im heiratsfähigem Alter und es ist mehr oder weniger Zufall, dass ich noch keine Vorsorge für dich getroffen habe."


    Es war eine Nachlässigkeit, die sich Vesuvianus eingestehen musste. Es sollte sich einiges in Zukunft ändern, das nahm er sich vor. Ihren Worten über Deandra folgte er zunächst wieder schweigend. Auch überlegte er sich Augenblicke lang, ob er auf ihre Frage nach dem Grund antworten sollte. Vermutlich hätte niemand aus der Familie eine Antwort erhalten, denn der Patrizier lehnte es ab, sich erklären zu müssen, aber er sprach hier mit seiner Tochter, weswegen er gewillt war, eine Ausnahme zu machen.


    "Deandra ist die Tochter eines langjährigen Kameraden gewesen. Nicht irgendeinem, sondern eines Aureliers, von denen ich zwei zu meinen engsten Freunden zähle. Es bestehen romantische Bande zu einem Familienmitglied, was vielleicht noch von der Gesellschaft toleriert werden würde, aber in einem traditionellen Hause selbst ohne das Vorhandensein von Blutsbanden einfach nicht geht. Diese Beziehung ist durch die Adoption frei von jeglichem Makel geworden."

  • "Natürlich, Vater", sagte Epicharis und nickte gemächlich.
    "Ich fragte nur, weil auch Deandra einige Betriebe in die Familie mitbringt. Soweit ich weiß, leitet sie das Gestüt, das die Pferde für die Factio Aurata hervorbringt, und besitzt einen Töpfer. Deswegen dachte ich, dass auch die Claudia inzwischen Angestellte und Betriebe jener Art besitzen. In Spanien war das an der Tagesordnung."


    Sie warf ihm einen leicht zerknirschten Blick zu, denn sie wollte nicht, dass er ihre Frage als die einer Unwissenden abstempelte. Natürlich schickte es sich keinesfalls für Partritzier, selbst hinter der Ladentheke eines Bäckers zu stehen und...nein, der Gedanke war einfach zu absurd. Epicharis trank erneut einen Schluck Falerner und nahm sich etwas von dem gefüllten Weinblatt.


    "Du stellst es mir also frei, den Dienst im Vestatempel einer angemessenen Ehe vorzuziehen?" fragte sie überrascht. Sie hätte erwartet, dass ihr Vater zumindest eine Andeutung machen würde, was ihm persönlich besser gefiele. Natürlich war es eine Ehre und ein privileg für eine Patrizierin, das heilige Feuer der Vesta hüten zu dürfen, doch Epicharis war sich selbst nicht sicher, ob dies denn ihre Bestimmung war oder ob sie nicht besser ein angemessenes Ehebündnis einging. An die Liebe glaubte sie nicht, einmal zu oft hatte man ihr Geschichten von unglücklichen Frauen erzählt, die den Erwählten heiraten und ihr ganzes Leben lang eine Rolle spielen mussten, die nicht ihrem Genius entsprach. Epicharis schob die finsteren Gedanken fort und sah wieder zu Vesuvianus.


    "Vater, ich schätze dich sehr und würde gern deine Meinung dazu hören, ungeachtet dessen, was ich mir wünsche oder erträume", bat sie ihn und aß von dem gefüllten Weinblatt, das außerordentlich gut schmeckte. Den Ausführungen, Deandra betreffend, hörte Epicharis gespannt zu. Nun ergaben die Worte der Patrizierin einen Sinn, sprach sie doch selbst von 'besonderen' Gefühlen für Teile ihrer Familie.


    "Dann können wir in Bälde mit einem erneuten Umzug Deandras rechnen, wenn besagter Aurelier ihr den Hof macht, nicht? Denn ich nehme an, dass diese Beziehung deinen Segen haben wird. Ach wie schön!" freute sich Epicharis ehrlich. Es schien doch etwas wie Liebe zu geben, auch wenn Venus sie dabei übergangen zu haben schien. Vielleicht würde sie in wenigen Monaten als eine Schülerin im Vestatempel leben...

  • "Nein, die Claudia besitzt solche Betriebe nicht. Ich habe Deandra bereits nahe gelegt, sich von der Töpferei und dem Weinhandel zu trennen. Sie wird das auch tun, denn - wie sie sagt - sind die Betriebe nicht von ihr angeschafft, sondern geerbt worden, aber sie wird, und dem stimme ich zu, dies nicht an die große Glocke hängen. Die Betriebe gehen in Klientenhand oder werden unter der Hand veräußert."


    Das Weingut ging vollkommen in Ordnung, es konnte sogar ausgebaut werden.


    "Was dieses Gestüt anbetrifft … Da habe ich selbst eine ganze Weile überlegt. Letztlich habe ich mich dazu entschlossen, diesen Betrieb mitsamt Factio zu unterstützen - ich habe um Aufnahme ersucht. Die Leitung des Gestüts kann durch sie weiter erfolgen, der Betrieb selbst ist durch meine Factiozugehörigkeit abgesichert. Ich denke, das war das klügste."


    Claudius wollte nicht in den Themen springen und zog daher die Antwort auf Epicharis Frage nach der Zustimmung zur geplanten Verbindung Deandras vor, wenngleich er zunächst sichtlich in Gedanken versunken war und sich nachdenklich die Stirn rieb. Schließlich blickte er auf.


    "Die angestrebte Verbindung hätte ohne Zweifel meinen Segen, meine volle Zustimmung, aber ich hege Bedenken, dass alles so reibungslos läuft, wie du es dir gerade vorgestellt hast und wie es sich Deandra erhofft. Und nein, ich werde mich nicht näher dazu äußern", beugte Vesuvianus einer Nachfrage sogleich vor. "Kommen wir lieber zu dir."


    Der Patrizier stützte wiederum sein Kinn in die Hand und wirkte nachdenklich. Zwar lagen die Dinge bei Epicharis wesentlich einfacher, aber die zu treffende Entscheidung hatte erhebliche Auswirkungen.


    "Ich habe keinen Sohn, wie du weißt", begann er. "Zumindest keinen mir bekannten und ob ich noch einen anerkennen werde, wissen die Götter, aber nicht wir Menschen. Du bist meine älteste Tochter. Da liegt der Gedanke nahe, dass du den Erben der Familie schenkst. In deinem Fall neige ich mehr zu einer standesgemäßen Vermählung als zum ehrbaren Dienst an Vesta."

  • Das ergab natürlich einen Sinn, dachte Epicharis bei sich und aß den Rest ihres gefüllten Weinblattes. Nachdenklich drehte sie anschließend den Becher in ihrer Hand und sah auf die schimmernde Flüssigkeit darin hinab. Aufgrund der Erwähnung ihres vaters nahm sich Epicharis vor, in den Unterlagen zu schauen, wer derzeit eigentlich die Klienten der Familie waren, denn in ihrer Abwesenheit hatte sich ganz bestimmt einiges verändert. Dass Vesuvianus der Factio Aurata beitretenwürde, nahm sie ebenfalls mit Überraschung zur Kenntnis. Sie hatte ihren Vater als jemanden in Erinnerung, der jeglichen unnötigen Kontakt mit großen Menschenmassen vermied, die Anwesenheit bei Reden auf dem Forum Romanum einmal ausgenommen. Doch vielleicht hatte er über die Jahre hinweg eine andere Sicht der Dinge eingenommen, oder aber er würde sich zwar Sodalis der Factio nennen, doch aber eher im Hintergrund wirken. Etwas anderes würde seine Stellung beim Militär vermutlich auch nicht zulassen.


    Weil beide einen Moment ihren Gedanken nachhingen, entstand eine kleine Pause, in der nur die Sklaven behende hin und her huschten, um Hühnerknochen fortzuräumen oder Platten aufzufüllen, auf denen nurmehr ein oder zwei Bissen fehlten. Die verschwenderische Lebensart war - zumindest für Epicharis - zu etwas ganz Normalen geworden, sodass sie sich eher gewundert hätte, wenn man den Platz eines aufgegessenen Weinblattes nicht sogleich mit einem neuen besetzt hätte. Die Worte des Vesuvianus verwirrten seine Tochter mehr, als dass sie Aufschluss über seine Gedanken gaben, doch da er einer Frage gleich mit einer ablehnenden Antwort vorbeugte, zog Epicharis es vor, lediglich die Stirn fraglich zu runzeln, sonst aber nichts weiter zu fragen. Es schien so, als sei dies ihrem Vater auch recht, da er sogleich das Thema wechselte und auf Epicharis zu sprechen kam.


    Während er sprach, musste sie zu Boden blicken. Sie glaubte, einen Hauch von Stolz (oder war es Wehmut?) in seiner Stimme mitklingen zu hören. Als er geendet hatte, sah sie ihn nachdenklich an, nickte aber erst Momente später.
    "Dann werde ich mir deinen Rat zu Gemüte führen und darüber nachdenken, Vater", versprach sie.


    "Aber jetzt erzähle mir von den Dingen, die sich in meiner Abwesenheit ereignet haben. Wie geht es Onkel Vitulus? Und was machen Cunctator und Marcellus? Ich habe ihn leider nicht gesehen, obwohl er doch in Rom wohnt. die Zeit war vermutlich zu knapp. Und Antonia ist doch jetzt die Gemahlin von Flavius Gracchus! Ich hatte einen Brief zur Hochzeit geschickt, weil ich ja nicht fort konnte. Ich würde sie gern besuchen, wenn ich wieder in Rom bin, und fragen, wie es ihr so ergeht."

  • Während des geruhsamen Verzehrs von Hühnchenfleisch waren Vesuvianus' Gedanken zur Legion abgeschweift, erst bei der kurzen Bemerkung, seine Tochter wolle über ihre Zukunft nachdenken, blickte er wieder auf. Währe er nicht permanent im Lager gefordert, würde er vermutlich längst bei irgendwelchen Treffen unter den Adligen einen potentiellen Heiratskandidaten für Epicharis ausgesucht haben. So aber kannte er bestenfalls die infrage kommenden Familien auf dem Papier.
    Nachdenklich durchstreifte er die Offiziere der Prima, denn seine Legion besaß seit jeher einen überdurchschnittlich hohen Patrizieranteil. Der eine oder andere Mann kam ihm dabei in den Sinn, aber ihm blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn Epicharis ergriff erneut das Wort und blickte ihn alsdann erwartungsvoll an. Sie wollte Neuigkeiten erfahren, dabei eignete er sich höchst schlecht als Auskunftquelle, interessierte ihn doch zumeist keinerlei Tratsch. Selbst übliche Familienangelegenheiten gingen oft an ihm vorbei.


    "Tja, grob bin ich informiert, für die Feinheiten musst du andere befragen. Mein Bruder hat lange Zeit in der Prima gedient, ist dann aber aus dem Dienst geschieden. Vermutlich lag es daran, weil er unerlaubt abwesend war. Ich weiß es nicht genau, wollte da auch im Stab nicht nachfragen. Ich habe ihn lange nicht gesehen.
    Marcellus treffe ich auch nicht allzu häufig, weil er in Rom weilt. Er ist Magistrat zurzeit. Ihn würde ich gerne einmal wiedersehen, denn auf Antonias Hochzeit war er nicht zugegen und dieses Ereignis ist immerhin auch schon Monate her. Flavius Gracchus, ein integer Mann. Eine sehr gute Verbindung, die eingegangen wurde. Inzwischen kenne ich Gracchus sogar besser als meine Cousine. Wenn du etwas über die Hochzeit wissen möchtest, dann frage besser nicht mich."


    Vesuvianus setzte einen gespielt bittenden Blick auf, das waren wirklich keine Themen für ihn. Als er die Verwandtschaft durchforstete, kam er auf ein bereits zu Beginn angeschnittenes Thema zurück.


    "Du sagst, du hast Iulianus getroffen?"


    Blick und Tonfall zeigten deutlich an, dass Claudius der Antwort mit besonderem Interesse harrte.

  • Vitulus sollte suspendiert worden sein? Epicharis machte ein erstauntes Gesicht und sah ihren Vater an, als erwarte sie, dass er seinen schlechten Scherz zurücknahm. Sie hatte ihren Onkel stets für einen prinzipientreuen Mann gehalten. Dass er einfach dem Dienst fern blieb, konnte sie nicht nachvollziehen. Ihre Stirn legte sich in Falten, während Vesuvianus weitersprach.


    "Dann werde ich sehen, wie es Onkel Vitulus ergeht. Er lebt doch in Rom, nicht? Und Marcellus...ach, ich werde einfach alle besuchen. Das sollte ja nicht so schwer sein, wenn ich erst einmal wieder in Rom bin, immerhin ist es nur eine Villa. Früher oder später werden sie alle dort anzutreffen sein, und ich habe ja Zeit, es eilt ja nicht", sinnierte sie laut nach.


    Insgeheim nahm sie sich vor, Marcellus davon zu erzählen, dass Vater ihn gern wieder einmal treffen würde. Er konnte ja, wenn sein Amt es zuließ, mit ihr zusammen zurück nach Mantua reisen, denn dass Vesuvianus seinen Posten verließ, was nicht möglich, und von der Tätigkeit eines Magistrats wusste Epicharis herzlich wenig.


    "Dann werde ich Antonia besuchen. Ich wollte ihr ohnehin noch ein geschenk überreichen. Es ist zwar sehr spät, aber es kommt von Herzen und wird sie hoffentlich erfreuen. Es ist ein hispanisches Ludus Latrunculorum!"


    Die Claudierin wirkte begeistert, und das war sie in der Tat auch. Dieses Spiel zählte zu ihren Lieblingsspielen. Vermutlich war sie auch deswegen wirklich gut darin. Sie erinnerte sich noch gut daran, dass sie ihre Familie oft, sehr oft, mit diesem Spiel belagert hatte, so lange, bis sich endlich jemand erbarmt und mit ihr gespielt hatte. Was Epicharis nun allerdings auffiel, war die interessierte und beinahe gespannte Miene ihres Vaters, als er Iulianus ins Spiel brachte.


    "Ja", begann Epicharis daher etwas vorsichtig.
    "Ich fand ihn ganz nett. Wir haben zusammen zu Abend gegessen, zusammen mit Prisca. Er war manierlich und ein angenehmer Gesprächspartner."


    Gerade noch konnte sie die Frage unterdrücken, warum ihren Vater das so sehr interessierte. Wenn er es ihr sagen wollte, würde er das schon tun, auch ohne ihre Nachfrage. Nun war es Epicharis, die ihren Vater forschend ansah.

  • Vesuvianus war erleichtert, dass seine Tochter jenes Spiel verschenken und nicht mit ihm ausprobieren wollte. Zwar hatte der Tribun während seiner langen Dienstzeit die unterschiedlichen Brett- und Würfelspiele ausprobiert, aber in jungen Jahren die wenige Freizeit mit den Kameraden zu teilen war etwas anderes, als sich in nun schon gesetztem Alter, das die Annehmlichkeiten der Ruhe zu schätzen wusste, dem Elan der Jugend hingeben zu müssen. Die Ausdauer seiner Tochter in dieser Beziehung lag ihm noch in guter Erinnerung.


    "Sie wird sich sicherlich freuen", entgegnete er und stellte sich im Geiste bereits eine belustigte Frauenrunde vor.


    Das folgende Thema nahm wieder ganz sein Interesse ein: Iulianus. Zwar beschäftigte er sich mit dem Verzehr von Hühnchenschenkeln, hörte allerdings genau zu. Die Auskünfte jedoch waren bescheiden.


    "Über was habt ihr gesprochen?", fragte er daher nach, um sich ein besseres Bild machen zu können.

  • Epicharis hoffte natürlich auch, dass Antonia sich freuen würde. Wenn es sich irgendwie einrichten ließ, würde sie die Großcousine irgendwie dazu bringen, das Spiel gleich mit ihr auszuprobieren. Fürs erste aber sah sie ihren Vater an, wie er sich an Hühnerschenkeln gütlich tat und sie nebenbei nach Iulianus ausfragte. Die junge Claudierin antwortete nach einem kurzen Zögern, denn sie fragte sich, ob Iulianus irgendetwas angestellt hatte, womit er die Geringschätzung oder Missbilligung ihres Vaters auf sich gelenkt hatte.


    "Er erzählte von seinem Werdegang. Ich fragte ihn auch nach den Absichten, die er für die Zukunft hegt, aber hierauf hat er nicht konkret geantwortet. Als er von seiner Zeit als Pontifex sprach, hatte ich den Eindruck, er sei der Meinung, die Götter hätten sich gegen ihn gestellt. Ansonsten waren es eher Ansichten und Meinungen, die wir austauschten. Er entschuldigte sich bald darauf und ließ Prisca und mich allein."


    Kurz überlegte Epicharis, ob sie ebenfalls Priscas Entscheidung bezüglich des Dienstes als Priesterin erwähnen sollte, ließ es dann aber bleiben. Das war ganz die Sache ihrer Schwester und sie wollte ihr nichts vorwegnehmen. Prisca sollte es ihm selbst sagen können, sofern er es nicht ohnehin schon wusste. Weil die Oliven die Claudierin so derart einnehmend anlächelte, ließ sie eine zwischen ihren Lippen verschwinden und kaute bedächtig auf ihr herum.

  • Zitat

    Original von Claudia Epicharis
    "Als er von seiner Zeit als Pontifex sprach, hatte ich den Eindruck, er sei der Meinung, die Götter hätten sich gegen ihn gestellt."


    "Interessant!" Das war der einzige Kommentar, den Vesuvianus zu geben gedachte. Um dies auch seiner Tochter deutlich zu machen, wechselte er umgehend das Thema.


    "Es muss eine Fügung der Götter sein, die mir innerhalb kürzester Zeit gleich zwei Töchter nahe brachte: Du weilst wieder in Italia und Deandra ist in die Familie aufgenommen worden. Wir sollten dies als positives Zeichen werten und eine Feierlichkeit ins Auge fassen, zu der sich nicht nur der erweiterte Familienkreis - sofern er es sich einrichten kann - trifft, sondern auch Söhne aus guten Familien geladen werden. Das gäbe mir Gelegenheit, mich nach potentiellen Heiratskandidaten umzusehen."


    Vesuvianus gedachte keine lange Gedankenpause zu machen, nahm sich aber sehr wohl die Zeit, die folgenden Worte überlegt zu wählen.


    "Ich würde dir gern die Organisation in die Hände legen. Du kannst gänzlich eigenverantwortlich planen, aber eine Bitte habe ich: Spare bei den Einladungen die Tiberier aus. Die Ansichten und die Lebensweise dieser Patrizier lehne ich grundlegend ab. Wer Frauen den Weg in die Politik nicht nur ebnet, sondern dies auch öffentlich lebt und unterstützt, hat nach meiner Ansicht eine gesellschaftliche Ausgrenzung verdient. Tiberius Durus bildet da eine rühmliche Ausnahme, ihn würde ich in meinem Haus begrüßen wollen."


    Claudius senkte den Blick. Wer ihn kannte, wusste, dass dies ein Zeichen dafür war, dass er keine Diskussion um das Gesagte wünschte. Ein Wink brachte ihm die Schale mit Oliven näher, aus der es sich nun bediente.

  • So schnell, wie man die Seite eines Buches herumschlagen konnte, so schnell wechselte ihr Vater nun das Thema. Epicharis kannte das von ihm. Das tat er, wenn er nicht näher darauf eingehen wollte. Sie fand zwar, dass es eine recht rabiate Art und Weise war, dies zu verdeutlichen, akzeptierte den Einfluss des Militärs auf das Wesen ihres Vaters aber. Etwas anderes wäre ihr auch gar nicht übrig geblieben, bei näherer Betrachtung. Sie atmete tief durch und führte sich vor Augen, was diese Worte für Prisca, Deandra und sie bedeuteten. Vesuvianus hatte allem Anschein nach für mindestens zwei seiner drei Töchter Pläne im Auge, und Epicharis sollte nun helfen, diese Pläne zu präzisieren, indem sie ein Fest organisierte, zu dem neben der Familie auch alleinstehende Patrizier eingeladen werden sollten. Sie schwieg und spielte scheinbar gedankenverloren mit dem Weinbecher, ganz auf das Spiel ihrer Finger bedacht, und doch zugleich ihrem Vater konzentriert zuhörend. Dann schwieg er und sie hob den Kopf, um ihn zu betrachten. Er blickte sie nicht an, was für Epicharis erneut ein Zeichen war, dass diese Entscheidung unwiderruflich war. Sie überlegte eine Weile, dabei in den Becher starrend.


    "Wie viel Geld steht mir für den Einkauf zur Verfügung?" fragte sie schließlich. Sie konnte gut handeln und würde vermutlich weit unter dem Kontingent bleiben, das Vesuvianus ihr zur Verfügung stellen würde, trotzdem fragte sie besser, ehe sie mehr ausgab, als er eingeplant hatte.

    "Und für wann soll ich die Gäste laden?"

  • "Um ehrlich zu sein, habe ich mich nie um Einkäufe gekümmert", gab Vesuvianus grinsend zur Antwort. Er kannte die üblichen Marktpreise für Spiesen und Getränke der gehobenen Qualität nicht und vermutlich würde er sich in den Mengen komplett verkalkulieren. Er konnte früher einfache Soldatenverpflegung für eine Centurie, also 80 Mann, ordern. Der Tribun lachte bei dem Gedanken in sich hinein. "Um das Gelingen des Empfanges nicht zu gefährden, werde ich dir keine Mengen und keine Geldvorgaben machen", fügte er schließlich - noch immer grinsend - an. "Greif einfach auf meine Ersparnisse zurück und kaufe nach Gutdünken."


    Claudius überflog in Gedanken den Kreis an potentiellen Gästen. Da kam einiges zusammen, und weil er die Festlichkeit auch zur Steigerung des Einflusses und zum Knüpfen von nützlichen Beziehungen geben wollte, bot es sich an, den Kreis sogar zu erweitern.


    "Was den Zeitpunkt betrifft, müssen wir den Versand der Einladungen und die Anreise von Rom beziehungsweise Misenum berücksichtigen. Drei Wochen gehen da sicher ins Land. Als zusätzliche Gäste auf unserem Landgut möchte ich vereinzelte Personen in guter Stellung bzw. mit Einfluss laden. Da wäre mein Legatus - jemand anderer aus der Legion kommt nicht in Frage. Wohl aber mein ehemaliger Praefectus Aurelius Sophus. Hinzu kommt aus Mantua noch der zweite Duumvir Didius Albinius, der Aurelier ist ohnehin geladen. Auf den Comes verzichten wir bewusst. Der Praefect der Classis, Annaeus Florus, wohnhaft in Mantua, stationiert in Misenum wäre ein weiterer Gast, den ich gerne sehen würde. Der amtierende Consul …"


    Vesuvianus strich sich nachdenklich über die Stirn. Er versuchte sich, die einzelnen Senatoren ins Gedächtnis zu rufen. Die Frauen blieben dabei außenvor, so viel war klar.

  • Epicharis grinste nun verhalten. Kaufe nach Gutdünken.... Wenn sie das in die Tat umsetzte, war ihr Vater morgen ein armer Schlucker. Sie würde sich also ihm zuliebe doch auf das nötigste beschränken und die teuren Tuniken und Stolen, die Pallae und die Cabatinae und die ganzen Schminkutensilien sowie Haarschmuck, Ketten und Ohrringe weglassen, die soeben vor ihrem geistigen Auge erscheinen waren. Aber nur ihm zuliebe.


    Seiner Aufzählung lauschte sie mit doppelt gespitzten Ohren, beinhaltete sie doch direkte Anweisungen, die es nicht zu vergessen galt. So schnell folgten Namen auf Namen, dass sie sich bald eine Tabula wünschte, um nichts zu vergessen. Doch irgendwie bewerkstelligte Epicharis es, keinen Namen zu vergessen. Glerich nach dem Abendessen würde sie auf ihr Zimmer eilen und die Namen niederschreiben, um sie nicht durcheinander zu bringen. Schnell erkannte die Claudia, dass hinter der Aufzählung ein Muster lag. So kam es, dass sie außer einem verständigen Nicken selbst auch einen Namen beisteuern konnte.


    "Octavius Victor?" warf sie einen Namen in den Raum, weil sie wusste, dass er Senator war und die Cohortes Urbanae leitete. Vermutlich würde Vesuvianus ihn ebenfalls einladen wollen, sofern es da nicht etwas zwischen ihnen gab, was eine EInladung verbot. Ansonsten wusste Epicharis nicht viel anzufangen mit den Senatoren Roms. Natürlich hatte sie den ein oder anderen Namen gelesen, aber es interessierte sie nicht so sehr wie andere Dinge.


    "Und dein Legat, ist das nicht ein Decimus? Und soll ich die Würdenträger auf das Landgut laden? Was hieltest du vom KAL FEB DCCCLVII A.U.C. (1.2.2007/104 n.Chr.)?"

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