• "Das freut mich zu hören", lächelte Valerian, als er hörte, daß die junge Dame sicher am Ziel ihrer Reise angelangt war. "Es verlief nicht reibungslos? Was ist passiert?" Gerade die Duccier kannten sich doch mit der römischen Kultur aus. Daß es selbst da noch zu Problemen kam?


    "Mein Onkel, der Bruder meines Vaters, ehelichte eine Duccia. Aber ich muß zugeben, daß wir uns nicht gut kannten. Er war schon lange in Germanien, während ich hier in Rom lebte. Ich war praktisch noch ein Kind, als ich ihn das letzte Mal sah. Seine Frau habe ich nie kennengelernt. Aber meine Schwester und meine Cousinen haben eine Weile im Haus der Duccier gelebt. Sie waren wirklich sehr gastfreundlich unserer Familie gegenüber."

  • "Nun, für uns ist der Brautraub ein wichtiger Bestandteil der Hochzeitszeremonien, allerdings ist er für die Germanen ein Verbrechen. Und scheinbar hatte der Bräutigam vergessen seine Verwandten darauf vorzubereiten." sagte er. "Und auch das fascinum sorgte für einige Irritationen, da die Germanen dieses Ritual recht lustig und lächerlich fanden."
    Er schüttelte leicht den Kopf, denn er würde dies nicht vergessen, bis er die Nachricht erhielt, dass seine Nichte ein gesundes Kind zur Welt gebracht hatte.


    "Aber das mit der Gastfreundschaft stimmt in der Tat, wobei das wohl auch wieder ein Teil der germanischen Traditionen ist."

  • Valerian mußte unwillkürlich lachen. Denn er konnte sich vorstellen, daß diese Dinge für viel Verwirrung und Aufregung gesorgt hatten. "Das klingt so, als wäre die Hochzeit ein unvergeßliches Ereignis gewesen. Mach Dir keine Sorgen, mein Patron, wenn die Götter die Opfer angenommen haben, dann werden sie auch gewiß nicht zürnen über die Unwissenheit der germanischen Gäste." Noch immer versuchte er, sich vorzustellen, wie die unterschiedlichen Traditionen aufeinandergeprallt waren.


    "Ja, Gastfreundschaft ist auf jeden Fall eine wichtige germanische Tradition, das ist mir dort auch erklärt worden. Aber die Gastfreundschaft, die meiner Familie zuteil wurde, geht wirklich über das normale Maß hinaus. Ich bin den Ducciern wirklich dankbar dafür. Wer weiß, vielleicht kann ich es ihnen eines Tages vergelten."

  • "Oh ja, unvergesslich war es wirklich." bestätigte Balbus.


    "Ich erwarte in Kürze die Ankunft eines jungen Ducciers. Er will Rom kennenlernen und erste Schritte in der Gesellschaft wagen. Vielleicht wird sich die Möglichkeit ergeben, dass du an ihm einen Teil deines Dankes zeigen kannst."

  • "So ganz weiss ich das ehrlich gesagt auch nicht wirklich." sagte er ehrlich. "Er sprach mich auf der Hochzeit meiner Nichte an und fragte mich, ob er hier in Rom für mich arbeiten könnte und ob ich ihm helfen kann sich in Rom und der römischen Gesellschaft zurecht zufinden und Fuss zu fassen. Ich denke, er hat große Pläne und Träume und aus Freundschaft zu seiner Familie habe ich natürlich gerne zugestimmt."

  • "Wenn ich Dich dabei unterstützen kann, dann werde ich das sehr gerne tun. Wann wird er denn hier in Rom eintreffen?" Valerian war sehr erstaunt, daß sein Patron den jungen Mann gar nicht danach gefragt hatte. Aber vielleicht hatte es auf der Hochzeit einfach zuviel Aufregung gegeben, als daß er da an so etwas hätte denken können. "Wie jung ist der junge Mann denn?"

  • "Das genaue Datum weiss ich nicht, aber er sagte mir, dass er abreisen will, sobald er in Germania alles geregelt hat." sagte er.


    "Er ist so jung, wie ich es auch gern wieder wäre. Ehrlich gesagt erinnere ich mich kaum daran, dass ich jemals so jung war wie er." sagte er scherzend.

  • Valerian lachte. "Demnach muß er wirklich noch sehr jung sein, denn Du bist schließlich selbst noch ein junger Mann", griff er den Scherz auf.


    "Schick mir eine Nachricht, sobald Du mich brauchst. Kann ich denn sonst noch etwas für Dich tun? Ich habe manchmal das Gefühl, Dir ein schlechter Klient zu sein, zumal ich mich auch nicht so regelmäßig bei Dir blicken lassen kann wie andere."

  • Das Kompliment tat natürlich gut, auch wenn er wusste, dass es nicht stimmte. Er war definitiv nicht mehr so jung wie am Anfang seiner Militärkarriere und irgendwie war er fast sicher, dass er eigentlich nie wirklich jung war. Doch er lachte, denn auch das Alter hatte etwas für sich.


    "Ich werde dich informieren, wenn der junge Duccius mir über den Kopf wächst." sagte er und hob dann beschwichtigend die Hände, denn er konnte die Aussage seines Klienten beim besten Willen nicht so akzeptieren.
    "Du bist mitnichten ein schlechter Klient. Wenn dem so wäre, wärst du schon längst nicht mehr in meinem Haus willkommen, das kannst du mir glauben. Das du nicht so oft hier sein kannst wie andere Klienten verstehe ich nur zu gut, immerhin weiss ich um deinen Posten, schliesslich hatte ich ihn lange genug selbst inne. Solange du für mich in der Garde die Augen und Ohren offen hälst, bin ich mehr als nur zufrieden mit dir."

  • "Es wäre mir eine Freude, ihn kennenzulernen", versicherte Valerian lächelnd.


    Die weiteren Worte seines Patrons waren für ihn sehr erleichternd. "Das beruhigt mich wirklich sehr, ich hatte mir darüber schon ernsthafte Sorgen gemacht. Natürlich werde ich weiter Augen und Ohren offenhalten, Du kannst Dich ganz auf mich verlassen", versprach er in ernstem Tonfall. Er nahm seine Aufgaben sehr ernst. Und es gab ja nicht einmal Geheimnisse, die er vor Balbus zurückhalten müßte.

  • "Ein Klient, der nur ab und an vorbei kommt, dafür aber jedesmal wichtige Informationen liefern kann, ist mir weitaus lieber als viele andere meine Klienten, die jeden Morgen hier auftauchen, aber nicht viel mehr tun als sich hier durchzufuttern und am allgemeinen Geplauder teilzunehmen, bevor sie wieder gehen."

  • "Dann werde ich weiterhin sehen, daß meine Informationen für Dich wertvoll sind." Valerian hielt große Stücke auf seinen Patron. Und würde nichts unversucht lassen, um ihm dienlich zu sein. "In einer Sache würde ich Dich noch gerne um Rat ersuchen. Ich habe.. nun, eine junge Frau kennengelernt. Ich weiß noch nicht, ob überhaupt der Schatten einer Chance besteht... Aber bevor ich ihr am Ende das Herz brechen muß, würde ich gerne vorher wissen, ob vielleicht die Möglichkeit besteht, daß ich eine Sondergenehmigung zur Heirat erlangen könnte. Immerhin bin ich mittlerweile Centurio und habe mehr als die Hälfte meiner Dienstzeit abgeleistet. Glaubst Du, ein diesbezüglicher Antrag hätte Aussicht auf Erfolg?"

  • "Hmm..." machte Balbus, nachdem er sich das Anliegen des Quintiliers angehört hatte. "Ich denke es hängt sehr davon ab, wer diesen Antrag bearbeitet und in welcher Laune dieser jemand zu diesem Zeitpunkt ist." sagte er dann. "Ich werde aber natürlich alles dafür tun, dass diese Laune gut sein wird, sofern es mir möglich ist. Ich würde sagen, du kannst ruhig weiterhin an der jungen Dame festhalten, allerdings solltest du damit rechnen, dass es noch ein Bisschen dauern könnte, bis ihr heiraten könnt. Aber dies ist denke ich das geringste Problem in diesem Fall."


    Er schaute seinen Klienten direkt an. "Wer ist denn die junge Dame, wenn ich fragen darf?"

  • "Hmm", machte auch Valerian nachdenklich. "Aber unmöglich ist es demnach nicht. Das beruhigt mich sehr, denn, nunja, ich habe das Gefühl, daß sie die Richtige ist, wenn Du verstehst, was ich meine. Ich hatte schon einmal solches Glück, doch jenes Mädchen wurde verheiratet, ich hatte nicht die geringste Chance. Dieses Mädchen aber ist noch nicht versprochen. Und ich bin inzwischen ja auch kein einfacher Soldat mehr, sondern könnte ohne Schwierigkeiten einer Familie ein gutes Leben bieten. Das Haus meiner Familie ist frisch renoviert, ein Verwandter hat seine baldige Ankunft in Rom angekündigt. Es scheint plötzlich alles in Bahnen zu verlaufen, die eine stabile Zukunft verkünden." Vielleicht lag es aber auch daran, daß er kürzlich die magische Grenze des dreißigsten Lebensjahres überschritten hatte und sich irgendwie danach sehnte, eine Familie zu gründen und für die nächste Generation zu sorgen.


    "Ihr Name ist Germanica Calvena. Sie steht unter der Vormundschaft von Senator Germanicus Sedulus. Ich kenne ihn, ich bin ihm in Germanien begegnet. Allerdings weiß ich nicht, ob er sich noch an mich erinnert, damals war ich ja noch einfacher Legionär."

  • "Wie gesagt, ich werde dir dabei natürlich gerne behilflich sein, wenn es im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt." sagte er.


    "Eine Germanica? Man könnte es in der Tat schlechter treffen." kommentierte er. "Ob der Senator sich noch an dich erinnert wird sich zeigen, wenn du mit ihm sprichst."

  • "Ich danke Dir für Deine Unterstützung. Darauf werde ich gewiß zurückkommen. Denn ich fürchte, auf den ersten Blick werde ich den Herren Senatoren nicht gut genug für die junge Dame sein. Die Quintilier haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht sonderlich hervorgetan. Da kann ich jede Fürsprache gebrauchen." Natürlich hatte er durchaus vor, noch weiter zu kommen und selbst dafür zu sorgen, daß das Ansehen der Gens ein wenig aufpoliert wurde. Aber das war Zukunftsmusik und natürlich war es höchst ungewiß, ob ihm das auch gelingen würde.


    Der Gedanke an das Gespräch mit Germanicus Sedulus machte ihn jetzt schon nervös. Hoffentlich sah man ihm das nicht an. "Ja, da wird es sich dann zeigen. Aber erst muß ich mir ihrer Gefühle sicher sein. Sie sagte, ihr Vormund läßt ihr Mitspracherecht bei der Frage der Ehe. Ich glaube aber, im Moment denkt sie noch gar nicht so weit."

  • "Das hoffe ich natürlich sehr", lächelte Valerian und seine Wangen bekamen ein kleines bißchen mehr Farbe. "Ich danke Dir für die Zeit, die Du mir gewidmet hast. Wenn es vorerst nichts mehr gibt, was ich für Dich tun kann, dann würde ich mich jetzt gerne verabschieden." Sein Tonfall war bescheiden, er wollte nicht den Eindruck erwecken, er wäre nicht gerne bei seinem Patron. Denn das stimmte nicht. Doch er wollte ihm auch nicht unnötig Zeit stehlen.

  • "Du weisst, du bist in meinem Haus jederzeit willkommen." sagte Balbus. "Und ich nehme mir gerne die Zeit für dich, wenn es mir möglich ist."
    Er lächelte freundlich.
    "Mehr wüsste ich derzeit nicht, was du für mich tun kannst. Aber ich werde es dich natürlich wissen lassen, wenn sich das ändert."


    Balbus erhob sich, um Valerian zu verabschieden und noch bis zur Tür des Tablinums zu geleiten.

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