Den Gedanken nachhängen

  • "Wahrscheinlich solltest du das.. aber nicht alleine.", verkündete ich mit einer Sicherheit, die mir heute noch nicht in der Stimme untergekommen war. Ihre Hand war warm gewesen und die Haut so zart, ganz im Gegensatz zu meinen Händen. Ich wollte sie nicht zurückgehen lassen. Ich wollte sie irgendwohin mitnehmen, damit ihr nichts passieren konnte, damit ich sie halten konnte... Scato! Du hast nicht einmal eine Bleibe, wie stellst du dir das vor, du verdammter Narr?


    "Ich werde dich begleiten, wenn du zurück möchtest, liebliche Narzisse. Ich kann dich ein wenig beschützen. Und deinen Cousin sollten wir nicht zu sehr verärgern. Doch.. auch wenn es mir schwer fällt, dich wieder von mir gehen zu lassen, musst du wissen, dass ich mir erlauben werde, von einem Kuss von dir zu träumen - und dich in den Armen zu halten."
    Oh du Hund, hast du das irgendwo gelesen? Das war so schnulzig, da würde sogar Ovid sich winden. Aber es kam von Herzen, eh?

  • Ihr war eindeutig wohl bei dem Gedanken, dass er es war, der sie heimführen würde. Sie könnte zurück nach Hause gehen und dort würde Montanus auf sie warten. Sie würde sich dafür entschuldigen, dass sie sich so lächerlich benommen hatte und versucht hatte wegzulaufen. Und dann würde es hoffentlich eine schöne Versöhnung geben. ... Von mehr musste Montanus ja nicht unbedingt wissen.


    Schließlich sprach er weiter und diese Worte trieben nun doch das Blut in Narcissas Gesicht, sodass ihre Wangen leicht rot anliefen. So etwas hatte ihr noch nie jemand gesagt... dass er von ihr träumte. Von einem Kuss und einer Umarmung... sie erzitterte schon beim Gedanken daran. Doch war es kein Zittern vor Angst, nein, es war etwas anderes, unbekanntes, das sie nicht beim Namen nennen konnte. Ein angenehmes warmes Kribbeln in der Bauchgegend, als sie sich vorstellte, wie er seine Lippen auf die ihren legen mochte...


    Doch sie brachte keinen Ton heraus, sondern sah ihn nur mit leicht geöffneten Lippen und immernoch etwas schockiert an. Doch war ihr auch anzusehen, dass ihr der Gedanke nicht unangenehm war... wenn auch noch unbekannt und neu.

  • Montanus ging halb, halb stolperte er die Säulen entlang und hielt nach einer einzelnen Gestalt Ausschau. Er hatte schon einen großen Teil der Tempelanlagen durchquert, als er plötzlich zwei Gestalten erkannte, die neben einander saßen. Zuerst wollte er gleich den Blick wieder abwenden, Narcissa war ja schließlich alleine, doch grade als er den Kopf drehte, erkannte er seine Cousine.
    Schwer lies er sich gegen die Säule neben sich sacken und rutschte an dieser herunter, als er die andere Gestalt erkannte. Auf die Entfernung war es nicht leicht zu sagen, aber er war sich ziemlich sicher, dass es dieser Scato war.
    "Oh ihr Götter, musste das sein?", murmelte er und lies sich komplett zu Boden sinken. Er legte zog die Beine etwas an, legte die Arme darauf und Bettete den Kopf auf die Unterarme. "Ich hätte daheim warten sollen", murmelte er und blieb sitzen wo er war. Das wollte er gar nicht sehen. Nein, er würde so tun, als hätte er es nicht gesehen, oder? er hob den Kopf ein Stück und schielte zu den beiden herüber.
    Was hatte er verbrochen, dass ihn die Götter so straften?

  • Hier, an einem solchen Ort, so etwas zu tun, das erinnerte mich fast schon ein wenig an die Tempelhuren. Doch was sollte ich machen? Gebannt von ihren roten Lippen, rutschte ich etwas näher. Sie war so still, es klang wie ein stummes "Küss mich, du Idiot." Dazu die leicht geöffneten Lippen, sie sah so wunderbar hinreißend aus. Und die roten Wangen, die davon zeugten, wie unschuldig dieses Mädchen doch noch war. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte, also blieb ich ebenso still, während ich näher rutschend die wenigen Fingerbreiten überwand, die sie und mich noch trennten. Ich war so nervös wie eine verdammte Jungfrau vor dem verfluchten ersten Kuss. Ich war doch sonst nie so zurückhaltend gewesen? Lucillas Fleisch hatte erbebt, als ich das letzte Mal über sie kam. Also - die Frau des Duumvirs, nicht mein Muli.


    Nachdenklich sog ich die Luft durch meine Nase ein, während ich mich ihr langsam näherte. Ich hatte hier eine Gestalt huschen bemerkt, doch dies konnte auch ein perverser Tempeldiener sein, der sich an uns ergötzen wollte. Was ihr Cousin sagen würde? Es war mir so egal. Dies alles passierte nur in so wenigen Sekunden, doch sie waren allesamt so quälend langsam, als könnte ich die Sandkörner einer Sanduhr rieseln hören. Schließlich legte ich meine Hand ganz vorsichtig an ihr Kinn, hob ihren Kopf sanft an und suchte sie zu küssen, als wäre es das erste Mal.

  • Sie war immernoch damit beschäftigt an seine Worte zu denken und dabei in seinen Augen zu versinken. Ja, diese dunklen Augen gefielen ihr wirklich und außerdem erwiderte er ihren Blick. So gebannt bemerkte sie auch das nahe Huschen und Wispern ihres Cousins nicht, das sie vielleicht noch vor diesem Unglück bewahren würde. Nein, in Gedanken war sie schon wo anders.


    Die Momente vergingen so schnell, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte, selbst wenn sie gewollt hätte. Plötzlich fühlte sie seine Hand an ihrem Kinn und spürte schon, wie ihr Kopf sich dem seinen entgegenhob. Und endlich war es soweit. Seine Lippen lagen auf den ihren und verschlossen sie zu ihrem ersten Kuss. Dieses Gefühl kam einem kleinen Feuerwerk gleich, nur dass es sich in voller Länge innerhalb ihres Magens abspielte.


    Leider dauerte dieser bestimmte Moment auch nur wenige Sekunden und die beiden Gesichter trennten sich langsam wieder voneinander und Narcissa öffnete die Augen wieder. Unwissentlich hatten ihre Lider sich über die Augen gelegt, sobald er ihr nahe genug gewesen war. Und nun schaute sie ihn wieder an. Der Blick war schwer zu deuten, aber sie schien angenehm überrascht. Sie fragte sich auch, ob sie ihren Cousins nun etwas voraus hatte, denn sie hatte keinen der beiden je mit einer Frau gesehen.

  • Süßer als Nektar und Ambrosia zusammen schmeckte dieser Kuss dieser so warmen und weichen Lippen, als ich ihn kostete. Und auch wenn er nicht besonders inbrünstig, impulsiv oder leidenschaftlich gewesen war, so sah ich mit halb gesenkten Lidern in die Augen, den Kuss noch immer nachschmeckend. Ich versuchte in ihren Augen zu erblicken, was ich sagen sollte, doch konnte ich es nicht deuten.


    "Bitte verzeih...", begann ich und senkte den Blick etwas, um verlegen zu lächeln, "es kam über mich. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht.. böse? Wir sollten vielleicht langsam aufbrechen..."
    Meine Stimme war nur ein Flüstern und es fühlte sich an, als hätte diese süße blonde Narzisse mich doch tatsächlich dazu gebracht, zum Schweigen zu kommen.

  • Irgendwie hatte er es geahnt, dass das kommen würde. So wie die beiden sich angesehen hatten, das musste ja fast so kommen... Montanus vergrub wieder den Kopf in den Armen und überlegte, was er tun sollte.
    Wenigstens war es doch ein recht keuscher Kuss gewesen, aber so weiter machen lassen, das konnte er sie nicht. Schwerfällig rappelte er sich wieder hoch, trat aus dem Schatten der Säule heraus und ging zu den beiden hinüber.
    Wie eine stumme Gewitterwolke stand er plötzlich vor ihnen und sah müde und mit trüben Blick auf Narcissa herunter. Scato ignorierte er vollkommen, denn er hatte das Gefühl, sollte er ihn auch nur eine Sekunde zu lange ansehen hätte er zuschlagen müssen.
    Nun streckte er nur die Hand aus, grade so als wollte er Narcissa hoch helfen, was er auch wirklich tun wollte, und meinte trocken: "Komm mit!"
    In der einbrechenden Dunkelheit konnte man es nicht mehr richtig erkennen, aber ihm perlte der Schweiß von der Stirn und er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen um ruhig und grade dazustehen.

  • "Du musst dich nicht entschuldigen...", flüsterte sie zurück und war dabei noch immer ziemlich in seinem Anblick versunken. Ja, anscheinend hatte es sie wirklich erwischt. "Ich bin dir nicht böse...", hauchte sie weiter und bemerkte dann langsam einen sich neben ihr aufbauenden Schatten.


    Bevor sie noch etwas sagen konnte, erkannte sie, dass es ihr Cousin war, der sich drohend neben ihr aufbaute. Er hatte sie also doch gefunden. Bei den Göttern! Jetzt würde er sie zum Scharfrichter führen! Ängstlich sog sie die Luft ein und beugte sich in die entgegengesetzte Richtung, weg von ihrem Cousin. Der würde sicherlich innerlich toben. Wie lange war er schon hier? Hatte er sie etwa beobachtet?


    Verzweifelt schüttelte sie nur den Kopf, als er sie aufforderte mitzukommen. Sie würde sich doch nun nicht noch den Strick um den Hals legen lassen. "Nein... ", flüsterte sie, den Tränen schon wieder nachgebend. "Montanus..." Mehr als den Namen ihres Cousins brachte sie nicht heraus, denn der Kloß in ihrem Hals verfestigte sich langsam und fühlte sich an wie ein Steinchen, das da quer stecken geblieben war und sie an allem möglichen hinderte.

  • "Sprich nicht so mit ihr...", sagte ich und konnte nicht fassen, dass das wirklich aus meiner Kehle kam. Er war aufdringlich - und begann mich zu ärgern. Sehr überrascht hatte es mich nicht wirklich, doch nun baute ich mich vor ihm auf, das Kinn entgegen reckend.


    "Hör zu. Du bist nicht ihr Vater. Du wirst sie mit Respekt behandeln, ebenso wie ich dies tue. Du wirst ihr ihre Entscheidung lassen, wenn sie nicht unter deiner Patria potestas steht. Haben wir uns.. verstanden?" Meine Stimme war leise, aber unglaublich selbstsicher. Und wäre es nicht ihr Cousin gewesen, wäre ich mir sooo tot vorgekommen. Aber es wurde an der Zeit, etwas offensiver zu werden und nicht ständig in der Defensive zu duckmäusern.

  • Er sah, wie Narcissa zurück wich und hörte Scato aufbegehren. Langsam drehte Montanus sich zu diesem und seine Augen verdunkelten sich.
    Nach außen hin scheinbar ruhig hörte er sich an, was Scato so wichtiges zu sagen hatte und starrte ihn schon dabei in Grund und Boden. Als er dann den Mund aufmachte um zu antworten musste Scato der Geruch nach Wein in die Nase steigen und auch seine Worte kamen nicht ganz so klar heraus, wie Montanus sie gerne gehabt hätte. Doch sie waren noch gut verständlich und mit einer Eindringlichkeit gesprochen, die ihres Gleichen suchte:
    "Ihr Vater ist tot, ihre Brüder nicht hier. Ihre Sicherheit, in jedem Sinne, obliegt meinem Bruder Fundulus und mir. Ich werde sie jetzt nach Hause bringen, denn nur deshalb bin ich ihr hierher gefolgt. Du wirst jetzt zur Seite gehen und deinen Mund halten, hast du das verstanden?"
    Wieder streckte er die Hand nach Narcissa aus und sprach, die Worte sorgfältig im Kopf vorformulierend: "Steh auf und komm mit!"

  • Unsicher blieb sie sitzen und sah vom einen zum anderen, immer abwechselnd. Sie wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte und sah ihnen gebannt zu.


    Am liebsten wäre sie nicht hier gewesen, sondern hätte heute den ganzen Tag zu Hause verbracht, dann hätte sie jetzt nicht so viel Ärger und später nicht so viel Sehnsucht und Unglück. Aber andererseits hätte sie diese wenigen Momente, die gerade vergangen waren, nicht missen wollen. Von daher wusste sie wirklich nicht, was sie sagen solllte.


    Montanus hatte letzten Endes Recht. Es war seine und Fundulus' Aufgabe sich um sie zu kümmern. Die beiden gaben ihre letzten Sesterzen für sie aus und sie dankte es ihnen mit Ungehorsam. Zumindest heute. Das hatten die beiden nicht verdient. Und außerdem hatte es ja keinen Sinn, so wie jetzt bei Nacht und Nebel hier im Verborgenen herum zu sitzen. Eine Schande war es.


    Langsam stand sie auf und senkte den Blick. Die Hand wollte sie Montanus nicht reichen, davor hatte sie noch zu viel Angst. Aber er hatte Recht, früher oder später würde sie mitkommen müssen, wenn sie ihr zu Hause nicht verlieren wollte. Doch kam sie nicht umhin Scato einen sehnsüchtigen Blick zuzuwerfen.

  • "Sie mag mit dir gehen. Aber merke dir - du wirst kein glückliches Leben haben, sollte ich bemerken, dass du sie.. zuviel beschützt, als gut für sie ist."
    Aus unerfindlichen Gründen musste ich lächeln. Wahrscheinlich war es deswegen, weil ich schon einen Plan hatte und ihn für gut befand. Für außergewöhnlich genug sogar, auch wenn ich dafür ein bis zwei Gefallen einlösen würde müssen. Ich hab die Hand leicht an und warf Narcissa ein offenes Lächeln zu, ehe ich die Arme auf dem Rücken verschränkte und still stehen blieb. Der Wein und sein Mundgeruch waren nämlich wirklich grässlich.

  • Für eine richtige Antwort hätte er nachdenken müssen, doch das verweigerte sei Gehirn grade und so brummte er nur und wandte sich brüsk ab. Die Hand, die er Narcissa hatte reichen wollen und die sie ausgeschlagen hatte, ballte er zur Faust.
    "Narcissa?", das Wort kam fast fragend über seine Lippen und Montanus sah seine Cousine nicht an, während er sprach. "Lass uns gehen." Und er setzte sich einfach in Bewegung. Sie würde schon kommen, dessen war er sich sicher. Nur, wie er selbst es wieder heim schaffen sollte, davon hatte er keine Ahnung. Das würde der schlimmste Gang seines Lebens werden.
    Nach einigen Schritten sah er sich über die Schulter nach Narcissa um.

  • Glücklicherweise konnte sie die geballte Faust ihres Cousins nicht sehen, wahrscheinlich wäre sie Scato sonst sofort vor Angst auf den Arm gehopst.


    So blieb es bei einem schmachtenden Blick, den sie Scato zuwarf, gleichzeitig entschuldigend. Sie fühlte sich wie ein Kalb, das jetzt hinter dem Metzger her zur Schlachtbank gehen musste. Ohne weitere Worte folgte sie ihm mit gesenktem Haupt. Ihr Cousin roch fürchterlich. Hoffentlich hatte er sich noch unter Kontrolle, sobald sie zu Hause waren...

  • Für Montanus wurde es zu einem Gewaltmarsch und er sah sich kein weiteres Mal nach Narcissa um. er war viel zu sehr damit beschäftigt einen Fuß vor den anderen zu setzten und nicht dem immer stärker werdenden Drang nachzugeben, sich einfach so auf den Boden fallen zu lassen und dort zu schlafen.
    Der Schweiß lief ihm über das Gesicht und er fuhr sich immer wieder mit dem Unterarm über Stirn, Augen und Mund.
    Eigentlich dauerte es gar nicht mal so lange, aber für Montanus kam es wie eine Ewigkeit vor. Dann waren sie endlich am Haus angekommen.

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