• Der erste Morgen in Mogontiacum begann für mich mit Sonnenschein, der einerseits durch die Fenster meines Cubiculums drang und sich andererseits auch in meinem Herzen befand. Die Lieder waren noch viel zu schwer, um sie zu öffnen, aber die Gedanken gingen bereits auf Wanderschaft. Sie suchten zielstrebig eine bestimmte Person, die – gleichgültig ob sie Freude bereitete oder Kummer verursachte – seit einiger Zeit immer im Mittelpunkt meiner Gedanken war. Die kummervollen Tage lagen zum Glück hinter mir und so schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, während ich mich an das gestrige Bad erinnerte.


    Es mochte bereits eine halbe Stunde vergangen sein, ehe ich mich dazu entschloss, die kuschelige Decke zurückzuschlagen, die Beine über den Bettrand zu schwingen und mich aufzusetzen. Die morgendliche Luft war kühl, ein Schauer lief mir über den Körper. Für den Moment schaffte eine Palla Abhilfe, bis meine Sklavin erscheinen würde, nach der ich sogleich rief.


    Mein Tagesvorhaben stand bereits fest: Ich wollte das Waldstück, das sich „Garten“ nannte, in eine kultivierte Anlage verwandeln. Dazu musste ich ein Gärtnerunternehmen ausfindig machen, diverse Gewächse ordern, Wege und Plätze planen und mir Pavillons aussuchen, die schnellstmöglich errichtet werden sollten.
    Ich hatte mir vorgenommen, Helena mit einzubeziehen. Es musste ja jemand auf meine ehemalige Cousine aufpassen. Die Beschäftigung mit Blümchen würde ihr sicher gefallen, vermutete ich. Vielleicht sollte ich auch eine separate Fläche einplanen, auf der sie sich mit gleichaltrigen Nachbarkindern treffen und spielen konnte.


    „Aintzane, nach dem Waschen, Ankleiden, Schminken und Frisieren möchte ich unverzüglich das Frühstück einnehmen. Sag Helena Bescheid, dass ich in etwa einer Stunde mit in die Stadt nehmen möchte. Sie möge bis dahin mit allem fertig sein.“

  • Aintzane, die herbeieilte, während diese mit Adlerblick das Gartengelände durchblickte, mochte den Wald. Ihr gefiel dieser missgünstige Blick, mit dem Deandra den Garten durchstreifte, überhaupt nicht. Die Bäume würden alle gefällt werden, die Tiere vertrieben und das Unterholz dem Erdboden gleichgemacht werden, weil es eine Person so wollte! Mit Schrecken stellte sie sich vor, wie die Bäume samt ihren Wurzeln aus dem Boden gezogen würden, ein Inferno voller Dreck und Holzsplitter...
    Die entschlossene Stimme, mit der Deandra ihren Tagesplan zum Besten gab, gefiel ihr ebenfalls nicht. "Nun... wie du willst, meine Herrin." Sie drehte sich kurz um und signalisierte einer hastig vorbeieilenden Sklavin, sie solle das Frühstück zubereiten. Dann wandte sie sich wieder Deandra zu. "Aber, ich meine... was wird mit diesem schönen Naturgarten passieren? Das ist es doch, worüber du denkst. Du willst den Wald einebnen." Sie hatte schon zuviel gesagt! Ihre innere Stimme kreischte sie an, sie solle aufhören, aber sie nahm sich - wieder einmal - kein Blatt vor den Mund, eine Eigenschaft, die noch immer, trotz den Demütigungen der Sklavenschaft, ihre adelige Geburt durchblicken ließ. "Wozu? Warum? Wäre es nicht einmal schön, etwas anderes zu haben? Ich meine, etwas, wo man sich von plebejischen Kleingeistern und Gernegroße abgrenzen könnte?"

  • Ich wartete mit Absicht, bis sich Aintzane dazu entschlossen hatte, Frisur und Einkleiden voranzutreiben, bevor ich antwortete, auch wenn sie gleich zu Beginn ein verwunderter Blick traf. Aus der Schar der zumeist willigen Sklaven der Aurelia und der Claudia stach diese Baskin deutlich heraus. Möglicherweise hatte sie sich mit Camryn verbündet, ging mir durch den Kopf, wendete den Blick ab und ging in Gedanken meine Planung nochmals durch.


    ‚Schöner Naturgarten?’ Ich musste scharf nachdenken. Nein, diese Beschreibung kam mir höchst unpassend vor und so schüttelte ich den Kopf.


    „Ich habe durchaus vor, etwas anderes zu erschaffen als es die umliegenden Grundstücke vorweisen können. Dabei werde ich mich vor Ort inspirieren lassen. Für dich wird auch etwas zu tun sein, möglicherweise höre ich mir sogar den einen oder anderen Ratschlag von dir an. Wir werden sehen. Jetzt aber beeile dich, damit Helena rechtzeitig von meinen Plänen erfährt und sich nicht etwas anderes vornimmt. Am besten, du gibst ihr gleich Bescheid, ich warte dann lieber den Moment hier.“


    Ohne zu zögern griff ich nach einem Kamm und zupfte mir in ungewohnt selbstständiger Weise in den noch offenen Haaren herum.

  • Aintzane selbst war einigermaßen erstaunt, dass ihre Herrin so gelassen reagierte. Wie hätte sie reagiert, wäre ihre Herrin die Sklavin und sie die Herrin gewesen? Irgendwie gefiel ihr diese Vorstellung so gut, dass sie gar nicht mehr ihrer Frage nachging. Mit Mühe unterdrückte sie ein burschikoses Grinsen.
    "Oh. Wie du meinst, Herrin.", sagte sie, wieder die brave Leibessklavin spielend. "Nein, nein, nein! Ich amche das schon!", rief sie aus, als ihre Herrin sich ungelenk durch die Haare fuhr. Da kam es ihr in den Sinn, dass sie noch Helena benachrichtigen musste.
    "Warte kurz, Herrin! Ich benachrichtige Helena, dass du sie in die Stadt mitnehmen willst. Dann richte ich dir die Haare, solange macht das... macht das... machst du das!", rief sie und deutete auf eine weitere Sklavin, die ihr vor die Augen rannte. "Kannst du bitte die Haare der Herrin herzurichten beginnen, bis ich wieder da bin? Es dauert nicht lange. Danke!", meinte sie, ohne die Meinung der Sklavin erst abzuwarten, und ging ab.

  • Während Aintzanes Abwesenheit reifte in mir ein Entschluss, den ich prompt umsetzen wollte. Zeit war genug, wer weiß, wann Helena auftauchen würde, sie schlief immer ziemlich lange.
    Statt die Zupfversuche der Ersatzsklavin zu ertragen, schickte ich sie im Bad herum, damit sie mir diverse Bleichmittel zusammensuchte. Ich betrachtete mein Spiegelbild in dem polierten Metall, wendete ab und zu den Kopf und strich mir durch das schwarze Haar. Seit ich in Germania weilte, fand ich es langweilig, denn hier traf man vermehrt helle Haartypen in den unterschiedlichsten Abstufungen. Dunkle Haare besaß jede zweite Römerin, das war nun wirklich nichts Außergewöhnliches mehr, auch wenn es gerade in diesem Landstrich effektvoll erschien.


    Endlich kam Aintzane zurück und ich drehte mich ihr rasch zu.


    "Aintzane, ich möchte mein Haar verändern und zwar sofort. Es soll heller werden. Ich hoffe, du kennst dich mit derlei Dingen aus und du beginnst am besten sofort, damit die Gartenplanung nicht in Verzug kommt."


    Ich setzte mich zurecht und wartete darauf, dass meine Sklavin mit der Einfärbeprozedur begann.

  • Als Aintzane zurückkam, sah sie, dass ihre Herrin die andere Sklavin schon längst weggeschickt hatte.
    "Heller färben? Ich meine... also..." Nun gut, wieso nicht? Es war nicht ihr Haar, und sie hatte wahrhaftig keine Lust, zur Haute-Couture-Beraterin einer Römerin zu werden. Ihr eigenes dunkles Haar würde sie nie umfärben wollen. Sie nickte schnell, etwas hastig, ging zum Schminkkasten hin, der dort schon eine Weile herumstand, und holte ein paar Haarfärbemittel hervor. Henna? Nein, Deandra wollte sicher kein rotes Haar. Bleichmittel? Sie schluckte. Konnte man das verwenden?
    Etwas hilflos blickte sie die Tinktur an. Sie versuchte sich krampfhaft an eine Begebenheit zu erinnern, wo sie schon einmal Haare gefärbt hatte. Fehlanzeige.
    Also nahm sie eines, wo irgendetwas von blond draufstand. Hoffentlich war das das Richtige... bei den Göttern, hoffentlich.
    Nebenan stand ein Kessel mit schon vorerwärmtem Wasser. Gut, dass daran gedacht worden war. So wie sie glaubte, war es die andere Sklavin gewesen.
    Sie stellte den Kessel direkt hinter Deandra auf und schüttete das Mittel hinein. Mutter Mari, hilf, rief sie innerlich.
    Tatsächlich schäumte es ein bisschen, das Wasser bekam einen gelblichen Stich.
    Sie umfasste ganz vorsichtig Deandras Kopf. "Zurückbeugen... aufpassen, Herrin!"

  • Ich hoffte, dass Aintzane wusste, was sie tat, beugte den Kopf zurück und schloss zur Sicherheit die Augen. Der aufsteigende Geruch war jedenfalls nicht geeignet, mich zu beruhigen. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf, denn ich sogleich äußerte:


    “Am besten, du trägst es nicht komplett auf, sondern machst zur Probe einige Haarsträhnen. Wenn es schief geht, dann ist wenigstens nicht alles verdorben. Wenn es schön ist, kommen in ein paar Tagen die nächsten Strähnen dran.“


    Innerlich beruhigt lehnte ich mich zurück und ließ die Behandlung relativ entspannt über mich ergehen. Zwar verzog ich die Brauen, wenn mich Aintzane ziepte, denn das mochte ich auch sonst nicht leiden, aber ansonsten sah ich der Veränderung gespannt entgegen. Je länger ich jedoch warten musste, umso nervöser wurde ich. Unruhig rutschte ich auf dem Stuhl hin und her, bis ich der Anspannung Luft machte.


    „Wann bist du fertig? Kann ich schon was sehen?“

  • Sie hatte eine Strähne, die sie aus der Mitte von Deandras Haarwusch hatte, gefasst, und tauchte sie ins Bad hinein. Es brodelte. Dies würde diverse ästhetische römische Anspruche beileibe nicht erfüllen, und Aintzane war froh, dass Deandra das nicht sehen musste. Der Geruch erinnerte sie im Übrigen an Kuhfladen. Ein entferntes Gefühl von Heimat stieg in ihr auf.
    "Achtung...", machte sie mit zusammengebissenem Mund und hob die Haare heraus.
    Sie hätte einen Sprung in die Luft machen können. Dem Haar konnte man noch deutlich seine natürliche Farbe ansehen, nichtsdestotrotz sah man einen eindeutigen blonden Stich.
    "Es funktioniert!", rief sie aufgeregt aus. Die Aufregung kam nicht daher, dass die Haare von Deandra nun ihre Haare wechseln würden, sondern daher, dass sie die richtige Farbe gefunden hatte. "Sieh!" Sie kramte einen Spiegel hervor und hielt ihn Deandra vor die Nase.

  • Das Wort "Achtung" ließ mich zusammenschrecken. Ich hielt die Luft an, versuchte den Schreck aus dem Gesicht loszuwerden und saß kerzengerade auf meinem Stuhl. Endlich kam die Entwarnung: Aintzane rief aus, dass es funktionierte. Die Spannung wuchs und so verfolgte ich ihre Suche nach einem Spiegel mit den Augen, nahm ihn schließlich selbst in die Hand und drehte den Kopf hin und her.


    "Es ist etwas heller, ja. Aber vielleicht müssen die Haare noch trocknen, damit ich das Endergebnis betrachten kann, oder?"


    Sicher war ich mir nicht, meine schwarzen Haare sahen stets gleich aus - egal ob nass oder trocken, aber feuchter Stoff von heller Farbe veränderte sich im nassen Zustand, das wusste ich.


    "Ich kann mich nicht von hinten sehen. Sieht es dort gleichmäßig aus? Hast du mal noch einen zweiten Spiegel? Dann könntest du einen halten und ich hantiere mit dem anderen."


    Von vorn war es schon mal ganz hübsch, auch wenn es tatsächlich fürchterlich stank. Ich fühlte über das noch feuchte Haar, um zu prüfen, ob es sich noch genauso anfühlte wie zuvor. Hoffentlich blieben auch alle Haare auf dem Kopf und fielen nicht irgendwann aus. DAS wäre dann fatal, ich mochte gar nicht daran denken, daher lenkte ich mich schnell ab. Ich dachte an Marc und sein Gesicht. Ob er mich überhaupt erkennen würde? Tja, und ob es ihm gefiel? Abwarten, sagte ich mir und sah zunächst der Betrachtung meiner Rückansicht gespannt entgegen.

  • Ein zweiter Spiegel? Aintzane tastete in den Schminkkasten hinein und fummelte unbeholfen einen zweiten Spiegel heraus, während sie voll Sorgfalt die Gesichtszüge Deandras studierte. Sie war augenscheinlich zufrieden.
    Sie hielt Deandra den Spiegel an den Hinterkopf. Es sah eigentlich ziemlich gut und vielversprechend aus.
    "Ich denke, die Haare müssen noch vollständig trocknen, bevor die Haarfarbe sichtbar wird. Ich denke, es wird sehr hell sein, die Tinktur hier war wohl recht stark." Sie überlegte und schaute das Haar ihrer Herrin an. "Es wird rötlich-blond oder so ähnlich werden. Ich bin mir sicher, damit wirst du ziemlich germanisch aussehen.", zog sie ihre Schlussfolgerung, zufrieden mit sich selbst.
    Währenddessen hoffte, betete sie, dass sich ihre Prophezeihungen bewahrheiten werden würden. Was, wenn das Haar abfiele oder eine scheußliche Farbe hätte? Die Folgen wären für sie unabsehbar. Zum wiederholten Male rührte sie mit einem hölzernen Stecken in ihrem Sud herum. Wenn das nur gut ginge.

  • Ich betrachtete ausführlich die Rückansicht meines Kopfes und musterte den durchaus erkennbaren Farbunterschied der Haare. Es war vernünftig gewesen, zunächst nur Strähnen zu bleichen, um die Wirkung zu erproben und bei einem missglückten Versuch nicht vollkommen daneben auszusehen. Als Aintzane meinen Gedanken bestätigte, dass die Endfarbe erst nach der Trocknung der Haare erkennen sein würde, nickte ich.


    „Dann sieh mal zu, dass sie möglichst trocknen.“


    Meine Sklavin würde sich etwas einfallen lassen müssen, denn mit nassem Haar konnte ich unmöglich in den Garten gehen. Entweder gab es dadurch Haarausfall oder eine saftige Erkältung. Außerdem wollte ich möglichst umgehend das Endergebnis der Bleichaktion sehen und zwar in meinem Cubiculum und noch bevor mich andere zu sehen bekommen würden. Mein Blick forderte Aintzane auf, zu handeln.

  • Ach, hätte es in der Antike doch schon elektrische Föne gegeben! Aber ohne diese nicht nutzlosen Maschinchen war Aintzane nun ziemlich hilflos. Was sollte sie tun? Sollte sie zu Vater Sugaar beten, dass er die Haare Deandras trocknen möge? Oder sollte sie ein Handtuch nehmen und die Haare abrubbeln? Äußerst unklug. Das könnte dazu führen, dass der Herrin die Haare zu Berge stehen würden.
    Da fiel ihr etwas ein. Die Lockenwickler! Neben dem Schminkkasten - schön, dass alles schon bereitsteht - lag ein kleiner herdartiger Ofen, in dem die zwei Lockenwickler aufgeheizt wurden.
    Sie nahm die beiden heraus und fuhr damit knapp über Deandras haar in der Luft herum.
    Tatsächlich half es ein bisschen, die Haare sahen schon in Kürze matter und trockener aus. Sie musste nur aufpassen, dass sie nichts verbrannte.
    In der Zwischenzeit hoffte Aintzane, dass Deandra kein Kreischen des Entsetzens entfahren würde, wenn sie herausbekam, mit welchen unorthodoxen Mitteln da Aintzane ihre Haare trocknete.

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