Ein lautes Muhen durchbrach die morgendliche Stille. Zwei kräftige Männer zerrten an einem Strick einen bockigen und sehr gereizten Ochsen mit sich. Seine braunrote Mähne schüttelte sich immer wieder, als er sich gegen den Strick und das Ziehen der beiden Sklaven erwehren wollten. Wütend schimpfte einer der Sklaven leise vor sich hin und als der Bulle mit seinen Hufen nach ihm ausschlagen wollte, machte er nur im letzten Moment einen Satz zu Seite und fluchte aus tiefster Seele:
„belua!!“
- „He, pack mal wieder mit an! Sonst entwischt der uns noch!“
Schließlich schafften es die beiden Männer gemeinsam den Stier bis zu der passenden centuria zu bringen. Einer der Männer band das Ungetier an einem Pfosten fest und der Andere trat derweil in die Mannschaftsunterkunft, ließ sich von einem Soldaten bis zur Unterkunft des centurio geleiten, der einen Augenblick später mit dem Mann im Schlepptau nach draußen trat. Marcus Flavius Aristides blieb vor dem Stier stehen und hob- in flavischer Manier- langsam seine Augenbraue, wölbte sie überrascht nach oben, während er ausgiebig den Stier musterte.
„Das ist er?“
Der Mann neben dem Tier nickte eifrig.
„Jawohl, dominus. Eigenhändig von eurem Sohn und eurem Vetter ausgesucht, sozusagen zertifiziert von einem flavischen Priester. Der cursus publicus hat sich auch große Mühe gegeben, diesen hier heil abzuliefern und ich sage euch, das war keine einfache Aufgabe. Das Tier, wahrhaftig vom einem kriegerischen Geist erfüllt, hat sich den ganzen Weg heftig erwehrt.“
Marcus nickte bei der ganzen Anpreisung und zuckte mit der Schulter. Wenn Gracchus dies so empfohlen hatte, sogar noch mit der Hilfe seines kleinen Sohnes ausgesucht, dann konnte der Stier- Marcus spähte kurz und revidierte seine Meinung- Ochse für das Opfer taugen. Der Sklave des CP reichte Marcus einen Brief und nachdem Marcus ihnen ein ordentliches Trinkgeld ausgehändigt hatte, machten sich die beiden Männer eilig von dannen. Marcus öffnete die Notiz und erkannte gleich die Schrift von seinem Vetter wieder, beginnend mit jener erhebenden Begrüßung, jener eloquenten Wortwahl, derer nur Gracchus in der Lage war: Heil Dir, Bewahrer des römischen Friedens und Vetter in der Ferne! Ein breites Lächeln erschien auf Marcus Gesicht als er die- doch schon leserlichere als die seinige- Handschrift seines Sohnes zwischendrin ausmachen konnte. Einige Soldaten strömten nach draußen und besahen sich verwundert das wartende Tier. Marcus wandte sich an zwei Soldaten.
„Ruprius, Satrius, bringt den Ochsen in den Stall. Und kümmert euch darum, daß ihm die Haare gekürzt werden. Ich komme später noch mal vorbei, damit er hergerichtet wird.“
Die beiden Soldaten nickten und traten mit einem gehörigen Respekt vor den Ochsen. Gerade wollte sich Marcus abwenden als er stutzte, verdattert drehte sich Marcus zu dem Ochsen um, der in jenem Augenblick den Kopf von ihm abwandte, aber Marcus hatte es eindeutig gesehen!
„Hat der mir die Zunge rausgestreckt?“
So formulierte Marcus unbedacht seinen Gedanken aus, einer der Soldaten bemühte sich ein Prusten zu unterdrücken. Kopfschüttelnd wandte sich Marcus um und ging in die Mannschaftsunterkunft zurück. Hinter ihm brandete das Lachen der beiden Soldaten auf, da der Ochse abermals Marcus die Zunge entgegen streckte, als dieser ihm den Rücken zugewandt hatte.
[Blockierte Grafik: http://img252.imageshack.us/img252/8716/ochsefrmarsal3.jpg] | Das willenlose Opfer oder ein dreister Ochse?
„optio!“
, rief Marcus etwas verwirrt von dem Ochsen in der Mannschaftsunterkunft. Suchend sah er sich nach Priscus in der Mannschaftsunterkunft um.