Einkäufe. oder: Drei Frauen auf dem Weg in den Ruin

  • Wohlwollend sah Leontia, dass auch ihr kleiner Neffe schon in seinem zarten Alter der Leidenschaft zum Sammeln schöner Marterinstrumente verfallen war. Es war ja auch eine Liebhaberei, die viel Freude machte. "Mein neuer Eunuche? Nun ja, eigentlich will ich nicht, dass er beschädigt wird. Er dient ja nicht zuletzt auch dekorativen Zwecken…" - Salambo, die gerade dem Händler aus einem Lederbeutel Münzen auf den Tisch zählte, merkte auf, und ein hoffnungsfroher Blick streifte ihre Herrin.


    "Such dir doch lieber einen von denen dafür aus.", schlug Leontia vor, und machte eine unbestimmte Geste zu den Trägersklaven. War ihr nicht gerade vorhin einer von ihnen ziemlich naseweis vorgekommen? Nur welcher? - "Also gut…", seufzte sie schließlich, und sah nachsichtig auf ihren süßen Neffen hinunter. Wenn er unbedingt etwas zu Spielen haben wollte… Sie konnte ihm einfach nichts abschlagen."Du darfst dir Daphnus ausleihen, wenn du magst, Serenus. Und wenn er sich schlecht benimmt - aber nur dann - darfst du ihn auch züchtigen. Aber nicht, das ihn entstellt, das musst du mir versprechen." Und schmunzelnd bat sie sich aus: "Sieh also davon ab, ihm die Nase zu brechen, mein Spätzchen."

  • Es schien Epicharis so, als sei Leontia kurz abwesend, wie sie mit diesem in die Ferne schauenden Blick auf ein Paar Sandalen herab sah, doch schon einen kleinen Moment später bedeutete sie ihrer Sklavin, dass sie jenes Sandalenpaar unbedingt probieren wollte, doch es kleidete die Flavierin nicht gut. Zu locker saßen die feinen Riemchen. Epicharis wandte den Blick ab und sah nach Antonia, deren Augen strahlten wie die eines Kleinkindes beim Süßwarenstand. Epicharis kicherte kurz hinter vorgehaltener Hand und nickte mit Nachdruck.


    "Das sollten wir wirklich, Antonia. Man sieht dich ohnehin viel zu selten. Bei mir ist es ja wahrhaftig kein Wunder, ich bin ja auch erst seit wenigen Wochen wieder da, aber die Familie spricht oft davon, dich seit der Hochzeit nicht mehr gesehen zu haben. Vielleicht halten wir einmal ein flavisch-claudisches Fest ab. Antonia, Leontia, was meint ihr dazu?"


    Jetzt, da sie diese fixe Idee ausgesprochen hatte, gefiel sie ihr sogar außerordentlich gut. Allerdings, was die männlichen Gensmitglieder anbelangte, konnte es vermutlich einiges an hochgezogenen Augenbrauen und ungläubigen Blicken hageln. Leontia und Antonia würden sicherlich besser wissen, wie die flavischen Verwandten dazu standen, Epicharis glaubte bisher nur daran, dass aus der claudischen Riege am ehesten Myrtilus zu einem solchen spontan entschiendenen Conventus kommen würde. Vesuvianus und Cunctator würden deswegen nicht von Mantua anreisen, Marcellus war in Germanien und Vitulus war ohnehin seit Ewigkeiten nicht mehr vor die Tür gegangen. Bedauerlicherweise hatte Marcellus Dolabella mitgenommen, dachte Epicharis und seufzte leise.


    "Es muss ja nicht gegenwärtig sein", revidierte sie daher die Worte und gewahrte aus den Augenwinkeln den Jungen. Komisch, sie hatte ihn gar nicht vermisst. Mit einem Mal war Epicharis froh, keinen Knaben seines Alters und seiner Konstitution (er hatte Hummeln im Hintern) zu haben. Glücklich darüber, sich weder mit dem Abbleiben noch mit der Erziehung des Flavius Serenus abgeben zu müssen, schlenderte sie fröhlich neben Antonia und Minervina von Stand zu Stand.


    Bald kamen sie nahe des Sklavenmarktes an einem Stand an, in dessen Auslage sich die verschiedensten Züchtigungs- und Folterinstrumente präsentierten. Epicharis ging mit nicht ganz so viel Elan wie Leontia und der Junge an die Sache heran, fuhr aber hier und dort über Peitschen und mit dornen besetzte Lederriemen. Allerdings ließ sie keinen einzigen Sesterz an diesem Verkaufstisch. Bestrafungen waren eine Sache, die sie lieber durchführen ließ denn selbst durchführte. Dies sah sie ähnlich wie Antonia - vermutlich Teil der claudischen Erziehung.


    Während Leontia und Serenus sich derweil angeregt über Sanktionierungen unterhielten, sah Epicharis sich in der näheren Umgebung um. Nicht weit entfernt verkaufte ein kleiner, dicker Mann ohne Haare auf dem Kopf Gesellschaftsspiele. Epicharis, die ohnehin eine Spielefanatikerin war, deutete mit leuchtenden Augen auf den buntbewimpelten Stand, über den sich eine leuchtend rote Stoffbahn spannte.


    "Oh seht mal, dort!" jauchzte Epicharis und hatte schon die Hälfte des Weges uber das schmutzige Pflaster der Trajansmärkte zurückgelegt. Wenig später stand sie vor den Auslagen, fuhr hier über in Zitrusholz eingelassene Edelsteine und dort über Elfenbeinintarsien in Zedernholz. Es gab alles, was das Herz begeherte, und Epicharis konnte sich gar nicht satt sehen. Schon überlegte sie, ob ein zweites Ludus Latrunculorum in Reserve vielleicht sinnvoll wäre, da fiel ihr ein, dass sie in Tarraco schon eines gekauft hatte, das die Reserve der Reserve darstellte. Schweren Herzens warf sie einen letzten Blick auf das wunderschön gearbeitete und mit Blütenmotiv verzierte Spielbrett.

  • Ich hatte eine Zeit schweigend neben den Frauen und Serenus gestanden, dann war ich Epicharis nachgeeilt zu den Spielen. Ich mochte Würfelspiele in allen Schattierungen, eine Art Leidenschaft konnte man sagen.


    Wunderbar, oder?


    Sagte ich mit vor Freude feuchten Augen.

  • "Wunderschön!" pflichtete Epicharis Minervina bei und nickte mehrere Male. Bald deutete sie auf einen ledernen Würfelbecher, in dessen Leder kleine Motive eingebrannt worden waren. Diese Becher gab es mit den unterschiedlichsten Bildchen. Am besten gefiel Epicharis ein Würfelbecher, auf dessen Äußeres kleine Blüten zu sehen waren. Sie jauchzte. "Ach schau doch nur einmal! Ist das nicht ein herrliches Werk? Ich würfele zwar selten, viel mehr reizen mich Brettspiele - aber diesen Becher dort, den muss ich unbedingt haben!" Sprach's und ließ dem Händler die vier Sesterzen im Tausch für den Würfelbecher reichen. Der gute Mann schlug ihn zweimal in Papier ein und reichte ihn dann einem der Trägersklaven. Epicharis war zufrieden. "Wo sind denn die anderen?" fragte sie Minervina.

  • Zitat

    Original von Flavia Leontia
    Wohlwollend sah Leontia, dass auch ihr kleiner Neffe schon in seinem zarten Alter der Leidenschaft zum Sammeln schöner Marterinstrumente verfallen war. Es war ja auch eine Liebhaberei, die viel Freude machte. "Mein neuer Eunuche? Nun ja, eigentlich will ich nicht, dass er beschädigt wird. Er dient ja nicht zuletzt auch dekorativen Zwecken…" - Salambo, die gerade dem Händler aus einem Lederbeutel Münzen auf den Tisch zählte, merkte auf, und ein hoffnungsfroher Blick streifte ihre Herrin.


    "Such dir doch lieber einen von denen dafür aus.", schlug Leontia vor, und machte eine unbestimmte Geste zu den Trägersklaven. War ihr nicht gerade vorhin einer von ihnen ziemlich naseweis vorgekommen? Nur welcher? - "Also gut…", seufzte sie schließlich, und sah nachsichtig auf ihren süßen Neffen hinunter. Wenn er unbedingt etwas zu Spielen haben wollte… Sie konnte ihm einfach nichts abschlagen."Du darfst dir Daphnus ausleihen, wenn du magst, Serenus. Und wenn er sich schlecht benimmt - aber nur dann - darfst du ihn auch züchtigen. Aber nicht, das ihn entstellt, das musst du mir versprechen." Und schmunzelnd bat sie sich aus: "Sieh also davon ab, ihm die Nase zu brechen, mein Spätzchen."



    „Ich habe dann alles, was ich für heute wollte, Tante Leontia. Wir können wieder in die Villa zurück. Es sei denn wir kaufen mir noch einen kleinen Löwen oder gehen noch etwas Essen. Glaubst du Onkel Gracchus wird böse, wenn er die ganzen Rechnungen bekommt? Sollen wir ihm nicht was mitbringen? Eine Schriftrolle oder einen Musikanten, der ihm was vorspielt? Oder einen kleinen Löwen. Der wird ihm sicher auch gefallen.“

  • "Ja, ich habe auch das meiste gefunden.", stellte Leontia fest, bei der sich nun langsam die wohlige Erschöpfung nach dem ausgedehnten Kaufrausch bemerkbar machte. Zudem brannte sie darauf, die neu erworbenen Gewänder und Accessoires zu Hause ausgiebig anzuprobieren, und nicht zuletzt war da noch ein bedeutsamer Brief nach Baiae zu diktieren.


    "Lass uns lieber zurückkehren, den Sklavenmarkt können wir ja auch ein anderes Mal besuchen. Und auch den Tiermarkt… ach, so einen süßen kleinen Löwen hätte ich schon auch gerne. Oder einen jungen Panther. Oder ein putziges Bärchen. Aber am liebsten einen Löwen. Es würde auch so gut zu meinem Namen passen. Papa hat das leider nie eingesehen. Er meint, sie werden zu schnell groß und gefährlich. Aber Minervina hat schließlich auch einen zahmen Geparden…" Um den Leontia ihre Cousine nicht wenig beneidete.


    "Das ist eine gute Idee!", stimmt sie zu, als Serenus vorschlug, Gracchus etwas mitzubringen. "Nur was? Ich glaube, er würde sich nicht über ein Raubtier freuen, und Schriftrollen wollen bei ihm äußerst sorgsam ausgewählt sein…" Gemächlich schlenderte sie den anderen hinterher zu dem Stand mit dem roten Stoffdach. "Ach, deshalb seid ihr alle so schnell verschwunden.", lächelte sie, und "Oh wie reizend! Das gefällt mir." Sie hatte das Ludus Latrunculorum mit den floralen Elfenbein-in-Zeder Intarsien erblickt, nicht ahnend, dass Epicharis gerade schweren Herzens darauf verzichtet hatte. "Das wäre doch ein hübsches Mitbringsel, nicht wahr, mein Spatz?" Mit den Fingerspitzen fuhr sie über die makellose Glätte des Spielbrettes, ließ sich dabei die aus funkelndem Granat und schimmerndem Opal geschliffenen Spielsteine zeigen, und erwarb das schöne Stück kurzerhand.


    Das war dann auch ihr letzter Kauf an diesem Tag. Höflich verabschiedete sich Leontia von Minervina und von Epicharis. (Und von Antonia, so diese sich nicht den Heimkehrern anschloss.) "Die Idee eines flavisch-claudischen Festes, die du vorhin geäußert hast, erscheint mir sehr ansprechend.", meinte sie dabei noch zu Epicharis. Und passend, außerdem. Schließlich gab es, außer den Claudiern, nur noch wenige Gentes, mit denen sich standesgemäßer Umgang pflegen ließ. "Lass uns das im Auge behalten." Und nicht ohne Hintergedanken fügte sie lächelnd hinzu: "Ein Anlass findet sich bestimmt. Oder vielleicht habt ihr" - das war in die Runde gerichtet - "wenn das Wetter es anbietet auch einmal Lust auf eine kleine Landpartie? Nun denn, Valete, und ich hoffe, auf bald. - Komm, mein Spatz."


    In den weichen Polstern der Sänfte angenehm gewiegt, kehrte Leontia nach diesem schwer (aber nicht unmöglich) zu überbietenden Einkaufsmarathon, zurück in die Villa Flavia. Genüsslich knabberte sie ein paar kandierte Maronen. Mit der Ausbeute des heutigen Tages war sie sehr zufrieden.

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