Mons Aventinus | Auf Werbers Füßen, Teil 2 - Ein Hortus Domesticus

  • Aristides schien einen kurzen Moment zu brauchen, ehe er ihre Antwort realisierte, doch dann Lächelte er und tastete an seiner Toga entlang, bis er fündig wurde und seine Hand sich um etwas schloss. Zum Vorschein kam ein blutrotes Seidentuch, das etwas zu verbergen schien. Augenblicklich war Epicharis’ Neugier geweckt, denn das Objekt zog sie in Bann und veranlasste ihren Blick dazu, sich von Aristides’ Antlitz loszureißen und auf das Tuch zu sehen, welches farblich abgestimmt zur Kleidung des Flaviers war. Insgeheim fragte sich Epicharis, ob Aristides wohl selbst dafür Sorge getragen hatte, dass alles einfach perfekt war, oder ob sein getreuer Sklave einen nicht unerheblichen Teil bei der Ausführung dieses Plans gehabt hatte, doch dann fiel das Tuch und schmiegte sich eng an die hellen Kiesel, und Epicharis sog überrascht die Luft ein.


    Sicherlich, ein Schmuckstück zum Zeichen ihrer Absprache war durchaus üblich, doch dieses Schmuckstück, dieser filigrane Ring aus Gold und Silber übertraf ihre Erwartungen bei weitem. Epicharis hielt den Atem an. Nur mit Mühe konnte sie Aristides den Blick wieder zukehren, als dieser einige Worte an sie richtete. Ihr Vater wusste also Bescheid, das war gut – für Aristides. Alle weiteren Worte verursachten bei ihr ein erfreutes Lächeln. Ob sie mit dieser vermeintlich selbstgetroffenen Entscheidung glücklich war, würde sich erst in einigen Tagen herausstellen, wenn überhaupt vor der Hochzeit. Aber, und dieser Gedanke war ihr bereits vor ihrem Entschluss durch den Kopf gegangen, sie war eine Patrizierin aus angesehenem Hause. Ihr Vater wünschte sich, dass das claudische Blut nicht aussterben würde, und da Vesuvianus keinen Sohn hatte und sie seine älteste leibliche Töchter war, sah sie es zudem als ihre Pflicht an, diesem Wunsch nachzukommen. Die Flavier waren angesehen und Aristides ein guter Mann, wenn sie den Erzählungen einiger Leute Glauben schenken durfte, die sie ausgehorcht hatte – ohne dass sie es bemerkten, natürlich. Also gab es für Epicharis nichts, was gegen eine Vermählung mit einem Flavier, insbesondere Flavius Aristides – sprach. Diese Tatsache hatte ihre Entscheidung maßgeblich beeinflusst. Er mochte sich für unbedeutend halten, doch das war er nicht und sie wusste es so gut wie er. Noch war jene besondere Bindung zwischen ihnen nicht geknüpft, weswegen sie hier darauf verzichtete, ihm diese Annahme auszureden. Irgendwann später, vielleicht sehr viel später, wer wusste das schon, würde diese Verknüpfung zwischen ihnen Bestand haben und dann wäre es ihre Aufgabe, ihrem Ehemann Halt und Rat zu geben, ihn zu unterstützen und gegebenenfalls auch zu kritisieren – doch das hatte Zeit und war noch nicht akut.


    Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und warf nun wieder einen Blick auf den Ring, der in diesem Moment den flavischen Daumen und Zeigefinger verließ und ihr angesteckt wurde. Aristides ließ sie nicht los, und Epicharis hatte das Gefühl, dass es etwas bedeuten musste – oder war das bei jeder dieser Situationen derart? Sie drehte die schlanke Hand um eine Winzigkeit in seiner Hand, sodass ein einzelner Sonnenstrahl sich auf eine der unzähligen kleinen Perlen verirrte und sternförmig funkelte. Die feine Gemme aus Elfenbein zeigte ein Abbild der geflügelten Fortuna mit einem winzigen Caduceus. Epicharis sah noch eine Weile selig lächelnd auf den Ring hinab und hob den Blick erst, während sie sprach. „Er ist wunderschön. Ich danke dir....“ Oh weh, sollte sie ihn nun schon beim Praenomen nennen oder wäre das fatal und viel zu früh? Und wäre ein Küsschen angemessen? Ach nein, sie kannten sich doch noch gar nicht! „...Aristides.“ Epicharis entschloss sich schließlich dazu, den Cognomen zu verwenden. Kurz fragte sie sich, wer wohl sein Vater war, denn Aristides bedeutete doch ‚Sohn des Besten’, verwarf diesen wirren Gedanken jedoch gleich wieder und ließ sich bereitwillig von der grollenden schwarzen Katze fort und zur Sitzbank führen. Bei seiner Bemerkung musste sie schmunzeln und lachte leise, als sie sich an ihre Antwort zu dieser Kinderfrage erinnerte. „Ja, das stimmt wohl. Hättest du diese Erklärung umgehend geliefert, hätte ich mich gewiss vor Schreck verschluckt“, gestand sie und lachte. Sie setzte sich neben ihn und ließ sich die Sonne auf den Körper scheinen. Sie fand diese Bemerkung nicht profan, sondern regelrecht erfrischend, denn so konnte man zumindest ein wenig Abstand von diesen schrecklichen Höflichkeitsfloskeln nehmen und sich vertrauter werden, ohne jede Wort dreimal abzuwägen hinsichtlich Opportunität und Dignitas. Die Aufforderung an Epicharis, ihn auszufragen, hätte sich Aristides wohl zweimal überlegen müssen, denn damit hatte er sozusagen den Startschuss zum Pilumwurf gegeben. Epicharis schmunzelte.


    „Oh, da gibt es einiges“, begann sie und lächelte ihn seitlich an. Um besser sprechen zu können, rutschte sie etwas herum, sodass sie leicht schräg zu ihm saß und ihn während des Sprechens ansehen konnte, ohne den Kopf zu drehen. „Da wäre zunächst einmal die einfache Frage nach deinem Alter, wenn du das gestattest. Ich selbst bin neunzehn Jahre alt. Und als was dienst du in der Legion?“ Außerdem interessierte sie, was mit der Frau passiert war, die seine zwei Kinder geboren hatte, aber diese Frage war nichts für den Anfang, also sparte Epicharis sie sich vorerst und fragte stattdessen etwas anderes. „Du hast ganz gewiss mehr Erfahrung als ich in solchen Dingen, aber lass mich dennoch fragen, wie du es mit der Sponsalia halten möchtest. Gedenkst du, sie zu feiern oder schlicht eintragen zu lassen?“ Epicharis blinzelte Aristides an, im Hintergrund saß der Löwe am Gitter und starrte stumpf auf die zwei köstlichen, lebendigen Beutestücke, die so friedlich und nichtsahnend auf der Bank saßen. Ein Jammer, dass er nicht hinaus konnte. „Ich würde auch gern den Rest deiner Familie kennen lernen, wenn du erlaubst.“ Nun schien sie eine Weile nachzudenken. Genaugenommen erinnerte sie sich an den Gesichtsausdruck des Flaviers, als die drei blaugewandeten Damen begonnen hatten zu spielen. „Du magst Musik, nicht?“ fragte sie sodann. Epicharis fiel kurz danach auf, dass sie zu viel und zu schnell fragte, also lächelte sie in Verlegenheit etwas unsicher und forderte ihren Gesprächspartner nun auf „Quid pro quo, nun bist du an der Reihe“ und blinzelte ihm aufmunternd zu.

  • Vorbei an Rotkehlchen - wo die Herrin stehen blieb, typisch Frau eben - an Büschen und bunten Blumen - was das alles gekostet haben musste! - über schimmernde Kiesel und an einladenden Bänken vorbei - die sie verwunderlicherweise nicht betrachtete - gelangten wir an ein Tor, hinter dem es interessant zu sein schien. Katzen knurrten und grummelten, fauchten und spuckten. Endlich etwas Aktion in Rom, ja, das war toll! Allerdings bekam ich die Anweisung, mit Dhara und den anderen am Tor stehen zu bleiben. Na toll, wenigstens konnte ich die Viecher aus der Ferne anschauen, was ich auch tat. Die Herrin schien ganz fasziniert, wie immer eben, wenn Katzen im Spiel waren, waren ja ihre Lieblingstiere. Der Flavier wirkte etwas zerstreut und kam meiner Herrin immer näher. Ich machte mich schon bereit, der wollte doch nicht etwa? Aber dann hörte ich, was er sagte, und blinzelte ein paarmal. Der wollte sie heiraten? Ha, na das war ja ein Witz! Ich überlegte schon, ob ich gleich anfangen sollte zu lachen oder erst etwas später. Scheinbar war es aber doch kein Witz, denn die Herrin ging drauf ein. Ich machte große germanische Augen und starrte die zwei an. Der steckte ihr doch tatsächlich einen Ring an und brachte sie zur Bank. Na was war denn das? Ich stand neben Dhara wie eine Kuh beim Donner und flüsterte ihr leise zu: "Sach mal, hast du das auch gesehen? Der will sie heiraten?"

  • Dhara blickte auf Nordwin und blieb bei dieser Frage stehen, `erlaubte` sozusagen ihrer Herrin allein mit dem `Roemer` ein paar Schritte zu machen. Nicht so laut! zischte sie und laechelte Nordwin zu, spuerte, wie eigentlich schoen sich seine Haende an ihrem Koerper fuehlen wuerden. Unsere Herrin weiss, was sie macht. Und wenn nicht, so gibt es dazu nciht uns sondern ihren Vater und die Familie. und mich... aber das war natuerlich nicht laut gesprochen. Sie langweilte sich nicht, beobachtete sehr aufmerksam, wie die Speisen serviert wurden, wie die Sklaven bedienten, wie ihre Herrin ging, ihre Bewegungen dabei. sie fand, dass Epicharis zu grosse Schritte macht und ihre Grazie nicht ausspielt. Aber vielleicht muss es sein... und sie trampelt wie ein Elefant. Ein anderes Schuhwerk muss ran. Diese Sandalen passen nicht so gut zur Farbe des Stoffes. Obwohl... die Frisur haette noch einfacher sein koennen. Zu viel Locken... Und diese Angewohnheit die linke Schulter ein wenig nach vorn zu ziehen, fand Dhara ueberfluessig. Was hast du an diesem Roemer auszusetzen? Ausser seinem Jungen? Dhara fand die ganze Versteigerung laecherlich und besonders das Benehmen des jungen Herren. Wenn nicht dieser, dann wird ein anderer. Fuer mich sind alle gleich aussehen.

  • Welch sündige Gedanken die hübsche Dhara doch hatte...schade, dass ich davon nichts wusste, immerhin war ich ein Germane! Allzeit bereit und so. Ich kratzte mich am Kinn und beobachtete den Flavier und die Herrin. "Ich glaub ehrlich gesagt nich, dass sie weiß was sie tut. Das nimmt ein böses Ende, das sag ich dir, Dhara. Ist dir eigentlich klar, dass wir bei einer Heirat in die Villa Flavia umziehen müssen?" wisperte ich zurück. Es kursierten da solche Gerüchte. Flavische Sklaven wurden gedemütigt, gebrandmarkt, geschlagen...ermordet? Der dort sah nicht so aus, als würde er seine Sklaven mies behandeln. Aber er hatte einen ziemlich arroganten Zug um die Mundwinkel, fand ich. Vielleicht irrte ich mich auch, und dieser Aristides hatte es faustdick hinter den Ohren, peitschte Sklaven zu Spaß und.... aber die Herrin würde dem schon Einhalt gebieten, darin vertraute ich. Also, wenn das wirklich was werden würde zwischen den zweien, was aber an sich wohl der Fall war, wenn Dominus Vesivianus schon Bescheid wusste. Ich seufzte ergeben. "Er ist ein Flavier. Sei froh, dass du nicht weißt, was die mit ihren Sklaven anstellen. Und den Jungen habe ich in Aktion gesehen, der ist ein wahrer Tunichtgut!" Ich dachte mit Unbehagen daran zurück, wie Flavia Leontia dem Kleinen Peitschen und Knüppel zur Züchtigung gekauft hatte...

  • Auch bestimmte Ereignisse, nicht nur die Momente, erhielten im Leben eine besondere Bedeutung. Vieles wiederholte sich ständig, war ein Bestandteil des Lebens und somit völlig belanglos. Ein Heiratsantrag und die Augenblicke danach gehörten mit Sicherheit nicht dazu. Selbst wenn Marcus schon einmal geheiratet hatte, es war dennoch sein erstes Mal. Seine erste Frau hatte er nie gefragt, ob sie seine Frau werden wollte. In seiner Jugend und den damit verbundenen Narrateien hatte er sich zu der unehelichen Liason mit ihr eingelassen, sie war mit Arrecina schwanger geworden und er hatte sie heiraten müssen, sonst hätte es mit ihrer Familie einen Eklat gegeben. Und selbst wenn es hier im Garten alles gut gegangen war, noch einmal wollte Marcus gewiss nicht in seinem Leben einen Heiratsantrag stellen. Und wie er hoffte, sollte es sich vielleicht auch nicht mehr als Notwendig erweisen.


    Während sich Epicharis neben ihm nieder ließ, betrachtete Marcus sie aufmerksam, fragte sich insgeheim, wie er wohl mit ihr auskommen würde. Oder besser gesagt, wie sie mit seiner, doch manchmal sehr hedonistischen- ebenso ein Wort, daß Marcus natürlich nicht wußte-, Lebensweise zurecht kommen würde, die für ihn so selbstverständlich war. Aber auch das war kein Thema für den ersten Tag, vielleicht würde Marcus das sogar nie ansprechen, es sei denn er würde in dieser Hinsicht Vorwürfe oder Zorn ernten. Interessiert, welche Fragen wohl Epicharis hatte, wartete er und er mußte sich nicht lange gedulden. Ihr Alter erleichterte ihn doch ein wenig. Neunzehn....das war ja doch zehn Jahre älter als Arrecina...oder doch nur 6...oder 5? Marcus rechnete in seinem Kopf, kam dann auf wieder eine andere Zahl. Marcus lehnte sich gegen den Brunnenrand und lauschte Epicharis mit ihren Fragen ehe er zu einer Antwort ansetzte.


    „Nun, ich bin sechsundreißig Jahre alt. Ich diene als centurio in der legio prima. Ich habe zuerst in der hispanischen Legion in Germania gedient, in der Zeit, wo jeder Mann noch in den Mannschaftsgraden beginnen musste, nicht wie heutzutage. Und danach bin ich mit legatus Decimus nach Italia gekommen, wo ich nun die zweite centuria der ersten cohors befehlige. Oh ich kann Dir kaum beschreiben, wie froh ich bin, den germanischen Landen entkommen zu sein. Ein schreckliches Land, ich beneide niemanden, der dort stationiert ist. Nicht weil ich die Gefahr dort scheue, aber es ist wirklich unwirtlich und ein trostloses Land, zumindest im Winter, Frühling und Herbst.“


    Unbewußt, während Marcus in seinen doch normalen Redefluss zurück kam, legte er seinen Arm auf den Brunnenrand, direkt hinter Epicharis Rücken, ohne es selber zu merken, war es doch einfach nur bequemer für ihn. Über die sponsalia hatte sich sicherlich sein Sklave, oder seine Mutter, bestimmt schon Gedanken gemacht und da die Flavier einen Hang dazu hatten, keine Feier auszulassen, konnte sich Marcus die Antwort schon denken.


    „Oh, sie schlicht eintragen zu lassen wäre doch schade, findest Du nicht auch? Eine Feier, und gerade solch eine, ist doch immer besonders schön. Außerdem finde ich es mehr als angebracht, ein Verlöbnis mit einer so schönen und reizenden Frau wie Dir nicht sang- und klanglos mit einer kleinen Formalität verstreichen zu lassen. Und dazu gibt es keine bessere Gelegenheit meine Familie kennen zu lernen.“


    Zumal sie sich da noch von ihrer besten Seite zeigen würden, so hoffte Marcus. Aber auf Festivitäten, wo so viele Gäste geladen waren, hatten man doch natürlicherweise das Bestreben seine besten Seiten zu offenbaren, was auch Marcus von seinen Kindern erhoffte. Ob er noch vorher mit ihnen sprechen sollte oder sie überraschen? Marcus war sich unschlüssig, befand jedoch, daß auch jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, sich darüber schon Sorgen zu machen. Seine Finger spielten auf dem weißgrauen marmorierten Brunnenrand, hinter ihm plätscherte es sanft und am Rande seines Blickes bemerkte Marcus immer wieder die geschmeidigen Bewegungen des Panthers, dessen Fell bei jeder Bewegung anders -vom Sonnenlicht beschienen -glänzte. Neunzehn....neunzehn. Für eine Ehe war das nun nicht das jüngste Alter von einer Frau. Wenn auch der Altersunterschied zu ihm dennoch recht groß war.


    „Also gut, dann will ich mal auch einige Fragen stellen. Ist es Deine erste Ehe, Epicharis?“


    Worauf legte er Wert? Marcus dachte kurz darüber nach, sortierte die schnell aufkommenden Fragen in seinem Geiste- schließlich wollte er die unschicklichen Fragen erst mal sein lassen und wenn er nicht darüber nachdachte vorher, platzten sie ihm meist doch heraus.


    „Magst Du eher Gladiatorenspiele oder griechische und römische Theaterstücke? Dein Vater erzählte mir außerdem von Deiner außergewöhnlichen Klugheit. Wurdest Du auch von einem griechischen Hauslehrer unterrichtet? Möchtest Du die sponsalia feiern? Warst Du schon mal außerhalb von Italia oder Hispania?Und kannst Du reiten?“


    Die letzte Frage kam dann doch sehr spontan und weniger gut durchdacht. Denn Marcus hatte in Ägypten mal eine Frau kennen gelernt, die eine passionierte Reiterin war- sie war auch in sonstiger Hinsicht sehr unterschiedlich zu den meisten Frauen, denen Marcus begegnet war. Aber aus dem Grund war sie eine Wucht im Bett gewesen. Natürlich ließ sich Marcus von diesem Hintergedanken nichts anmerken, nur ein gewisses verschmitztes Funkeln und sein Lächeln deuteten vielleicht davon, daß die Frage nicht ganz harmloser Art war. Milo hätte Marcus sicherlich sofort durchschaut, Hannibal ebenso.

  • Nordwin...also er sah kraeftig genug aus, um .... als der Germane sprach blickte Dhara leicht verstohlen und einschaetzend ihn an. Er ist alt. Zu alt fuer unsere Herrin. Sie sagte es regoros, als ob es so war, und zwar endgueltig. Wir sind nur Sklaven, Nordwin. Ihre Stimme klang leise und zaertlich, als sie seinen Namen aussprach, die Wimpern zuckten verfuehrerisch und Dhara laechelte. Unsere Herrin ist eine Claudia und bleibt eine. Und wir werden nie die flavischen Sklaven! Sie besass noch die Unwissenheit der Narren...

  • Sechsunddreißig! Epicharis staunte nicht schlecht. Er sah etwas jünger aus, fand sie, aber Männer hielten sich schließlich immer besser als Frauen, was das Alter anbelangte. Sechsunddreißig. Dann war er ja...siebzehn Jahre Älter als sie. Epicharis blinzelte und versuchte nicht daran zu denken, dass Aristides ihr Vater sein könnte. Dieser Gedanke war nämlich absurd und ließ ein gewisses Gefühl aufkeimen, das sie nicht haben wollte. So verdrängte sie ihn erfolgreich, indem sie sich auf die weiteren Worte konzentrierte. Er war also Centurio. Das wäre Epicharis gar nicht spanisch vorgekommen, da sie keine Ahnung von militärischen Dienstgraden hatte und sie das auch nicht interessierte, aber sie wusste immerhin, dass man als Centurio unter den Tribunen und natürlich dem Legaten stand. Erst durch die Begründung des Flaviers wusste sie nun, dass es eigentlich nicht angemessen war, wenn man als Patrizier als Centurio diente. Die Beschreibung Germaniens verfehlte ihre Wirkung allerdings, denn statt nur zu nicken und Mitleid mit dem armen Aristides zu haben, fragte Epicharis ihn nur weiter aus. „Oh, du warst in Germanien? Meine Schwester befindet sich gegenwärtig ebenfalls dort, zusammen mit einer Freundin. Stimmt es, dass die Straßen nur im Sommer frei vom Schnee sind? Und dass des Nachts die Wölfe umherziehen und Kinder reißen? Und wie sind die Germanen, fressen sie rohes Fleisch wie wilde Tiere?“ überfiel sie ihn regelrecht, und das mit einer Begeisterung, die ihresgleichen suchte. Unwillkürlich war Epicharis bei den Fragen eine Winzigkeit näher gerückt. Dem inzwischen hinter ihr liegenden Arm schenkte sie so gut wie keine Beachtung – es war nur ein Arm, nichts weiter – viel zu interessant war die Unterhaltung mit einem Mal geworden.


    Was die Sponsalia betraf, nickte Epicharis zustimmend. Sie mochte Feste, denn da konnte sie sich präsentieren und neue Leute kennen lernen, zwei Dinge, die ihr Gemüt hoben. So wie das Kompliment ihres, nun ja, Verlobten (Ach, ein seltsames Wort! Eben noch war Epicharis frei und ungebunden, nun war sie verlobt, das konnte sie noch gar nicht recht realisieren.). Sie warf ihm ein heiteres Lächeln zu, wobei eine Haarsträhne sich aus der Frisur löste und sich fortan lustig an der rechte Gesichtsseite entlang zum Hals ringelte. Epicharis bemerkte es nicht einmal. „Ach, schön, dann sind wir uns einig. Ich würde das Verlöbnis nämlich sehr gern feiern. Ich mag Feste jeder Art, auch wenn ich selbst nicht so gern im Mittelpunkt stehe“, entgegnete sie, wobei das nicht so ganz stimmte. Epicharis mochte nicht gern im Mittelpunkt stehen, aber dass sie von sich Reden machen wollte – natürlich im positiven Sinne – war sehr wohl der Fall. Feste boten einen ausgezeichneten Anlass hierfür. „Ich nehme an, diese Feier wird in der Villa Flavia stattfinden? Ich bin etwas unsicher, was die Planungen eines solchen Festes anbelangt, aber das ist auch nichts, was unbedingt jetzt geklärt werden müsste. Ah, nur eines vielleicht: Es sollten ganz unbedingt Kithara- und Lyraspieler anwesend sein.“


    Epicharis nickte bekräftigend und blickte sodann nachdenklich die große Raubkatze mit der stattlichen Mähne an, die ein gelegentliches, leises Knurren ertönen ließ. Ob es jemals gelingen würde, die zwei wunderschönen Tiere zu kreuzen? Und wie würden die Nachkommen aussehen, würden sie schwarz mit heller oder dunkler Mähne sein, oder hell und mähnenlos, mit der länglichen Statur des Panthers? Das plätschern des Brunnens übertönte das Knurren und Fauchen der Raubtiere, wirkte beinahe einschläfernd und veranlasste Epicharis dazu, mit angenehmem Gesichtsausdruck leise zu seufzen. Erst Aristides’ Frage ließ sie erneut den Kopf wenden. Sie musterte seine aristokratischen Züge einen kurzen Moment intensiv, denn sie wusste, welche Frage er sich stellen musste.


    „Ja, das wird die erste Ehe sein. Du fragst dich sicher, weshalb man nicht schon vor einigen Jahren Absprachen getroffen hat... Nun, das hängt damit zusammen, dass ich einerseits die letzten Jahre in Tarraco verbracht habe, da war an eine Heirat nicht zu denken. Andererseits schien meinem Vater lange kein geeigneter Ehemann in Sicht“, erzählte sie und neigte den Kopf leicht, während sie den zu ihrer Rechten sitzenden Aristides betrachtete. Sie lachte kurz auf und hob die Hand, an der nun der wunderschöne Ring steckte. „Das scheint sich allerdings nun geändert zu haben“, entgegnete sie vielleicht eine Spur zu keck, doch das schöne Wetter tat sein übriges bei Epicharis’ Laune, sodass ihr diese unschickliche Bemerkung nicht einmal auffiel. Die weiteren Fragen hörte sie sich zunächst ebenfalls geduldig an, musste aber kurz ein Lachen unterdrücken, als Aristides von ihrer ‚außergewöhnlichen Klugheit’ sprach.


    „Aristides, glaube nie einem Vater aufs Wort, wenn er lobend über seine Kinder spricht“, entgegnete sie mit einem herzlichen Gesichtsausdruck. „Mein Vater hat übertrieben, ich steche ganz gewiss nicht besonders hervor, auch wenn er dieser Meinung ist. Griechischen wie römischen Theaterstücken wohne ich dennoch gern bei - wobei ich die griechischen bevorzuge, sie haben ein ganz eigenes Flair, eine eigene Dynamik. Gladiatorenspiele schaue ich mir auch an, aber wenn ich die Wahl habe, so würde ich Theaterstücke wählen. Das liegt sicherlich auch daran, dass meine Lehrer ausnahmslos Griechen waren. Mein Vater hat Wert auf eine gute Erziehung gelegt“, berichtete Epicharis und dachte kurz daran, dass es doch eigentlich die Mütter waren, die Wert auf so etwas legen sollten. „Ich war bisher nur in einigen Städten in Italia und in Tarraco, das ist alles. Du bist ja viel weiter herumgekommen, wenn ich nur mal an Germanien denke.“ Die letzte Frage verwirrte Epicharis zugegebenermaßen etwas. Sie suchte nach Anzeichen in Aristides’ Gesicht, die bestätigten, dass es sich um einen gesprächslockernden Scherz handeln musste, und wurde auch prompt fündig, denn sie gewahrte das verschmitzte Funkeln in seinen Augen. Das löste nun ihrerseits ein kokettes Schmunzeln aus. „Nein, reiten kann ich nicht. Aber Pferde sind schöne Tiere, und ich beneide manche Plebejerin, über die nicht augenblicklich getuscht wird, wenn sie in der Öffentlichkeit reitet“, entgegnete Epicharis verschmitzt und strich eine Strähne zurück. Wieder fiel ihr auf, dass sie Aristides im Grunde nicht kannte.


    „Erzähl mir etwas von dir“, bat sie ihn daher. „Wie sieht dein Tagesablauf aus, wenn du fern der Legion weilst? Ich meine, unternimmst du viel mit deiner Familie, mit deinen Kindern? Das wird deine zweite Ehe sein, nicht?“

  • Vielleicht war es gerade die Faszination von Schauergeschichte, wilden Ungeheuern und gefährliche Feinden- den Germanen- was die Menschen stets so anlockte und begierig machte, die Geschichten zu erfahren. So etwas vermutend, wenngleich Marcus es mehr intuitiv fühlte und weniger als einen durchdachten Gedanken in sich verspürte, lächelte er andeutungsweise und dann doch breiter als er Epicharis bestürmende Fragen vernahm. Da er es tunlichst vermieden hatte mit den Germanen längeren Kontakt aufzunehmen und nähere Interaktionen oder Gespräche mit ihnen vermieden hatte, wußte Marcus auch nur ein wenig mehr als es vielleicht Epicharis tat. Nur eine Erfahrung hatte ihm mehr vom Leben der Germanen gezeigt als es ihm lieb war, denn da lag er als römischer Gefangener im Lager einiger Chatten und litt noch unter den schweren Wunden einer germanischen hasta und eines Pfeils, wäre fast von dem Todesboten in die Unterwelt geleitet worden. In manchen der Nächte in dem Zelt hatte er schon gemeint die Stimmen aus Plutos Reich deutlich vernehmen zu können, den dunklen Timbre seines Vaters- den er nie in seinem Leben vernommen hatte- oder das wütende Gekeife seiner ersten Frau. Wahrscheinlich war Letzteres was Marcus davon abgehalten hatte in jenen Wochen das Boot des Fährmannes zu betreten, denn die Aussicht der Frau im Jenseits noch mal zu begegnen oder gar in den Tartarusqualen eine Ewigkeit mit ihr zusammen bleiben zu müssen, hatten Marcus wieder neue Kräfte verliehen. Marcus dachte einen Augenblick darüber nach, was er in den Wochen über das Leben der Germanen- es war, wie die Götter wußten, sehr wenig- aber doch genug, um einige Sätze zu den Fragen von sich geben zu können. Ein breites Schmunzeln glitt über seine Gesichtszüge ehe er antwortete.


    „Der späte Frühling, der Sommer und der Herbst sind eigentlich meist frei von Schnee. Nur im Winter liegt dort in Hülle und Fülle von der weißen und kalten Masse, so viel, daß sie sogar eigene Schuhe für den Schnee erfunden haben und darüber hinweg gleiten können, wie ein Boot über Wasser. Aber ja, sie sind ein rauhes Volk, haben wenig Manieren, sind oftmals sehr ehrlos, besonders die Männer, die kein Wert auf ihr Wort legen und lügen und betrügen, aber sie kochen ihr Fleisch durchaus, wenn es geht. Denn Holz gibt es in Germania noch mehr als Schnee. Wälder, überall Wälder, soweit das Auge blicken kann. Und sie haben nicht nur viele wilde Wölfe, sondern auch Luchse, riesige Bären und Wildschweine. Und den Wölfen sollte man im Winter in der Tat nicht alleine begegnen. Ich sage Dir, Germania ist kein Land zum Reisen.“


    Marcus erschauderte noch mal, hatte nicht wirklich das Bedürfnis jemals wieder in dieses Land zurück zu kehren. Nein, wollte er freiwillig verreisen und seine Heimat verlassen, er hätte ganz andere Ziele vor Augen. Wann es dazu jedoch kommen konnte, wußte Marcus ebenfalls im Augenblick nicht, bestimmte doch immer noch die legio sein Leben. Er nickte bedächtig bei den Worten der sponsalia, was ihm jedoch in den Sinn brachte, daß ihn Epicharis etwas zur Musik schon vorher befragt hatte. Marcus grübelte und grübelte. Hatte sie gefragt, ob er musizierte oder Musik mochte? Marcus war sich sehr unschlüssig und wollte sich selber nicht in Verlegenheit bringen. Daß er ein Instrument- und das mit einer großen Freude- spielte, verriet er nur sehr selten, war es doch mehr eine Beschäftigung von Griechen und Sklaven oder griechischen Sklaven, nicht unbedingt für einen Patrizier.


    „Oh, für Musik wird mit Sicherheit gesorgt werden. Was ist denn schon ein Fest ohne Musik? Nein, das geht nicht. Außerdem ist Musik ein wundervolles Lebenselexier. Sie ist wundervoll für das Gemüt und die Seele, findest Du nicht auch?“


    Sollte er damit ihre Frage nicht beantwortet haben, würde sie sicherlich noch mal nach hacken, da war sich Marcus sicher, oder er glaubte es zumindest. Ebenso bedächtig nickte er bei ihrer folgenden Antwort, lächelte freundlich und als er ihre kecken Worte vernahm, verbreiterte sich sein Lächeln zusehend, er lachte sogar leise und unbekümmert. So nahm er das mit dem Theater doch weniger enttäuscht auf, als er vielleicht sonst es empfunden hätte- Marcus konnte das Theater nun mal nicht ausstehen und die Stücke, die er mochte, würden bei den meisten Römern seines Standes als niveaulos gelten oder gar vulgär. Ob Epicharis bei einem solchen Straßentheater schockiert wäre? Immer noch war das gut gelaunte, leicht verschmitzte Funkeln in Marcus Augen zu erkennen. Er beugte sich verschwörerisch vor und raunte leise.


    „Vielleicht wird Dir auch noch die Gelegenheit gegeben sein, ohne daß jemals ein tratschender Römer davon erfahren könnte, auf dem Rücken eines Pferdes sitzen zu können und über die Felder zu preschen. Denn ich halte von einer Frau, die das tut, nichts Schlechtes, im Gegenteil.“


    Marcus schmunzelte, meinte das durchaus ernst dabei, und lehnte sich zurück. Die vorwitzige Strähne schien ihn dabei jedoch weiter, wie schon seit einigen Herzschlägen, herauszufordern. Erst konnte sich Marcus noch beherrschen, doch dann, als er schon zu sprechen anfing, hob er die Hand neben Epicharis- die vorher auf dem Brunnenrand lag- und strich an ihrer Strähne entlang und berührte hauchzart ihre warme Haut am Hals. Dabei lachte er wieder dunkel und doch gelöster.


    „Oh, wenn ich nicht in der legio bin? Das ist nicht so einfach zu beanworten. Eigentlich hatte ich früher wenig Zwänge, hatte somit wenig das Muß schon im Morgengrauen aufzustehen, tat es meist eher später, da ich doch die halbe Nacht wach war. Ich habe die Jahre zuvor viel mit Reisen verbracht, ich jage sehr gerne, bin sehr gerne in der Natur unterwegs oder den großen Städten. Und ja, ich habe gerne meine Kinder um mich herum. Besonders am Tag. Deswegen haben mich meine beiden Kinder stets auf alle Reisen mit begleitet. Ich werde schon sehr froh sein, meine Kinder- wenn ich die legio verlasse- wieder mehr um mich herum zu haben. Ja, es ist meine zweite Ehe...“


    Marcus verharrte kurz in seiner Bewegung an Epicharis Haarsträhne als er den letzten Satz sprach. Lächelte etwas weniger strahlend, doch er schob schnell jeglichen Gedanken an die erste Ehe beiseite.


    „Und Du, Epichars? Wie verbringt einer der schönsten Frauen Roms ihre Zeit?“

  • Für Epicharis war Aristides plötzlich zu einer Wissensquelle geworden. Begierig, mehr zu erfahren, hing sie an seinen Lippen. Natürlich im übertragenen Sinne, denn tatsächlich sah sie lediglich recht interessiert drein und hörte aufmerksam zu. Von seiner Tortur wusste sie freilich nichts und sie konnte die Kriegsgefangenschaft auch nicht erahnen. Seine wenigen Worte gereichten ihr schon, um sich ein verschwommenes Bild zu machen und in ihr den Wunsch aufkeimen zu lassen, Germanien einmal mit eigenen Augen sehen zu können. Verträumt beobachtete sie die sich sacht im lauen Wind hin und her wiegenden Zweige einer entfernt stehenden Pinie. „Ich habe noch nie Schnee gesehen, wie fühlt er sich an? Ich weiß, dass er kalt und formbar ist, aber ist er weich oder hart? Macht es ein Geräusch, wenn er fällt, so wie bei Regen?“ fragte sie ihn nach einer kleinen Weile. Diese Frage erschien ihr etwas peinlich, weswegen sie ihn kurz darauf verlegen anblinzelte. Eigentlich hätte Epicharis doch etwas mehr über die germanischen Lande wissen sollen, war doch Nordwin ihr Leibwächter, doch konnte man Sklaven gewiss nicht mit freien Germanen vergleichen, und deswegen hatte sie nun doch gefragt. „Ich würde das trotzdem gern einmal sehen, vielleicht bietet sich irgendwann die Möglichkeit. Mit genügend Leibwächtern sollte das sicher nicht so schwer sein, was meinst du?“ sinnierte sie.


    Mit der Musik hatten sie augenscheinlich ein Thema gefunden, das sie beide mochten, denn Epicharis erkannte aus Aristides’ Worten, dass er die Musik liebte. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. „Ja, Musik ist wundervoll. Ich sitze gern Abends auf der Exedra oder im Garten und lausche den Sklaven, wie sie musizieren“, gestand sie. Was sie aber verschwieg war, dass sie für ihr Leben gern sang und diese abendlichen Stunden nutzte, um zur Melodie zu singen. In Epicharis hätte Aristides vermutlich Begeisterung entdeckt, hätte er ihr von der Neigung erzählt, selbst ein leidenschaftlicher Musiker zu sein, obwohl das Spielen von Instrumenten nicht gerade zu patrizischen Beschäftigungen gehörte, ebenso wie das Reiten, wenn es um patrizische Frauen ging. Umso mehr verwunderte sie, dass sich Aristides plötzlich verschwörerisch heranbeugte und ihr indirekt einen Plan darlegte. Sie schmunzelte amüsiert und das Herz hüpfte. Epicharis liebte Geheimnistuerei, was man auch an ihrer kindlichen Freude bei der Bibliothekaktion mit Deandra gesehen hatte. Zwar schlug das Herz bis hinauf in den Hals, aber das tat der Abenteuerillusion keinen Abbruch. Ob es wohl auch so sein würde, wenn er ihr zeigte, wie sie reiten konnte? Immerhin hatte auch Deandra schon auf einem Pferd gesessen, wie sie Epicharis verraten hatte. Die Claudierin biss sich auf die Unterlippe. Dass er reitende Frauen mochte, erschien ihr zwar seltsam, denn sie kannte auch seine Hintergedanken – natürlich! – nicht, was auch gut so war, aber sie sagte dennoch in geheimnisvoller Manier „Vielleicht...“ und blinzelte ihn charmant an. Urplötzlich pochte ihr Herz nun tatsächlich bis zum Hals, als er in einer scheinbar nebensächlichen Geste die hand hob und an der vorwitzigen Strähne entlang strich, die es gewagt hatte, aus der Frisur zu fallen. Dabei berührte er Epicharis’ Hals, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht zurückzuschrecken, Sie waren nun verlobt, da durfte er das, denn es war sein gutes Recht, sagte sie sich. Nicht, dass die Berührung grässlich gewesen wäre, doch sie war ungewohnt und kam plötzlich. Jeden anderen hätte sie nun scharf in seine Schranken verwiesen, sofern Nordwin nicht selbst eingeschritten wäre. Bei Aristides aber ließ sie ein, zwei Herzschläge verstreichen, dann lächelte sie unsicher. Sein Lachen trug dazu bei, dass Epicharis sich weniger unbehaglich und weniger auf fremden Terrain befindlich fühlte, und sie war ihm dankbar dafür. Auch, dass er einige Dinge von sich preisgab, schafften nun allmählich ein Gefühl in ihr, dass sie sich besser kannten, auch wenn seine Erzählungen eben nur solche waren und man erst von Bekanntheit sprechen konnte, wenn man den anderen wirklich in den beschriebenen Situationen erlebte. Die halbe Nacht wach zu sein schien sich mit dem Eintritt in die Legion erledigt zu haben, denn dort hatte man frühs die morgendlichen Appelle, und die Vorgesetzten warteten sicherlich nicht darauf, dass die Soldaten ausgeschlafen hatten. Epicharis konnte nicht nachvollziehen, wie man die frühen und auch späten Morgenstunden schlafend verstreichen lassen konnte. Immerhin gab es keine bessere Zeit des Tages zum Einkaufen, denn morgens waren die Märkte noch annähernd leer! Auch, wenn Epicharis zugeben musste, dass sie auch nicht gerade eine Frühaufsteherin war. Dass er gern jagte, nahm sie als seine Eigenart ohne mit der Wimper zu zucken an, denn in gewisser Weise jagte auch sie gern. Epicharis war nämlich stets auf den Fersen des neuesten modischen Trends der Urbs Aeterna, jawohl. Der Natur konnte sie nur etwas abgewinnen, wenn sie nicht in der Wildnis weilen musste, sie zog also Gärten und Parks wie den heimischen oder diesen hier bei weitem vor. Andererseits war sie auch noch nie auf einem Pferderücken über Felder gejagt, wie Aristides es vorhin genannt hatte. Über die Ehe schien er nicht sprechen zu wollen, und Epicharis hütete sich, nachzubohren, vorerst zumindest. Also ließ sie das Thema auf sich beruhen und griff stattdessen eine Information auf, die er vermutlich unwissentlich in seine Worte eingebaut hatte. „Du möchtest die Legion verlassen, sagst du? Verzeih mir die unwissende Frage, aber aus welchem Grund?“ hakte sie mit einem fragenden Blinzeln nach, die Hände sittsam locker im Schoß zusammengelegt und Aristides weiterhin die kosende Bewegung gewähren lassend. Wenn Epicharis sich etwas besser ausgekannt hätte, wäre ihr vermutlich klar gewesen, dass Aristides mit seinem Amt als Centurio nicht würde heiraten können, und so hätte sie nicht gefragt. Dass mehr dahinter steckte, war eine vage Vermutung, die sie aber nicht ansprechen würde, weil sie ihn nicht vor den Kopf stoßen oder ihm den Überraschungsmoment nehmen wollte, so er einen beabsichtigte.


    Man konnte durchaus sagen, dass Epicharis sich von Komplimenten überhäuft fühlte. Schon wieder brachte er eines an, charmant, wie nebensächlich wirkend, und die Wirkung dabei nicht verfehlend. Erneut lächelte Epicharis ihn an, überlegte kurz, ob sie forsch sein und nach seiner Hand greifen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen und erzählte lieber etwas von sich, ohne die Haltung zu verändern. „Die erste Hälfte des Vormittags verbringe ich für gewöhnlich in meinem Cubiculum, danach frühstücke ich und erledige die anfallenden Tagesgeschäfte. Was ich den Rest des Tages tue, ist unterschiedlich. Manchmal verabrede ich mich mit Freundinnen in den Thermen oder lasse die Staffelei oder meinen Webstuhl in den Garten schaffen, so wie vorhin, als dein Sklave mich in deinem Namen einlud. Ich gehe gern spazieren und noch lieber gehe ich einkaufen. Und ich spiele leidenschaftlich gern Brett- und Würfelspiele – ich glaube, ich besitze an die fünfzig verschiedene Ausführungen unterschiedlicher Spiele. Spielst du auch, Marcus?“ Oh, da war er ihr über die Lippen gekommen – der Praenomen. Epicharis hielt inne und betrachtete Aristides aufmerksam, auf der Suche nach einem Anzeichen von Missbilligung oder Missfallen. War da etwas? Verzog er nicht den Mundwinkel? Epicharis sah schon Gespenster. Sie würde Deandra dringendst einen Brief schreiben müssen, am besten sofort, wenn sie zu Hause war, und sie fragen, wie sie sich verhalten sollte. Sicherlich wüsste die ältere Schwester weitaus besser Bescheid in solchen Dingen als sie. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, fügte sie noch rasch etwas an. „Naja, und manchmal folge ich auch unverhofften Einladungen von Fremden Männern in verwunschene Gärten.“ Epicharis schmunzelte und zwinkerte Aristides zu.

  • Einigermaßen belustigt betrachtete er die Begeisterung in Epicharis Antlitz als er von Germania sprach. Daß jemand Gefallen an diesem rauhen, wilden und uneinladenden Land fand, verwunderte Marcus durchaus, dachte sich jedoch nichts böses oder gar schlechtes dabei- was auch wider seiner Natur läge. Während er sinnend Epicharis Gesicht betrachtete, dann mit seinem Blick an ihrem Hals entlang fuhr und den Ansatz ihrer Schultern ansah- er liebt schöne Schultern ganz besonders- lächelte er und dachte über den Schnee nach, der in Baiae sogar in kleinen Höhlen gelagert wurde, von Zeiten des Winters und dann im Sommer sogar noch in den Wein getan wurde. Nicht umsonst hielt man Baiae für einen Ort der luxeriösen Dekadenz, er war es durch und durch.


    „Schnee ist kalt, nass und sehr feucht. Er macht alles klamm und bringt einen leicht zum Frieren. Doch er kann auch wunderschön sein. Wenn er frisch fällt und jungfräulich, ohne eine Spur, auf den Feldern liegt, funkelt er wie tausend Sterne im Sonnenlicht, strahlender als jeder Edelstein. Außerdem herrscht, wenn der Schnee gefallen und die Landschaft wie mit einer dicken Decke belegt ist, eine unvergleichliche Stille. Ein Ruhe und Frieden, den man nur dort erfährt. Außerdem knirscht der Schnee dumpf unter den Füßen und weiß jedes laute Geräusch zu dämpfen. Im Norden bauen sie sogar Skulpturen, kleine Figuren, aus dem Schnee.“


    Marcus lächelte unbestimmt auf ihre Frage hin und nickte bedächtig. Es war bestimmt nicht seine Intention nochmal nach Germania zu reisen, und sollte Epicharis später noch den Gedanken hegen, würde er wohl versuchen müssen, dies ihr auszureden und ihr vielleicht ein angenehmeres Reiseziel vorschlagen. Den Westen Africas hatte Marcus noch viel zu wenig erkunden können, oder Kleinasien würde er sich auch gerne mal anschauen wollen. Aber weder Gallia, noch Germania reizten ihn sonderlich.


    „Aber sicherlich ist es möglich, nach Germania zu reisen. Wenn man auf dem südlichen Teil des limes bleibt insbesondere. Die nördlichen Gefilde sind einfach zu gefährlich....“


    ...für eine Frau! Aber das unterließ Marcus tunlichst zu erwähnen, wußte er doch, daß solche Aussagen eine Frau besonders reizen konnte, das verbotene Terrain zu betreten. Zufrieden nahm Marcus zur Kenntnis, daß auch Epicharis der Musik etwas abgewinnen konnte. Mit einem erfreuten Lächeln auf den Lippen, lehnte er sich weiter gegen den Brunnenrand und blinzelte nur einen Augenblick als der Löwe laut und mit tiefer Stimme brüllte. Ein Vogel stob erschrocken aus dem Gebüsch vor den Gittern auf, in der Ferne antwortete ein Papagei mit einem gellenden Gekreische. Dennoch konnte das bedrohliche Gehabe des Löwen nicht das Schmunzeln auf Marcus Lippen mindern, bei der verheißungsvollen Antwort von Epicharis. Ein erster Schritt auf dem Weg des wahrhaftigen Leben, so empfand Marcus das. Vielleicht war es mehr unbewußt, aber in dem Moment beschloss Marcus, Epicharis sollte lernen, richtig zu leben und nicht nur Sklavin der Tugenden und Sitten zu sein, die ihr vom Stand her aufgezwängt werden sollten. Nichts dergleichen äußerte Marcus, aber er hatte schließlich einen Hang zur Sittenlosigkeit, was er- so gut es ging- verbarg. Manchmal mit mehr, hin und wieder mit minderem Erfolg. Seine Finger strichen ihr nur hauchzart über den Halsansatz, ehe er seine Hand wieder zurück zog- ebenso unbewußt- und zurück auf den kühlen Stein legte.


    „Warum die legio verlassen? Nun, es wird langsam Zeit für mich. Es ist nun mal nicht mehr passend für Männer unseres Standes, in den Mannschaftsgraden zu dienen. Bis vor kurzem war es der einzige Weg in der legio zu dienen, wenn man Wert darauf legte. Dein Vater hat sich schließlich auch hoch gedient. Meine Familie schätzt dies auch sehr, besonders der Teil aus Baiae. Aber mittlerweile hat sich das als Sackgasse erwiesen. Denn mir steht es weder offen, als tribunus zu dienen- dies sind ritterliche Posten, bis auf der einen Senatorische!- noch kann ich nicht als centurio in der legio bleiben, was auch einer Hochzeit abträglich wäre. Soldaten in den Rängen der Mannschaftsgrade ist das Heiraten verboten. Desweiteren wird von mir schließlich auch erwartet, daß ich den Weg der Politik beschreite. Es ist nur die Frage, wann ich meinen Dienst in der legio aufgebe. Wenngleich es für mich durchaus bedauerlich ist und ich mir einen anderen Weg wünschen würde, wäre es möglich.“


    Damit und in den wenigen Sätzen legte Marcus ein ziemliches Dilemma offen, was ihn immer mal wieder seinen gesunden Schlaf raubte- mehr metaphorisch gesehen, denn Marcus konnte schon seit dem er ein Kind war, jederzeit und überall schlafen, war durch kaum etwas zu wecken. Aber die Erzählung von Epicharis hatte ihn durchaus von diesem Thema schnell abgelenkt. Da sie seinen praenomen so beiläufig zu verwenden vermochte, fiel der Gebrauch Marcus eigentlich nicht auf, legte er doch nur zu bestimmten Gelegenheiten viel Wert auf Förmlichkeiten. Und seine Mundwinkel zuckten tatsächlich, verzogen sich dann jedoch zu einem Lächeln.


    „Sicherlich, einem Spiel bin ich nie abgeneigt. Es ist doch sehr vergnüglich einen Nachmittag damit verbringen zu können. Welche Spiele besitzt Du denn? Und tatsächlich fünfzig Ausgaben von ihnen? Donnerwetter!“


    So eine Passion war Marcus noch nicht untergekommen und neben seinem spontanen Ausspruch pfiff er zudem leise durch die Zähne, ehe er sich seiner Umgebung gedachte und ein dunkles Lachen anschloss, um die beiden letzten Reaktionen etwas von ihrer möglichen Wirkung zu rauben. Das Lächeln wurde etwas schmaler bei ihrem allerletzten Satz- Marcus war im Grunde seines Herzens ein sehr eifersüchtiger Mann-, doch dann ging ihm schnell auf, daß es sich um einen Scherz handelte, so ertönte wieder sein volltönendes Lachen durch den Garten, ließ den Panther, der sich gerade nieder gelegt hatte, aufspringen und rastlos am Gitter entlang laufen.


    „Wie wäre es, Epicharis, wenn wir uns wieder den Nachspeisen widmen und dem herrlichen Blick über die ewig pulsierende Stadt, dem Nabel der Welt?“

  • Was Aristides über die Eigenschaften von Schnee erzählte, klang nicht besonders berauschend, fand Epicharis. Wer mochte schon Kälte und Nässe oder setzte sich freiwillig dessen aus? Andererseits war die Vorstellung, kleine Skulpturen aus Schnee zu formen oder das Glitzern von Neuschnee anzuschauen doch recht reizvoll. Irgendwann würde sie sicherlich einmal Germanien sehen können, vielleicht sogar an Aristides’ Seite, wer wusste das schon? Bedauerlicherweise konnte man die kleinen Skulpturen aus Schnee nicht aufbewahren, um sie ins Atrium zu stellen, damit sie die Empfangshalle schmücken konnten. Das wäre ein Hingucker gewesen! Epicharis schmunzelte über sich selbst. Dass es gefährlich sein würde, den germanischen Norden zu erkunden, glaubte Epicharis dem Soldaten durchaus, er würde schließlich wissen, wovon er sprach.


    Erschrocken zuckte Epicharis zusammen, als der Löwe brüllte, und auch Vögel bekamen es mit der Angst zu tun und flogen hastig in Sicherheit. Ein Papagei antwortete, sein Geschrei hallte durch den ganzen Hortus. Epicharis fühlte sich, als wäre sie Bestandteil des Dschungels. „Man kommt sich vor, als sei man selbst im Dschungel. Das Ambiente verstärkt den Eindruck noch“, sagte sie, allerdings mehr zu sich selbst als zu Aristides, den sie dabei jedoch ansah. Er schien ein Dauerlächeln auf den Zügen zu haben, und Epicharis fragte sich, woher es rührte, doch sollte sie nicht darauf kommen. Noch hatte sie keine Ahnung, was ihr Verlobter schätzte, wie gern er dem Genuss frönte und auf Spaß bedacht war, sogar wenn die Sitten darunter zu leiden hatten. Die Frage nach ihren Reitkünsten ließ da nicht so tief blicken – vor allem, wenn man nicht auf Zweideutigkeiten achtete. Nebenbei bemerkte sie, dass er seine Hand fortzog, zurück blieb ein seltsames Gefühl.


    „Ich weiß nicht viel über die Legion, obwohl mein Vater Soldat ist. Er zieht es vor zu schweigen, weißt du. Ich hatte mich stets für ihn gefreut, wenn eine Beförderung ins Haus stand. Diese neue Regelung kann ich nicht so recht nachvollziehen, auch wenn der ehrenwerte Kaiser gewiss einen grund gehabt hat, sie zu vollziehen.“ Epicharis überlegte nur kurz, ehe sie mit ernstem Gesicht noch etwas anfügte. „Ich möchte dich bitten, mir von deiner Arbeit in der Legion zu erzählen und nichts zu verschweigen aus Angst, es könnte mich zermürben. Das wird es nicht. Ich möchte meinem Verlobten beistehen in allem, was er tut, und das kann ich nicht, wenn ich nicht weiß, was er denn überhaupt tut. Dass Soldaten die Heirat untersagt ist, mag ein gekonnter Schachzug sein. Welcher verheiratete Miles lässt schon gern seine Familie zurück, im Ungewissen darüber, ob er jemals heimkehren wird?“ Sie lächelte flüchtig. „Dich aber stellt es vor ein Problem, denn du klingst ganz so, als dientest du gern auf deinem Posten, Marcus.“ Zum zweiten Mal ging der Praenomen schon viel leichter von den Lippen, und Epicharis entschied, dass es gar nicht so schlimm war. Das mit der Heirat allerdings war in der Tat ein Dilemma. Insgeheim musste er den Entschluss wirklich schon gefasst haben, aus dem Militär auszutreten, sonst hätte er sie sicher nicht jetzt darum gebeten, ihn zu heiraten. Wie Epicharis ihren Vater kannte, musste er Aristides auch schon ausgefragt haben darüber. Vesuvianus war schließlich jemand, der sehr gern wusste, woran er war, und die Heirat seiner Tochter betraf schließlich auch ihn. Epicharis seufzte leise und blinzelte in die warme Sonne. Die umstehenden Bäume raschelten mit ihren Blättern, wogten sachte hin und her und zeichneten lebendige Muster auf den hellen Kies zu den Füßen der Frischverlobten.


    Epicharis’ Augen strahlten Aristides mit ihrem satten Braunton an, als er auf ihre abstruse Sammlung einging und versicherte, dass auch er gern spielte. Sogleich plätscherten die Worte aus ihr heraus wie das Wasser aus dem hübschen Brunnen in ihrem Rücken. „Oh, wirklich? Das freut mich sehr, in meiner Familie spielt man leider kaum, alle haben meist wichtigeres zu tun. Ich habe verschiedene Ausführungen der bekanntesten Brettspiele, darunter das Ludus Latrunculorum, Tris, Alquerque und Mulinello. Das Ludus Latrunculorum ist mein Lieblingsspiel, bei Quinquenove hingegen verliere ich meistens. Das Ludus duodecim scriptorum ist aber auch ganz nett. Ach, es gibt so herrliche Spiele und so schön verzierte Spielbretter! Warst du einmal auf dem Markt und hast dir die Arbeiten des Galliers Cantorix angeschaut? Er ist ein vorzüglicher Spielmacher, bietet auch winzige Würfel aus Fledermausknochen an, die sind federleicht! Und er bindet herrliche Ornamente in die wunderbarsten Hölzer ein. Manchmal verkauft er auch Raritäten, einmal habe ich ein keltisches Spiel namens Fidchell erstanden, er musste mir die Regeln viermal erklären. Ein sehr komplexes Spiel, und sehr langwierig, aber wunderschön! Um genau zu sein besitze ich siebenundvierzig Spiele, die Würfelbecher und Würfel nicht mitgezählt“, endete sie schließlich und errötete sodann. Vermutlich hatte Epicharis Aristides nun damit überfahren. Dennoch konnte sie es nicht lassen, noch etwas hinzuzufügen. „Marcus, wenn du in Africa warst, dann hast du sicherlich einmal Senet gespielt?“ Im Grunde genommen unterschieden sich die Regeln des Senet mit denen des Ludus Duodecim scriptorum kaum voneinander, aber Epicharis war immer noch auf der Suche nach einem original ägyptischen Senetbrett, verziert mit diesen seltsamen Bildern namens Hürokufen oder so ähnlich, mit welchen die Ägypter Dinge für die Nachwelt festhielten. Cantorix kam an solche Bretter nicht heran, und auch in Tarraco hatte sie kein Senetbrett erwerben können.


    Die Claudierin war derart in Fahrt geraten, dass sich sogar der Atem leicht beschleunigt hatte. Aristides Pfiff durch die Zähne fiel daher gar nicht so sehr ins Gewicht, denn Epicharis dachte nicht weiter darüber nach. Was sie allerdings bemerkte war, dass er zuerst skeptisch schien und dann über ihren Scherz lachte, was Epicharis ihrerseits ebenfalls zu einem Schmunzeln veranlasste. Sie fand, dass er recht nett lachte, mit tiefer, volltönender Stimme. Auf seine Frage hin nickte sie. „Ja, gern. Ich bin gespannt“, erwiderte sie, und das war sie wirklich. Bisher waren kaum zehn Minuten vergangen, in denen der Flavier sie nicht überrascht hatte. Wenn das so weiterging, würde Epicharis ganz sicher nicht schnell einschlafen können. Ein Gespräch mit Dhara war vonnöten, das wusste sie jetzt schon. Epicharis erhob sich und wandte sich um, streifte den Löwen mit einem Blick und tauchte sodann die Fingerspitzen kurz in das kühle Nass des hübschen Brunnens. Dem Panther zollte sie einen längeren Abschiedsblick als dem Leo, er faszinierte sie mehr. „Lasst es auch wohl ergehen, meine Lieben“, verabschiedete sie sich und besah sich anschließend einmal mehr den entzückenden Ring, den Aristides ihr geschenkt hatte.



    Sim-Off:

    Entschuldige bitte, dass du so lange warten musstest!

  • Das Bild der ewigen Stadt berührte Dhara auf eine andere Weise. Sie zollte mehr ihre Freude und Respekt der Natur und der Sonne als dem Werk der menschlichen Hände. Sie verbeugte sich tief zum Abschied und folgte ihrer Herrin, deren Aufregung sie deutlich spürte.

  • Eine erfrischende Kühle ging vom dem sanften Plätschern des Brunnens aus, ein Hauch von feinen Wassertropfen benässten den Handrücken von Marcus, was ihm- in den warmen Strahlen der Sonne sitzend- nur noch mehr Kühlung und Erfrischung verschaffte. Doch seine Kehle dürstete bereits nach einem ebenso belebenden Naß, doch scheinbar wollten die Sklaven ihr trautes zweisames Gespräch nicht stören und keiner erbot sich an, mit Wein näher zu kommen, vielleicht war das auch der Grund für Marcus Streben zu den Nachspeisen gewesen. Nun, da die schlimme Prüfung- sagt sie ja oder nein, benehmt er sich richtig oder tritt er gar wieder mal in ein Fettnäpfchen- vorbei war, konnte er den Nachmittag doch mehr genießen, zumal er solche Stunden der Muse selten in den letzten Jahren erlebt hatte, seitdem er der legio beigetreten war, wo doch fast sein ganzes Leben sich um den täglichen Dienst dreht. Und hier im diesem Garten voller exotischer Tiere mit den warmen Sonnenstrahlen auf dem Gesicht konnte sich Marcus gar schon vorgaukeln abermals fern von Italia zu sein, auf Reisen durch fremde und exotische Orte von Syria bis hin zu Mauretania, das alles ohne die Finger in anstrengender Arbeit krümmen zu müssen, sondern sich einfach dem Leben und dem Vergnügen hinzugeben. Wäre nicht das Drängen seiner Mutter gewesen, Marcus würde wohl immer noch dieses mehr lustvolle- bezogen zum Leben und dem Genießen- gefüllte Leben frönen. Ein wenig verwundert ob Epicharis Frage zuckte Marcus Augenbraue ein wenig.


    „Vielleicht liegt die Verschwiegenheit Deines Vaters auch schlicht in dem Grund, daß es nicht immer viel zu erzählen gibt? Das Leben eines Soldaten ist von den täglichen Übungen, dem Schanzen- und Wachdiensten geprägt, daneben hin und wieder mal ein kleineres Manöver oder dann der Geburtstag des Kaisers.“


    Eine laue Windböe wehte einige gelbe Blütenblätter heran, die auf der Wasseroberfläche nieder fielen und wie kleine goldene Segelboote auf dem blauen glitzernden See zu treiben schienen. Nur einen Herzschlag sah Marcus aus sie hinab, erinnerte sich an die Dhaue am Nil mit ihren großen, bunten Segeln, die über den breiten Fluss hinüberzuschweben schienen, jedoch stets in der Gefahr schwebten, von einem stärkeren Wind zum Kentern gebracht zu werden.


    „Die neuen Regelungen sind mehr die alten Gesetze. Vor einigen Jahrzehnten und noch Generationen war es schon so üblich, daß Männer wie ich, oder auch aus den edlen gentes der Plebejer, nicht mehr als einfache Soldaten gedient haben. Und was die Familien angeht…“


    Marcus lächelte breit, einige seiner Soldaten hatten wahre Rasselbanden und Horden von Kindern, manch einer sogar mehrere Frauen, um die er sich zu kümmern hatte und gar mehr Familie als sich Marcus je erhoffen, wünschen oder gar wünschen wollte.


    „….viele Soldaten haben trotzdem ihre Familie, die sie sogar zu neuen Stützpunkten begleiten und somit genauso Grund zur Sorge sind, nur ist die Ehe bei ihnen nicht offiziell, wenn auch auf eine ähnliche Weise geführt.“


    Marcus verstummte kurz und dachte nach: Vielleicht würde Epicharis das als einen Wink mit dem pilum –wie Marcus es abermals fälschlicherweise sagen würde- verstehen und nicht nur als eine harmlose Anmerkung. Wie jetzt einen eleganten Schwenk auf ein anderes Thema machen? Ah, die Frage, die Epicharis ihm gestellt hatte. Schnell griff Marcus diese auf, zwar würde sie nur die halbe Wahrheit von seinen tatsächlichen Empfindungen verraten: Schlicht, er hatte keine Lust auf Politik und große Reden schwingen, was er sowieso nur mit der Hilfe seines Sklaven schaffen könnte, und als centurio hatte er mittlerweile genug Freiheiten, um den Rahmen für seine natürliche Faulheit so weit dehnen zu können, daß es doch recht bequem geworden war in der legio.


    „Nun, tatsächlich. Der Posten des centurio ist durchaus zufriedenstellend, aber leider nicht mehr für meine Lebenssituation passend. Aber, ob ich…“


    Marcus zögerte nur einen Augenblick, er wollte eigentlich Epicharis nicht mit all diesen Überlegungen langweilen, aber da sie ihn gerade vorher noch gebeten hatte ihr frei und offen von allem, was ihn bezüglich der legio- er interpretierte das jetzt mal recht frei- betraf, zu berichten, tat er das auch.


    „Also, ob ich es bis zur nächsten Wahl schaffe, aus der legio auszutreten und auch noch mich zur Wahl zu stellen, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Es könnte durchaus sein, daß es sich noch um eine weitere Amtszeit verlängern könnte, zumal es zur Zeit einige Gerüchte in der legio gibt, die von einem größeren Einsatz sprechen. Dann kann es durchaus sein, daß mich der legatus auch nicht vorher aus dem Dienst entlassen würde.“


    Marcus zuckte etwas ratlos die Schulter, eigentlich wollte er gar nicht mehr so lange die Zeit vertun, aber er wollte auch nicht als Feigling gelten, der, wenn die legio gebraucht wurde und Gefahr am Horizont erschien, den Dienst schnell quittierte und somit alle Vorurteile gegen Männer seines Standes auch noch bestätigte. Und so war er doch froh, ein Thema, was doch weniger verzwickt erschien und sehr viel belebender war, verfolgen zu können: Spiele und somit auch wieder die Lust am Leben. Somit verschwand der Hauch von Düsternis um seine Seele, was er vorher gar nicht bemerkt hatte, und seine Augen strahlten abermals gut gelaunt auf.


    „Cantrix, Cantarix? Nein, den Mann kenne ich bedauerlicherweise nicht. Aber solche Einkäufe habe ich, so wie ich mich erinnere, noch nie selber getätigt, höchstens in meinen Kindestagen.“


    Einen Moment dachte Marcus nach, Glückspiele lagen ihm eigentlich mehr, denn da mußte man nicht allzu viel überlegen und konnte mehr auf Fortuna vertrauen. Aber trotzdem- selbst wenn er fast ständig verlor, zumindest gegen Hannibal- hatte er doch immer noch eine große Freude auch an den komplexeren Spielen, doch er hegte den Verdacht, auch Epicharis würde ihn wohl ebenso spielend schlagen, wie sein Sklave, oder gar Leontia oder Gracchus es wohl könnten, womöglich wäre sogar schon sein Sohn mittlerweile dazu in der Lage. Marcus erhob sich, beobachtete wie Epicharis Finger in das kühle Nass tauchten und fügte an:


    „Ich gebe zu, quinquenove gefällt mir am Meisten von diesen Spielen, aber die anderen Spiele haben auch alle ihren ganz eigenen Reiz, besonders tabula. Senet…Senet…hm, ja, das kann durchaus sein. Der Name sagt mir zwar nichts, aber ich habe durchaus mit einem guten Freund- ihm gehört übrigens der Garten hier- schon öfters in Alexandria einige der ägyptischen Brettspiele gespielt. Spielst Du das besonders gerne oder möchtest Du es erlernen?“


    Marcus wartete noch einen Moment, lächelte als sich Epicharis von den wilden Tieren verabschiedete und wandte sich dann um, ging mit ihr- ohne die Sklaven weiter zu beachten- durch das orientalisch anmutende Steintor hindurch und in Richtung des Platzes zurück. Und als ob die Sklaven das schon erwartet hatten, standen bereits die süßen Speisen auf den Tischen, in Honig getauchte Früchte, kandierte Rosenblätter, in süßen Wein geschwenkte Birnenhälften und gebratene Apfelscheiben, dazu Datteln und in cremigen Schaum geschlagene getrocknete Feigen, dazu aber auch herben Käse und hell gebackenes Brot, ebenso ein leichter Sommerwein des letzten Jahres, aus den kampanischen Landen. Erneut nahm Marcus erst nach Epicharis wieder Platz und lehnte sich in die Kissen zurück. Manchen Männern sagte man nach, daß sie Süßspeisen nicht sonderlich schätzten, bei Marcus war das jedoch nicht so, eigentlich vermochte er allen kulinarischen Genüßen- von den Germanischen abgesehen- etwas abzugewinnen. Mit einem der Rosenblätter in der Hand, fügte Marcus in Anbetracht ihres letzten Gespräches noch an:


    „Ein keltisches Spiel? Und auch noch komplex? Das würde man diesen Barbaren gar nicht zutrauen, dabei leben sie in doch so bescheidenen Verhältnissen.“

  • Epicharis fand es amüsant, dass ihre Sklavin sich vor den Tieren verbeugte, doch sie sagte nichts dazu und setzte sich mit Aristides an ihrer Seite in Bewegung, um zum Plateau und damit auch zu den Nachspeisen zu gelangen. Die kleinen Blütenboote würdigte sie nur eines flüchtigen Blickes. „Vielleicht hast du Recht, aber für dich klingt es trivial, während diese Dinge für einen Außenstehenden interessant anmuten“, gab Epicharis zu bedenken, während der Kies leise unter ihren Füßen knirschte. Tigerauge funkelte in der Sonne und Epicharis’ Haar glänzte, was eindeutig Dharas Verdienst war. Diese ganzen Militärangelegenheiten kamen ihr wie die Bücher der Sybille vor, sie verstand kaum ein Wort und konnte nicht nachvollziehen, warum man Regelungen modernisierte und kurze Zeit später wieder rückgängig machte. Die Erzählung, Familien betreffend, ließ Epicharis etwas erschrecken. Nicht, dass sie sich etwas derartiges nicht vorstellen konnte - doch dass es tatsächlich Gang und Gebe war, war doch erschreckend. Sie hätte das niemals für sich billigen können, eine Ehe zu führen ohne den Sitten gemäß verheiratet zu sein. Aristides’ Worte ließen in ihr genau jenen Gedanken aufkeimen von dem er hoffte, sie hätte ihn nicht. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu, verzichtete jedoch darauf, ihn zu fragen, ob auch er eine oder mehrere solcher „Ehen“ führte oder geführt hatte. Immerhin war er ein Patrizier, ein Ehrenmann. Da wäre es fatal, wenn sie ihm dies unterstellte, und es würde die Vertrauensbasis in ihren Grundfesten zerstören, die sich gerade im Aufbau befand. Epicharis wischte den Gedanken also fort und ging nicht darauf ein.


    Seine wie nebenbei erwähnte Bemerkung klang da schon sehr viel redenswerter und interessanter, obwohl Aristides sie für belanglos und langweilend hielt. Epicharis blinzelte ihn überrascht an und ging zuerst auf die Wahl ein. „Ein Verlöbnis ist ein Heiratsversprechen, Marcus. Ob die Riten nun in diesem Jahr oder erst im nächsten vollzogen werden, hängt zwar in erster Linie von deinem Austritt aus der Legion und deiner Kandidatur ab, du sollst aber wissen, dass ich mein Wort nicht leichtfertig gebe und warten kann, wenn es nötig ist.“ Dabei nickte sie angedeutet und lächelte flüchtig. Außerdem war dieser Umstand sicher auch ihrem Vater bewusst gewesen, als er sein Einverständnis erteilte, also blieb ihr ohnehin nichts anderes übrig. Wenn sie schon heiraten musste, so wollte sie ihrer Familie Ehre machen, und das würde sie sicherlich nicht, wenn sie ungeduldig und furienhaft war. Nun wollte sie auf den nebenbei erwähnten Satz in Aristides’ Bemerkung antworten, der zudem leicht besorgniserregend war. „Du sagtest, dass das Gerücht eines größeren Einsatzes umgeht? Wie kann das sein, ist denn die Erste Legion nicht für die Sicherung des Kernlandes des Imperiums zuständig?“ fragte Epicharis mit leicht besorgtem Unterton in der Stimme. Ihre Frage mochte ein wenig naiv klingen, doch das verstand sie einfach nicht. Hier in Italien war doch keine große Bedrohung auf dem Vormarsch, welcher große Einsatz sollte denn geschehen?


    Während sie das blaue Tor mit den Tiermotiven passiert hatten und weiter auf den verschlungenen Wegen wandelten, kam eine leichte Brise auf, welche Toga und Tunika des Pärchens erfrischend aufbauschte und umspielte. Die widerspenstige Haarsträhne löste sich erneut aus Epicharis’ Frisur, doch sie merkte es nicht. Viel zu sehr war ihre Aufmerksamkeit auf das Gespräch gerichtet, das sich inzwischen wieder um die Spiele drehte. „Cantorix heißt der gute Mann. Wenn du einmal die Zeit findest, werde ich dir seinen Stand auf den Märkten gern zeigen“, versprach sie. „Sicherlich gefällt dem kleinen Serenus auch die Herausforderung im Spiel.“ Dessen war sie sich zwar nicht so sicher, weil der „kleine Serenus“ ihr ziemlich ruppig und impulsiv vorkam, aber es war eine freundliche Geste, ihn zu erwähnen. Epicharis lächelte begeistert, und diese Begeisterung ließ auch ihre Augen strahlen, als Aristides sie nach dem ägyptischen Spiel fragte. „Weder noch. Ich bin seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem original ägyptisch anmutenden Spielbrett des Senet. Cantorix bezieht seine Ware bedauerlicherweise nur aus dem Norden, weshalb er Senet nicht im Sortiment hat. Es unterscheidet sich zwar kaum vom Ludus Duodecim Scripta, aber wenn man diese ägyptischen Schritbilder auf dem edlen Holz vor sich hat, so zeichnet das doch ein gänzlich anderes Flair, meinst du nicht?“ Sie schmunzelte und setzte sich. Die drei Sklavinnen hatten erneut mit der Musik eingesetzt, als Aristides und sie um die Ecke gebogen waren, sodass nun erneut liebliche Musik durch den Garten schwebte. Epicharis seufzte verhalten zufrieden auf und legte nun auch die Beine auf die Kline. Derweil hatte man die Speisen mit süßem Allerlei ersetzt. Die Claudierin ließ ihren Blick über das dargebotene Sortiment schweifen und entschied sich ebenfalls für kandierte Rosenblätter, dazu einige Datteln. „Ja, nicht wahr? Ich war auch verwundert. Die Regeln sind wirklich ziemlich komplex, aber das Spielen stellt damit eine Herausforderung dar“, erwiderte sie und biss ein Stück einer Dattel ab.


    Einen Moment sann sie über den bisherigen Verlauf des Gesprächs nach und stellte fest, dass sie sich erstaunlich gut mit dem Flavier – ihrem Verlobten – unterhalten konnte. Das war sicherlich nichts selbstverständlich. Epicharis beschloss, erneut das Thema auf ein vorheriges zu schwenken. „Ich würde gern das Orakel zu unserer Verbindung befragen. Es wäre schön, wenn du mitkommen würdest“, sprach sie und warf Aristides einen kurzen Blick zu, ehe ein kandiertes Rosenblatt zwischen ihren Lippen verschwand und sie sich erneut etwas von dem Wein reichen ließ. Die Nachspeisen waren eine klebrige Angelegenheit, weswegen die Sklaven mit den Wasserschalen kaum mehr von der Seite der beiden Patrizier wichen, es aber dennoch verstanden, sich dezent im Hintergrund zu halten. Epicharis lenkte ihren Blick erneut auf die Silhouette der ewigen Stadt. Sie genoss das sich ihr bietende Bild und drückte dies in einem Lächeln aus. „Manchmal vermisse ich Rom, wenn ich in Mantua bin. Gegen die pulsierende Stadt ist Mantua wie ein kleines Provinzstädtchen, jeder kennt jeden und es gibt nicht viel, was man unternehmen könnte.“ Sie wandte sich wieder zu Aristides um. „Eine Reise nach Africa würde mich sehr reizen. Mehr noch als der Schnee im Norden. All die Wildtiere, das fremde Klima und die Lebensweise, das muss herrlich sein. Wie ist Alexandria? Dort gibt es doch eine große Bibliothek, nicht wahr? Warst du einmal dort?“

  • Sanft brachen die Sonnenstrahlen durch die Nadeln der Pinie am Rande des kleinen Plateaus und warfen ihre goldenen Strahlen in einem Fächerkranz auf die rotgoldene Kline von Epicharis. Mittlerweile stand die Sonne hinter der Baumreihe und schien nicht mehr mit voller Sonnenkraft auf die beiden Speisenden hinab, dennoch war es noch milde genug, um auch noch die letzten Stunden der Sonne, die sich schon mehr dem Horizont näherte, dort genießen zu können. Sinnend betrachtete Marcus abermals die bezaubernde Gestalt von Epicharis, den warmen Schein auf ihren dunklen Haaren. Dieses satte Glänzen ihrer Haarpracht gefiel Marcus durchaus und er genoss den Anblick während er mehr achtlos eine in Honig kandierte Frucht, es war wohl eine Feige, vernaschte.


    Außerdem kam ihm der Gedanke, daß Frauen doch so viele gute Eigenschaften besaßen, die vielen Männern- ihm zumindest- ziemlich abgingen: Besonnenheit und ein sanftes Temperament waren Frauen doch mehr zu Eigen. Obgleich sich Marcus, wenn er nur etwas länger darüber nachgedacht hätte, wohl schnell korrigiert hätte, schließlich war er durchaus sehr unberechenbaren und launischen Frauen schon begegnet, doch alle wurden überstrahlt von dem Vorbild seiner Mutter. Marcus Mundwinkel hoben sich und der Keim guter Hoffnung tauchte in ihm auf. Vielleicht würde er bei Epicharis- so wie sie ihm bis jetzt erschien- nicht mit fliegenden Vasen- etruskisch, attisch und sonstig unbezahlbare Blumenbehältnissen- rechnen müssen, die ihn- nicht nur bildlich- hart treffen sollten.


    „Es sind bis jetzt mehr Gerüchte, die sich jedoch immer mehr häufen. Einige sprechen davon, daß vielleicht die legio in eine andere Stadt von Italia verlegt werden könnten, andere davon, daß wir vielleicht nach Germania geschickt werden. Aber in letzter Zeit mehrt es sich, daß die Führung der legio immer mehr den Ernstfall probt, noch sehr viel mehr als in den Jahren zuvor. Größere Manöver stehen an und somit bleibt die Gerüchteküche nicht still, und Soldaten klatschen fast mehr als so manch ein Marktweib.“


    Marcus war immer wieder sehr amüsiert über das Verhalten der Soldaten in dieser Hinsicht, dennoch nicht sonderlich erstaunt. Wer wollte nicht über seine eigene Zukunft Bescheid wissen? Und wenn man nichts Genaues wußte, blieben nur die Spekulationen. Etwas achtlos schob Marcus den Teller mit Süßspeisen weg und ließ sich etwas herberen Wein als den Süßen des letzten Jahres einschenken.


    „Nun, in erster Linie ist die legio prima die Legion des Kaisers und nicht eine Legion, die das Heimatland verteidigen soll als Hauptaufgabe. Wenn der Kaiser in den Krieg zieht, dann nimmt er diese Legion mit sich. Wobei Italia dann nicht unwehrhaft wäre, schließlich gibt es noch die cohortes der Praetoriener, der urbanae und vigiles. Aber ich kann mir schwerlich vorstellen, daß wir nach Germania in den Krieg ziehen könnten. Vielleicht die Dacer, die doch immer wieder gerne aufbegehren in den letzten Jahren. Doch womöglich benehmen sich die Soldaten auch nur wie glucksende Hennen und es steht gar nichts Großes, außer das nächste Frühjahrsmanöver an.“


    Marcus wirkte auch recht entspannt und nicht im Mindesten besorgt. Wann war es her gewesen, daß die prima ausgerückt war? Schon einige Jahre. Und wahrscheinlich würde es wieder Jahre dauern, bis sie Mantua verließen. Mit einem: „Aber gerne doch!“ erwiderte Marcus die Aussage auf besagten Gallier- oder war er doch Germane gewesen, oder mehr Britannier?- Marcus biss sich einen Herzschlag auf die Unterlippe und dachte kurz darüber nach, nun er würde es noch eruieren können bei der Erfüllung ihres Angebotes. Aber womöglich hatte der Nordmann auch ein Spiel, was Marcus nicht zu sehr überfordern würde- wenngleich es ihm bei Spielen doch weniger schwer fiel, als mit sonst den intellektuellen Höhen, die von ihm eigentlich erwartet wurde. Irgendwo in seinem Geist speicherte er ab: Senetspiel besorgen. Er glaubte auch, daß es eigentlich kein Problem sein dürfte, er müsste nur einigen Bekannten in Alexandria einen Brief schicken, welcher natürlich aus der Feder seines Sklaven stammte.


    „Eine Herausforderung, ja in der Tat. Bei den vielen Möglichkeiten eine Schlacht auf dem Spielbrett zu schlagen, mit all den Raffinessen und Tricks verwundert es mich, daß sich nicht schon Gelehrte diesem Bereich angenommen haben. Es hat schon eine eigene Philosophie- das Spielen.“


    Zumindest hatte Marcus noch nie von einem Spielephilosophen gehört, wenngleich er es nicht ausschließen konnte, denn er konnte einen Sophisten kaum von einem Stoiker oder gar einem Platoniker unterscheiden. Einen Augenblick verfolgte Marcus das glückselige Los des Rosenblattes, was für einen Herzschlag von Epicharis Lippen umschmiegt wurde, doch die Frage riß ihn aus der Betrachtung heraus. Orakel? Als er ein Kind war, war er ab und an zu dem Orakel in der Nähe seiner Heimatstadt gegangen, aber schon damals hatte ihn die zwar anziehenden, aber dennoch Furcht erregenden Geschichten stets davon abgehalten. Er wollte doch nicht als einer dieser von dem Orakel betrogenen Männer enden. Wie der, der seinen eigenen Vater tötete und seine Mutter ehelichte. Nur kam er leider nicht auf den Namen. Aber so wollte er wahrlich nicht in sein eigenes schlechtes Schicksal laufen. Nein, er doch nicht. So zögerte er einige Herzschläge lang, wie konnte er sich wohl daraus winden? Wohl weniger, so fügte er sich Schicksal ergeben, in der Vorstellung schon eine Ahnung von selbigen zu erhalten.


    „Aber natürlich. Sind die Prophezeiungen der Sibylle nicht jedoch meist ziemlich unverständlich?“


    Während sich Epicharis zu dem Panorama der urbs aeternae umwandte, konnte Marcus ungeniert- höchstens von den zahlreichen Sklaven bemerkt- die junge Patrizierin vor sich beobachten, betrachtete die Konturen ihres Halses, den sanften Schwung an der Stelle, wo er zu ihren wohlgeformten- so weit er das beurteilen konnte- Schultern überging, das sich sanft abzeichnende Schlüsselbein, was in der kleinen Grube unterhalb des Halses endete. Sein Blick schweifte etwas tiefer, betrachtete ihren schlanken und doch wohl gerundeten Wuchs und…er guckte schnell in seinen Wein als sie sich wieder ihm zuwandte, sah dann jedoch- mit dem Ausdruck des „Ertappt worden“ sein in den Augen- auf. Schnell leerte er den Becher, überlegt kurz, ob er noch etwas Süßes zu sich nehmen wollte, war aber mehr als pappsatt.


    „Africa ist ein wundervolles Land. Und ich würde es Dir gerne zeigen. Unermesslich von der Größe, es scheint niemals enden zu wollen. Außerdem wild, mysteriös und voller uralter Legenden und Geheimnisse. Es kann sein, daß man durch die Wüste reist und plötzlich schält sich aus dem Wüstensand eine viele tausend Jahre alter Tempel hervor, den man als erster Römer betreten darf. Und die Nächte sind dort wundervoll, ein Sternenhimmel, der klar und vollkommen rein ist, mit abertausenden Sternen gespickt, die alle schöner Leuchten als jeder Juwel es vermag. Und trotz dieser urtümlichen Landschaften finden sich dort auch wundervolle Städte. Alexandria…in der Tat.“


    Marcus nickte und grübelte nach: War er schon mal in dem Museion gewesen? Er meinte, aber ihn hatten mehr die Statuen der Musen interessiert als die große Bibliothek. Und hatte ihn nicht sein Freund damals noch unbedingt in dieses andere Heiligtum schleppen wollen. Auch so ein komisch griechisches Gebäude. Marcus sah auch recht unschlüssig aus und nickte schließlich als es ihm wieder einfiel.


    „Doch, ich glaube dort gewesen zu sein. Ja, doch, Nero, der Freund von mir dort, hatte mir aus dem Museion eine griechische Harmonielehre erwerben wollen. Es gibt wirklich dort unzählige Regale mit Schriften.“


    Sonderlich begeistert darüber wirkte Marcus nicht, aber mit Schriften konnte er immer noch nicht sonderlich viel anfangen. Ehe sie ihn noch über den Inhalt der papyri ausfragen konnte- da hätte Marcus wahrlich passen müssen- wechselte er darum schnell das Thema.


    „Wie wäre es, wenn wir das Orakel übermorgen aufsuchen?“

  • Von den bezauberten Blicken bekam Epicharis nichts mit. Aristides verhielt sich nämlich ganz normal, als sie sich wieder ihm zuwandte und sich den Früchten und Süßspeisen widmete, die vermutlich neben ihnen beiden auch für die ganze vertretene Sklavenschaft gereicht hätten. Wer wusste es schon, vielleicht bekamen die fleißigen Hände und Füße einen Rest von diesem wahrhaftig königlichen Mahl ab, wenn Epicharis’ Kline schon längst erkaltet war und sie sich erneut in den heimischen Räumen befand. Nun, als Epicharis sich also umwandte, blickte sie in Aristides’ mit einem Lächeln geziertes Gesicht. So warm und freundlich erschien ihr dieses schlichte Lächeln, dass sich auch bei ihr unwillkürlich der gleiche Ausdruck auf die Züge legte. Bald würde es zu dunkeln beginnen, die Sonne sank immer weiter herab und ließ die Schatten gleichermaßen länger werden, wie auch Aristides’ Worte Epicharis etwas besorgt dreinschauen ließen. Kriege waren niemals gut, und wenn sie nicht nur um den Vater, sondern auch um den verlobten würde fürchten müssen, war das doppelt betrüblich. So kam es, dass bald das unbekümmerte Lächeln aus dem Gesicht der Patrizierin gewichen war und einem nachdenklichen, ernsten Ausdruck Platz gemacht hatte. Im Gegensatz zu Aristides behielt Epicharis ihren Teller noch eine Weile, und sei es nur aus jenem Grund, etwas in der Hand zu haben und doch nichts halten zu müssen, da sie die kandierten Rosenblätter ganz allmählich drastisch, aber dennoch damenhaft dezimierte. Er gab sich ja alle Mühe, unbeschwert zu klingen, aber Epicharis sah der kommenden Offenbarung – gab es nun Krieg oder gab es keinen – mit einer gehörigen Portion Skepsis entgegen. “Dann will ich um deinetwillen und um meines Vaters Willen darauf hoffen, dass es keinen Krieg geben wird“, hakte sie das doch recht unangenehme Gesprächsthema ab, in Unkenntnis darüber, dass ihr Vater bereits den Dienst quittiert hatte. Es war einfach etwas anderes, über einen Krieg und die Legion in weit entfernten Gebieten zu reden, oder jemanden sehr gut zu kennen, der einmarschieren musste. Epicharis seufzte.


    Umso froher war sie, als Aristides das Gespräch erneut auf Spiele und das Orakel lenkte. Die Unbeschwertheit kehrte, wenn auch langsam, wieder zurück und übertünchte die tristen Gedanken, die sich eingestellt hatten. „Oh, das sind sie, ja.... Aber man kann doch die Intention herausfiltern“, erklärte sie Aristides souverän und untermauerte diese These mit einem Nicken. „Ich war bereits zweimal bei einer Sibylle. Auch wenn sie seltsame Worte wählt, so weiß man dennoch, was sie bedeuten, auch wenn man sie nicht versteht.“ Dieser Satz hätte wohl ebenso von einer Sibylle stammen können, aber Epicharis war sich dessen nicht bewusst. „Übermorgen wäre sehr gut. Sagen wir, zur achten Stunde – oder doch besser zur neunten?“ fragte sie ihn. Dann würde sie in jedem Falle genug Zeit haben zum Briefeschreiben am Vormittag nach der üblichen Prozedur, wenn sie sich erst am Nachmittag verabredeten.


    „Das wäre wundervoll“, begeisterte sich Epicharis für die Idee Arisitdes’, ihr Africa einmal zu zeigen. Die Erzählung klang ganz fantastisch. Vielleicht würde sie auch einen verlassenen Tempel entdecken, der später nach ihr benannt werden würde...sofern man das in Africa ebenso handhabte wie hierzulande mit den Tempeln. Und Sterne...nun, sie war bei weitem kein so begeisterter Sternengucker wie andere aus ihrer Familie, aber die Idylle eines sternenübersäten, pechschwarzen Himmels hatte durchaus etwas an sich, das ein Frauenherz begeistern konnte. „Deine Erzählungen klingen, als seien sie einem Traum entsprungen“, sagte Epicharis dann schwärmerisch und schlug die Lider nieder. Hellwach war sie allerdings wieder, als Aristides von den Schriften erzählte und vom Museion. Er hatte jedoch insofern Glück im Unglück, als dass Epicharis ihn nicht über den Inhalt ausfragte, wohl aber etwas anderes erwähnte. „Oh, da gehen wir dann auch hin, nicht? Ich würde das zu gern mit den eigenen Augen erblicken können....also, natürlich nur, wenn du möchtest“, fügte sie hinzu, als ihr klar wurde, dass sie ihn vielleicht etwas damit überfuhr. Eines sollte dem Flavier allerdings inzwischen klar geworden sein: Epicharis war kein untätiges, langweiliges Frauchen und würde es vermutlich auch niemals sein. Wenn er sie ehelichen wollte, so heiratete er eine Frau, die zwar stets im Rahmen der gesellschaftlichen Anforderungen blieb, aber dennoch abenteuerlustig und gesellig war. Sie redete gern und wirkte auf den einen erfrischend, auf den anderen bereits fast lästig, wenn man eine durchschnittliche Patrizierin erwartete. Denn Epicharis hielt sich nicht für eine solche und wollte auch nicht der Durchschnitt sein, Punktum.


    Es war ein Kreuz, mit der Sonne. Am Morgen stieg sie schnell und schneller empor, verweilte dann den ganzen Tag droben am Himmel, und wenn sie sank, so tat sie es mit der gleichen rapiden Geschwindigkeit wie sie am Morgen steig. So kam es, dass die Stadt bald in goldenrotes Licht getaucht dalag, dessen Rotstich mehr und mehr an Intensität gewann. Bald würde sie sich verabschieden wollen, denn nach der Dunkelheit war Epicharis nicht mehr gern unterwegs. Sicher wusste das auch Aristides oder ahnte es zumindest. Mehr als gesättigt – denn sie hatte auch viel mehr gegessen, als sie eigentlich vor gehabt hatte – gab sie schließlich ihren Teller einem Sklaven und ließ sich das feuchte Tuch reichen. Ein zufriedenes, leises Seufzen konnte sie nicht zurückhalten. „Das war ein so köstliches Mahl, Marcus, dass ich beinahe gewillt bin, dir deinen Küchenmeister abzukaufen“, lobte sie scherzend. „Das Ambiente hier ist einfach fantastisch. Nicht viele Männer kämen auf eine solch magnifike Idee. Da fällt mir ein... Ich habe mich noch gar nicht richtig für die Sklavin bedankt, die du mir geschenkt hast“ , sagte sie und wies auf Dhara. "Sie ist mir eine großartige Hilfe. Der Brief hatte dich doch erreicht, nicht? Jedenfalls danke ich dir recht herzlich. Dein Hannibal ist ebenfalls ein vortrefflicher Sklave, sehr höflich."

  • Mit einer gewissen Zufriedenheit und auch Freude bemerkte Marcus doch, daß Epicharis wohl etwas für Süßspeisen übrig hatte und dem Genuß solcherlei Köstlichkeiten etwas abgewinnen konnte. Der sich leerende Teller war Beweis genug für Marcus. Und da er Frauen, die auch einen gesunden Appetit hatten, noch mehr mochte als die dürren Stecken, die dem Leben keine Freude abgewinnen konnten, stimmte ihn das noch mehr froh. Einige Schwalben flogen im tiefen Flug über dem Aventin entlang, der hier doch seine schönen Seiten und nicht die ärmlichen Insulae offenbarte. Mit ihrem eleganten Flug erjagten sich die Schwalben kleine Fliegen aus der Luft und erhoben sich in einer gekonnten Schraube wieder in die Höhe. Auch Marcus war froh darüber nicht weiter über die Belange der legio und mögliches Unheil zu sprechen, denn selbst wenn er es sich nicht eingestehen würde, es besorgte ihn selber durchaus. Mit Erstaunen lauschte Marcus ihren Worten und nickte beeindruckt. Denn zum einen klang es sehr philosophisch, was Epicharis dort sagte, und zum anderen war er schlicht von der Tatsache beeindruckt, daß sie sich schon zwei Mal einer Voraussagung eines Orakels gestellt hatte und glaubte, auch die Worte deuten zu können- wie auch immer sie das mit dem Verstehen, Nicht-Verstehen und doch Wissen auch gemeint hatte. Denn wirklich hatte Marcus ihre Aussage nicht verstanden, wenn er sich davon nichts anzumerken gedachte. Dies war nicht das erste Mal, daß es ihm so ging, und Philosophie- so war Marcus fest überzeugt- war nur Philosophie, wenn ein Normalsterblicher- sprich er- sie nicht begriff. Marcus stützte sich auf seinem Ellbogen ab und nippte am Wein, dachte dabei nach, ob er etwas ähnlich Schlaues erwidern konnte. Aber das war nun mal die leidige Angelegenheit, wenn man über zu wenig Bildung verfügte, oder eher sich nicht wirklich an die Weisheiten der mal erlernten Texte entsann. So gab er das Unterfangen- ein Gedicht wäre schließlich nichts passendes gewesen- wieder auf und nickte zustimmend.


    „Gut, dann zur neunten Stunde vor dem Orakel der Sibylle.“


    Mit einer Hand deutete Marcus einem Sklaven ihm nachzuschenken und nickte wehmütig lächelnd. Ja, Africa war für ihn ein Traum gewesen- abgesehen von den Widrigkeiten des Reisens, das zweimalige Überfallenwerden, die Insekten, die Krankheit seines Sohnes, das Jammern der Kinder, wenn es mal wieder zu heiß war, die kleinen Leiden, die man immer in der Fremde hatte und ähnliches. Aber je länger die Reise nach Africa her war, desto mehr verklärte Marcus diese und hielt das Land nur noch für ein Hort aller Schönheit und die Vorboten der elysischen Felder. So hätte er wohl den ganzen Abend schwärmen können- wenngleich er sich wohl über die betörenden, dunkelhäutigen Frauen weniger ausgelassen hätte-, aber er wollte Epicharis nicht allzu sehr langweilen, es ihr lieber selber eines Tages zeigen und den Reiz dieser Länder selber offenbaren. Warum Marcus ein Faible für Africa hatte, hinterfragte er nie, lag es doch schlicht in der Familie. Immerhin waren einige Flavier für ihre Liebe zu diesen exotischen Reichen bekannt, hatte sogar einer der Kaiser, Vespasian, aus seiner Familie dem Kontinent doch die Kaiserswürde zu verdanken oder Domitian indirekt sogar sein Leben.


    “Aber natürlich können wir auch das Museion besichtigen. Es ist mit Sicherheit einen Besuch wert.“


    Wenn auch Marcus wenig Lust dazu hatte, so würde er doch Epicharis den kleinen Gefallen tun. Interessiert eine Schriftrolle anzuschauen, dabei kein Wort zu lesen und die Gedanken mit den angenehmen Dingen des Lebens zu füllen- also Tagträume zu pflegen- das konnte Marcus durchaus ganz gut. Außerdem hatten manche Schriftrollen auch recht ulkige Bilder und die Griechen des Museion waren doch häufig sehr amüsante Zeitgenossen, über die man sich herrlich lustig machen- selbst wenn diese es nicht beabsichtigten. Mit dem Abendrot färbte sich auch das Purpur der Klinen, wandelte sich in ein tiefes Rot- wie in den roten Lebensodem getaucht oder ein Feld von Mohn, was sich sanft im Wind wiegte, schien die Farbe zu leuchten. Doch dann schlug die Verwirrung bei Marcus zu als Epicharis die Sklavin erwähnte, folgte mit dem Blick zu Dhara und konnte sich nicht im mindesten einen Reim darauf machen, was Epicharis meinte. Welcher Brief? Genau genommen hatte Marcus schon seit Wochen kein Schriftstück auf seinem Schreibtisch angeschaut, geschweige denn gelesen. Der riesige Berg darauf war ihm ein Grauen gewesen und so hatte er entschlossen alles gepackt und in eine Kiste geworfen. Ob da der Brief von Epicharis dabei gewesen war? Schon bohrte sich der Pfeil von schlechtem Gewissen, getaucht mit dem Gift von Verlegenheit in Marcus. Hinter Epicharis Rücken bemerkte Marcus ein energisches Kopfnicken von seinem Sklaven, sah einige Herzschläge verwundert drein, ehe er ebenso mit dem Kopf nickte.


    “Aber natürlich. Nun, es freut mich, wenn Dir die Sklavin Freude bereitet.“


    …was auch immer ich damit zu tun habe!, kam Marcus der Gedanke. Aber das würde er später noch mit Hannibal klären müssen. Scheinbar hatte der vergessen, ihn auf etwas hinzuweisen. Obwohl voll und doch etwas träge durch das Mal, erhob sich Marcus und deutete eine Verbeugung im schwindenden Abendlicht am.


    “ Und mir war es eine große Freude und Ehre Deine reizende Gesellschaft an dem heutigen Nachmittag genießen zu dürfen!“


    Natürlich verstand es sich von selbst, daß Marcus Epicharis mit bis zur Sänfte führte und sie erst dort, bewacht von unzähligen Sklaven, verabschiedete. Eifrige Hände- die der Sklaven- entzündeten am Weg bis zur Sänfte bereits kleine Öllampen, die mit filigranen roten und blauen ägyptischen Glas überdeckt waren und ihr buntes Licht auf die hellen Kiessteine warfen. Im Dämmerlicht zwitscherten einige Vögel, besonders die Amseln, aber auch so manch ein exotischer Vogel, der sich von Epicharis zu verabschieden schien. Die verschnörkelten Tore schwangen von den beiden Patriziern auf und Marcus wandte sich vor der Sänfte Epicharis zu. Das letzte Licht im Abendrot beschien die eine Hälfte seines Gesichtes, während die Andere völlig von der heranziehenden Dunkelheit bedeckt wurde. Sanft ergriff Marcus Epicharis Hand und sah sie einige Herzschläge mit einem längeren und intensiveren Blick an.


    „Selig wie ein himmlischer Gott erscheint mir, wär’s erlaubt, noch über den Göttern selig, wer, vor dir hinsitzend, dich immer, immer schauet und anhört.“


    Wie einen Schatz in seiner Hand beschirmend hob Marcus Epicharis Hand, drehte sie herum und küsste behutsam sie am Handballen und gleich darauf zart an ihren Fingerspitzen, dann verbeugte er sich und lächelte. Fackeln flammten um sie herum auf als die bereit stehenden Leibwächter diese entzündeten und sich für den Rückweg durch die Strassen Roms bereit machten. Obwohl nicht erlaubt, so trugen doch alle diese Männer Waffen unter ihren Überwürfen, um Epicharis unbeschadet durch die Stadt in die villa zu bringen. Und keiner der Sklaven zweifelte daran, daß ihr letzter Tag wäre, wenn ihnen dies nicht gelang.


    „Ich freue mich sehr darauf, Epicharis, Dich bald wieder zusehen und wünsche Dir eine angenehme Nacht.“


    Abermals deutete Marcus eine Verbeugung zum Abschied an, einer der Sklaven warf sich abermals vor der Sänfte auf den Boden, um Epicharis das Einsteigen leicht und komfortabel zu machen.

  • Es war ihr ja doch irgendwie peinlich, derart viel gegessen zu haben, obwohl sie doch bevor sie hergekommen war, extra noch etwas gegessen hatte, um hier nicht unschiklich zuzulangen. Dass es Aristides gefiel, wenn eine Frau gut aß und nicht wie ein Spatz, war ihr natürlich nicht bewusst, und selbst wenn sie es gewusst hätte, so wäre es ihr nicht minder peinlich gewesen, so zuzulangen. Dennoch, die Speisen waren einfach grandios gewesen, von Beschaffenheit über Zubereitung und Präsentation. Während Epicharis noch den verklingenden lieblichen Klängen der drei Sklavinnen lauschte und das Panorama der in die letzten Sonnenstrahlen getauchten Stadt genoss, fühlte sie sich mehr als satt und nahm sich vor, am morgigen Tage nur Obst zu sich zu nehmen, um auch weiterhin in diese wunderschöne, lindgrüne Tunika zu passen, die sie heute trug. Freilich ahnte sie auch nichts von dem inneren Drang ihres Verlobten, etwas Kluges auf ihre schlicht und ohne großen Hintergrund dahergesagten Worte entgegnen zu wollen, und so war sie nicht verwundert, als er lediglich dem Termin zusagte, und nickte. "In Ordnung."


    Mit dem Versprechen Aristides' einmal mit ihr nach Africa zu reisen und dort alle Bauten, Tempel und die Bibliothek zu besichtigen, wenn sie es wollte, gewann er die abenteuerlustige und Kunst wie Kultur liebende Seite von Epicharis' Herz. Ihre Augen leuchteten verheißungsvoll und die Haltung zeigte, dass sie am liebsten augenblicklich gen Africa abgereist wäre. Doch das würde noch dauern, bestenfalls einige Monate, schlimmstenfalls mehrere Jahre, wenn Aristides wirklich in den Krieg marschieren würde. Epicharis zügelte unter einiger Anstrengung ihre Erwartungsfreudigkeit und entgegnete lediglich: "Ich freue mich schon jetzt darauf, Marcus." Sie glaubte, in ihm einen Mann gefunden zu haben, der herzensgut und an künstlerischen wie kulturellen Dingen sehr interessiert war. Das freute sie, denn so würde sie hoffentlich nicht das gleiche Schicksal wie Antonia teilen, die mit ihrem Leben und in ihrer Ehe sehr unglücklich war. Sie musste wohl kaum Gemeinsamkeiten mit ihrem Gatten haben oder sie hatte sie nur noch nicht entdeckt, wer wusste das schon? Epicharis jedenfalls hatte durchaus das Gefühl, dass sie keinesfalls so unglücklich mit Aristides sein würde wie Antonia mit Gracchus. Sicher sein konnte sie sich da natürlich nicht, denn der Flavier konnte sich auch noch als ein Scheusal herausstellen, sobald sie vor den Göttern und dem Gesetzt geheiratet hatten und sie Eheleute nennen durften...auch wenn Epicharis nicht glaubte, dass Aristides sich jetzt solche Mühe gab, um sie zu entzücken, obwohl er doch insgeheim ein mieser Schuft war.


    Rings um sie herum dunkelte es nun immer schneller, die Sonne begann gerade, den Horizont zu berühren und hinter ihm zu versinken. Aristides' Blick heftete sich kurz auf einen Punkt hinter Epicharis, und kurze Zeit später sah er sie wieder an und drückte seine Freude aus. Epicharis unterdrückte den Impuls, sich herumzudrehen und nach dem Ziel seines Blickes zu suchen, etwas spanisch kam ihr das nämlich schon vor. Doch vielleicht war es nur eine weitere Schwalbe gewesen, die ihre Kapriolen hinter ihrem Rücken schlug, oder auch Nordwin, der sich mit dem Fußrücken an der Wade kratzte. Mit anderen Worten: es war unwichtig genug, nicht den Blick von Aristides abzuwenden. Sie schenkte ihm ein Lächeln und sah Dhara nochmals an. "Das tut sie, sie ist sehr geschickt."


    Kurz darauf erhob sich Aristides bereits, und wenn er es nicht getan hätte, wäre Epicharis wohl in Kürze aufgestanden. Nun folgte sie ihm nach - ein Sklave trat hinzu und reichte ihr eine helfende Hand - und verweilte einen Moment, in dem Aristides Toga nach seiner Verbeugung und ihre Tunika erneut geordnet wurden. Dankbar nahm sie seinen dargebotenen Arm an und legte die feingliedrigen Finger der Rechten darauf, um sich von ihm durch den Hortus Lucretius den Weg entlang zurück zur Sänfte führen zu lassen. Einige Sklaven liefen voraus und entzündeten kleine Lämpchen am Wegesrand, sodass die Kiesel und Edelsteine im schwankenden Licht geheimnisvoll glänzten und schaurig leuchteten. Sie waren nicht das einzige, was leuchtete, denn auch die Augen der Claudierin glänzten sanft im sie umgebenden, letzten Sonnenlicht und dem Licht der Öllampen. Ehe sie los gingen, wandte sich Epicharis zu Aristides um und sah ihn an. "Mir war es eine Freude, hier zu sein, Marcus. Es war eine unverhoffte Einladung, und noch dazu eine sehr angenehme."


    Über das Krokodilbassin, in dem man bei diesem Licht kaum mehr etwas erkennen, sehr wohl aber das leise, bedrohliche Plätschern hören konnte, führte er sie dem Eingang entgegen, vor der immer noch die Sänfte wartete, um sie zügig und sicher nach Hause zu geleiten. Sie passierten zahlreiche Vogelkäfige, deren Insassen den freifliegenden Artgenossen einen abendlichen Gruß zu zwitscherten, und langten alsbald an dem rosengesäumten, orientalischen Tor an, welches Epicharis schon bei ihrer Ankunft in diesem Garten beeindruckt hatte. Die kleinen Tiergestalten schienen im flackernden Licht wahrhaftig lebendig zu sein. An Aristides' Seite durchquerte sie das Tor. Die Schritte verlangsamten sich und schließlich blieb Aristides stehen, wandte sich zu Epicharis um und zitierte Catulls Carmina, wie Epicharis erkannte. Zwei, drei Herzschläge suchte sie nach etwas, das sie erwidern konnte, und gerade als ihr etwas eingefallen war, ergriff er ihre Hand und setzte zwei sanfte Küsse auf ihre weiche Haut. Epicharis' Herz schlug bis zum Hals und sie fragte sich panisch, wie sie reagieren sollte, wenn er auch ihre Wange oder gar die Lippen küssen wollte, doch die Gedanken waren müßig, denn Aristides verzichtete darauf. Wieder einmal war Epicharis sich urplötzlich darüber bewusst, dass sie im Grunde gar nichts von dem wusste, wie man sich in so einer Situation verhalten sollte. Mit einem zaghaften Lächeln um die Mundwinkel herum sah sie zu ihm auf, denn sie war ja kleiner als er, und wusste nichts zu entgegnen. Um sie herum erhellten nun einige Fackeln den kleinen Platz zwischen Tor und Sänfte. Epicharis musste etwas sagen, und aus diesem Drang heraus resultierten die Worte, die sie im gleichen Moment wählte, in welchem sie sie auch schon sprach. "Du verstehst es, eine Frau zu bezaubern, Marcus. Es ist mir eine Freude, diesen Ring zu tragen und diesen Tag in meinem Gedächtnis zu bewahren, um ihn irgendwann einmal unseren Kindern zu schildern. Schlafe du auch gut, Marcus." Einen Moment noch sah Epicharis Aristides an, lächelte sanft und wandte sich dann um, wo der gleiche Sklave wie vor einigen Stunden sich auf den Boden geworfen hatte und Epicharis einen bequemen Einstieg ermöglichte. Als sie in der Sänfte saß, nickte sie dem alten Mann in orientalischen Gewändern freundlich zu, dann hoben die Träger auch schon die flavische Sänfte an und trugen Epicharis fort. Sie hatte die Vorhänge ein Stückchen beiseite geschoben, um Marcus noch einen Moment lang auf dem flackernd beschienenen Marmorkies dastehen zu sehen, dann verschwand er aus ihrem Blickfeld und Epicharis lehnte sich in die bequemen Kissen zurück und betrachtete im spärlichen Licht den geflochtenen Ring mit seinen feinen Perlchen, den er ihr geschenkt hatte. Ein tiefer Seufzer drang über ihre Lippen. Sie hoffte, sich richtig verhalten zu haben. Und sie brannte darauf, mit Dhara zu sprechen, sobald sie zurück in der Villa waren.

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