Es war spätabends, und zu dieser Zeit war es glücklicherweise ruhig in der Villa Flavia Felix. Jene, die früh zu Bett gehen mussten, um ihre Kräfte für den nächsten Tag zu sammeln, waren längst im Schlaf, und jene, die sich leisten konnten, nachts lange wach zu bleiben, beschäftigten sich in ihren Zimmern oder waren ausgegangen, um anderswo ihr Abendessen einzunehmen. Ich hatte diese Stunden in der Villa immer gemocht, denn sie vermittelten den flüchtigen Eindruck, man könnte in dieser ewig lebendigen Stadt vielleicht doch einmal allein mit seinen Gedanken sein, sich alleine um sich selbst kümmern, ohne allzu sehr auf andere achten zu müssen, die auch ihre Wünsche und Sehnsüchte mit sich herumschleppten.
Ich vermisste das Meer, das einfache Leben, das einfache Essen, das es abends nach einem harten Arbeitstag gegeben hatte, nur die rauhen Schwielen in meinen Händen waren eine lebendig gebliebene Erinnerung an eine ganz andere Welt. Ich überlegte, ob ich Orestilla und ihren Vater mitsamt der weitverzweigten Sippe an unmündigen Verwandten hierher bringen sollte, um ihnen ein besseres, einfacheres Leben zu ermöglichen, aber ... ich fürchtete gleichzeitig, ich könnte sie damit verderben und zerstören. Sie waren einfache Menschen, denen die Liebe der Römer zur Intrige vollkommen abging, und sie wären Freiwild für die Tratschmäuler der urbs aeterna.
Dennoch, ich musste meine Gedanken sammeln, und hatte mir einen einfachen Spieß geholt, der wohl meist für die Jagd benutzt worden war, bevor er in einer der Kammern verstaubt war, in denen so viele Hinterlassenschaften verschiedenster Familienmitglieder herumlagen. Ein Spieß, den man auch benutzen konnte, um Fische zu stechen, genug Geduld und Können in dieser schwierigen Disziplin vorausgesetzt. Eine Lektion, die der Fischer Caius hatte lernen müssen, um seine Familie zu ernähren, eine Lektion, die der Patrizier Aquilius noch immer verinnerlicht hatte. So war ich in den Garten hinausgegangen, den mir nur der Mond beleuchtete, passend eigentlich, schrieb man doch der Jagdgöttin Diana das Mondlicht zu, in welchem sie es wagte, sich unbekleidet dem Bade hinzugeben.
Ich wusste, dass es hier nicht nur einen Teich gab, sondern auch einen künstlich angelegten Zufluss, der den Zierfischen ein wenig mehr ihres natürlichen Lebensraumes vorgaukeln sollte, und für ein angenehmes, leises Rauschen und Plätschern sorgte, das einen müßigen Spaziergänger zu entspannen wusste. Aber mir stand der Sinn nicht nach Spaziergängen, ich wollte etwas anderes, die Karpfen hier im Teich waren ohnehin zu fett geworden und ich hatte mich an den Geschmack von Fisch inzwischen gewöhnt.
Still schlich ich mich an den kleinen Bach heran, in dem immer wieder silbrige Fischleiber aufblitzten, die anscheinend sehr gut gefüttert wurden. Aber wie es die Götter gefügt hatten, gab es immer welche, die gefressen wurden und welche, die fraßen. Einen Fuß plazierte ich am einen Ufer, den anderen am anderen, den Spieß stichbereit - und so verharrte ich schweigend, denn ich wusste, dass die Fische eine ganze Zeit brauchen würden, bis sie sich an meine Gegenwart gewöhnt hatten. Aber ich hatte ja Zeit. Niemand wartete auf mich, niemand würde mich abhalten, kein Sklave würde es wagen - und die anderen Flavier in diesem Haus waren zumeist ohnehin mit allem Möglichen beschäftigt, mit sich selbst vor allem, um dem Garten des Nachts viel Aufmerksamkeit zu schenken.
Mein Blick folgte den schnell vorbeiflitzenden Fischen, und ich suchte mir schließlich einen der besonders dick gewordenen Karpfen als Opfer für meinen Spieß aus - einer weniger würde es auch den kleineren Fischen leichter machen, hier im Teich samt Bach zu überleben. Der gewählte Karpfen kam wieder näher, passierte den Schatten, der durch meinen Körper auf dem Wasser lag, und in dem Augenblick, in dem er in eine günstige Position kam, stieß ich die Waffe vor - und reckte sie triumphierend mit dem aufgespießten Fisch in die Höhe, allein vom Mondlicht beleuchtet.
Wer mag, der darf