Audienz für den Vicarius Principis Curiae Marcus Aurelius Corvinus


  • Der Magister Domus Augusti kam in Begleitung von Aurelius Corvinus in die Aula Regia. Zu einem der wie immer bereitstehenden Palastdiener sagte er:
    “Teile dem Imperator Caesar Augustus mit, dass der Vicarius Principis Curiae der Regio Italia hier ist. Er bittet den Kaiser wegen der Wahl zum Comes von Italia sprechen zu dürfen.“

  • Hoch aufgerichtet wartete ich auf das Eintreffen des Kaisers. Zugegebenermaßen hatte ich leicht feuchte Finger, denn es war das erste Mal, dass ich ihm selbst gegenüberstehen würde. Den Imperator bei Wagenrennen und öffentlichen Festen zu sehen, war etwas gänzlich anderes, als ihn selbst zu treffen und ihn wohlmöglich mit einem Thema zu belästigen, das ihm vielleicht nichtig vorkam.

  • Auch wenn es sich bei dieser Audienz nur um einen Pflichttermin des politischen Tagesgeschäfts handelt, betritt der Kaiser mit freundlichem Gesicht den Saal und begrüßt den Gast herzlich.


    "Sei gegrüßt, Aurelius Corvinus. Wie geht es dem Kernland unseres Reiches?"

  • Als der Imperator den Saal beetrat, verbeugte ich mich, wie es sich meines Erachtens gehörte. Positiv überrascht, nahm ich die freundliche Begrüßung des Kaisers auf (wer hatte mir damals von einem griesgrämigen Mann erzählt? Ich wusste es nicht mehr) und erwiderte sogleich:


    "Ave, geschätzter Imperator Caesar Augustus. Italia blüht und gedeiht, auch wenn es Winter sein mag."


    Gar nicht so schlecht für den Anfang, dachte, nein, hoffte ich. Was nun? Am besten trug ich gleich man Anliegen vor, oder sollte ich damit warten, bis der Kaiser mich aufforderte? Andererseits sollte er nicht darum bitten müssen. Herrje, ich war nervös wie ein Schuljunge, überspielte es aber. Zumindest einigermaßen, hoffte ich.


    "Ich danke dir, dass du dir Zeit für mein Anliegen genommen hast, das im Grunde das Anliegen der curia ist, denn als ihr Vertreter bin ich hier. Mein Kaiser, bei der Wahl zur Nachfolge des amtierenden comes gab es ein Patt. Das lex de administratione Italiae sieht vor, dass du in diesem Fall einen neuen comes bestimmst."

  • "Dass höre ich gerne, dass es Italia gut geht. Wenn ich mich gerade schon um meine Heimat sorgen muss, so freut es mich, dass wenigstens die Heimat Roms keine Sorgen macht."


    Nach diesem Ausflug in seine Gemütslage, die immernoch von Gedanken an Hispania geprägt ist, hört er sich das Anliegen des Gastes an.


    "Der amtierende Comes ist Aelius Callidus, nicht wahr? Zwischen welchen beiden Kandidaten fand die Wahl zu seiner Nachfolge keine Entscheidung?"

  • Ich fragte mich, welcher Art die Sorgen des mächtigsten Mannes der Welt sein mochten.
    "Ich hoffe doch, es sind Sorgen, die sich recht bald in Wohlgefallen auflösen mögen", sprach ich und ging danach auf die Frage des Kaisers ein.
    "Das ist korrekt, mein Kaiser. Der amtierende comes stellte sich erneut zur Wahl, als sein Konkurrent ließ sich Aurelius Cicero aufstellen. Beide Kandidaten lagen gleich auf, eine Einigung konnte bedauerlicherweise nicht erzielt werden. Ich darf vielleicht noch anfügen dass Aelius Callidus sich zuerst nicht zur Wahl hat aufstellen lassen, sondern lediglich auf die Neuwahl des comes aufmerksam machte. Seine Entscheidung zur erneuten Kandidatur erfolgte erst, als man Aurelius Cicero in Betracht zog."

  • Der Kaiser nimmt die politischen Duelle interessiert wahr, auch wenn sie in dieser Art wahrscheinlich überall auftreten, wo Wahlen stattfinden.


    "Du möchtest damit also andeuten, dass Aelius nur angetreten ist, um Aurelius zu verhindern. Letzterer ist ehemaliger Quaestor. Strebt er weitere Ämter des Cursus Honorum an?"

  • "Das ist richtig, mein Kaiser. Dies ist meine Vermutung, auch wenn er Aurelius Cicero zuvor noch als politischen Freund bezeichnet hat. Ich kann dir bedauerlicherweise keine genaue Auskunft über die Absichten Ciceros mitteilen, doch glaube ich nicht, dass er sich zum Kandidat für das Amt des comes hätte aufstellen lassen, wenn er sich des Ernstes dieses Amtes nicht bewusst gewesen wäre. Die Fortsetzung des cursus honorum beabsichtig er daher gewiss nicht sofort.", sagte ich. Ich wusste, dass Onkel Cicero bisher jeden Weg zu Ende gegangen war. Er selbst hatte verlauten lassen, den cursus honorum weiter zu beschreiten.

  • Es scheint eine Ironie des Schicksals zu sein, dass sich um das Amt des Comes ein Aurelier und ein Aelier bewerben und dem Kaiser diese Problematik von einem Aurelier nahegebracht wird, während ein Aelier im Hintergrund steht und ihm später sicher auch noch etwas dazu sagen würde.


    "Ich werde über das Problem nachdenken und beide Herren zu einer gemeinsamen Audienz empfangen, um ihnen einige Fragen zu stellen und dann meine Entscheidung bekannt zu geben."

  • "Das ist eine weise Entscheidung, mein Kaiser", sagte ich und nickte bedächtig.
    Ich fragte mich, ob es jetzt, da das Hauptanliegen meines Audienzersuchs vorgebracht worden war, an der Zeit war, noch eine persönliche Frage an den Kaiser zu richten.


    "Werter imperator, es gibt da noch ein persönliches Anliegen, das ich gern vorbrächte", sagte ich.

  • Vielleicht hatten spitze Ohren meine Absichten schon vernommen und sie dem Kaiser als Gerüchte zugetragen, doch nichts bestätigte ein Gerücht so sehr wie die Bestätigung aus dem Munde des Mannes, um das es sich drehte.


    "Mein Kaiser, ich strebe den cursus honorum an, dessen Verlauf ja auch eine Zeit als tribun vorsieht. Durch meines Vaters Engagement ist mir bereits die Ehre einer Aufnahme in den ordo senatorius zuteil geworden. Nun möchte ich dem imperium dienen wie auch viele Männer vor mir und ersuche dich darum, mich vor dem vigintivirat in einer militärischen Einheit einzusetzen, so du befindest, dass ich mich hierfür eigne. Ich werde mich deinem weisen Rat beugen."

  • Die Frage trifft tatsächlich fast genau die Erwartung des Kaisers, jedoch mit einer kleinen, aber nicht unwichtigen Veränderung.


    "Das ist ein ehrenwertes Ziel, gerade für den Sprössling einer patrizischen Gens. Über deine Eignung vermag ich ohne entsprechende Bericht jedoch nichts auszusagen, so dass ich dir dazu keinen Rat geben kann.


    Doch zunächst möchte ich fragen, wieso du das Tribunat vor dem Vigintivirat ableisten möchtest und nicht erst wie gefordert vor der Quaestur, zumal dir als Patrizier das Recht zusteht, ganz auf das Tribunat zu verzichten."

  • "Mein Kaiser, schon mein Vater und dessen Vater dienten in der legio prima, meine Cousins dienten und dienen ebenfalls im Militär und Aurelius Sophus war gar praefectus castrorum der prima. Es ist nicht nur mein Wunsch, dir zu dienen, sondern auch meine Verpflichtung, diese Tradition mit einer Zeit beim Militär aufrecht zu erhalten. Ich muss gestehen, dass ich nicht viel von jenen halte, die einen Platz im Senat anstreben, ohne das Lagerleben kennen gelernt zu haben. Mir ist bewusst, dass das Tribunat für mich keine Pflicht darstellt, und doch möchte ich es absolvieren, ist es doch ein für mich wichtiger Bestandteil des cursus honorum.


    Die Antwort auf deine erste Frage ist um ein Vielfaches einfacher: Weil ich es kann. Ich habe den erforderlichen ordo inne und ich fühle mich dem gewachsen."


    Ich stand mit auf dem Rücken gekreuzten Armen und gerade vor dem imperator und harrte seiner Antwort. An Selbstbewusstsein hatte es mir noch nie gemangelt, so auch jetzt nicht. Ich hatte mir das alles gut überlegt und vertraute darauf, dass der Kaiser meinen guten Willen sehen würde.

  • Der Kaiser hört den Ausführung zu und ist von der Überzeugung, mit der der Patrizier seine Entscheidung darlegt, durchaus beeindruckt.


    "Du sprichst klare Worte und es freut mich, dass du trotz deines Standes das Militär nicht vernachlässigen willst. Ich begrüße diese Haltung. Die Begründung, warum du das Tribunat vorziehst, erscheint mir etwas dünner. Genauso gut könntest du erst das Vigintivirat ableisten, weil es so der Tradition entspricht und weil du zweifellos auch dieses kannst.


    Nun, wie dem auch sei, ich werde deinen Namen bei den Planungen berücksichtigen lassen."


    Ob seine freiwilliges Engagement ihm Bonuspunkte brachte oder ob er hinter jenen zurücktreten muss, die das Tribunat dringender brauchten, lässt der Kaiser offen.

  • "Du hast recht, mein Kaiser, doch fragte ich mich, inwiefern mich das Amt eines vigintivir auf das nachfolgende Tribunat vorzubereiten vermag. Ich fand für mich selbst keine Antwort außer jener, dass ein tribunus hauptsächlich zu Verwaltungszwecken benötigt wird. Meine zwei Amtszeiten als duumvir Mantuas sollten mich dahingehend vorbereitet haben", sagte ich.


    "Ich danke dir. Ich vertraue auf deine Entscheidung und werde, so du es verlangst, Rom und dir auch zuerst als vigintivir dienen", fügte ich an und nickte dem mächtigsten Mann des imperium zu. Von meiner Seite gab es sonst nichts weiter zu besprechen, also schwieg ich aufmerksam für den Fall, dass der Kaiser noch etwas zu sagen hatte.

  • "Du hast recht, das Vigintivirat bereitet dich nicht unbedingt auf das Tribunat vor. Ebensowenig bereitet dich das Tribunat jedoch auf das Vigintivirat vor."


    Dem Kaiser ist dennoch nicht daran gelegen, das Thema nun unendlich weiter zu führen.


    "Die Frist für die kommenden Wahlen ist abgelaufen, ein Vigintivirat stände dir ohnehin erst bei den nächsten Wahlen offen. Vielleicht lässt sich die Zeit bis dahin tatsächlich mit einem Tribunat füllen. Wir werden sehen."


    Der Kaiser erhebt sich.

  • Es war alles gesagt, was zu sagen gewesen war. Ich neigte den Kopf und deutete eine Verbeugung an.
    "Ich danke für die Zeit, die du für diese Unterredung geopfert hast, mein imperator. Mögen die Götter dich segnen."


    Und da die Audienz nun offensichtlich vorüber war, nickte ich ihm noch einmal zu und verließ die aula regia sodann. Ich war nicht in Eile, was das vigintiviratium betraf, und so fand ich es nicht bedauerlich, dass die Frist für eine Kandidatur bereits abgelaufen war. Meine Zeit würde kommen und ich würde auf des Kaisers Entscheidung warten.

  • Bevor er den Saal verlässt, wendet sich der Kaiser an den Magister Domus Augusti.


    "Sorge dafür, dass die beiden genannten Kandidaten in Kürze in einer gemeinsamen Audienz bei mir vorstellig werden."

  • “Sehr gerne.“, antwortete der Magister Domus Augusti dem Kaiser.
    “Wenn ich dazu etwas vorschlagen dürfte…“, fügte er hinzu und unterbreitete ihm dann einen Vorschlag, den er selbst vielleicht als salomonisch bezeichnet hätte, wenn ihm König Salomon denn ein Begriff gewesen wäre.

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