Sella Curulis des Praetor Urbanus

  • Als Scato eintraf, beschäftigte sich Menecrates gerade mit den Einzelheiten zu einer Anzeige. Er blickte auf und schob die Unterlagen zusammen, denn solange es keine öffentliche Verhandlung gab, verlangte nach seiner Auffassung jeder Vorgang eine notwendige Verschwiegenheit. Die Überlegungen zu dieser Anzeige vertagte er auf später, nun konzentrierte er sich auf seinen Besucher.


    Im Fall Scato, bei dem er wusste, was sie besprechen würden, betrachtete er das Verweilen in seinem Amtsstuhl als deplatziert. Er entnahm einer entfernt liegenden Akte eine Papyrus-Rolle, erhob sich und kam auf den Eintretenden zu.
    "Ich grüße dich, Scato. Schön, dass du es zeitnah einrichten konntest." Er wies einladend zu einer Wand, vor der zwei spartanische Stühle standen. Extra zum Zweck solcher Gespräche wie heute, oder auch in Situationen, wo der Gesprächspartner vor lauter Ehrfurcht kaum ein Wort herausbrachte, hatte der Praetor gleich zu Beginn seiner Amtszeit diesen alternativen Platz für ein klärendes Gespräch neben seinem Amtsstuhl geschaffen. Weil es sich in allen Fällen trotzdem um gerichtsrelevante und keine privaten Gespräche handelte - so auch im Fall Scato - vermied Menecrates eine allzu vertrauliche Begrüßungszeremonie. Dass er für den Flavier väterliche Sympathien hegte, musste er nicht stets und ständig demonstrieren.


    "Bitte, nimm Platz", sagte er, bevor er sich selbst setzte. "Unsere Briefe haben sich gekreuzt. Ich habe deinen zur Kenntnis genommen und führe auch gerne ein klärendes Gespräch über diese Angelegenheit, aber zunächst möchte ich auf mein Anliegen zu sprechen kommen. Du wirst diese Reihenfolge verstehen, wenn du dieses Schreiben gelesen hast." Er reichte Scato die Papyrus-Rolle und beobachtete dessen Gesichtsausdruck, während der Flavier las.

  • "Selbstredend." entgegnete Scato und nahm auf dem doch recht unbequem aussehenden Stuhl Platz wie ihm geheißen wurde. Nachdem Menecrates ihm die Situation erklärt hatte nahm Scato die Schriftrolle entgegen und begann sie zu lesen.
    Nach einem kurzen Moment der Stille rollte er das Schriftstück zusammen und schaute seinen Senatorenkollegen etwas konsterniert an...
    "Nun Menecrates? Ich muss gestehen ich bin etwas verwirrt. Es steht zwar etwas von der Aufhebung meiner Immunität in diesem Schreiben, jedoch kann ich mir beim besten Willen keinen Reim darauf machen wieso die kaiserliche Administratio derartiges veranlassen sollte? Wer hat diese Sache verlangt wenn ich fragen darf?" fragte Scato denn innerlich kochte es im ehrgeizigen Flavier der sich nach außen stets als arrogant aber dennoch als Saubermann gab.

  • Sim-Off:

    Zweiter Anlauf, nachdem der erste gelöscht wurde.


    Eine einfache, unschuldige Frage. Aber sein Patron reagierte sehr gereizt. Getroffene Hunde bellten? Das wollte Anax eigentlich nicht glauben. Er blieb ruhig. Er ließ den Claudius ausreden. Starke Drohungen, die der da aussprach. So als wäre Anax hier der Böse. Dabei war Anax ja *nicht* der, der im starken Verdacht der Rechtsbeugung stand, oder? "Ich würde niemals gegen dich oder deine Familie intrigieren." Das war ja selbstverständlich. Aber bei der Reaktion des Patriziers erwähnte Anaxander das trotzdem lieber nochmal. (Dass er den Flavier nicht als Teil der Claudier sah, erwähnte er lieber nicht. Denn es war ja auch glasklar: Ein Claudier konnte kein Flavier sein, ein Flavier nicht gleichzeitig Claudier. Da waren die Grenzen ja eigentlich eindeutig. Messerscharf. Nicht einfach so umdefinierbar.)


    Und dann verwies sein Patron den Freigelassenen der Tür. Sagte, dass er Anax beobachten lassen würde. Drohte nochmal, ihn wieder zum Sklaven zu machen. - Weil er offensichtlich kein Vertrauen zu ihm hatte. Kein Vertrauen zu einem ehemaligen Mitglied des Claudier-Haushalts. Weniger Vertrauen zu ihm als zu einem Straftat-Verdächtigen einer anderen, fremden Familie. Anax war irritiert davon. Aber er fügte sich und ging. Denn er konnte nicht bestimmen, wem sein Patron vertrauen sollte und wem lieber nicht....

  • Ich lebte jetzt schon lange mit der Ungewissheit. Sehr lange. Zu lange. Ein Prozess ohne Urteil. Erst war ich erleichtert gewesen. Weil ich ja nicht ausgesagt hatte. Dann hatte ich wieder riesige Angst gehabt. Weil ich ja auf der Zeugenliste stand. Wenn der Papirius wirklich schuldig war, wer garantierte mir, dass er mich nicht auch noch aus dem Weg räumte? Ich hatte so viel Angst gehabt, dass ich mich sogar krank gemeldet hatte. Und dann freiwillig für einige Wochen in die Mansio nach Misenum gegangen war. Die kurzfristige Personalnot dort ausgleichen. So viel Angst hatte ich gehabt, dass ich jeden Tag anders verbracht hatte. Keine Regeln. Keine gewohnten Abläufe. Keine Chance bieten, mich zu kriegen. Bis es mir reichte. Bis ich genug hatte. Bis ich einen Schlussstrich zog, weil ich einfach nicht mehr konnte. Bis ich die Angst einfach satt hatte.


    So satt, dass ich jetzt wütend war. Wütend auf die Justiz, die den Typ einfach davonkommen ließ, der mich damals fast umgebracht hatte. Wütend auf den Prätor, der den Prozess so schleifen gelassen hatte. (Es war nur gerecht, dass Pluto ihm bald danach die Quittung dafür gesandt hatte.) Und dann war ich gelegentlich auf dem Forum gewesen. In der Öffentlichkeit. Und da hörte man ja seit einiger Zeit auch so Einiges. Wieder ein Senator, der dabei im Mittelpunkt stand. Wieder ein hoher Amtsträger. Wieder ein Mann, der von meinem früheren Leben (dem Leben vor dem Reichtum) keinen Schimmer hatte. Wieder jemand, auf den ich meine Wut lenken konnte. Denn den Prätor von meinem Prozess hatten die Götter ja schon "abberufen".



    Eine große Sauerei! Dass der Freigelassene so eingeknickt war. Konnte angeblich nicht klagen, weil.. darum. War ja nicht schwer, 1 und 1 zusammenzuzählen. Er, Claudianus. Sein Ziel: Der Prätor, ein Claudius. Man finde die Verbindung. Der war wahrscheinlich genauso einer von "denen da oben" wie der Ädil, der die Klage gegen dem Flavius nicht angenommen hatte. Wie der Verantwortliche für die übereilte Vereidigung der neuen Magistrate. Wie der rechtsbeugende Flavius selbst. Wie der Claudius, der da jetzt scheinbar einfach einen Deckel drauf machen wollte. Wahrscheinlich hatte der Prätor diesen Protest sogar absichtlich mit einem seiner Leute infiltriert. (Zum Glück war der Freigelassene jetzt nicht mehr deren Kopf!)


    "Guten Tag. Ich bin Marcus Artorius Rufinus."


    Aber jetzt war ich hier. Jetzt war ich der Kopf. Jetzt hatte ich zum ersten Mal seit langer, langer Zeit mal wieder so richtig selbst mein Leben in der Hand. So fühlte es sich an. Und das war gut.


    "Ich bin hier, weil ich den Bürger Caius Flavius Scato anklagen will. Wegen Verstoß gegen den Codex Iuridicialis, Paragraph 112, Rechtsbeugung."


    Und ich ließ mich nicht so schnell wieder wegscheuchen und mundtot machen wie ein ehemaliger Sklave, der seinem früheren Herrn immernoch hörig war. Wie ein Mann ohne eigene Meinung.

  • "Du darfst fragen", entgegnete Menecrates, "aber die entscheidende Frage ist nicht wer, sondern warum." Er hielt die Hand auf, damit Scato die Rolle wieder zurückgeben konnte. "Wer, ist deswegen nicht wichtig, weil sich mehrere Personen zusammengerottet haben. Wer, ist außerdem nicht mehr wichtig, weil ich auf denjenigen Einfluss habe, der die Aufhebung deiner Immunität erwirkt hat. Mein Klient wird sich ab sofort zurückhalten, aber andere rücken nach. Es wird zu einer Anzeige kommen, bzw. gab es die ja bereits, wenn ich das richtig verstanden habe. Kommen wir also zum Warum." Menecrates ließ Scato einen Moment Zeit, bevor er fortfuhr.
    "Du bist angezeigt worden, gegen die Lex Mercatus verstoßen zu haben." Wieder setzte Menecrates eine kleine Atempause ein, weil er Scato Zeit zum Verarbeiten geben wollte.
    "Folgendes wird dir zur Last gelegt: Im Zuge deiner erfolgreichen Kandidatur hast du offensichtlich Spenden an das Volk verteilt. Als Datum der ersten Spende wurde der 16. benannt. Bereits am ersten Tag nach Überschreiten der gesetzlichen Frist wurdest du angezeigt und zwar von einem gewissen Gaius. Mehr weiß ich augenblicklich über diesen Mann noch nicht, nur so viel: Die Anzeige ging folgerichtig bei den Aedilen ein. Inzwischen ist sie bei mir gelandet, aber die Überwachung und Sanktionierung der Märkte fallen nicht in meinen Bereich."


    Um Scato eine Wegrichtung aufzuzeigen und ihn nicht einzig mit den Anklagepunkten zu überhäufen, teilte er noch seine weiteren Pläne mit. "Ich beabsichtige, die Angelegenheit zur Prüfung an die Basilica Iulia, das Gremium der Aedile, weiterzuleiten. Binnen zwei Wochen erwarte ich eine Auskunft darüber, von wem die Anzeige dieses Gaius bearbeitet und mit welcher Konsequenz sie belegt wurde. So Leid es mir tut, Scato, da hast du Fristen verschlafen. Anfangs nur um Tage, aber irgendwo in diesem üblichen Prozess scheint es zu hakeln, denn sonst müsstest du ja wenigstens in Kenntnis gesetzt worden sein und ich gehe davon aus, das bist du nicht." Menecrates betrachtete Scatos Gesicht. "Oder?" Vorstellen konnte sich Menecrates das nicht, denn wer würde trotz ihm bekannter Anzeige weitere Wochen mit der kostenlosen Darreichung von Spenden verstreichen lassen.

  • "Salve Artorius Rufinus", grüßte Menecrates zurück. Die Wiederholung des Namens bewirkte ein besseres Merkvermögen. Obwohl sich Menecrates auf die Mitschriften seiner Sekretäre verlassen konnte, liebte er es, sich selbstständig an Namen und Anliegen erinnern zu können.
    Das Anliegen des Artoriers überraschte ihn hingegen nicht. Ein Vorrücken des nächsten Läufers im Fall dieser Anklage war abzusehen gewesen. Menecrates gab Faustus einen Wink und wies auf eine separate Akte. Sein Sekretär brachte ihm den bislang noch dünnen Vorgang.


    "Ich gehe davon aus, dass es sich um die Überschreitung der Frist zur kostenlosen Abgabe von Lebensmitteln an das Volk handelt." Der Praetor blickte fragend. Immerhin war nicht ganz auszuschließen, dass weitere Vergesslichkeiten den Flavier heimsuchen würden.
    "Das trifft sich gut, dass du kommst. Sicherlich kannst du mir den vollen Namen und die Adresse eines gewissen Gaius sagen, der Flavius Scato bereits Ende Mai bei den Aedilen angezeigt hat."

  • Scato gab die Rolle zurück und presste dann die Lippen zusammen, "Informiert wurde ich nicht." gab Scato sichtlich angefressen zurück und fuhr fort "Es ist auch interessant, sehr interessant, findest du nicht?" der Flavier wurde nun wesentlich angriffslustiger, nicht gegen den Claudius, aber gegen diese sinnlose Posse und den verzweifelten Nichtsnutz, der sich tatsächlich bereits jetzt die Finger verbrannt hatte und bei jedem Schritt in Rom besser auch Augen nach hinten haben sollte...
    "Wenn ich das richtig sehe habe ich am Tage meiner Wahlfeier Spenden verteilt, an einem einzigen Tag. Eine groteske Vorstellung dass es länger gewesen sein soll ganz ungeachtet der Tatsache woher dieser vermeintliche 'Gaius' seine Informationen her haben will." begann Scato bereits hier seine Verteidigung gegen diesen 'Gaius', der ja scheinbar eine Heerschar an ähnlich pedantischen Sinnesgenossen hatte die nur auf einen Fehltritt der rechtschaffenden warteten um ihr trauriges kleines Leben um einen Sinn bereichern.
    "Wer ist diese Gruppe von besorgten Bürgern die nicht wollen, dass die Armen gespeist werden und die Kinder der Subura nicht verhungern? Händler? Wohl kaum, ich habe diese Ware mit reichlich flavischem Geld bezahlt und selbst wenn, es hat sich kein einziger Händler bei mir beschwert und mein Gesicht ist auf den Märkten kein unbekanntes wie du dir sicher denken kannst." mutmaßte Scato ob der Natur dieses Zwergenaufstandes, von welchem er im übrigen noch nie gehört hatte was seltsam war angesichts seiner allgemeinen Präsenz in der Stadt als Amtsträger.
    "Das alles klingt doch reichlich an den Haaren herbeigezogen findest du nicht? Ich wäre nicht überrascht, wenn bald Geldsummen verlangt werden um diese Sache ruhen zu lassen. Aber bitte, ich weiß, dass du dein Amt aufrichtig führst, genauso wie ich es tue. Ich werde deinem Handeln nicht im Wege stehen melde jedoch meine Bedenken bezüglich der Absichten der Kläger an. Es wird schon seinen Grund haben warum mir mein Amtsvorgänger nichts von diesen Vorfällen berichtet hat. Es ist... sehr suspekt. Was auch immer dein Klient und seine Bande sich dabei dachte, ich werde dem mit aller Entschlossenheit entgegentreten."

  • Ich schüttelte den Kopf. Bloß nicht einlullen lassen. Vom patrizischen Glanz. Oder von der Amtsmacht.


    "Das stimmt so nicht, nein."


    Es war schwerwiegender.


    "Ich klage nicht, weil der Bürger gegen die Lex Mercatus verstoßen hat."


    Das war ja Sache der Ädilen und nicht eines Prätors. Gabs sogar ein passendes Gerichtsurteil zu, dass das so war. Aber das sparte ich mir für später.


    "Ich klage, weil meiner Meinung nach der Bürger als Ädil gegen den Codex Iuridicialis verstoßen hat. Indem er die Lex Mercatus zu seinen eigenen Gunsten gebeugt hat. Strafbar nach Paragraph 112."


    Das war der Vorwurf.


    "Richtig ist aber, dass .. die Überschreitung der Frist zur kostenlosen Abgabe von Lebensmitteln an das Volk .. Grundlage meiner Klage gegen den Ädil ist. Genauso wie die Aufhebung seiner Immunität."


    Denn das war ja auch eine Grundlage. Dass der Flavius überhaupt anklagbar war.
    Dann die Frage nach dem lieben Gaius. Da hatte das freigelassene Wiesel vom Prätor schiens schlechte Arbeit geleistet. (Oder hatten wir einfach den Claudianer noch rechtzeitig abgesägt?)


    "So spontan? .. Nein."


    Kurzes überlegen.


    "Ich werd aber sicherstellen, dass Axianus Naso pünktlich vor Gericht erscheint, Prätor. Schon im Interesse meiner Klage."


    , versicherte ich. Dazu ein entschlossener Gesichtsausdruck.

  • Menecrates nahm die Schriftrolle entgegen und ließ Scato seinen Frust erst einmal loswerden. Mitunter brauchte es solche Befreiungsaktionen, um anschließend konstruktiv planen und handeln zu können. Er brachte dafür Verständnis auf - generell und insbesondere in dieser Angelegenheit. Als Scato schwieg, sagte Menecrates:
    "Ich kann dich verstehen." Er ließ seinen Blick auf Scato ruhen. "Wenn du meine persönliche Meinung wissen willst, es sind niedere Gründe, die diese Gruppe von Männern antreibt. Wer missgönnt den Ärmsten denn sonst kostenlose Speisen? Der Antrieb wird Missgunst oder Geltungswahn sein, schätze ich. Möglich wäre noch ein persönlicher Feind." Menecrates öffnete die Handflächen und schaute mit fragendem Blick. "Ob es Händler sind, die Produkte vertreiben, die du angeboten hast, kann keiner leichter herausfinden als du. Sobald mir Namen bekannt sind, bekommst du sie. Ich selbst muss diese Informationen bekommen, um Entscheidungen treffen zu können."
    Er strich sich über den Bart, während er nachdachte, dann fügte er an.
    "Wir werden jetzt dieser ersten Anzeige auf den Grund gehen. Das ist umso mehr notwendig, weil“, er suchte nach den passenden Worten, „diese Ankläger, nennen wir sie einmal so, beabsichtigen, dich nicht alleine wegen der Fristüberschreitung anzuklagen, sondern darüber hinaus auch der Rechtsbeugung, weil die Waren - nach Aussage meines Klienten - bis in das erste Drittel deiner Amtszeit auf dem Markt kursierten. Sie zielen also auf dich als Amtsträger ab."

  • Obwohl der Artorier die Eingangsfrage verneinte, stellte sich heraus, dass es sich letztlich doch um genau diesen Fall handelte.


    "Gut", erwiderte Menecrates nach dem Ende der Ausführungen. "gehen wir schrittweise vor. Zuerst einmal eine juristische Aufklärung - kurz gefasst: Rechtsbeugung liegt dann vor, wenn ein Amtsträger vorsätzlich und im Rahmen seiner Tätigkeit eine Partei - ich nenne es mal … schädigt. Dazu müsste Flavius Scato fragliche Waren erneut - nämlich bewusst und mit Vorsatz - nach Beginn seiner Amtstätigkeit auf den Markt gebracht haben.
    Sollte das nicht der Fall sein, wäre Flavius Scato zum Zeitpunkt, an dem mögliche Waren in Umlauf gekommen sind, eine Privatperson gewesen. Das schließt Rechtsbeugung aus."


    Eine Rechtsberatung umfasste Menecrates' Aufgabengebiet normalerweise nicht, aber in diesem Fall hielt er es für angebracht.


    "Nichts destotrotz nehme ich erst einmal deine Anklage auf. Ob ich der Klage stattgebe, kann ich erst nach Vorlage wichtiger Informationen und Beweismaterial entscheiden. Fangen wir bei den Informationen an.
    Ich benötige den vollen Namen und die Anschrift des Klageerhebers von Ende Mai, damit ich nach dem Verbleib bzw. Werdegang dieser Anzeige forschen kann. Punkt eins.
    Punkt zwei wären die Angaben zu deiner Person.
    Als Punkt drei interessiert mich, wer jener Naso ist und in welchem Zusammenhang er mit dieser Anzeige steht."

  • Offensichtlich. Der Prätor übersah, wo der Hund begraben lag. Für mich. Und für die restlichen Protestler.


    Aber ich konnte ihm das entweder lang und breit hier erklären .. und er tratschte es dann brühwarm alles an den Flavius weiter. Der ja auch ein Patrizier war. Und auch ein Senator. Und auch ein amtierender Magistrat. Und der sich dann nur umso besser Ausreden und Ausflüchte für den Prozess überlegen konnte.
    Oder ich hielt einfach meine Klappe, wenn ich nichts sagen musste. Behielt meine Gedanken für mich. Teilte nur die Informationen hier mit dem Prätor, die ich jetzt wirklich auch teilen musste. Also: Erstmal keine Reaktion auf die Rechtsbelehrung. Und auch danach war ich nicht nicht viel auskunftsfreudiger.


    "Ist nicht genau dafür die erste Anhörung da?"


    Ich war irritiert. Er war hier gerade Prätor. Nicht Iudex. Nicht Kläger oder klagender Anwalt. Nicht Angeklagter oder dessen Verteidiger. Kein Mitglied der Stadtkohorten oder Prätorianer oder Vigiles. (Zuständige Ermittlungsbehörden nach §56.1 Codex Iuridicialis.) Wenn ein Prätor schon vor der ersten Anhörung die Informationen der Zeugen einholte und alle Beweise sichtete. Welchen Sinn machte dann noch eine erste Anhörung vor dem Hauptprozess?


    "Oder auf welcher rechtlichen Grundlage willst du als Prätor außerhalb einer Verhandlung noch irgendwie selbst forschen?"


    Das war mir nicht ganz klar.


    "Du entschuldigst sicherlich diese dumme Frage. Von einem, der nicht dein großes Fachwissen als Prätor besitzt."


    Ich wollte den Claudius ja nicht beleidigen. Ich wollte ihm nur nicht mehr sagen als ich unbedingt musste. Weil ich stark vermutete, dass sich die Patrizierclique, der Senatorenklüngel, die Magistratskollegen untereinander deutlich näher standen als ich einem von denen.


    "Axianus Naso ist der, den du eben Gaius genannt hast."


    , schob ich zum Schluss noch als Info nach. War davor scheinbar nicht ganz rübergekommen. Dass ich nur die Anschrift von Axianus nicht aus dem Kopf kannte. Seinen Namen aber natürlich schon.


    "Und Angaben über mich kann ich machen .. wenn du mir sagst, was genau du da wissen musst."

  • Zitat

    Original von Marcus Artorius Rufinus
    "Oder auf welcher rechtlichen Grundlage willst du als Prätor außerhalb einer Verhandlung noch irgendwie selbst forschen?"
    ...
    "Du entschuldigst sicherlich diese dumme Frage."


    "Diese Frage war nicht dumm, sie ist unverschämt", entgegnete Menecrates - ruhig, aber bestimmt. Das gleiche Kaliber wie sein Klient - dreist, herausfordernd und nebenbei denkend, sie kämen so ans Ziel. Er schob die Akte etwas von sich und lehnte sich zurück. So betrachtete er für Momente den Mann. Nach wie vor stellte die Erstklage bei den Aedilen für Menecrates einen entscheidenden Schlüsselmoment dar. Deren Existenz wollte er geklärt wissen und je massiver eine Klage wegen angeblicher Rechtsbeugung gefordert wurde, umso misstrauischer wurde der Praetor.


    "Artorius", begann er schließlich in ruhigem Ton und ebensolchem Gemütszustand. "So gut wie jeder, der mich aufsucht, ist betroffen. Sei es ein Ärgernis, sei es Bestürzung, sei es Angst oder Wut. Ich habe keinerlei Problem mit emotionaler Verstrickung und daraus resultierenden Entgleisungen. Wenn sich diese Entgleisungen jedoch gegen mich und den gepflegten Umgangston bzw. die Höflichkeit richten, ergibt sich daraus für dich ein Problem: Dann stelle ich nämlich die Kommunikation ein und wir verkehren auf schriftlichem Wege." Er schwieg für zwei Atemzüge, dann setzte er erneut an.
    "Du hast demnach drei Möglichkeiten, die da wären:
    Du nimmst Vorwürfe, Belehrungen und sonstige unhöfliche Anteile aus deinen Äußerungen heraus und wir führen dieses Gespräch weiter.
    Ist dir das nicht möglich, könntest du morgen nach einer entspannten Nachtruhe noch einmal versuchen, dich mit mir auf einer gepflegteren Basis zu verständigen.
    Alternativ kannst du mir deine Klage auch in Form einer Klageschrift einreichen."
    Welche Eckpunkte die enthalten musste, würde Artorius schon wissen.


    "Probieren wir es noch einmal mit Möglichkeit eins." Menecrates lächelte milde, bevor er fortfuhr. "Hier noch einmal eine kleine juristische Aufklärung: Eine Anhörung setze ich erst dann an, wenn ich sämtliche Personalien aufgenommen habe.
    Womit wir wieder bei meinen Fragen von vorhin gelandet sind:
    1. Der volle Name und die Anschrift des Klageerhebers von Ende Mai. Der Mann heißt also Gaius Axianus Naso?"

    Menecrates hoffte, dieses Rätselraten bliebe das einzige. "Die Anschrift muss zeitnah nachgereicht werden." Er hatte registriert, dass Artorius sie nicht aus dem Stehgreif wusste.
    "2. Die Angaben zu deiner Person sind keine anderen als sonst. Also auch hier der volle Name und die Anschrift. Name kenne ich, Anschrift wäre?" Menecrates blickte erwartungsvoll.
    "Punkt 3 hat sich inzwischen geklärt."

  • Auf die Rechtsbelehrung folgte die nächste Belehrung. In der der Prätor sagte, dass ich weniger belehren sollte. Dabei hatte ich nur nachgefragt. Nach der Grundlage dafür, dass ein Prätor sich nicht auf die Judikative beschränken wollte. Sondern zusätzlich auch noch selbst "forschen" und ermitteln wollte. Ich atmete. Und sprach mir Durchhaltevermögen zu.


    "Der Mann heißt Gaius Axianus Naso, richtig. Und wie gesagt. Ich kann dir so spontan nicht sagen, wo in Rom der Mann wohnt. Aber ich kann mich dafür verbürgen, dass er bei einer Anhörung nicht fehlen wird. Schon im Interesse dieser Klage."


    War ja ein wichtiger Zeuge, dieser Mann. Auch wenn er eigentlich nur eine einzige Sache bezeugen musste. Den Zeitpunkt seiner Klage. Alles andere waren Randinfos. Vielleicht als schmückendes Beiwerk für eine Prozessrede zu gebrauchen. Aber unbedeutend für die Rechtsbeugung.


    "Ich selbst bin Marcus Artorius Rufinus. Ich wohne auch in Rom. Domus Artoria. Am Esquilinus Mons gelegen, nordöstlich des Templum Iunonis."


    Die Standardbeschreibung meines Hauses. Sollte hoffentlich reichen, um es zu finden.

  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates
    Menecrates nahm die Schriftrolle entgegen und ließ Scato seinen Frust erst einmal loswerden. Mitunter brauchte es solche Befreiungsaktionen, um anschließend konstruktiv planen und handeln zu können. Er brachte dafür Verständnis auf - generell und insbesondere in dieser Angelegenheit. Als Scato schwieg, sagte Menecrates:
    "Ich kann dich verstehen." Er ließ seinen Blick auf Scato ruhen. "Wenn du meine persönliche Meinung wissen willst, es sind niedere Gründe, die diese Gruppe von Männern antreibt. Wer missgönnt den Ärmsten denn sonst kostenlose Speisen? Der Antrieb wird Missgunst oder Geltungswahn sein, schätze ich. Möglich wäre noch ein persönlicher Feind." Menecrates öffnete die Handflächen und schaute mit fragendem Blick. "Ob es Händler sind, die Produkte vertreiben, die du angeboten hast, kann keiner leichter herausfinden als du. Sobald mir Namen bekannt sind, bekommst du sie. Ich selbst muss diese Informationen bekommen, um Entscheidungen treffen zu können."
    Er strich sich über den Bart, während er nachdachte, dann fügte er an.
    "Wir werden jetzt dieser ersten Anzeige auf den Grund gehen. Das ist umso mehr notwendig, weil“, er suchte nach den passenden Worten, „diese Ankläger, nennen wir sie einmal so, beabsichtigen, dich nicht alleine wegen der Fristüberschreitung anzuklagen, sondern darüber hinaus auch der Rechtsbeugung, weil die Waren - nach Aussage meines Klienten - bis in das erste Drittel deiner Amtszeit auf dem Markt kursierten. Sie zielen also auf dich als Amtsträger ab."


    "Rechtsbeugung?" Scatos Ohren spitzen sich beinahe schon sichtbar und seine Miene veränderte sich tatsächlich sichtbar "Rechtsbeugung?!" entfuhr es dem sonst so kühlen Flavier erneut und er kam nicht umher den Kopf zu schütteln.
    "Ich bin wirklich gespannt Menecrates. Wirklich gespannt welches Recht denn der Bürger Caius Flavius Scato bei seiner Feier zum Wahlsieg gebeugt haben soll. Sehen wir doch einmal von der Tatsache ab, dass der ursprüngliche Vorwurf schon grotesk und kaum nachvollziehbar ist, so leuchtet es doch ein, dass ich mir keinen Vorteil verschafft haben kann weil ich als normaler Bürger, gut, Senator, noch nicht in der Lage war mir dieses Recht zu beugen da ich noch kein vereidigter Aedil war." führte er das offensichtliche aus, was sich der Claudier sicherlich auch schon denken konnte, schließlich war er ja selbst auf der Feier anwesend, aber das tat in diesem Moment wenig zur Sache...
    "Generell muss ich mein Erstaunen ausdrücken, dir gegenüber in der Rolle als Vertrauter, weniger in der Rolle als Praetor." erklärte Scato und sprach weiter "Das die kaiserliche Administratio meine Immunität als Aedil einfach aufhebt. Ohne eine Gegenmeinung einzuholen. Ohne mich zu informieren. Meines wissens nach ist dies nur bei einem hinreichenden Verdacht möglich. Doch die bisherigen Ausführungen lassen mich dahingehend arg an einer hinreichenden Sachlage zweifeln. Ich fürchte, dass ich eine Protestnote verfassen muss."

  • Das Gespräch mit Scato brachte wichtige Hinweise über den Verlauf der Spendensache. Zum einen vervollständigten sie das Gesamtbild, zum anderen bestätigten sie dem Praetor die Richtigkeit seiner eigenen, bislang nur vermuteten Einschätzung. Auf der Grundlage dieses Gesamtbildes konnte er nun entscheiden.


    "Scato, der Vorwurf der Rechtsbeugung ist haltlos. Darüber zerbreche dir mal nicht den Kopf. Du hättest die Spenden ein zweites Mal, nämlich nach deiner Vereidigung, in Umlauf bringen müssen - bewusst und mit Vorsatz. Hast du aber nicht."
    Die Sätze flossen nebenbei über seine Lippen, während er gedanklich verschiedene Szenarien durchging. Schließlich stand er auf und nahm sich die Gesetzessammlungen zur Hand.
    "Ich brauche einen Moment", erklärte er Scato, ohne aufzublicken. Er blätterte. "Mir kommt nämlich ganz spontan der Verdacht, dass diese Gruppe an Personen nicht nur deine öffentliche Vorführung anstrebt, sondern im besten Fall", er unterbrach sich selbst, weil er einen relevanten Paragraphen gefunden hatte, den er zunächst studierte - einmal, zweimal, dann blickte er auf. "sondern im besten Fall auch noch MICH manipulativ zu einer Rechtsbeugung bringen wollen. Ein Schritt zu weit und ich kann nicht mehr zurück." Ob das Scato verstand oder nicht, blieb Menecrates verborgen, weil er weiterlas. Bis sein Finger auf eine Stelle tippte. "Kein normaler Bürger regt sich über milde Gaben auf."


    Er klappte die Gesetzessammlung zu und begab sich zurück auf seinen Platz.
    "Folgendes: Es bleibt dabei, dass ich die Angelegenheit zur Prüfung an die Basilica Iulia, das Gremium der Aedile, weiterleite. Ich verlängere die Frist zur Bearbeitung auf vier Wochen, damit das kein Fallstrick wird. DU klemmst dich persönlich dahinter, dass mein Gesuch nicht liegenbleibt. Klärt, wo die erste Anzeige gegen dich versandet ist. Tauchen bei mir weitere Beteiligte dieser Zusammenrottung auf und erheben Klage in dieser Sache, werden sie von mir ebenfalls an die Aedile verwiesen.
    Schlimmstenfalls droht dir ein Bußgeld nach § 5 Abs. 3 Satz 2, aber so wird dein Name nicht mit einer Gerichtssache in Verbindung gebracht. Das ist nicht nur eine korrekte Lösung, sondern auch die beste für dein Ansehen."


    Scato musste letztlich zwar hinnehmen wie Menecrates entschied, aber Einwände durfte er bringen, keine Frage.


    "Und was die kaiserliche Administratio betrifft: Sie haben dich nicht deines Amtes enthoben, nur die Immunität aufgehoben. Das sagt schon einiges aus. Ich gebe aber zu, das Wort hätte man dir gönnen können und müssen."


  • Die Personalien waren aufgenommen, nun folgte der Entscheid.
    Da Menecrates sich bereits durch das Klagegesuch seines Klienten in den Fall eindenken konnte, musste er am heutigen Tag nicht erst überlegen. Grundlage seines Entscheids stellten die beiden vorgebrachten Klageanträge - zum einen Anaxander, zum anderen Artorius - sowie das Gespräch mit Scato dar, der ihm die Fakten schilderte.

    "Mein Entscheid ist folgender: Ich lehne die Klage nach § 26 Abs. 3 des Codex Iuridicialis ab."


    Menecrates hatte zwar gesagt, dass er eine erste Anhörung erst nach der Aufnahme der Personalien ansetzen würde, nicht aber, dass er das auch in diesem Fall tun würde.
    "Kurz noch zur Erklärung: Eine Rechtsbeugung liegt nicht vor, die Erklärung dazu gab ich bereits. Ein Verstoß gegen die Lex Mercatus fällt nicht in meinen Bereich. Das Darreichen von mildtätigen Spenden über eine gesetzliche Frist hinaus erachte ich als geringe Schuld und ich sehe auch kein öffentliches Interesse an der Verfolgung dieses Vergehens."

  • Ich schüttelte mit dem Kopf. Jetzt nur nicht einlullen lassen!


    "Tut mir Leid, Prätor. Aber ich muss auf die Klage bestehen."


    Ein kurzes Räuspern.


    "Denn Gaius Axianus Naso kann bezeugen, dass er am letzten Tag des Monats Mai Anzeige in der Basilica Iulia erstattet hat. Gegen den Bürger Caius Flavius Scato. Wegen Verstoßes gegen die Lex Mercatus. Am selben Tag wurde der Flavius zum Ädil vereidigt. Ein Ädil mit der Aufgabe, über die Einhaltung der Lex Mercatus zu wachen. So stehts im §53 Codex Universalis."


    Ein kleiner Moment. Damit der Prätor mir folgen konnte.


    "Bis zu den Kalenden des Juli ist *ein* Drittel .. ein *ganzes* Drittel des Amtsjahres verstrichen. Und immernoch hat der Flavius mit denselben Spenden gegen die Lex Mercatus verstoßen. Fortwährend. Unbeirrt. Deswegen hat mein Protest sich an den Kaiser gewendet. Und deswegen hat *der* dann die Immunität vom Ädil aufgehoben. Weil auch da der Flavius immernoch mit seinen Spenden gegen die Lex Mercatus verstoßen hat."


    Einmal durchatmen.


    "Ich denke, soweit sind wir uns grob einig?"


    Eine rhetorische Zwischenfrage zur Auflockerung.


    "Und ich steh jetzt hier bei dir. Nicht wegen dem Verstoß gegen die Lex Mercatus. Der fällt nicht in deine Zuständigkeit. Das weiß ich auch. Ich steh hier bei dir, weil der Verstoß nicht vom Ädil geahndet wurde. Und *das* ist für mich eine glasklare Rechtsbeugung. Des Ädils. Zu seinen eigenen Gunsten."


    Und dass die Sache nicht völlig haltlos aus der Luft gegriffen war, hatte die Kanzlei ja irgendwie schon bewiesen. Indem sie die Immunität vom Flavius aufgehoben hatte.


    "Was ich dem Ädil also vorwerfe: Dass er in diesem ersten Drittel des Amtsjahres gegen die Lex Mercatus verstoßen hat. Vom ersten Tag. Bis zum letzten Tag dieses Drittels. Und dass er diesen Verstoß in dieser ganzen, langen, langen Zeit während er als Ädil die Einhaltung der Lex Mercatus kontrolliert hat nicht beendet, nicht gestoppt, nicht geahndet hat. Trotz einer Anzeige deswegen *vor* seiner Amtszeit. Trotz öffentlicher Kritik auf dem Forum *während* seiner Amtszeit."


    Ich sah den Prätor ernst an.


    "Für meine Begriffe eine Rechtsbeugung vom Feinsten. Darum hat der Kaiser unseren Appell auch nicht einfach ignoriert. Sondern die Immunität vom Flavius aufgehoben. Damit das gerichtlich geklärt werden kann. Und darum .. *bitte* ich dich *eindringlich*, dass du dieser Entscheidung folgst. Ich *bitte* dich, versuch nicht als Prätor zu urteilen. Lass die Klage zu, damit ein *Iudex* über den Vorwurf urteilen kann."


    Womit ich nicht sagte, dass er sich nicht auch selbst zum Iudex in dem Fall berufen konnte. Wäre er ja auch nicht der erste Prätor, der sich selbst zum Richter in einem Prozess machte.


    "Der Fall sollte alle Voraussetzungen erfüllen, um begründet von dir zugelassen zu werden."


    Fand ich. Genau wie die Kanzlei bei ihrer Aufhebung der Immunität. Voller Erwartungen sah ich den Prätor an. Und hoffte, dass sich die Stärke des Rechts durchsetzte. Gegen das (Un-)Recht des Stärkeren. Womit die Rechtsbeugung des Flavius gemeint war.

  • Ich reichte dem Prätor die gewünschte Akte und von diesem Augenblick sah ich es, obwohl ich keinen Auftrag dazu erhalten hatte, als meine vernehmlichste Aufgabe an, alles was bei diesem Gespräch laufen würde, nicht nur zu versuchen zu registrieren, nein weit mehr es mir genau einzuprägen.
    In der kurzen Zeit, in der ich mir die Stelle des Liktors erarbeitet hatte, war eine meiner Fähigkeiten zu Tage gekommen, ich hatte eine enorme Merkfähigkeit. Mein Gehirn schien einmal gesehenes besser zu speichern als es beim Durchschnitt der Menschen normal war.
    Um es kurz zu machen, beim Erscheinen des Artorius Rufinus ging mein inneres Alarmsystem los. Für das Mitschreiben von allem gesprochenem gab es genug Sekretäre, ich würde auf Mimik und Gestik achten.
    Eins fiel mir sofort ins Auge. Artorius Rufinus war sehr selbstsicher, wenigstens zeigte er sich so. Er fühlte sich überlegen, scheinbar hatte er eine Gruppe hinter sich. Sein Wissen was er vorgab zu haben, stammte bestimmt von diesen. Mehr noch er wollte den Prätor unter Druck setzen.
    Versuchte ihn zu verunsichern streute hin und wieder Rechtsbelehrungen ein, gab damit vor großes Wissen zu haben und mimte den Überheblichen.
    Meine Frage war indes was sollte dieser Zwergenaufstand? Da hatte wer die Wahl gewonnen und aus Freude verteilte er Nahrung an das Volk Roms. Eine übliche Praxis, nichts verwerfliches, doch dann oh Jammer, standen übrig gebliebene Nahrungsmittel, die der Bürger selber bezahlt hatte, scheinbar länger als normal für das Volk bereit. Und damit hatte dieser sein neues Amt missbraucht.
    Ich bezweifelte ob der Artorier dies mit eigenen Augen gesehen hatte oder einer seiner Hintermänner. Woher also wollten sie ihr Wissen haben? Da stimmte etwas ganz und gar nicht.
    Für mich sah es so aus, als wenn das eine gezielte Aktion gegen Flavier oder Claudier oder gegen beide.
    Konnte es sein, man wollte sie gegeneinander aufhetzen? Wollte man die neueste geplante eheliche Verbindung der Familien sabotieren? War es ein Akt der Missgunst? Hatte einer eine persönliche Rechnung mit einer oder beiden Gens offen? Es konnte dies oder noch anderes sein, nur ging es dem, der im Hintergrund die Fäden zog, nicht um die Speisung des Volkes, sondern nur um seine persönliche Interessen. Dafür war ihm jedes Mittel recht. Er hatte gelauert wie die Spinne im Netz um endlich zum Ziel zu kommen.

  • Natürlich hatte Menecrates nicht erwartet, dass der Artorier nickte und ging. Er erwartete im Grunde einen lautstarken Protest, doch der blieb aus. Vielmehr zeigte sich der Mann nun von einer ganz und gar sachlichen und höflichen Seite, die ihm der Praetor nicht zugetraut hätte. Menecrates lehnte sich zurück und hörte aufmerksam zu. Zwischendurch zuckten seine Mundwinkel und offenbarten den Ansatz eines gütigen Lächelns. Er wusste nicht, was den Mann antrieb, der so verzweifelt diese Klage anstoßen wollte. Fast sah sich der Claudier versucht, wegen des Misslingens ihm Trost zu spenden. Aber Emotionen gehörten nicht in den Amtsstuhl, weder die mitleidigen noch die verächtlichen oder sonst irgendwelche.


    "Artorius, ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass hinter dem überzogenen Zeitraum nichts weiter als Vergesslichkeit stecken könnte? Ich habe mit Flavius Scato ein ausführliches Gespräch geführt, nachdem mein Klient in dieser Sache vorgesprochen hatte. Unbeeinflusst von Suggestion hat mir der Flavier sehr glaubhaft geschildert, dass sich ihm jede Kenntnis darüber entzieht, wie die Spenden länger als nur den einen Tag seiner Feier auf dem Markt kursieren konnten. Ein Mann aus gutem Hause kümmert sich in aller Regel nicht selbst um die Verteilung von Spenden, sondern beauftragt Helfer. Ein angehender Amtsträger hat dann noch einmal weniger Zeit. Du kannst ihm Nachlässigkeit vorwerfen, nicht aber Vorsatz. Er hat die Waren anlässlich seiner Wahlfeier gespendet und wissentlich nur an diesem einen Tag. Ich glaube ihm das. Eine öffentliche Kritik ist ihm nicht zu Ohren gekommen, so sagt er, und auch das glaube ich ihm, denn mir selbst ist dergleichen ebenfalls nicht zu Ohren gekommen.
    DIR glaube ich, dass dein Zeuge Gaius Axianus Naso Flavius Scato am Letzten des Monat Mai tatsächlich bei den Aedilen angezeigt hat. Mein Klient sagte, die Anzeige erfolgte vor der Vereidigung. Demnach hat die Anzeige ein Aedil aus der letzten Legislaturperiode entgegengenommen. Es ist gut möglich und denkbar, dass durch den Amtswechsel diese Klage liegengeblieben ist. Es ist aber sicher nicht denkbar, dass eine Klage demjenigen zur Bearbeitung gereicht wird, der selbst angeklagt ist. So viel Verstand und Korrektheit können wir schon all unseren Amtsträgern zutrauen. Es gibt ja auch mehr als nur einen Aedil.
    Es steht dir frei, dieser ersten Klage nachzugehen. Es steht dir ebenso frei, eine zweite Klage einzureichen. Aber hier bei mir ist dafür nicht der richtige Ort."


    Menecrates nickte Artorius noch einmal zu, dann sah er zu Faustus. Er würde ihn brauchen, sobald der Artorier gegeangen ist.

  • Das war doch .. Versteckte sich die Obrigkeit jetzt schon hinter ihren Bediensteten?


    "Klar. Der Gedanke ist mir auch gekommen, Prätor."


    Einerseits. Aber andererseits....


    "Aber es gab eine Anzeige gegen den Flavius. Am Tag seiner Vereidigung. Heißt: Ein Fall, den die alten Ädilen schon gar nicht mehr abschließen konnten."


    Morgens kam eine Anzeige rein. Ein paar Stunden später war die Vereidigung. Rechtsbeugung? Wohl eher die typische Bürokratie. Sah man ja auch gerade live, wie zeitzehrend das oft war.


    "Ein Fall, der also bei der Amtsübergabe mit an den Flavius* übergeben wurde. Aber passiert: Ist nichts."


    Sim-Off:

    * Ich hoffe, hier will sich niemand hinter einem NPC verstecken, um mögliche negative Konsequenzen für seine ID (der einzige gewählte Ädil, den wir gerade haben) abzuwenden. Ich hab gehört, da gibts so eine Spielregel zu. ;)


    Die Spenden wurden nicht eingestellt. Die gingen unbeirrt weiter.


    "Später gab es öffentliche Kritik auf dem Forum. Nicht durch zwei tuschelnde Leute. Sondern durch eine öffentliche Rede. Eine Rede, die den Ädil beim Namen genannt hat. Und nicht nur den. Auch seine Spenden, mit denen er gegen die Lex Mercatus verstoßen hat. Aber passiert: Ist wieder nichts."


    Durchatmen.


    "Und jetzt vergeht nicht ein Tag. Nicht eine Woche. Sondern ein *ganzes* Drittel des Amtsjahres. Des Amtsjahres, in dem der Ädil die Einhaltung der Marktordnung überwacht. Ein *ganzes* Drittel dieses Amtsjahres vergeht. Und es passiert: Absolut nichts. Unbeirrt spendet der Ädil tagaus, tagein und tut nichts, um diesen Verstoß gegen die Lex Mercatus zu unterbinden."


    Ich schüttelte den Kopf.


    "Weil ihm die Anzeige gegen ihn auch nach einem Drittel des Amtsjahres immernoch nicht in die Hände gefallen ist? Weil er nicht den blassesten Schimmer davon hat, was auf dem Forum gesprochen wird? Gerade wenn es dabei doch um ihn geht. Um seine Verlobung. Um die Kaiserin bei ihm zu Gast. Um seine Spenden, die gegen das Gesetz verstoßen. Und weil er natürlich auch keine Ahnung, nicht den geringsten Schimmer hat, dass seine Sklaven und Bediensteten unter dem Slogan "Spenden fürs Volk! Vom Aedil Caius Flavius Scato!" auch nach seiner Wahlfeier immer weiter Spenden ans Volk bringen?"


    Das war ja wirklich .. sehr .. kurios.


    "Ich möchte nochmal betonen, Prätor. Ich bin nicht hier, weil ich den Verstoß gegen die Lex Mercatus anzeigen will. Ob der Verstoß gegen die Lex Mercatus also wissentlich war oder aus Unwissenheit .. Ich würde sagen, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht* .. Aber es spielt sowieso keine Rolle. Weil es um den Verstoß gegen die Lex Mercatus mir ja gar nicht geht."


    Sim-Off:

    * Zumal ja bisher auch immer jeder für seine eigenen Angebote selbst verantwortlich war. Und nicht bei einem Verstoß plötzlich der eigene NPC-Verwalter Schuld ist. ;)


    Ich versuchte das irgendwie mit Gesten zu unterstützen. Weil ich irgendwie glaubte, dass der Prätor mich vielleicht einfach nicht richtig verstand. (Weil ich mich vielleicht einfach nicht so ausdrücken konnte wie ein Patrizier das gewohnt war.)


    "Ich bin hier, weil der Bürger Caius Flavius Scato als Ädil die Lex Mercatus gebeugt hat. Indem er nichts dagegen unternommen hat, seinen eigenen Verstoß gegen dieses Gesetz zu unterbinden. Obwohl es eine Anzeige gegen ihn deswegen gab, die er von seinem Amtsvorgänger "geerbt" hat. Obwohl es in der Öffentlichkeit auf dem Forum lang und breit Thema war. Obwohl er ein gaaanzes Drittel des Amtsjahres die Marktordnung durchsetzt. Und trotzdem hat er es in dieser ganzen, langen, langen Zeit nicht vollbracht, seinen eigenen Verstoß zu unterbinden."


    Wieder ein Kopfschütteln.


    "Für mich subjektiv. Eindeutig Rechtsbeugung zum eigenen Vorteil. Für den Kaiser objektiv. Scheinbar Grund genug, die Immunität vom Flavius aufzuheben und eine gerichtliche Klärung der Sache zu empfehlen. Und sich sogar explizit weitere Sanktionen gegen den Ädil vorzubehalten."


    Nochmal durchatmen. Auf ein Letztes.


    "Drum hoff ich wirklich, dass du dieser Klage stattgibst. Damit ein Gericht das objektiv und neutral klären kann. Bis wohin sich ein Ädil vielleicht noch hinter "Nachlässigkeit" verstecken kann. Und ab wann es eindeutig vorsätzliche Rechtsbeugung ist."


    Ich zögerte .. und entschied mich dagegen. Dagegen noch mehr zu sagen. Erstmal abwarten, ob der Prätor jetzt auch noch ein drittes Mal nein sagte. Erst dann wollte ich um eine schriftliche Begründung bitten. Eine mit Siegel und Unterschrift. Ganz offiziell. Damit ich hier nicht ohne was wieder ging. Sondern etwas in der Hand hatte..

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!