Comitium | Quando Rex Comitiavit Fas - zur Feier des Regifugium

  • ANTE DIEM VI KAL MAR DCCCLVII A.U.C. (24.2.2007/104 n.Chr.):


    Von der Küste Italias wehte ein leichter Wind nach Rom her, doch er brach sich bereits früh an den ersten Häusern der Hauptstadt, flaute bald ab und war im Zentrum der Stadt, jenseits des Tibers nur kaum mehr auszumachen. Im Comitium spürte man von diesem leichten Windhauch bereits nicht mehr, selbst wenn es nicht in den Windschatten der gewaltigen Tempeln und Gebäuden gelegen hätte, so hätte doch der Kapitolshügel den Wind noch vor dem Forum Romanum gebrochen, auf welchem oben am Tempel der kapitolinischen Trias ohnehin immer eine leichte Brise wehte. Obwohl das Comitium nahe der Rostra allgemein immer recht belebt war, so drängten sich die Menschen an diesem Tage des Regifugium doch dicht an dicht. Nur ein geringer Bereich des Platzes war noch frei, jener Bereich vor dem eigens errichteten Altar, an welchem der Rex Sacrorum das heutige Opfer darbringen würde. Ein Stier war den Göttern angedacht, ein Stier, weil dies Opfer für den militärischen Erfolg des Staates Sorge tragen sollte.


    Zuvor gehörte die freie Fläche jedoch den Sodales der Kultgemeinschaften der Salier, welche dort ihre rituellen Tänze vollführen würden. Dass jenen ein Teil des Ritus zukam, zeigte zu einen, dass das Regifugium einer jener vielen Tage im römischen Jahr war, welche durch den Krieg bedingt gefeiert wurden, zum anderen jedoch auch, dass es zu den ältesten Festtagen des römischen Reiches gehörte, zu jenen Tagen, welche bereits bis in die Zeit der Könige zurück reichten. Aus diesem Grund jedoch war gleichsam der Brauch schon dieser Tage nicht mehr vollends durchschaubar, auch wenn sich große Männer wie Ovidius an seiner Deutung versucht hatten und die nach dem Opfer folgende Flucht des Rex Sacrorum jener des Tarquinius Superbus anlässlich des Todes der Lucretia gleichsetzten.

  • Nachdem die Salii Collini in diesem Jahr bereits während der Quirinalia zum Einsatz gekommen waren, war der Tag des Regifugiums jener erste Tag im Jahr, an welchem auch die Salii Palatini ihrer traditionellen Pflicht nachkamen, hinzukommend war es einer der wenigen Feiertage, welche beide Sodalitäten gemeinsam bestritten und dabei gleichsam in sublimen Wettstreit miteinander lagen. Voll inbrünstiger Überzeugung, dass die Salli Palatini ohnehin die wichtigere der beiden Sodalitäten war, führte daher Gracchus als Magister jene in den tänzerischen Wettstreit. Die heiligen Schilde des Mars waren bereits am Vortag zum Kultraum auf dem palatischen Hügel gebracht worden, so dass die Sodales vor dort aus gehüllt in ihren roten Tuniken, ausgestattet mit den archaischen Rüstungen, bewaffnet mit Schwert und eben jenen Schilden, den Ancilia, ihren Marsch zum Comitium ohne Umweg durchführen konnten. Wie eine kleine Armee marschierten die zwölf Patrizier, und obwohl die sie begleitenden Hornbläser noch keine Musik spielten, sondern das Nahen der Salier nur mit lauten, durchdringenden Tönen ankündeten, gab das Aufstampfen der mit Nägel besohlten Stiefel bereits einen Takt vor, und auch das Schlagen der Schwerter auf die heiligen Schilde alle paar Schritte trug zum unverkennbaren Klang der Salii bei. Bereitwillig stoben die Menschen vor ihnen auseinander, um sie zum Comitium hindurch zu lassen. Kinder blickten mit staunenden Augen zu den Kriegern einer längt vergangenen Epoche hinauf, Männer und Frauen grüßten sie ehrfürchtig und manch einer versuchte eines der heiligen Ancilia zu berühren, in der Hoffnung Mars möge ihm Stärke und Standfestigkeit verleihen. Am Comitium angelangt stellten sich die Salii Palatini den Collini gegenüber. Beide Sodalitäten hatten ihre eigenen Hornbläser, die, nun verstummt, ebenfalls in heimlicher Konkurrenz zueinander standen. Ein Herold des Cultus Deorum blickte vor dem Altar über die Menge hinweg, wartete, bis beide Sodalitäten auf ihren Positionen standen, und schlug dann hart mit dem Ende seines Stabes auf den Boden. Gracchus war ein wenig nach vorn getreten, taxierte sein Gegenüber mit abschätzigem Blick. Er war sich der Sodales hinter sich sicher, er musste nicht sehen, um zu wissen, dass sie jeden Schritt beherrschten, dass jeder Schlag ihrer Schwerter auf die Schilde ein einziger Gleichklang würde sein, dass jeder Ton, jedes Wort aus ihren Kehlen dem Mars zur Ehre gereichen würde. Die Collini konnten lange nicht mit ihnen mithalten, dies war schon auf den ersten Blick zu sehen. Als die Hornbläser endlich mit ihrem Spiel einsetzen, fiel alle Anspannung von Gracchus ab, ebenso, wie die Collini und der Vergleich mit ihnen kaum mehr von Bedeutung war. Im Takt der Musik setze er seine Füße im traditionellen Dreischritt, schlug mit seinem Schwert den Takt und stampfte fest mit seinen Stiefeln auf den Boden, auf dass die Welt unter den Füßen der Krieger des Mars möge erzittern. Tief und volltönend sang er die uralten salischen Verse und neben ihm, hinter ihm und um ihn herum stimmten die Soldales ein und während die Menge der Zuschauer in stilles Schweigen verfallen war, schien es, als würden die Gesänge der beiden salischen Sodalitäten über dem gesamten Forum schweben.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Auch Mars stand - völlig unerkannt natürlich - irgendwo in der ehrfürchtigen Masse, die den Saliern bei ihren Tänzen zuschauten. Gelegentlich zuckte sein Tanzbein oder ein Muskel seines Oberkörpers, aber wer würde das schon bemerken.

  • Der Wind spielte in den tief braunen Haaren von Marcus, trug den frischen Duft mit sich, der die Dünste der Stadt mit einem mächtigen Hauch zu verscheuchen schien. Noch den betörenden Weihrauch in der Nase folgte Marcus im rituellen Schritt dem magister der salii, spürte das nun schon vertraute Gewicht der heiligen Schilde an seinem Arm, wurde des leichten Prickeln gewahr, was von der Aura der Erhabenheit der salii ausging. Wie ein Mann schienen ihre Schritte in den breiten Strassen Roms wiederzuhallen und dann doch wie ein kleines Heer. Feine Wellen erzitterten am Rande seiner rostroten tunica, welche mit Ornamenten versehen war und von einem Messinggürtel gehalten wurde, und ließ die trabea, die mit Purpur geschmückte toga, über diesem Gewand unberührt in all den komplizierten und altmodischen Falten. Sein Schild erzitterte als er im Takt mit seinen sodalii dagegen schlug, mühte sich seine feierliche Miene selbst dann einzuhalten als er an einer dunkelhäutigen Sklavin vorbei kam.


    Jedem Schritt, den sie dem comitium näher kamen, wuchs auch erneut der Stolz in Marcus Brust. Dieses Mal war er weit weniger aufgeregt als noch vor einigen Monaten, als er das erste Mal die Ehre hatte das Schild des Mars, oder zumindest ein Abbild davon, in seinen Händen zu tragen, damit wissend, das Wohlwollen des Kriegsgottes für die Römer gewinnen zu müssen und zu können. Denn einzig und alleine davon hing auch das Wohl der Legionen, in denen Marcus diente, ab, war Mars mit ihnen, so war ihnen der Sieg gewiss, war er jedoch verärgert, so würden viele gute Männer sterben müssen, in der Schlacht, an den Grenzen zum Land der Barbaren, ob in Germania, Parthia oder Britannia.


    Doch mit der wachsenden Sicherheit um dieses Ritual, genoß Marcus immer mehr von jedem einzelnen Herschlag, jedem Moment, den sie beschritten. Oben ankommen stellte sich Marcus gleich dicht hinter seinem Vetter, es war immer besser einen Verwandten bei sich zu haben. Ob vor oder hinter sich. Erwartungsvoll, ernst und feierlich richtete Marcus seinen Blick zu den anderen salii, derer er das erste Mal in einem gemeinsamen Ritual erleben würde. Die Stille feierlich genießend, hielt Marcus für einen Augenblick den Atem an, ehe der Tanz begann. Sicher und ohne nachzudenken ließ Marcus seine Füße für sich den Tanz verfolgen. Seine Stimme erhob sich dunkel und tief, gaben die Worte von sich, die er zum einen überhaupt nicht verstand und zum anderen hunderte Male üben musste, bis er sie immer und immer wieder singen konnte. Wie in einer beginnenden Schlacht fühlte sich Marcus als sie sich derart gegenüberstanden und schließlich scheinbar gegeneinander in den Kampf traten. Sein Schwert wirbelte im Tanz und im Rhythmus mit dem Dreitakt durch die Luft und schlug auf sein Schild, langsam drehte er sich und verwob sich in das Muster mit den anderen zwölf salii zu dem archaischen Waffentanz.

  • Entgegen der gegnerischen Annahme, die salii collini hätten kaum etwas zu bieten, führte ich meine Gruppe recht selbstsicher und mit dem guten Gewissen, dass sich keiner einen Fehltritt erlauben würde, durch die rasch gebildete Gasse zwischen den zuschauenden Menschen ins comitium hinein. Zuletzt folgten die Bläser, die während des Marsches nicht vom Rhythmus abwichen und ihre Schritte gleichwohl mit jenen der anderen sodales im Takt setzten. Mit wehender Kleidung und Schild wie Schwert stets in einheitlicher Position langten wir also auf dem Platz an. Augenblicklich wurde es still, als Flavius Gracchus und ich uns gegenüber standen, die jeweiligen sodales im Rücken, und sich nurmehr der Stoff sachte im Wind bewegte.


    Mir war gleich, was im Kopf meines Gegenübers vorgehen mochte, wie er diese Situation warhnahm und wie er sie später niederschreiben würde, so er dies denn tat. Was zählte, war, wie der nun beginnende Tanz auf die Zuschauer wirkte, wie perfekt die Schrittfolgen der Männer waren und mit welchem Gefühl er den Tanz absolvierte. Meines setzte sich zusammen aus Stolz und Ehrgeiz, als ich die Stimme erhob und die Männer in meinem Rücken ebenfalls mit einfielen. Die den Tanz begleitenden Gesänge wuchsen zu einem wohlklingenden, tosenden Crescendo an, begleitet von Hornbläsern und den Geräuschen der Schwerter, wenn sie auf die Schilde schlugen. Rings um und herum fielen ehrfürchtig die Menschen Roms leise in die traditionellen salischen Verse ein, Kinder harrten bewegungslos und mit starr auf die Tanzenden gerichteten Blicken aus und weit über uns zoge ein Schwarm Vögel gen Westen über den Himmel.

  • Nachdem die kultischen Sodalitäten ihre Riten beendet und sich am Rand des Opferplatzes aufgereiht hatten, betrat, von Liktoren gesäumt, der Rex Sacrorum den Platz. Seine Toga war so oft gebleicht worden, dass sie weißfarben strahlte und seine bereits ergrauten Haare unter der Togafalte über seinem Kopf dunkler scheinen ließen, als dies der Fall war. Kein Wort war von Nöten, ein Blick des Opferkönigs reichte aus und ein junger Minister des Cultus Deorum trat eilig hervor und reichte ihm den Pinsel aus den Schwanzhaaren eines dem Iuppiter geopferten Ochsen und die silberne Schale mit Wasser. Nachdem der Herold die Menge zum Schweigen aufgefordert und die Tibicines mit ihrem Spiel begonnen hatten, vollführte der Rex Sacrorum bedächtig die rituelle Reinigung der Anwesenden, wusch sich schließlich selbst zum Zeichen seiner Reinheit noch einmal die Hände. Jene Worte der Weihung welche der Opferkönig sprach waren nur in den ersten Reihen der Menge zu vernehmen, doch kaum hatte er sie gesprochen, trat der Herold erneut hervor und wiederholte sie laut, so dass sie bis weit über das Comitium zu vernehmen waren, denn jener Mann hatte nicht umsonst die Stellung des Ersten unter den Herolden des Cultus Deorum. Dennoch waren zudem weitere Herolde in der Menge verteilt, lasen die Worte des Rex Sacrorum von ihren Abschriften ab und trugen somit dafür Sorge, dass auch jene Menschen am Ritus teilhaben konnten, welche weit hinten einen Platz gefunden hatten.


    Der Stier wurde heran geführt, sein Fell war eingerieben mit rotfarbenem Tonstaub aus der Provinz Hispania, in welchen feine, rotgoldene Kupferpartikel untergemischt waren, seine Hörner und die Hufe vergoldet, so dass er wahrlich glänzte. Als das Tier an den im Boden eingelassenen Ringen vor dem Altar angekettet war, strich der Rex Sacroum ihm ein wenig Mola Salsa zwischen die Hörner, goss ihm Wein über Stirn und Nase und nahm ihm die Wollbinden um den Kopf ab. Der Stier schnaubte laut, als die rote Flüssigkeit über seine Nüstern rann, und leckte sich mit seiner Zunge ein wenig Wein von der Nase, was einigen Zuschauern ein leichtes Lachen abrang. Der Rex Sacrorum jedoch fuhr unbeirrt in seinem Tun fort, strich dem Tier mit der Klinge seines Opfermessers über den Rücken und ließ die wollene Decke von einem Minister entfernen. Sein Blick verlor sich in der Ferne, zwischen den gewaltigen Gebäuden, die von Roms Größe kündeten, als der Herold ein blasses Pergament entrollte und mit seiner volltönenden Stimme das traditionelle Opfergebet zum Regifugium verlas, dessen Wortlaut bereits so alt, dass dessen Sinn kaum noch einem Menschen geläufig war. Doch die Worte waren so eindringlich, getränkt mit der Schwere der Jahrhunderte, Jahr um Jahr verlesen durch alle Zeiten, durch Höhen und Tiefen des Imperium Romanum hindurch, während der Ära der Könige, in den Zeiten der Republik und während jeder Herrschaft der Kaiser, dass kaum ein Zuhörer wagte, den Herold durch seine Stimme zu stören, obwohl jener sich ohnehin kaum hätte stören lassen. Die Worte wirkten noch nach, wurden ein Stück weiter auf dem Forum zum flavischen Amphitheater hin gerade erst von den weiteren Herolden beendet, da fragte der Victimarius bereits mit kaum vernehmbarer Stimme, ob das Opfer vollzogen werden soll. Wie bereits zu unzähligen Opfern zuvor, nickte der Rex Sacrorum bedächtig und sprach sein "Age." mit aller Ruhe und Zuversicht der Welt aus.


    Doch in jenem Augenblick der Anweisung des Opferkönigs war die durch das Spiel der Tibicines dahingetragene Ruhe vollends vorüber. In einer fließenden Bewegung schwang der Victimarius den Opferhammer, ein Holzstiel mit einer schweren metallenen Kugel, und ließ ihn auf den Schädel des Stieres herniederfahren, während gleichsam der Cultrarius mit der Axt ausholte, deren Schneide nur einen Augenblick später im Hals des Tieres zu Stecken kam. Der Stier brach in sich zusammen, wobei sein Gewicht die Axt aus den Händen des Cultrarius und mit sich zu Boden riss. Der Diener des Cultus Deorum bückte sich eilig und zog die Schneide aus der Kehle des Tieres, aus welcher bereits reichhaltig tiefrotes Blut floss, gleichsam trat bereits der Victimarius heran und öffnete geschickt mit wenigen Schnitten den Bauchraum des großen Tieres, um die Eingeweide zu entnehmen. Er brachte sie dem Rex Sacrorum zur Begutachtung, welcher die Vitalia augenscheinlich in aller Ruhe betrachtete, sich innerlich jedoch bereits auf den Fortlauf des Ritus vorbereitete. Der Opferkönig blickte zur Menge auf und verkündete die Litatio, die Annahme des Opfers durch die Götter.


    In den ersten Reihen der Zuschauer brach Jubel aus, die Hornbläser der Salii stimmten Triumphklänge an und trugen die Litatio schneller über die Menge hinweg, als dies den Herolden möglich war. Ein Feuer wurde in einer bronzenen Schale auf dem Altar entzündet und der Rex Sacrorum übergab die Vitalia dem Schaffensbereich der Götter mit unverständlich gemurmelten Worten. Kaum war dies getan, raffte er seine Toga ein wenig, hinterließ dabei blutrote Schlieren auf dem makellos weißen Stoff, und trat vom Altar weg zur Menge hin. Gesäumt von seinen Liktoren trat er gemessenen Schrittes zur rituellen Flucht an, welche ihn durch das Velabrum hindurch, über das Forum Boarium hinweg, bis über die Pons Aemilius ins jenseitige Rom, nach Transtiberim führen würde, welches zu Zeit der Könige nicht Bestandteil der Stadt gewesen war. Der laute Jubel der Menge begleitete ihn auf seinem Weg, während sich im Hintergrund des Comitium die Diener des Cultus Deorum daran machten, das Fleisch des Stieres zu zerteilen und zur Verteilung zuzubereiten.



Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!