Serenus kam mit der Ulpius-Spar-Büste und Nero am Arbeitszimmer von Onkel Senator Felix an und klopfte.
Klopf! Klopf!
Serenus kam mit der Ulpius-Spar-Büste und Nero am Arbeitszimmer von Onkel Senator Felix an und klopfte.
Klopf! Klopf!
Mit einem Seufzen reagierte ich auf die neuerliche Belästigung, versteckte sämtliche potentiell verfänglichen Materialien und setzte mich zurecht.
"Herein!?"
Serenus betrat den Raum und gab seinem Kampfhund mit einer Handgeste zu verstehen, daß er artig Sitz machen sollte.
“Salve Onkel Senator Felix. Ich hoffe es geht Dir gut. Ich möchte einen Augenblick deiner Zeit in Anspruch nehmen. Wenn du wenig Zeit hast, dann komme ich gleich mit meinen drei Anliegen zur Sache. Wenn du viel Zeit hast, dann unterhalten wir uns am Besten zuerst noch etwas über das Wetter, deine geliebten Rosen und andere Themen die du magst, bevor wir auf die eigentlichen Anliegen kommen. Onkel Gracchus meinte, daß man erst einmal aus Höflichkeit über andere Sachen spricht. Aber ich weiß ja wie wenig Zeit du hast, weil du dem Augustus als sein Vertrauter immer mit Rat und Tat in den vielen Conventi und im Senat zur Seite stehen mußt.”
"Hallo Lucius!"
Der Bengel war sicher unmöglich wieder loszuwerden. Darum beschloss ich das Beste daraus zu machen.
"Dein Onkel hat damit sicher recht, aber in der Familie ist es oft besser wenn man direkt zum Punkt kommt, anstatt einem Interesse an seinen Lieblingsbeschäftigungen vorzuheucheln. Du hast gleich drei Anliegen? Schieß los!"
“Was heißt vorheucheln? Ich kann deinem Interesse an der Rosenzucht genauso wenig abgewinnen, wie Omas Interesse an der Zierfischzucht. Dennoch akzeptiere ich diese Freizeitbeschäftigung und binde die Rosensträucher in meine Ziegenrennen als Hindernisse ein, die nicht touchiert werden dürfen. Ebenso die kleinen Teiche.
Also, zunächst einmal würde ich gerne Kämpfen lernen. Im Ringen bin ich ganz gut, aber im Faustkampf miserabel. Und mit einem Dolch oder einem Gladius kann ich überhaupt nicht umgehen. Ich habe zwar meinen Kampfhund Nero als meinen Leibwächter von Oma bekommen, aber der darf mich nicht überall hin begleiten. Und als Patrizier sollte ich mich zumindest meiner Haut erwehren können, wenn man mich mal angreift und zu entführen versucht. Oder ich einmal Streit mit einem meiner Freunde bekomme. Oder verzweifelte Klienten zudringlich werden.
Da Papa weit weg in Mantua ist dachte ich an dich. Du kannst mir doch sicher alles beibringen. Oma hat immer erzählt, daß du auf der Militärakademie warst und sogar mal der Praefectus der Classis gewesen bist. Du bist also im Gegensatz zu Onkel Lucullus und Onkel Gracchus ein ausgebildeter Soldat. Und du musst sehr gut gewesen sein, denn sonst hättest du nicht so lange überlebt bis du deren Praefectus wurdest.
Desweiteren brauche ich mehr Platz. Ich muß mich entfalten können. Und dafür ist mein Cubiculum mit dem kleinen Ankleidezimmer, wo auch meine Leibsklavin schläft, zu klein. In meinem Cubiculum kann ich ja nicht mal richtig spielen, wenn es regnet und ich nicht in den Garten kann. Da ist zuwenig Platz und wenn ich durch den Rest des Hauses tobe, dann fühlt sich wieder jemand gestört. Also ist mir folgendes überlegt. Tante Minervina ist ja für lange Zeit nach Hispania gereist. Und ihr Cubiculum liegt genau neben meinem. Ich nehme dieses Zimmer zusätzlich für mich in Besitz, lasse es ausräumen und richte mir dort ein Studier- und Spielzimmer ein, wobei wir noch einen Wanddurchbruch in mein Cubiculum machen.
Das letzte Anliegen bezieht sich auf meine Kaiser-Ulpius-Sparbüste.”
Serenus stellte die Büste auf den Tisch.
“Wenn du die schüttelst, dann wirst du feststellen, daß der Kopf des Augustus ganz hohl ist. Und ich sehe mich nicht in der Lage ihn zu füllen. Mein Taschengeld von Oma und Papa war ausreichend für Baiae, aber Roma ist eine ganz teure Stadt. Meine Spareinlagen schrumpfen ständig. Und arbeiten kann ich ja noch nicht, weil ich dafür viel zu jung bin. Wir sollten uns über eine Taschengelderhöhung unterhalten. Bekomme ich Taschengeld von Dir?”
Serenus schaute Onkel Senator Felix mit seinen Augen und seinem Engelchengesicht so lieb an, wie er es bei Oma immer getan hatte. Serenus, der Brave und Artige, dem man so schlecht etwas abschlagen konnte.
Er redete zuviel. Vermutlich würde mal ein großer Orator aus ihm werden, wenn er sich nicht vorher zum Kopf und Kragen plapperte.
"Ein ordentlicher Patrizier, mein lieber Serenus, der prügelt sich nicht. Dafür hast du dann schließlich, wenn du alt genug bist, ein paar Leibwächter an deiner Seite. Es ist nämlich bereits sehr schwer, in einer Toga anständig zu schreiten - sich damit schnell bewegen ist ausgeschlossen.
Auch fürs Militär brauchst du solche Fertigkeiten nicht. Kämpfen und sterben lassen wir das gemeine Volk, und zwar auf unseren Befehl hin."
Das war zwar eine etwas polarisierte Version der Wahrheit, für eine frühe, richtungsweisende Erziehungsmaßname war sie aber dennoch sehr geeignet.
"Was deinen Platz angeht... nein. Die paar Regentage im jahr kommst du schon mit deinem Zimmer aus. Das ist ohnehin das größte in der ganzen Villa."
Serenus tat als wäre Rom Germanien. Außerdem ziemte sich Herumtoben in seinem Alter schon lange nicht mehr - ich würde also bei meinem Entschluss bleiben, egal wie sehr er bettelte.
"Du wolltest arbeiten!? Schäm dich."
Serenus war vor den Kopf gestossen und enttäuscht von Onkel Senator Felix. Da hatte er sich tagelang auf das Gespräch vorbereitet. Kluge Sätze und Sprüche überlegt, die schon so reif und erwachsen klangen und dann schmetterte ihn sein Onkel einfach ab.
In Gedanken setzte er ihn in der Liste der Lieblingsonkel auf den letzten Platz und damit sogar noch hinter den muffeligen und wortkargen Onkel Milo. Es sollte da noch einen Onkel Aquilius geben, aber der war Serenus in der Villa noch nicht über den Weg gelaufen, da dieser in einem Ort namens Patrosfeta (oder so ähnlich) in Griechenland war. In geheimer Mission für den Pontifex Maximus, was so viel hieß, wie Nachfragen von Serenus blieben unbeantwortet.
Lieblingsonkel:
1. Gracchus
2. Lucullus
3. Furianus
4. Milo
5. Felix
?Aquilius?
“Im Moment habe ich aber keine Leibwächter, Onkel Senator Felix. Meine Leibsklavin Dido, welche ich mal zu einer Amazone ausgebildet wird, ist vier Zentimeter kleiner als ich. Und meinen Kampfhund Nero kann ich nicht überall mit hin nehmen. In Tempel und öffentliche Thermen schon mal nicht. Das ist verboten. Und Papa hat sich auch immer mit Onkel Gracchus und Onkel Aquilius in Griechenland geprügelt und Onkel Milo immer in Baiae verhauen.
Mein Cubiculum ist vielleicht das Größte in der ganzen Villa, aber ich habe nur 1 Zimmer. Und alle anderen haben noch ein Officium. Soll ich etwa immer in die Bibliothek gehen? Oder darf ich in dein Officium, wenn du nicht da bist? Du bist ja ganz oft auf Sardinien."
Dann schaute er seinen Onkel entschlossen an und machte ein böses Gesicht, wobei er zusätzlich die Arme vor der Brust verschränkte.
„Nein! Ich schäme mich nicht für Sesterzen zu arbeiten, denn wenn ich nicht genug Taschengeld bekomme, dann muß ich ja arbeiten. Und überhaupt ist Onkel Furianus doch ein Musterbeispiel dafür, daß auch Patrizier für Geld arbeiten. Der hat ganz viele Aufgaben gemacht, welche normalerweise nur Eques machen, aber keine Patrizier. Und dafür hat er Geld bekommen. Er war Praetor Urbanus. Und Oma züchtet Zierfische, die sie an ihre Klienten verschenkt und an Leute, die lange genug betteln und die sie nicht leiden kann für ganz viele Sesterzen verkauft. Du züchtest Rosen und meine Sklavin Dido hat den Gärtnersklaven Quadratus beobachtet, wie er Ableger von deinen Rosen am Lieferanteneingang verkauft hat. Also verdienst du ja auch Geld. Und Gartenarbeit ist Arbeit. Das ist anstregend. Ich mußte in Baiae einmal als Strafe das Herbstlaub im Garten zusammeln recheln.
Ich habe mir überlegt, daß ich Sklaven oder Kampfhunde züchte. Aber ich glaube mit Sklaven kann ich mehr verdienen. Zumal wir die ja ohnehin das ganze Jahr über füttern. Das reduziert meine Betriebskosten. Ich nehme unsere Haussklaven wie Sica, Hannibal und Sciurus und paare sie mit den weiblichen Sklavinnen im Haus. Im Ergebnis bekomme ich neue Sklaven in kleiner Stückzahl. Die bekommen das Gütesiegel der Gens Flavia eingebrannt und dann verkaufe ich sie in Roma. Und bekomme ganz viele Sesterzen. In dieser Schriftrolle steht alles drin. Ich habe mir alles genau überlegt und es macht kaum Arbeit, denn ich muß nur die Paare zusammen stellen, die Zucht überwachen und nachher den Verkauf organisieren.”
Serenus präsentierte seinem Onkel eine Schriftrolle “Wirtschaftslehre für den angehenden Vilicius am Beispiel eines Schafsbetriebes”.
"Oder vielleicht doch besser lauter kleine Kampfhunde wie Nero?"
Ich seufzte ob des immersen Redeschwalls, und versuchte an passenden Stellen Kommentare unterzubringen.
ZitatIm Moment habe ich aber keine Leibwchter, Onkel Senator Felix.
"Wie ich schon sagte, wenn du alt genug bist."
ZitatSoll ich etwa immer in die Bibliothek gehen?
"Ja."
Er schien mich nicht wahrzunehmen. Nun gut, ich ließ ihn plappern, während meine Gedanken anderso weilten.
Serenus stoppte seine Redefluss.
Wie "Ja."? Soll ich jetzt Sklaven oder Kampfhunde züchten?"
Also gesprächig war Onkel Senator Felix ja wirklich nicht. Wie war der Mann nur Senator geworden? Und die Bibliothek sollte sein neues Arbeitszimmer sein. Spitze! Damit hatte er das größte Arbeitszimmer im Haus und der Rest durfte nur rein, wenn er es erlaubte.
Kurz erwägte ich, sofort wieder nach Sardinien abzureisen.
"Weder noch, Lucius. Die Sklaven züchten sich selbst, und Kampfhunde kauft man am Besten fertig ausgebildet."
Fische oder Rosen zu züchten, das wäre anständig für einen Patrizier. Für einen erwachsenen, allerdings.
"Wie wäre es wenn du stattdessen deine Manieren etwas vermehren und dressieren würdest?"
Genau das war in seinem Alter angebracht.
"Und wenn du alt genug und vor allem brav genug bist... dann bekommst du auch ein eigenes Arbeitszimmer."
Ich kramte in einem Lederbeutel nach ein paar Sesterzen für den Kleinen.
Onkel Senator Felix war echt doof. Total unkühl. Der hatte als Kind sicher alles verboten bekommen und war darüber muffelig und wortkarg geworden. Genauso wie Onkel Milo. Die beiden konnten ihre Verwandschaft echt nicht verleugnen. Also, wenn er da mal seine Beredsamkeit nahm, die seiner Onkel Gracchus und Lucullus, ja selbst von Arrecina und Tante Leontia, dann stammten Onkel Milo und Onkel Senator Felix sicher aus einer adoptierten Seitenlinie.
Serenus überlegte ernsthaft, ob er nicht die Rosen seines Onkels mal ausgraben und mit dem Wurzelwerk nach oben wieder eingraben sollte.
Manieren vermehren und dressieren? Er war doch kein Tier, das man dressierte? Hielt ihn sein Onkel etwa für einen Hund oder eine Hauskatze? Und seit wann konnten Tiere reden? Serenus schaute den alten Mann grimmig an, während dieser in einem Lederbeutel einige Sesterzen zusammen suchte.
Und dann sah Serenus die einfache Wahrheit. Onkel Senator Felix war ein uralter, verwirrter, seniler Greis! Ja, der war so alt, dass er deshalb schon so wortkarg war. Und Onkel Furianus war nur zum Senator ernannt worden, damit er Onkel Senator Felix auf dem Weg in den Senat stützen konnte, weil dieser so gebrechlich war. Und ihm bei Abstimmungen den Arm hoch hob. Und Onkel Gracchus wurde Senator, damit er sich mit Onkel Furianus immer bei der Betreuung von Onkel Senator Felix abwechseln konnte. Und vermutlich schob man ihn in Wirklichkeit nach Sardinien in die dortige Villa ab und versteckte ihn, damit niemand seinen senilen Zustand mitbekam. Ab und an durfte er dann wieder in den Schoss der Familie zurück. Serenus hatte mal gehört, dass die Zeiten der Verwirrung im Alter oft nur periodisch waren. War Onkel Senator Felix verwirrt, dann wurde er nach Sardinien verfrachtet. War er geistig vital, durfte er wieder nach Roma.
Er würde seine Lieblingstante Leontia fragen, was er machen sollte. Artig bedankte er sich bei seinem Onkel, steckte die Sesterzen ein, verabschiedete sich und machte sich auf zu Tante Leontia.
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