• "Ocatvius Victor", bestätigte Vesuvianus. Er nickte anerkennend und war erfreut, sich mit seiner ältesten Tochter gezielt unterhalten zu können. Woher sie diese Kenntnis hatte, fragte er sich nicht. ;) Er hatte bisher nicht den Eindruck gewonnen, Grenzen ziehen oder die Zügel straffen zu müssen.


    "Zur Gästeliste… Mein Legat ist Decimus Livianus, so viel vorab." Claudius schmunzelte, denn die nachfolgenden Einschränkungen waren humorvoll zu nehmen. "Mit Ausnahme des Tiberius Vitamalacus kannst du all die Senatoren laden, die noch unverheiratet und noch nicht im Greisenalter sind. Der Empfang folgt ja einem bestimmten Zweck."


    Vesuvianus blickte seine Tochter ernst an, konnte aber ein schalkhaftes Aufblitzen in den Augen nicht gänzlich verhindern.


    "Verlobungen sind natürlich auch zu beachten. Zusätzlich möchte ich, dass Senator Vinicius Hungaricus samt Gattin und Senator Aelius Quarto samt Gattin eine Einladung erhält. Bitte formuliere die Einladungen aber derart, dass sich die Frauen wirklich einzig als Gemahlin und keinesfalls als Senatorin eingeladen fühlen. Darauf lege ich Wert."


    Claudius strich sich über das Kinn, während er überlegte. Er kam jedoch zu dem Schluss, alle wichtigen Personen benannt zu haben. Dass auch die Familienmitglieder in Rom unterrichtet wurden, nahm er als selbstverständlich an.


    "Wenn du meinst, den vorgeschlagenen Termin halten zu können, dann setze die Festlichkeit auf unserem Landgut für diesen Tag an. Er erscheint mir allerdings etwas knapp. Vermutlich kommt es darauf an, wann die Einladungen herausgehen. Apropos Post. Falls du jemals den Cursus Publicus nutzen solltest, dann musst du kein Geld bezahlen. In Italia habe ich eine Wertkarte hinterlegt."


    Nach der langen Rede verspürte der Claudier Durst. Er ließ sich nachschenken und nahm einen großen Schluck.

  • Keine vorlobten Männer, keine verheirateten, machte sich Epicharis gedanklich eine Notiz. Zu den ganzen Namen kamen nun noch einige hinzu, dann vereinfachte Epicharis' Vater die ganze Angelegenheit, indem er kurzerhand alle Senatoren einlud, auf die seine Auswahlkriterien zutrafen, mit Ausnahme eines Mannes. Epicharis leerte ihren Becher und stellte ihn fort, wo man ihr sogleich nachschenkte. Sie dachte nach. Das würde eine Menge an Schreibkram erfordern. Auf Nordwin würde sie sich nicht verlassen können, der konnte gerade mal seinen eigenen Namen schreiben, sonst aber nichts. Vielleicht Aintzane. Ja, doch, das war eine Idee. Von dem, was Epicharis bisher mitbekommen hatte, war die Sklavin recht gescheit was Schrift und Sprache betraf. Im Grunde würde Epicharis nur eine Namensliste aufzusetzen haben, alles weitere konnte die Sklavin erledigen. Sie nickte zu sich selbst, wurde dann wieder ihres Vaters gewahr und schmunzelte ebenfalls.


    "Vielleicht sollte ich mich schrecklich ungehobelt geben auf dem Fest", stichelte sie augenscheinlich mit vollem Ernst zurück. Natürlich würde sie das nicht tun, denn sie wusste ja, was sich gehörte. Trotzdem sah sie den Feierlichkeiten mit einer gewissen Anspannung kennen. Vermutlich lernte sie dort ihren baldigen Ehemann kennen. Sie schüttelte den Gedanken ab und dachte an das Landgut.


    "Ich nehme an, das Gut muss noch hergerichtet werden. Ich werde das gleich morgen in Angriff nehmen und die Sklaven einkaufen schicken. Ich bin mir sicher, dass der Termin eingehalten werden kann. Das wird eine Herausforderung werden, der ich mich gern stelle. Ah, was die Einladungen betrifft, so willst du sie sicher selbst signieren. Gehe ich recht in der Annahme, dass du gleich morgen ins Castellum zurückkehren wirst? Dann würde ich dir Nordwin oder Assindius zum signieren schicken."

  • "Für den Fall, dass du dich schrecklich ungehobelt gibt, suche ich dir einen besonders alten Gemahl aus", erwiderte Claudius genauso ungerührt, brach aber kurz darauf in ein leises Lachen aus.


    "Ja, nimm die Organisation sämtlicher Vorbereitungen selbst in die Hand und überlasse nichts irgendwelchen Angestellten oder Verwaltern. Das Signieren der Einladungen muss im Castellum erfolgen, denn nicht erst morgen, sondern gleich nach dem Essen werde ich dorthin zurückkehren."


    Vielleicht würde ein Eheweib Vesuvianus länger gehalten haben, andererseits war er schon lange Jahre gewohnt, ein unabhängiges Leben zu führen. Das entsprach zwar nicht römischer Sitte, aber zumindest zeitweise den militärischen Gepflogenheiten.

  • Epicharis stimmte in das Lachen ihres Vaters mit ein und schüttelte schließlich den Kopf. Nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das tun würde. Das traute sie ihm nicht zu. Und trotzdem war da das unerklärliche Gefühl der Unsicherheit, doch sie spülte es zusammen mit einem Schluck aus ihrem Becher hinfort. Hunger hatte sie nun keinen mehr, das Abendessen war sehr nett verlaufen und wirklich köstlich gewesen. Sie nickte bestätigend.


    "In Ordnung, dann lasse ich dir die Pergamente zukommen", sagte sie und wirkte im nächsten Moment schon bedauernd überrascht.
    "Oh, heute abend schon?" Sie war sich sicher, dass er länger geblieben wäre, wenn ihre Mutter noch gelebt hätte. Vermutlich aber wäre Vesuvianus auch gar nicht erst zur Legion gegangen, überlegte sie bei sich. Ein tiefes Seufzen folgte, und darauf weitere Worte.
    "Dann will ich hoffen, dass ich dich demnächst häufiger sehen werde. Ich denke, ich werde gleich morgen aufs Gut fahren und dort nach dem Rechten sehen. Wirst du vor dem Fest noch einmal nach Hause kommen, Vater?"

  • Sim-Off:

    Du meinst vor übermorgen? Wohl eher nicht. :D


    Nachdem ein angenehmes Sättigungsgefühl eingetreten war, winkte Vesuvianus nach einem Sklaven, der bereits wusste, was der Tribun wünschte. Er tauchte seine Hände in das herbeigeschaffte feuchte Nass und befreite sie somit von den Fettrückständen des Abendmahls. Anschließend ließ er sie abtrocknen.


    "Ich bin es seit Jahren nicht mehr gewohnt, in bequemen Betten zu schlafen. Würde ich das einführen, käme ich wohl nicht mehr mit den Bedingungen im Lager zurecht. Und des Nachts benötigt eine erwachsene Tochter, wie du, den Vater nicht", fügte Vesuvianus schmunzelnd an. "Oder bist du da anderer Meinung?"


    Der Tribun erhob sich und streckte leicht, aber genussvoll die Glieder.


    "Es ist stets schwer, vorauszusagen, wann ich nach Hause kommen kann. Ist es dringlich, dann sende mir eine Nachricht. Ansonsten wird mein Erscheinen wohl in der Regel unangemeldet sein."

  • Sim-Off:

    :D


    Einer der Sklaven kam auch zu Epicharis, und sie tat es ihrem Vater gleich. Das Wasser enthielt einen Spritzer Zitronensaft, sodass man sich nach der Reinigung angenehm erfrischt fühlte. Seine Worte ließen sie kurz gedanklich in die Kindheit abdriften und sie sah, wie sie und Prisca geweint hatten, als Vesuvianus die Kinder bei der Amme zurück ließ. Damals hatte sie ihn mehr gebraucht alsheute, oder eher anders. Epicharis lächelte sanft und schüttelte den Kopf.


    "Nein, Vater. Dennoch ist es schade, dass du schon gehen musst. Doch ich fürchte, dass ich nichts daran ändern kann, also wünsche ich dir einen angenehmen, nun ja... "Heim"-Weg", sagte Epicharis und erhob sich ebenfalls.
    "Ich hoffe nur, dass wir uns nicht verpassen, solltest du unangemeldet nach Hause kommen. Der Abend war schön, das Essen gut. Ich danke dir dafür", sagte sie und trat zu Vesuvianus, um ihn zu umarmen, auch wenn er für das Essen eugentlich gar nichts konnte.

  • Nachdem er dafür Sorge getragen hatte, dass alles zu seiner eigenen Zufriedenheit und der seines abendlichen Gastes hergerichtet sein würde, ließ sich Claudius bereits im Triclinium nieder und vertrieb sich die Wartezeit mit der Lektüre eines Statusberichtes der Ersten. Das Abendessen mochte nicht so üppig ausfallen, wie es beim Bankett der Fall gewesen war, und doch würde es weitaus gehobener als das Legionsessen sein. Guter Wein war ebenfalls vorhanden, und Claudius gab einem Sklaven ohne aufzusehen den Wink, ihm einen Becher zu reichen, während seine Augen über das Pergament glitten.

  • Es gab selten Gelegenheiten, bei denen Marcus gerne einem Menschen hinter her lief. Doch wenn, dann mit Sicherheit einer Frau. Denn dies war Marcus nicht nur weniger unangenehm, sondern sogar im höchsten Maße vergnüglich. Bei jedem Schritt, den eine Frau- Frauen hatte eine unnachahmliche Art an sich zu laufen, wenngleich auch jede Frau anders schritt, schwebte oder tänzelte- besaß eine Anmut, die ein Mann niemals aufbringen konnte. Und das Schönste daran: Bei jedem Schritt hob und senkte sich das Gesäß munter, zeichnete sich sogar unter einer Sklaventunica immer mal wieder ab und so hatte Marcus einiges, was er während des kurzen Ganges ins triclinum betrachten konnte. Natürlich hatte die Sklavin vor ihm nicht das prachtvolle runde Gesäß einer Numibierin oder Nubierin, aber auch dieser konnte sich durchaus sehen lassen. So bemerkte erst im letzten Moment, daß sie bereits im Speiseraum waren, schnell wandte er den Blick von dem verlockenden Körperteil der serva- das einzige, was er wirklich an ihr anziehend fand- ab und trat auf Vesuvianus zu. Die Schriftrolle in dessen Hand ließ Marcus einen Moment zögern. Daß man sich auch noch nach der Arbeit mit Schriften beschäftigen wollte, das war Marcus völlig schleierhaft.


    „Salve, tribunus.“


    Nun, völlig mit den Beginn einer höflichen Konversation- Marcus hatte immer seine arge Mühe damit- beschäftigt, hatte Marcus kein Auge mehr für die Sklavin, verbannte sie vollends aus seinem Geist und seiner Aufmerksamkeit und nahm seine gesamte Kapazität dafür in Anspruch, sich die folgenden, wahrlich "geistreichen" und "inspirierenden"- nun gut, Marcus fiel schlicht nichts besseres ein- Worte zurecht zu legen. Es lag einfach vielleicht auch daran, daß die Worte, die sich ihm zuerst in den Sinn drängten, wohl kaum für den Hausherren geeignet waren wie: Solche hübschen Käfer, wie Deine Sklavin, könnten wir auch am Tor in der legio gebrauchen. Gerade als sich Marcus andere Worte dafür einfallen lassen wollte, platzte es ihm schon fast zur Gänze aus dem Mund.


    „Solche hübschen Käfer…ähm… [leichtes Husten]…wie mir scheint, hat sich Deine villa mit Leben gefüllt. Im Übrigen empfand ich das Bankett neulich sehr gelungen. Ich danke Dir für die Einladung dazu.“

  • Claudius sah auf, als sein Gast das Triclinium betrat, und legte unverzüglich seine Lektüre beiseite. Einem guten Gastgeber gleich erhob er sich und trat dem Centurio entgegen, um ihn ebenfalls zu begrüßen.


    "Salve, Flavius. Schön, dass du es einrichten konntest. Bitte nimm doch Platz", sagte er und wies auf eine der noch freien Liegen. Eine winzige Kopfbewegung reichte aus, um einen der Sklaven mit der Weinamphore vortreten zu lassen und dem Besucher einzuschenken, ein schlichtes Nicken in Richtung zweier weiterer Sklaven bewirkte, dass diese den Raum verließen, um das Essen aufzutragen.


    Er selbst nahm ebenfalls wieder Platz und registrierte etwas erstaunt die Erwähnung von Käfern. Kritisch betrachtete er Samira, die sich ob des Blickes schnell entschuldigte und sich in die Küche zurückzog. Vortrefflicherweise gab sein Gast ihm einen recht guten Einstieg vor, auf den Claudius nur noch reagieren musste.


    "Gern geschehen, es hat mich gleichermaßen erfreut, dass du der Einladung nachkommen konntest. Du hast übrigens ganz recht, die Villa wirkt noch lebendiger, seitdem Epicharis aus Spanien zurückgekommen ist. Du hast sie auf dem Bankett ja bereits kennen gelernt."


    Nur kurz wurde die Unterhaltung von den Sklaven unterbrochen, die nun die verschiedensten Dinge auf einer großen Platte auftrugen und je ein Gedeck vor Claudius und seinem Gast platzierten. Der Hausherr deutete mit einer Geste an, dass der Centurio sich nach Herzenslust bedienen konnte, und gab einem der Sklaven darauf deutend zu verstehen, was er auf seinem Teller wissen wollte. Als beide Männer versorgt waren, hob Claudius den Weinbecher.


    "Auf die Frauen", sagte er und trank einen tiefen Schluck.
    "Du wirst dich sicher fragen, welchem Umstand nach du es vierdient hast, erneut einen Abend mit mir verbringen zu müssen?" sagte Claudius und konnte ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.

  • Da dies doch ein vergleichsweise harmloser Versprecher für Marcus war, grämte er sich nicht sonderlich lange damit- was auch nicht sein Naturell schien, die mehr leichtfertig und schnell vergessend war. Darum neigte er andeutungsweise den Kopf auf die Begrüßung, lächelte leutselig und nahm auf einem der Klinen Platz, die ihm schon vortrefflich Konvenienz geboten hatte. Als er es sich bequem machte, grübelte Marcus einen Moment nach, wen denn Vesuvianus damit meinen könnte- Marcus hatte nun mal kein gutes Namensgedächtnis- bis es ihm justament erneut einfiel. Die junge Frau im Peristyl, mit der er sich einige Minuten unterhalten hatte. Und war es nicht auch die Frau, die Hannibal in ihrem letzten Streit erwähnt hatte? Doch, durchaus, wenn Hannibal ihm auch noch einige andere Namen genannt hatte. Aber gerade jener Name, jene Frau sollte sich Marcus wohl gut entsinnen. Oh doch! So war es. Epicharis, nicht Deandra, Marcus, merk Dir das!, so waren die Worte seines Sklaven gewesen. Nun, die evidenten Reminiszenzen vor Augen, nickte Marcus.


    „In der Tat, Deine Tochter, ist das nicht so? Eine doch aufgeweckte junge Frau. Ich muss zugeben, sie erinnert mich darin auch an meine eigene Tochter.“


    Marcus lächelte, wenngleich die Sorge um sein eigenes Kind ihn immer noch in seiner Stimmung zu trüben vermochte. Aber nur für einige Herzschläge, denn heute war er zu sehr in einer konzilianten Gemütslage. Marcus ohnehin doch gute Laune stieg um einiges an, als er die gar köstlichen Speisen sah, von denen er sich auch reichlich und in hedonistischer Art reichen ließ, ebenso einen Becher mit Wein, um ebenfalls anzustoßen.


    „Oh, fürwahr. Auf jene lieblichen Geschöpfe, die uns das Leben in jeder Art versüßen können. Besonders auf Töchter. Mögen unsere Schätze immer gut bewahrt sein.“


    So weit, so gut, noch war es unverfänglich. Marcus hob kurz den Becher, beinahe wäre noch alles gut gegangen, aber nur beinahe, denn es fiel hm noch ein weiterer Trinkspruch ein. Und es war nun mal niemand da, der ihm rechtzeitig mit dem Ellbogen einen Stoß verpassen konnte.


    „Auf Ehefrauen, mögen wir von ihnen verschont bleiben, und auf die Mätressen. Mögen sie sich nie begegnen.“


    Wäre jetzt Hannibal hinter Marcus gestanden, er hätte wohl einen heftigen Hustenanfall bekommen. Hätte schon alle Hoffnungen für ein gutes Gelingen dieser Angelegenheit, die Marcus' Mutter so wichtig war, für ruiniert erachtet. Noch nicht mal ein Schluck Wein getrunken und Marcus war in ein Fettnäpfchen getreten, was seines gleichen suchte. Doch wie es auch in jenem Fall Marcus Wesen entsprach: er merkte es noch nicht einmal! Darum lachte er nur ausgelassen und sein kollerndes Lachen, tief und volltönend, füllte den Raum. Als er tief Luft holte, versuchte sich Marcus zu entsinnen, von wem er den Spruch gehört hatte. Ah, es war Faustus, der die Patriziervilla an der Purpurbucht besaß und stets grandiose und fulminante Gastmähler veranstaltete. Im höchsten Maße amüsant hatte Marcus sie empfunden und sich einige Bonmots von ihm gemerkt. Verwirrt hob Marcus die Augenbraue und wusste nicht so recht, was Vesuvianus mit seiner letzten Frage meinte. Marcus war nun mal in Baiae aufgewachsen, für ihn zählten solche Runden, ob im Kleinen oder im größeren Rahmen, durchaus zur Normalität unter der Noblesse und dem alten Adel. Und da Marcus nun mal direkt war, schüttelte er nur den Kopf.


    „Nein, eigentlich nicht. Ähm…sollte ich das?“

  • Den Weinbecher noch in der Hand, bekam Claudius seinen gut gefüllten Teller gereicht. Mit einem Kopfnicken deutete er dem Sklaven an, jenen vor ihm abzustellen, während er selbst die Hand erhoben noch dem Flavier zuprostete und dessen Trinkspruch aufnahm. Sie hätten ihm ohne Zweifel zu einem gefälligen Übergang zu seiner eigentlichen Intention gereicht, aber bedauerlicherweise setzte sein Gast noch einen drauf und sprach nicht gerade mit wohlwollender Absicht von der Mehrheit der Ehefrauen. Dies war es auch, was Claudius dazu veranlasste, den Becher sodann sinken zu lassen, statt zu trinken. Jemand, der pikiert hüstelte, fehlte ihm in diesem Moment. Dennoch sprach Vesuvianus' Gesicht auch so Missfallen ausdrückende Bände.


    Aber, so beschloss er, hatte der Flavier sicherlich nur einen Scherz machen und die Ermangelung einer eigenen Ehefrau scherzhaft darstellen wollen. So trank er schließlich doch, auch wenn er das Lachen lediglich mit einem schiefen Grinsen erwiderte, ehe er den Becher fort stellte und sich dem Essen widmete. Er schlürfte eine Muschel aus und suchte sich bereits eine neue Köstlichkeit vom Teller, als er wie nebensächlich sprach.


    "Nun, ich nehme höchst selten nach dem Dienst eine Cena in meiner Villa ein, Flavius. Und noch seltener gebe ich Gastmähler, wenn nicht etwas Besonderes ansteht", erklärte er und blickte seinen Gast nun amüsiert an.
    "Amüsanterweise hast du den Grund für diese Einladung heute Abend bereits angeschnitten, vermutlich ohne es zu ahnen."


    Claudius machte eine effektvolle Pause, in der Aristides noch einmal die Zeit haben würde, nachzudenken, und tunkte etwas Brot in den Aufstrich, der sich klecksförmig auf dem Tellerrand befand. Kauend musterte er seinen Besucher, und als er den Bissen geschluckt hatte, sagte er:


    "Ich würde gern von dir wissen, wie du persönlich zu einer Verbindung der Flavier und der Claudier stehst."


    Ein durchaus interessierter Blick haftete auf dem Antlitz des Flaviers.

  • War Marcus einem Raum mit vielen anderen Gästen, riß- hier und da -den verkehrten Scherz und bekam als Echo nur ein halbherziges Lachen, nun, dann entging ihm meistens völlig, daß er als Einziges ehrlich lachte. Doch hier war es eklatant und offenkundig, so daß selbst Marcus’ Lachen nicht lange währte, hatte er doch sonst die Gewohnheit lange und ausgiebig über ein vermeindliches eigenes Bonmot sich zu amüsieren. So erstarb Marcus Lachen doch recht schnell und unwillkürlich fasste er sich an den Nacken, in einer ratlosen Geste, ob er denn mal wieder etwas Falsches von sich gegeben hat- Marcus wußte durchaus um seine Schwäche manchmal etwas zu ungeschliffen die Worte zu setzen. Schnell suchte Marcus die Flucht in einigen Schlücken Wein, die das ungute Gefühl in ihm, etwas verpatzt zu haben- in seiner ganz eigenen Art- wieder nahmen und unbefangener den Worten seines Gastgebers lauschen ließ. Marcus nickte begreifend- er verstand zwar nicht ganz, denn seine gesellige Natur liebte lustige Abendrunden oder größere gesellschaftliche Anlässe- aber er hatte so manch einen Verwandten, dem es ähnlich erging und so konnte Marcus da durchaus Verständnis für aufbringen.


    „In der Tat, Mantua hat auch ein ganz anderes Flair als meine Heimatstadt beispielsweise. Dort war es eher ungewöhnlich, wenn ein Patrizier nicht jeden Abend eine Gesellschaft bei sich hofierte. Das kann mit der Zeit durchaus ermüdend werden.“


    Subtilitäten waren nichts, was Marcus ins Auge sprang oder sich ihm deutlich offenbarten. Sie entgingen ihm genauso, wie das Fehlen von Resonanz auf seine mehr oder minder humoristischen Höhepunkte. Darum nutzte Marcus die Pause, um von den Speisen zu kosten, genoss das zart gebratene Fleisch auf seiner Zunge und hatte den kleinen peinlichen Vorfall schon fast wieder vergessen- jedoch nicht für lange. Marcus brauchte dann auch einen Moment- einen doch etwas längeren Augenblick- um die Frage von Vesuvianus zu verstehen. Erst als er das Stück Fleisch herunter geschluckt hatte, erkannte er den Sinn der Frage. Und wenn Marcus ’Scharfsinn’ bewies, dann wohl nun. Mit einem Mal ging ihm die verpasste Pointe vollends auf und sein Faux Pas wurde ihm überdeutlich. Abermals suchte Marcus die Flucht im herben Traubensaft und in seinem Kopf arbeitete es ’schnell’. Worauf wollte Vesuvianus wohl hinaus? Was sollte er- Marcus Flavius Aristides- in dieser Hinsicht noch einmal tun? Ah, Epicharis, nicht Deandra, Marcus. Doch nun kam in Marcus der Verdacht auf: Vielleicht wollte Vesuvianus mit ihm gleich ziehen, hatte von Marcus Tochter erfahren und wollte sie ehelichen? Oder ging es um Minervina? Leontia? Nachdem Marcus getrunken hatte, überlegte er noch einen Herzschlag, ob er sich nicht vielleicht noch für den Ausspruch entschuldigen sollte. Aber dafür war es nun zu spät und es würde nur noch mal den peinlichen Moment hervorbringen.


    „Ehrlich gesagt, kann ich mir keine bessere Verbindung vorstellen als zwischen unseren beiden Familien. Wir sind beide altehrwürdige gentes, haben einen guten Ruf und außerdem hat die Verbindung von meinem Vetter mit einer Verwandten von Dir das sicherlich auch schon bekundet.“


    Marcus merkte, jetzt mußte er all seine Kapazitäten zusammen kratzen. Denn es ging wohl hier um ein Thema, was an Wichtigkeit seines Gleichen suchte: Die Ehe. Und darin war Marcus nur schwerlich versiert, hatte mehr traumatische Erfahrungen in seinem Leben damit gemacht. Aber was nun? Ins Feld vorpreschen oder lieber im Graben abwarten, was auf der anderen Seite geplant war? Marcus war sich unschlüssig, wollte aber nicht eine zu lange Pause entstehen lassen.


    “Was für ein Zufall, mir kam kürzlich ebenfalls ein solcher Gedanke. Aber schwebt Dir etwas Bestimmtes vor Augen, Claudius?“

  • Dass jemand das gegenwärtige Stadtgeschehen als 'ganz anderes Flair" bezeichnete, ließ Claudius schmunzeln. In Rom hörte man stets, dass ein Leben auf dem Land nicht mit dem Leben in der Stadt zu vergleichen war. Claudius allerdings zog es vor, fern von Eile und Gestank zu leben. Dies war neben dem Dienst in der Legion einer der Gründe, aus dem er relativ selten in Rom anzutreffen und lediglich zu den Sitzungen der Curie dort anwesend war. Er führte sich ein weiteres Stück Fleisch zu Gemüte und schloss nach den Worten des Flaviers darauf, dass dieser es duchaus gewohnt war, häufig gesellschaftlichen Aktivitäten beizuwohnen und diese vielleicht sogar vermisste. Täuschte Claudius sich oder fiel seinem Gast wirklich erst jetzt auf, dass sein Trinkspruch nicht unbedingt zur Erheiterung des Abend beigetragen hatte? Er selbst jedenfalls hatte sich dazu entschieden, darüber hinweg zu sehen, weswegen er guter Dinge weiter aß. Erst bei dessen aufrichtigen Worten eine mögliche Verbindung der Gentes betreffend hielt er für einen Moment inne und sah auf. Noch blieb abzuwarten, ob aus der Verbindung ein ansehnlicher Erbe hervorgehen würde, doch Claudius zweifelte nicht daran.


    "Wahre Worte, die du da sprichst, Flavius. Was mir vorschwebt will ich dir gern verraten. Ich suche schon seit geraumer Zeit nach einem Ehemann für Epicharis. Du kannst dir sicherlich denken, dass ich sie in guten Händen wissen will, und dass natürlich nur eine Gens in Frage kommt, die sich im Reich verdient gemacht und die gleichen Ansichten wie wir vertritt. Nun, die Wahl ist auf die Flavia gefallen, und ich präferiere dich selbst, Flavius Aristides."


    Nach einem Schluck Wein sah Claudius den Flavier wieder abwartend an. An dessen Entscheidung hing es nun. Sicherlich würden beide Familien Nutzen aus der Vermählung ziehen. Ob sie ihm bekannt waren? Sicherlich. Nicht nur bei der Wahl konnte man sich unterstützen, sondern auch bei vielen anderen Dingen.


    "Was sagst du?"

  • Mit einem derartigen Anliegen hätte Marcus nicht im Traum gerechnet. Denn im Grunde seines Herzens hielt sich Marcus selber für den Schrecken einer jeden zukünftigen Schwiegermutter oder eines Vaters einer unverheirateten Tochter. Doch wie Marcus vor Augen geführt wurde, schien sein eigener Eindruck über sich selber zu täuschen. Eben noch kaute Marcus auf dem wundervoll gewürztem Stück Fleisch, wartete gespannt auf Vesuvianus Eröffnung, was er mit seinen Worten andeuten wollte, und im nächsten Moment war Marcus einfach nur sprachlos und hätte sich fast an dem Stück Fleisch verschluckt.


    Der immer noch flinke Teil seines Geistes- er hatte noch kaum Wein zu sich genommen und war heute viel an der frischen Luft gewesen, weswegen er wohl diese Klarheit in dem Moment besaß- registrierte sofort, daß dies seiner Mutter wohl mehr als genehm wäre. Denn wie Marcus vor wenigen Tagen erfahren hatte, war die Auswahl schon längst getroffen worden in Baiae. Seine Mutter- der gegenüber er niemals schlechte Gedanken hegen konnte- hatte wohl mehrere Dossiers über die möglichen, zukünftigen Ehefrauen für ihn- Marcus Flavius Aristides- zusammengestellt. Die Damen in Baiae waren geprüft worden und als verzogene Dummchen betitelt worden, ebenso hatten so manch andere Patrizierinnen den Stempel der „Untauglichkeit“ erhalten. Et Finis: Nur eine einzigen Frau, mit der sich seine Mutter zufrieden stellen konnte, war als Auswahl Marcus vorgeführt worden. Sogar Leontia hatte ihre Finger im Spiel gehabt, wie Marcus kürzlich erfahren hatte. Ausführliche Briefe wurden zwischen ihr und seiner Mutter gewechselt und Marcus hatte das Gefühl von einer riesigen deus ex maschina Apparatur auf der Bühne wie ein kleines unbedeutendes Figürchen gelenkt zu werden. Ihn hätte es nicht verwundert, wenn die cena auch durch irgendwelche Spielchen seiner Mutter zustande gekommen wäre, wenn er auch nicht glaubte, daß seine Mutter und Vesuvianus sich kannten- doch man konnte nie wissen.


    Aber was nun sagen? Eigentlich hatte Marcus auch das Thema ansprechen wollen. Freilich erst nach dem Essen. Denn Marcus hatte fest damit gerechnet, darauf gesetzt, daß Vesuvianus ein ähnliches Bild von ihm hatte, wie Marcus es pflegte und kultivierte- das eines leichtsinnigen Hedonisten. Er hatte damit gerechnet, ein höhnisches Lachen zu erhalten, am Kragen gepackt zu werden und mit einem Fußtritt aus der villa befördert zu werden. So, wie er es selber mit dem Prätorianerpräfekten gemacht hatte- mal von dem Fußtritt abgesehen, den hatte sich Marcus gespart, wenngleich er es heute immer noch bereut, diesen nicht angeschlossen zu haben an die Absage. Marcus wußte, ein falsches Wort jetzt und seine Mutter würde ihm das Leben zur Hölle machen- indem sie ihn mit ihrer Enttäuschung strafte. Nur weniger als ein Dutzend Herzschläge waren vergangen, in denen die Gedanken Schlag auf Schlag in Marcus Geist drangen und ihn schier überforderten.


    „Daß Du Deine Tochter in guten Händen wissen willst, ja das verstehe ich in der Tat sehr gut. Ich habe ebenfalls eine Tochter, die nur ein Deut jünger zu sein scheint.“


    Marcus nickte und ließ sich von dem Grauen namens: Ehe nichts anmerken, obwohl ihn das Gefühl schier überwältigte. Im Gegenteil, er lächelte sogar dabei. In jenem Moment hatte Marcus wahrlich das Gefühl, ein andere Mann schlüpfte in seinen Körper und er würde daneben sitzen, alles ungläubig anschauend, während sich der andere Marcus ganz anders zu seiner Gefühlslage benahm.


    „Was ich dazu sage? Es wäre mir eine Ehre, Claudius, wenn Du mir Deine Tochter in dieser Art übergeben wolltest.“


    Hatte er das gerade gesagt? Erneut besah Marcus sich selbst von Außen, während sein alter ego lächelte und die Worte aussprach, die Marcus nicht über die Lippen gebracht hätte, wenngleich ihm die junge Epicharis nicht missfallen hatte oder er sie für ein patrizische, weibliche Scheußlichkeit hielt, im Gegenteil. Aber damit hieß es: Schluss mit den wilden und freien Jahren, abermals.

  • Nun gut, das war sehr direkt gewesen, aber Claudius war noch nie ein Mann großer Worte um das eigentliche Anliegen herum gewesen. Im ersten Moment hatte der Tribun Zweifel daran, ob sein forsches Vorgehen den Centurio nicht vielleicht überforderte, doch nach einer gewissen Bedenkzeit äußerte sich der Flavier durchaus interessiert an der Angelegenheit, wenn auch überrascht. Sollte er in eine Bindung zu Epicharis einwilligen, würde Claudius keinesfalls klagen müssen was die Ehemänner seiner beiden Töchter anbelangte, denn dass aus Aurelius Corvinus und Flavius Aristides dereinst einflussreiche Männer im Reich werden würden, das ahnte er bereits. Und gerade, als er den Weinbecher an die Lippen hob, kam ihm der Gedanke, seinem langjährigen Waffenkameraden Aurelius Sophus seine jüngste Tochter Prisca anzuvertrauen, sollte sich dieser entrüstet über das Corvinus’ gegebene Versprechen zeigen. Das war ein guter Plan, und Claudius trank inspiriert einen Schluck des guten italischen Tropfens.


    Epicharis würde vermutlich einiges an Willensstärke beweisen müssen, wie Claudius den Worten bezüglich der Tochter seines Gastes entnahm, waren sie doch gleichaltrig und somit mehr Freundinnen denn Stiefmutter und Tochter, aber er zweifelte nicht daran, dass die traditionell und pflichtbewusst erzogene Epicharis diese Sache nicht ebenso gut meistern würde wie ihren Aufenthalt zur Genesung der Tante in Tarraco. Nun, vielleicht sollte er besser einen anderen Vergleich wählen, schmunzelte er amüsiert, war doch die entfernte Tante trotz der Pflege eingegangen wie eine wählerische Pflanze unter der Erdrosselung von Unkraut. Die Vorstellung, Epicharis könnte den gleichen Effekt auf Aristides haben, kam Claudius nur kurz in den Sinn und er grinste flüchtig.


    Claudius griff nach einem frischen Stück Brot, tunkte es in die Fleischbrühe, die das Wildschwein auf seinem Teller zurückgelassen hatte, und aß es genüsslich.


    “Diese Absicht habe ich, Flavius. Und es freut mich, dass du nicht abgeneigt von meinem Vorschlag bist. Epicharis weiß noch nichts von meiner getroffenen Entscheidung, weder dass ich sie getroffen habe, noch zugunsten wessen ich sie traf. Ich gestatte dir, sie zu umwerben. Derzeitig residiert sie in Rom, bei ihrer Schwester und ihren Onkeln.“


    Claudius blickte vom Teller auf und musterte den Flavier eingehend. Ihm waren ohnehin schon Dinge zu Ohren gekommen, eine Sklavin betreffend, doch wollte er das Thema nicht selbst anschneiden und schwieg daher vorerst, um die Reaktionen des Flaviers und seine Worte vollkommen aufnehmen zu können.

  • Eigentlich hätte Marcus das Ganze vielleicht auf den Magen schlagen können, doch nun zeigte sich seine natürlich Reaktion auf die- ihn völlig überfordernden- Umstände und all die überraschenden Wendungen an diesem Abend: Sein Appetit wurde noch größer. Mehr mechanisch, denn bewußt ergriff er ein Stück von dem Fleisch und aß es, ließ den salzigen Geschmack nach garum, dem mondialen Würzmittel, auf seiner Zunge zergehen und lauschte abermals aufmerksam- so sehr sich Marcus auch mit dem Tohuwabohu seiner Gedankenstrudel konzentrieren konnte. Dabei war Marcus mehr ein Mann, der sich nicht zu sehr in Grübeleien stürzte, mehr die Ereignisse auf sich zukommen ließ, doch in jenem Raum, mit gerade dieser Materie konnte auch Marcus nicht anders.


    Die Lichter des triclinum spiegelten sich auf den edlen Metallplatten wieder, reflektierten aber auch in Marcus braunen Augen als er einige Herzschläge sinnend auf den Teller sah. Doch von dem hypnotischen Blickfang- der geradezu einlud den Gedanken nachzuhängen- sich lösend nickte Marcus andeutungsweise und lehnte sich scheinbar gemütlicher auf der Kline zurück, wenngleich er nur einer aufkommenden Rastlosigkeit nachgeben musste, wenigstens in dieser kleinen Geste. Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden, hätte erst mal einige Schritte an der frischen Luft getan um all jenen lästige Gedanken- allesamt- aus seinem Kopf zu vertreiben und wieder die Einfachheit der sonstigen Tage in sich zu verspüren. Doch dem Drang sich anheim zu geben war nicht angebracht in dieser Situation und Marcus riß sich- ausnahmsweise mal- am Riemen. Schließlich hatte er schon genug heute im Fettnäpfchen herumgetreten, es schonungslos in den Boden gestampft.


    Nicht nur marginal irritiert, sondern ein wenig mehr als unerheblich verwirrt war Marcus dennoch, ob der Formalitäten oder dem Vorgehen. Aber andere Familien, andere Gebräuche und Gepflogenheiten wohl. So nickte Marcus- der Unfähigkeit halber, einen vernünftigen und einleuchtenden Satz zusammen zu bringen- und schwieg einen Moment, zögerte seine Antwort dadurch hinaus, daß er vortäuschte erst mal auf den Bissen noch einen Schluck Wein nehmen zu müssen, der ihm dann aber tatsächlich auch gut tat und seine Zunge doch etwas zu lockern vermochte- es schien sich schon ein Knoten in ihr gebildet zu haben.


    „Rom…ja, eine junge Frau fühlt sich sicherlich dort auch viel besser unterhalten. Nun, ich reise in den nächsten Tagen ohnedem in die Hauptstadt. Wegen der salii und auch der Militärakademie.“


    Merda, fluchte er innerlich. Letzteres hätte er besser nicht erwähnen sollen, er wollte schließlich von niemanden anschließend gefragt werden, ob er bestanden hatte - war jedoch schonungslos und gnadenlos durchgefallen.


    „Wenn ich das ansprechen darf? Welche Bedingungen und Formalitäten stellst Du Dir für diese Verbindung vor? Mal abgesehen davon, daß mich zum jetzigen Zeitpunkt noch der Dienst in der legio verpflichtet und bis zu meiner Entlassung- die ich natürlich früher als in mehr als einer Dekade nehmen werde, ganz gewiß- eine offizielle Verbindung noch nicht anstehen kann.“

  • Es dauerte eine geraume Weile, bis Claudius’ Gast auf seine Worte einging, denn vorerst tat er sich am Wein gütlich, und verursachte so eine kleine Pause im Gespräch der beiden Männer, die auch der Tribun nutzte, um den verbleibenden Klecks des würzigen Schafskäseaufstrichs mit dem Brot aufzunehmen und zu verzehren. Er spülte mit Wein nach und gab einem Sklaven einen kurzen Wink, ihm erneut etwas davon aufzutun, gerade als der Flavier erneut zu sprechen begann und Claudius interessiert dessen Worte vernahm.


    “Nun ja, sie pendelt auf eigenen Wunsch zwischen Rom und Mantua hin und her. Ich lasse sie gewähren weil ich weiß, wie wichtig ihr die Familie ist und ich selbst den familiären Zusammenhalt ebenfalls als wichtig erachte“, erklärte Vesuvianus und dachte dabei an Claudia Antonia, die er seit ihrer Hochzeit mit dem Sacerdos nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Doch ehe er seine Gedanken diesbezüglich noch weiter schleifen lassen konnte, sprach der Centurio von der Militärakademie. Claudius griff nach dem Weinbecher, hielt jedoch sogleich wieder inne und hob eine Braue.


    “Du willst die Akademie besuchen? Sehr löblich“, meinte er anerkennend und trank einen Schluck, ohne jedoch den Blick von seinem Gast zu nehmen. Etwas schien ihn zu bewegen, und als Claudius den Becher fortstellte, sprach Flavius auch, was es war. Er blickte den Flavier einige Sekunden lang durchdringend an, räusperte sich dann und sagte:
    “Ich würde gern wissen, welche Dinge du in der nahen Zukunft anstrebst, Flavius. Wirst du bei der Legion bleiben oder baldig in die Politik wechseln? Meine einzige Bedingung neben einer manusfreien Verbindung ist jene, nach einem Verlöbnis, das durchaus während der Militärzeit erfolgen könnte, nicht mehr als zwei Jahre ins Land streichen. Die Sitten erfordern es so, und ein Konkubinat ist nicht das, was ich für Epicharis anstrebe. Aber erzähle mir doch, wie du dir vorstellst, diese Sache umzusetzen.“

  • Das mit dem familiären Zusammenhalt leuchtete Marcus durchaus ein, im Gegenteil, er konnte es gänzlich verstehen, verspürte er doch auch oftmals die doch weite Distanz zu den übrigen Flaviern im Rom sehr deutlich. Und ganz besonders zu seinen eigenen Kindern. Immer wieder schwankte er selber dahingehend, seine Tochter und seinen Sohn auch nach Mantua zu holen. Dementsprechend zeugte auch Marcus Gesichtsausdruck von seinem Nachempfinden dieser Angelegenheit, er nickte unerheblich und stellte sicherheitshalber den Becher auf den Tisch zurück. Sicherlich war sein Dürsten nach dem roten Rebsaft nicht geringer geworden, aber erstmal übte er sich in einer Tugend, derer er nur selten frönte- die Zurückhaltung. Nachdenklich auf die berechtigten Fragen von Vesuvianus, er- Marcus- würde auch nicht anders vorgehen, zumindest würde er den Plänen des möglichen Zukünftigen seiner Tochter auch genau auf den Zahn fühlen, ging er mental seine weiteren Lebensintentionen durch. Und immerhin hatte Marcus eine Planung, das Gespräch mit seinem Vetter Gracchus war in dieser Hinsicht mehr als hilfreich gewesen, Marcus hatte fest vor seinen Ratschlag in die Tat umzusetzen. So brauchte Marcus diesbezüglich nicht zu zögern, sah Vesuvianus abermals direkt an- ging dabei nicht weiter auf die academia ein.


    „Die Zeiten haben sich nun mal verändert. Seitdem die Gesetze erneut in die alte Form gebracht wurden, die alten Traditionen nun praktiziert werden, sind solche wie wir- Patrizier- in den Mannschaftsgraden eigentlich fehl am Platz und eine ritterliche Laufbahn, als ritterlicher tribunus oder praefectus- sollte demnach für mich auch nicht mehr in Frage kommen. Dementsprechend bleibt mir natürlich das weite Feld der Politik übrig, in der ich mich gedenke zu tätigen. Sobald es mir möglich sein wird, alle Vorraussetzungen vorhanden und ich aus dem Dienst der legio entlassen werden kann. Natürlich vorzeitig.“


    Und da kam Marcus schon zum Hacken an der ganzen Angelegenheit, denn er konnte nicht wirklich voraussagen, wann der legatus ihn gehen lassen würde oder er seinen Dienst beenden würde. Denn in letzter Zeit mehrten sich die Gerüchte in der legio, eine gewisse Unruhe war eingetreten, manche behaupteten gar, daß sie in den Krieg- vielleicht Germania oder Dacia?- ziehen würden, andere wiederum, dass der Kaiser persönlich die legio aufsuchen wollte. Auch Marcus glaubte, daß etwas im Busch war, nach einigen der Reden von Plautius und anderen höheren Offizieren. Doch das war alles noch sehr ungreifbar und somit schwer in seinen zukünftigen Bestreben zu bedenken. So zögerte Marcus einige Herzschläge lang.


    „Nur leider weiß ich nicht, ob nicht noch Unwägbarkeiten meine Zeit in der legio etwas verlängern könnte entgegen meiner ursprünglichen Absicht. Und natürlich steht ein Konkubinat völlig außer Frage. Schließlich gebührt so etwas nicht Deiner Tochter.“


    Das war etwas, was Marcus wahrlich ohne ein Zögern sagen konnte. Schließlich hätte er das für seine eigene Tochter auch nicht geduldet. Und mit all dem im Hinterkopf- wohl wissend, was er selber erwarten würde- erlangte er auch langsam, aber deutlich seine Selbstsicherheit- der ganzen Angelegenheit gegenüber- zurück.


    „Da ich in den nächsten Tagen ohnehin nach Rom aufbrechen werde, trifft sich die ganze Angelegenheit doch sehr wohlfeil. Ich werde natürlich gerne, mit Deiner Erlaubnis bei Deiner Tochter vorstellig werden und sie umwerben. Dennoch wäre es für mich nützlich zu wissen, wie es Dir in dieser Hinsicht genehm wäre. Soll Deine Tochter von unserer Absprache bereits im Vorfeld erfahren oder möchtest Du sie lieber noch im Dunkeln darüber belassen?“

  • “Wie wahr““, entgegnete Claudius und nickte einige Male bestätigend. Er selbst hatte vor, aus eben diesem Grund um seine ehrenhafte Entlassung aus der Legion zu bitten. Das ritterliche Tribunat hielt ihn nicht dort, Claudius würde sich der Politik zuwenden und den Cursus Honorum beschreiten. Doch wollte er mit der Erwähnung dessen zunächst abwarten, ob es nicht wider Erwarten Schwierigkeiten bei der Entlassung geben würde, denn im Gegensatz zu seinem Gast würde er nicht nur den Legaten, sondern auch den Kaiser selbst aufsuchen und darum bitten müssen. Was Flavius Aristides zu seiner weiteren Zukunft zu sagen hatte, ließ Claudius erneut nicken. Er ging davon aus, dass es nicht allzu lange dauern würde, bis Flavius die nötigen Voraussetzungen würde erfüllen können, wie er es nannte. Wohl wusste auch der Tribun, dass es Unruhen in der Legion gab. Auch er kannte die Gerüchte, doch waren es keine wahren Worte, sondern eben nur Gerüchte, die kursierten.


    “Dann sind wir uns ja diesbezüglich einig, Flavius. Nun, ich halte dich für einen aufrechten Mann und gehe davon aus, dass du dein Wort halten und nicht unnötig lang auf der Stelle treten wirst. Darin sind wir uns gleich, denn auch mir ist diese Eigenschaft fremd“, sagte Claudius und nahm sich etwas vom zarten Gemüse, das er langsam auf der Zunge zergehen ließ.


    “Was Epicharis betrifft: Sie ist eine Frau mit scharfem Verstand. Bereits im Vorfeld ahnte sie den Grund, aus dem ich das Bankett veranstaltete. Sie wird vermutlich auch selbst darauf kommen, auf welchen Mann meine Wahl gefallen ist, sobald du an der Porta klopfst. Es wäre daher müßig, sie im Unklaren zu lassen, da sie es erahnen wird.“


    Claudius schmunzelte, als er an seine älteste leibliche Tochter dachte. Epicharis war schon immer ein gescheiter Kopf gewesen, daran war nicht zu rütteln. Und durch die Geste mit der geschenkten Sklavin hatte sich Flavius Aristides vermutlich ohnehin bereits selbst verraten, doch noch immer schwieg der Tribun sich darüber aus. Erneut sah er zu seinem Gast an diesem Abend, lächelte flüchtig und ergriff den Weinbecher erneut.


    “Ich zweifle nicht daran, dass dieses neuerliche Bündnis für unser beider Familien förderlich sein wird, Flavius. Da du einer Ehe zustimmst, würde ich gern mit dir über die Mitgift sprechen. Bevorzugst du Geld oder Grund und Boden?“ fragte Claudius und trank einen Schluck. Über den Rand seines Bechers hinweg sah er Flavius Aristides dabei an.

  • Die Zukunft! Das war sicherlich kein Thema, worüber sich Marcus gerne und ausgiebig unterhielt. Schließlich sehnte er sich nicht der Politik entgegen. Seinen Bruder Felix, seinen Vetter Gracchus, seinen Neffen Furianus oder auch seinen Ziehbruder Milo konnte sich Marcus als gewiefte Politiker vorstellen, wenngleich er sie noch nie auf dem Forum erlebt hatte. Aber sich selber? Marcus war gelinde gesagt skeptisch, vertraute jedoch darauf, daß sein Sklave das Gröbste schon zu richten wußte. So machte er sich- wie in den meisten Dingen- diesbezüglich auch nicht lange Gedanken, nickte zustimmend.


    „Aber natürlich, mir ist auch daran gelegen, nicht an Ort und Stelle in meinem Lebensweg zu verharren.“


    Besonders, da Roma, die wundervolle Stadt lockte. Zwischenzeitlich- da er den Worten von Vesuvianus lauschen konnte- widmete er sich abermals den köstlichen Speisen, suchte eine Auswahl zu treffen und ließ sich schließlich von der hauchdünn geschnittenen Geflügelbrust reichen. Kauend nickte Marcus erneut und wußte nicht so recht, ob er erfreut oder weniger begeistert von einer Frau mit einem scharfen Verstand war. Von seiner Mutter her war er es durchaus gewöhnt, daß eine Frau brillant war, sogar in Geistesangelegenheiten so manch einen Mann übertreffen konnte, und doch war Marcus sich seinen eigenen intellektuellen Grenzen nur allzu bewußt und fühlte sich bei sehr klugen Frauen- außer seiner Mutter und vielleicht noch seiner Lieblingsbase- äußerst unwohl. Doch auch darum wollte sich Marcus nicht lange in Noema ergehen und schluckte den Bissen hinab, spülte ihn mit einem Schluck Wein herunter. Aber ob der Antwort war Marcus doch recht frohen Mutes, mußte er sich doch keine Mühe um eine Verschleierung bei der ganzen Angelegenheit geben.


    “Nun, das trifft sich gut. Im Übrigen habe ich den stillen Verdacht, Frauen haben meistens einen scharfen Verstand und wenn wir glauben, sie haben ihn nicht, dann nur weil sie möchten, daß wir uns in diesem Schein wähnen.“


    Über die nächste Frage mußte Marcus neuerlich einige Herzschläge nachdenken, überlegte, was wohl seine Mutter in dieser Angelegenheit gesagt hätte. An die Verhandlungen in Baiae bei seiner ersten Hochzeit erinnerte sich Marcus nicht sonderlich gut, eigentlich hatte er es erfolgreich geschafft, das meiste davon zu verdrängen.


    „Da die Mitgift im Grunde Deiner Tochter weiter gehören wird und ihre Zukunft mit absichert, schätze ich, daß Grund und Boden Deiner Tochter mehr zu Gute kommt. Geld hat die unangenehme Angewohnheit schnell zu schwinden, Land ist stetig und beständig.“

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